Seitdem aus Harry Lord Potter geworden war, brauchte er wesentlich weniger Schlaf. In der Regel kam er mit drei oder vier Stunden gut aus. Dieses mehr an Zeit fand er ziemlich nützlich und nutzte er gerne. So konnte er jetzt mal wieder eine Partie Schach mit Ron spielen, die mit einem Remis endete. „Du warst gut, Harry.“, sagte Ron müde. „Ich gehe zu Bett.“ Lord Potter nickte:“ Ja, klar. Heute Morgen bin ich nicht da. Ich habe etwas bei Gringotts zu erledigen.“ Ron blieb allein vor dem Schachbrett zurück und warf einen letzten Blick auf die Figuren.
Er hatte noch nie darüber nachgedacht, ob der Satz: „Nur ein Dunkler Lord kann einen Dunklen Lord besiegen“, sich auch auf das Spiel bezog. Für sich selbst konnte er ausschließen, ein Dunkler Lord zu sein. Nur ein Dunkler Lord kann einen Dunklen Lord besiegen, dachte er noch einmal und schlief auf der breiten weichen Couch im früheren Gemeinschaftsraum des Gryffindorturms ein.
Im Leben werden Partien nie so unstrittig gewonnen wie im Spiel, dachte der Dunkle Lord, während erfrischend kühles Wasser über seinen Körper rann. Er zog sich an und trank einen Kaffee. Sein schlichter, eleganter Gehrock entsprach der aktuellen Mode. Er war schwarz mit silbernen Applikationen und passte sehr gut zu den schwarzen Lederhosen, sowie den hohen Stiefel, die über der Wade geschnürt wurden. Potter legte durchaus Wert standesgemäße Kleidung in der Öffentlichkeit.
Snape kam selbstverständlich pünktlich. Er schien nie etwas anderes zu tragen, als zu seiner Zeit in Hogwarts. Manche Dinge änderten sich einfach nicht. „Mylord Potter, wollen wir?“, fragte der Tränkemeister. „Wir nehmen den Portschlüssel. Einen Moment noch.“, antwortete Potter. Er legte sich einem breiten goldenen Armreifen an, der einen schwarz gravierten Pen-Dragon trug. Der Pen-Dragon schlang seinem mächtigen Schweif schützend um Britannien. Das Zeichen, das seit Uther für die Ehe mit dem Land stand, konnte nun von jedem gesehen werden. Snape bemerkte es, schwieg jedoch dazu. Er hatte nicht erwartet, dass der Dunkle Herr tatsächlich soweit gehen würde, die Ehe mit dem Land zu wählen.
Es zwang ihm Respekt ab, dass Potter scheinbar bereit war, den Weg zu Ende zu gehen. Seit Ravenclaw, Slytherin und Gryffindor hatte es keine offizielle Triade mehr gegeben. Keiner der Dunklen Herrn war mehr bereit gewesen, wie Gryffindor sein Leben und Sterben Britannien zu weihen. Allerdings hatten alle Dunkle Herrn, wenn sie nicht wahnsinnig geworden waren, versucht ihre Triade zu bilden und zu stärken. Kaum einer von ihnen hatte je verstanden, dass Triade Dunkle Hingabe bedeutete und in der Demut des Dunklen Herrn ihre Vollendung fand.
Sie erreichten die Winkelgasse um kurz nach neun Uhr. Wenige Minuten später standen sie in der Schalterhalle von Gringotts. Severus Snape mochte Kobolde nicht, aber das spielte jetzt keine Rolle. Wie immer wenn Lord Potter irgendwo persönlich auftauchte, machte man ihm Platz. Die Dunklen Magier und Hexen verbeugten sich ehrfürchtig. Seine Lordschaft legte auf diese Förmlichkeiten großen Wert. Griphook der Kobold sah von seinem erhöhten Platz aus auf die Ankömmlinge hinab. Er missbilligte diesen Auftritt, obwohl Lord Potter auf seine Ehrengarde verzichtet hatte. Selbstverständlich stellte sich Lord Potter nicht an, man ließ ihn ohne weiteres vor.
„Ich möchte in das Hochsicherheitsverlies Nummer 78593.“, sagte Lord Potter sachlich. „Das Verlies gehört der Familie Malfoy. Gringotts bewahrt das Bankgeheimnis und ist gemäß dem 28. Zusatz der ersten Verhandlungsrunde unabhängig.“, erwiderte Griphook souveräner, als er sich fühlte. Severus Snape seufzte innerlich und dachte einen kleinen Cruciatus.
„Erstens sind die Malfoys Eigentum des Dunklen Herrn, damit ist jeglicher Besitz und Eigentum der Familie an ihn übergegangen. Kein Mitglied der Familie wird durch das Konkordat geschützt. Zweitens sind Kobolde von Natur aus dunkle Wesen und unterliegen so der uneingeschränkten Kontrolle des Dunkle Herrn. Drittens ist die Unabhängigkeit von Gringotts nur eine Formalität, die jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen widerrufen werden kann. 31. Zusatz der ersten Verhandlungsrunde.“, erwiderte Snape brav und leicht gereizt zugleich. Griphook spürte den kühlen Blick des Dunklen Lords auf sich. Die anderen Kunden beobachteten das Schauspiel interessiert. Der Kobold blieb äußerlich ruhig: „Dann muss ich den Eigentumsnachweis über die Familie Malfoy von Lord Potter sehen.“ Potter lächelte überraschend freundlich und legte einige Papiere des Ministeriums auf den Tresen. „Selbstverständlich. Hier bitte.“
Ein Kobold brachte tief nach unten und Potter öffnete das Verlies mit einer leichten Berührung seines Zauberstabes. Der Kobold erblasste bis unter die Ohren. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass der Dunkle Herr das Verlies so leicht selbst öffnen konnte. „Es wird etwas dauern,“ sagte Potter zum ihm. Das Geheimarchiv umfasste scheinbar hunderte von Pergamenten und tausende Aufzeichnungen aus der gesamten Familiengeschichte der Malfoys und Blacks.
„Wonach suchen wir, Mylord?“, fragte Snape ruhig. Es gab sicher eine Systematik nach der man vorgehen konnte. „Wir suchen einen Prinzen.“, sagte Lord Potter vieldeutig. „Einen Prinzen, Mylord?“, staunte Snape dann doch. „Das sagte ich doch. Mich interessieren die Hogwarts-Jahrbücher von 1894 – 1902.“ Wenn Snape wirklich sinnvoll suchen wollte, brauchte er mehr Informationen. „Weshalb gehen wir dann in das Privatarchiv der Malfoys, statt die Unterlagen im Schloss durchzusehen?“ Potter schüttelte arrogant den Kopf: „Ich dachte, immer Du wärst brillant. Weshalb wohl ziehe ich private Aufzeichnungen der jungen Druella Rosier den offiziellen Verlautbarungen aus Hogwarts vor?“ Snape verstand endlich. „Wir suchen also in den Jahrgängen 1894 – 1902 Hinweise auf einen Prinzen.“
Potter hatte bereits ein Jahrbuch in der Hand und ging es sorgfältig durch. Insbesondere interessierte er sich für handgeschriebene Randnotizen. Zum Glück herrschte im Archiv Ordnung und Struktur, sodass die Bücher schnell gefunden wurden. Druella hatte eine sehr ordentliche Handschrift gehabt, was die Sache erleichterte. Dennoch verbrachten sie einige Stunden unten im Verlies bis Potter endlich fand, was er gesucht hatte. Er klappte das Jahrbuch 1900 entschlossen zu. „Wir können gehen,“, sagte er. „Ich habe den Prinzen gefunden.“