Draco sah sich in Ginnys Badezimmer um. In den Boden war ein breiter Pool eingelassen. Der leichte Rosenduft und die lachsfarbenen Blütenblätter erschufen eine romantische Atmosphäre. Kerzen warfen ein flackerndes Licht auf edles Kristall. Verspielte Accessoires ergänzten die sehr feminine Einrichtung. Nichts davon wirkte kitschig oder überladen. Alles hier bildete einen eklatanten Widerspruch zur nicht weniger luxuriösen Einrichtung des Dunklen Herrn. War schon im Salon und im Schlafzimmer sichtbar geworden, wie hell und freundlich Ginevra gerne lebte, zeigte das lichtdurchflutete Marmorbad, wie fremd das Schwarze Schloss für sie sein musste.
Sie glitt grazil in die erwärmte Milch. Die leibhaftige Aphrodite, dachte Draco. Die schaumgeborene Göttin der Schönheit hätte nicht lieblicher auf ihn wirken können. Umso mehr bedauerte er den Schmerz, den sie gerade durch litt. Er kniete sich an den Beckenrand und strich andächtig über ihre Schultern. „Weißt Du eigentlich, wie schön Du bist?“, fragte er sie. „Neben Harrys sämtlichen Spielzeugen fühle ich mich nicht schön.“, bekannte sie traurig. „Du bist seine Dame, die einzige Frau, die er je liebte. Für ihn bist Du etwas Besonderes. Kein Spielzeug, auch ich nicht, wird jemals von ihm geliebt sein.“
„Oh, so romantisch, Draco?“ Die spöttische Stimme in seinem Rücken erschreckte Draco ziemlich. „Harry.“ Ginny quietschte vor fröhlicher Überraschung. „Meine künftige Gattin badet in Milch und Honig – wie eine antike Königin. Diesen Anblick konnte ich mir nicht entgehen lassen.“ Die Frage, die Draco gerne gestellt hätte, sprach er nicht aus. Was war mit Hermine und Ron? Der dunkle Herr entkleidete sich magisch und stieg grinsend ins Bad. „Worauf wartest Du, Draco? Komm her.“ Dieser Aufforderung folgte Draco nur zu gerne.
Die sinnliche Atmosphäre unterschied sich von der eisigen Kälte der letzten Tage. Lord Potter legte seine Arme um seine Verlobten. Ginny schmiegte sich an ihn, während Draco Bedenken hatte, die kleine Auszeit könnte das komplizierte Spiel gefährden. „Albus hat auf einem unbrechbaren Schwur bestanden, dass ich Ginny und Dich heiraten werde. Außerdem werde ich keinesfalls mit Hermine und Ron ins Bett gehen. Er hat beeindruckend gut gespielt.“ Draco lachte laut und befreit auf. Ehrlich beeindruckt sagte er: „Du bist brillant, Harry. Was hat er gegeben?“ Es schmeichelte dem Dunklen Herrn durchaus, dass Draco es nicht bei einem Kompliment beließ.
„Den alten sterbenden Mann, der sich voller Reue um Hermine und Ron sorgt. Er hat mich an meine ältesten Freunde erinnert, was ich Mine und Ron alles schulde. Er bedauere zutiefst, wohin er mich gebracht hat. In ein paar Tagen wird er sich sicher erholen. Er hat eine schwere Lungenentzündung vorgetäuscht.“ Dracos Neugier war noch nicht befriedigt. Außerdem kannte er die Eitelkeit dunkler Zauberer zu gut. Sie alle liebten es, mit ihren Erfolgen ein wenig anzugeben. Sein Verlobter bildete da keine Ausnahme. Also fragte er weiter:„Der reuige Sünder ist immer gut. Wen hast Du gegeben?“ Der Dunkle Herr kostete die Bewunderung aus: „Meine Rolle war der junge, wütende, starrsinnige Gryffindor. Nur die Aussicht auf eine reinblütige Jungfrau hat mich zufriedengestellt. Diese Aussicht ist aber auch entzückend.“
„Dann ist dieser Irrsinn endlich vorbei?“ Ginny mochte es nicht glauben, dass sie so schnell Erfolg gehabt hatten. „Der erste Teil ja. Der schwierige Teil kommt noch. Frankreich wird nicht einfach. Morgen früh folgen wir erst mal den Traditionen.“
Ginny erwachte zwischen Draco und Harry, an den sie sich leicht gekuschelt hatte. Sie waren bald zu Bett gegangen, ohne das es irgendwie prickelnder geworden war. Es war ein ungewohntes Gefühl, beide Männer an ihrer Seite zu haben, von ihnen eingerahmt zu sein. Sie empfand Geborgenheit und Entschlossenheit.
Harry atmete gleichmäßig und ruhig. Jetzt, da er schlief, verloren seine kantigen Züge etwas an Härte. Sie hatten sich einmal geliebt in jenem anderen Leben – Millionen Jahre in der Vergangenheit. Der schüchterne, schmale Junge umwarb damals das selbstbewusste Mädchen. Diese Liebe existierte nicht mehr, und dennoch glaubte sie manchmal, dass er sie immer noch liebte. Vielleicht war es naiv. Aber war nicht jede Liebe, jeder Glaube und jede Hoffnung letztlich naiv? Manchmal blitzte, in sehr kleinen Gesten, sein früherer Sanftmut durch. Nur ein Dunkler Lord kann einen Dunklen Lord besiegen, dachte sie und hauchte einen Kuss auf seine vernarbte Schulter. Konnte es sein, das er die Sache mit Hagrid durchschaut hatte? So ähnlich wie er Ron beim Schach gewinnen ließ? Hatte er sie gewinnen lassen, weil er es wollte?
Dracos silberblondes Haar kitzelte sie ein wenig. Draco Malfoy, der Inbegriff eines schwarzen Magiers - grausam, intrigant und erbarmungslos - fügte sich ihren Willen, gab sich ihr hin. Wie sagte er doch gelegentlich so pathetisch: „Durch Dich lerne ich, was die hohe Minne bedeutet.“ So einen romantischen Unsinn konnte nur Draco mit Ernst sagen. Für ihn schien es jedoch kein Unsinn zu sein.