Nacht sickerte durch die Straßen und Häuser der Stadt und beschwor Nebel herauf, der langsam durch die kleinsten Gassen waberte. Das Licht der Straßenlaternen, dessen gelber Schein auf das Wegpflaster fiel, brach sich in den endlos kleinen Wassertröpfchen und verbreitete ein undurchsichtiges Schimmern, das in dieser windstillen Nacht noch lange seinen Spuck fortsetzen würde.
Seltsamerweise hatte sich eine Frau auf die Straßen des alten Städtchens getraut. Ihre grünen Augen huschten zwischen den Laternen, Häusern und vorbeifahrenden Kutschen hin und her, als würde sie sich verfolgt fühlen. Schnell zog sie die Kapuze, die ihren langen Mantel bestückte, tiefer ins Gesicht, sodass man kaum noch die weichen Gesichtszüge erkennen konnte. Sie hielt eine Kutsche an und nannte dem Mann, der die Pferde antrieb, ihr Ziel.
Auf der Fahrt wurde die Frau durchgeschüttelt, als wolle man ihr den Frieden und die Liebe einprügeln, die sie nie bekommen hatte und auch nie in sich spüren würde. Immer wieder stieß ihr Kopf gegen die hölzerne Wand der Kutsche, die schwarz in der Nacht leuchtete, aber am Tage wohl ebenso keine andere Farbe besaß.
Dann stoppte der Kutscher die Pferde, die laut schnaubend stehen blieben. Die Tür öffnete sich und ein junges Mädchen, kaum älter als fünfzehn Jahre, trat durch die Öffnung, die sie nie wieder verlassen würde.
Das Mondlicht tropfte durch die offen stehende Tür und durchnässte das lange, blonde Haar des Neuankömmlings. Ihre Augen glänzten im schönsten und strahlendsten Blau, das die Ältere je zu Gesicht bekommen hatte und strotzten nur so vor Wille und Lebensfreude.
"Setz dich zu mir", hauchte die Frau zuckersüß und das Mädchen nickte ihr dankbar zu. Schnell schloss es die Tür und ließ sich auf dem Platz neben ihrer Begleiterin nieder.
Erneut vertiefte dich die Frau in ihrer Kapuze, kam jedoch nur wenige Sekunden später zu ihrem Anliegen: "Und du bist dir wirklich sicher, dass du das willst?" Das Mädchen nickte zustimmend und die Frau grinste. Als ob die Meinung dieses Geschöpfes jetzt noch von Belangen war. Sie würde niemals mehr die Gelegenheit bekommen ihren Willen und ihre Schönheit einzusetzen. Das Mädchen war leichtgläubig und der Frau gefiel diese Eigenschaft.
"Dann nimm", flüsterte sie, damit der Kutscher das Gespräch nicht belauschen konnte. Schnell zog sie ein Päckchen aus ihrer Manteltasche und überreichte es ihr.
"Mach es auf und trink es. Dann wirst du dein Ziel erreichen noch ehe du es vor dir siehst."
Mit diesen Worten stieg sie aus der Kutsche und ein neues Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Es mochte ein wenig schräg auf andere wirken, doch wer es einmal gesehen hatte, vermochte es niemanden mehr zu beschreiben. Und wer ihr Herz gewonnen hatte, der würde es niemanden mehr erzählen können. Genauso wie das Mädchen.
Die Frau nannte dem Kutscher eine neue Adresse. Den Ort, wo das Mädchen aus der Kutsche treten sollte und ein neues Leben beginnen wollte.
Doch es war nur der Ort, an dem ihre Leiche aufgefunden werden würde.