Mit Iris Schuhe zu kaufen, war in etwa so spaßig, wie mit einem Zyklopen eine Sonnenbrille. Nur, dass der Einäugige wenigstens Spaß dran hatte. Im Gegensatz zu Aella. Aber Θ und ζ hatten mal wieder darauf bestanden, dass sie mitging. Und so zuppelten vier „Küken“ hinter ihrer Mutter her und der Papa vorneweg mit seiner liebreizenden Lieblingstochter auf den Schultern.
Ihre Schwestern Okypete, Podarge und Celaine hatten wenigstens neue Kämme erhalten. Aber sie - die „Windsbraut“, wie ihre Mutter sie gern nannte, hatte keinen gewollt. Sie mochte ihr langes Haar offen und die Locken wippend. Genauso wenig, wie sie Ringe an den Füßen mochte, oder Armspangen oder überhaupt irgendeinen Tand. Eher ließ sie sich die Flügel ausreissen, als dass sie sich so um diesen Zierrat sorgte, wie andere es taten. Sie hörten Iris glockenhell lachen, als Θ auf und ab hüpfte. Ihre Schwester verursachte dabei ein paar Winde. Unter anderen Umständen genoss Aella es, wenn Iris das tat, um abzuheben und auf der Brise zu gleiten.
Schneller als sie schauen konnte, vergingen die Stunden. Iris hatte sicher hunderte neue Gewänder und Riemchensandalen anprobiert. Für ihren Einstand als Botin und persönlicher Assistentin an der Seite von Hera von Heras GmbH und Co KG, war ihren Eltern kein Juwel zu kostbar, um es nicht für ihre Tochter auszugeben. Im Gegensatz zu den anderen Küken, den missratenden Vögelchen, die nie einen so tollen Job bekommen würden. Vor allem auch dann nicht, wenn sie ständig für Ärger sorgten. Wenn überhaupt kam höchstens Mal ein Securityauftrag von ganz oben, in dem man jemanden in den Tartarus bringen musste, oder als Schlägerbande auftreten musste und dafür - zum Zerberus - brauchte Aella nun wirklich kein Kleidchen und keinen Peeptoe. Blöd nur, dass ihre Schwestern das anders sahen und dem Vater diese Haarkämme abgeschwatzt hatten. Jetzt stand sie doof da im nächsten Schuhgeschäft. Denn er wollte sich auf keinen Fall nachsagen lassen, er behandele nicht jede seiner Töchter gleich. So als Meeresgott kam das einfach nicht gut. Was wohl Oma dazu sagen würde? Gäa würde fragen, warum das Kind nicht barfuß laufen könnte. Und Aella würde ihr liebend gern zustimmen.
Dumm nur, dass so ein Harpyienfuß echt nicht gemacht war für gängige Schuhmode. Und mit der Hornhaut und den eingewachsenen Zehennägel in keiner der verfluchten Sandaletten gut aussah. Als es ihr nach gut zwanzig Paar zu bunt wurde, krächzte sie: „Ich will nie wieder Schuhe tragen müssen, mögen mir doch lieber gleich Krallen wachsen.“
Und so geschah’s. Im alten Griechenland musste man stets aufpassen, was man sich so laut wünschte, es war ständig irgendwo ein Gott oder Halbgott, der das umzusetzen gewillt war.