Ich bin Tiny. Ich bin ein Farb-Partikel gehöre also zu den Partikel-Tierchen, die überall zu finden sind. Wir leben auf der atomaren Ebene und ihr atmet uns ständig ein. Wenn ihr wie aus dem Nichts niesen müst, das waren vermutlich wir. Das lösen wir gelegentlich schon mal aus. Denn wir sind sehr winzig und ihr sehr groß. So eine Nase mit den ganzen Härchen dort, die man kitzeln kann, die reagiert sehr empfindlich auf unsere kleinen Besuche. In unserer Welt sind wir voll die Helden. Unsere Welt ist bunt.
Vergesst den Farbkasten mit den zwölf kleinen Plättchen. Wenn man die mischt, kommt gefühlt immer Matsche raus. Additive Grundfarben, CMYK und überhaupt diese ganzen Lehren laufen ins Leere. Ist der Regenbogen nach den Chakren benannt oder sind sie von ihm inspiriert? Es ist doch nur Licht und Brechung. Man sieht nicht einmal das gesamte Spektrum, „die anderen“ aber zum Glück auch nicht. RAL hat für jede Nuance ein Farbkärtchen, damit man seine Wand anmalen kann. Was ein Glück, dass wir Partikel keine Wände haben zum Bemalen.
Denn das ist alles sehr flach. Als hätte jemand einfach nur auf einem weißen Stück Blatt Striche gemalt. Aber das ist es nicht: weder Striche noch Kuchenstücke in einem Kreis, noch sich überlagernde Stücke.
Farben sind eher ja was? Kleckse? Wolken? Qualm? Scherben? Felder? Wellen? Ein Würfel? Punkte?
Als meine Partikelgeschwister mir zum ersten Mal zeigten, wie viele Farben es gibt, war ich geschockt. Als hätte jemand einen Filter weggenommen.
Ich sah zum ersten Mal den Farbraum. Raum, das suggeriert doch schon, dass ich umgeben bin von ihnen, in allen Graden. Sie sind nicht eckig und nicht rund, es wirkt wie ein Schirm von der Seite und von der anderen wie eine eingedötschte Frucht. Ein kleiner Wirbelsturm von schräg oben. Dunkel zu Hell, übereinander gelegt in Ebenen, wie ein Traumschiff. Wenn es mir nicht gelingt das richtige Bild in eure Köpfe zu zaubern, dann liegt es daran, dass sie einer eigenen Ordnung folgen, die in keinen Erstklässler Malkasten passt. Und jedes Kind, welches mal das Sonnensystem nachgebaut hat für ein Schulprojekt würde dezent die 6 einstreichen, als sich freiwillig so viele kleine Stecknadeln anzutun. Und ich verstehe das. Es ist ein wenig überwältigend. Und ich erzähle das hier nicht, weil ich euch neunmal klug Infodumpen will.
Na ja schon, ein kleines bisschen vielleicht. Weil ich aus einem guten Grund hier bin. Der Weg war lang und ich musste durch viele Prismen brechen, um euch aufzufallen. Ich bin als Partikel-Botschafter hier. Und ich spreche für all meine Praktikelchen. Wir sind der Meinung, dass wir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Und ich bin hier, um jemanden zu suchen, der uns hilft. Am besten jemanden der nicht farbtaub ist.
Denn ich will ein Musical machen. Ich nenne es: „Hue“ (Farbton).
Und wenn wir Pratikelchen mit euch Menschen und eurer einsinnigen Wahrnehmung fertig sind, dann könnt ihr Farben nicht nur sehen, sondern auch hören und schmecken.