Die kleine Maus starrt ihre Mutter mit großen Augen an, betrachtet die Fotografien und murmelt: „Wer ist das, Mama?“
Und die große Maus antwortet stolz: „Das ist Bly(e), sie ist unsere Vorfahrin.“
Das Mäuschen zuckt mit der Nase und wird ganz aufgeregt. „Uroma Bly(e)? Von ihr habe ich schon so viel gehört. Erzählst du mir von ihr zur guten Nacht?“
Die Mutter nickt, sie reicht der Kleinen die Bilder mit dem weißen zerfransten Rand und hebt sie ins Bett. Sie wohnen in einem Schuhkarton, dort haben sie es gut. In der Nachbarschaft gibt es viele andere Mäuse mit ihren Kindern. Sie deckt ihr Junges zu und gibt ihm einen Kuss. Der fürchterlich kitzelt, weil die Barthaare wackeln. Das Mäuschen kichert und macht es sich dann gemütlich, den Blick auf die Bilder der Uroma gerichtet.
Das eine Bild zeigt eine Maus mit einem frechen kurzen Pony in der Stirn und Spitzenkragen um den Hals hochgeschlossen. Das andere eine Reisende, mit einem winzigen Köfferchen. Ihr langer karierter Mantel steht ihr gut, mit einer Kappe winkt sie.
„So einen hätte ich auch gerne“, murmelt die Maus und streicht mit dem Finger über das Abbild: „Sie sieht so weltgewandt aus.“
„Und das war sie auch, Bly(e) war die erste Maus, die in zweiundsiebzig Tagen um die Welt gereist ist.“
„Woah“, staunt das Mäuschen und macht große Augen. „So schnell.“
Die Mama Maus stopft das Taschentuch, welches als Decke dient, fester: „Und weisst du was sie sagte?“
Die kleine Maus schüttelt ahnungslos den Kopf. Die Mama steht auf, stemmt ihren Fuß auf die Bettkante, hebt eine Hand und meint betont überzeugt: „I said I could and I would. So I did.“
Ein Schauer erfasst die kleine Maus im Bett. Stolz rinnt durch ihren Körper. Mama ist die beste Schauspielerin von Gute-Nacht-Geschichten. Und Ur-Oma war die beste Wandermaus der ganzen Welt.
Die Mäusedame spaziert nun ein wenig im Karton auf und ab: „Sie war berühmt für ihren Mut und ihre Courage. Sie schrieb, sie setzte sich für die Rechte von uns Mäusedamen ein, sie focht gar einen Kampf mit der Feder und der Tinte gegen die Mäuseriche. Sie ließ sich absichtlich einsperren in eine Irrenanstalt, nur um darüber zu berichten, wie furchtbar die Frauen dort misshandelt wurden.“
„Oh“, macht die kleine Maus. Die beiden Bilder liegen vor ihr auf dem Taschentuch. Sie holt ihr Schwänzchen hervor und knautscht es zur Beruhigung zwischen ihren Pfoten. „Wie schrecklich denn?“
„So schrecklich, dass nach ihrer Aufklärungsarbeit endlich etwas verändert wurde.“
„Oh.“ Die kleine Maus frohlockt. „Sie war eine Heldin, oder Mama?“
„Das war sie, mein Schatz. Sie war eine Pionierin, die erste investigative Journalistin und wenn du mich fragst ein Idol für ganze Mäusegenerationen. Jetzt schlaf und träum von einer Reise um die ganze Welt, wie Bly(e). Und wenn du groß bist, setz dir nicht weniger als Ziel, als Bly(e) es getan hat. „I said I could and I would. And I did.“
„I said could and would and did“, wiederholte die kleine Maus und gähnte.