Es gibt einen Spruch aus den alten Tagen: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“
Ja eh, wir haben uns nicht ganz so weit zurückgebombt. Einigen wir uns auf ein Revival des Pfeil und Bogens. Kommt ja schließlich alles irgendwann mal wieder in Mode, nicht wahr? Wie es bei den Menschen zu erwarten war, haben wir uns trotz deftiger Rückschritte weiterentwickelt. Wenn eine Art auf dem Planeten sich Kakerlake schimpfen darf, dann nicht die Kakerlake, so viel ist mal sicher. Wir sind also noch da - immer noch.
*Das Universum stöhnt auf.
Aber im Moment leben wir in einer großen Zeit des Friedens, der Freude und der Feierlichkeiten. Wir feiern einfach alles - das ist irgendwie übrig geblieben von damals. Jeder verdammte Tag hat einen Schutzheiligen der alten Zeit. Zum Beispiel der 10. Mai - der Bono-Day, der 26. August - der Tag der heiligen Mutter Teresa oder auch der 3. Januar - der Greta-Gedenktag, der 14. März - der Einsteintag, mancherorts auch der Einstag (der muss ja eh immer dran glauben) und so weiter und so fort. Natürlich haben manche Gegenden auch ihre Tage mehreren Leuten gewidmet.
Wir leben in einer unbestreitbar tollen Zeit. Wir haben Musik, die konnte man sich früher nicht einmal vorstellen. Die Instrumente schon, die hatten die Menschen schon, als sie das erste Mal bei Pfeil und Bogen gewesen waren. Aber jetzt haben sie die Musik sozusagen auf das next level gehoben und ihr Magnus Opum aus all dem geschmiedet, was es so gab. Wenn man so will ein nie enden wollendes Medley der Musikgeschichte.
Musik und Tanz und Gesang. Wochentage haben wir nicht mehr, Wochenende sind obsolet geworden.
Wenn ich euch von den nie enden wollenden Umzügen durch die Straßen, den Jubel von den Balkonen und all dem Applaus erzähle, der Geselligkeit der Leute, das Lachen, das Lieben und das Leben, dann wollt ihr sofort eine Zeitreise machen und zu uns kommen. Das wäre wirklich schön, ihr wüsstet wofür ihr im dritten Krieg kämpfen würdet, wofür eure Söhne und Töchter sterben würden. Und für was eure Enkel erblühen würden, es würde euch diese sehr schlimme Zeit irgendwie durchstehen lassen. Denn, so weit wir wissen: tja, habt ihr sie nicht gut verpackt. Nach dem Krieg kam die große Depression und sie löste das Mittelalter als das „dunkle Zeitalter“ ab.
Gut, dass wir jetzt hier sind und nicht mehr da. Und wir sind bunter denn je, noch nie waren die Menschen so utopisch glücklich. Deswegen kann das auch nicht von langer Dauer sein. Irgendetwas ist am Menschen, dass er das immer zerstören will, wir wissen das, wir haben uns damit abgefunden, wir feiern jeden Tag, als könnte morgen alles still sein.
Oh, ich höre gerade, die heutigen Batterien machen sich wieder bereit. Mir persönlich gefallen die Batucada am besten. Irgendwann im Schmelztiegel der Überlebenden im dunklen Zeitalter, als unter irgendwelchen Steinhaufen wieder Leute anfingen ihre Geburtstage zu feiern (oder ihre „Überlebenstage“), irgendwann da fing eine oder einer wieder an zu trommeln. Worauf ist nicht überliefert, ist auch egal, man kann auch an einer Tischkante trommeln, wenn es sein muss. Und ehe es sich die Welt versah, zogen sie umher und brachten jedem abgelegenen Haufen Menschen die Kultur zurück. Feiertage machen wir uns wie wir wollen und wie wir sie brauchen und füllen sie an mit unserer gemeinschaftlichen geistigen Leistung. So was kann man nicht auf Dauer verkümmern lassen, irgendwann bricht sie sich ihren Weg an die Oberfläche zurück und schafft und kreiert und spinnt. Sie ist unaufhaltsam.
Heute sind wir die lebende Kunst. Wie sind eine nie endende „Burning Man“-„Lollapalooza“-„Mega-Party-Meile“-Festival-Gesellschaft. Unsere Hymne ist „come as you are, we are stayin’ alive“.
Vorneweg die großen, runden Surdos, sie bilden den Puls der hintereinander weg tanzenden, springenden und laufenden Drum-Corps. Der Pulsschlag den wir alle fühlen, wenn wir aufwachen und tagtäglich loslaufen. Zwischen den Pulsgebern rennt oft noch die Repinique, die Leitung der Row. Sie zählt jede neue Melodie an und springt voran. Und dann die Tamborims, Chocalhos, Caixa, Zymbals, Cuicas und die anderen begleitenden Instrumente, nicht jeder kann eine Trommel schlagen. Aber auf einer Triller pfeifen oder mit einer Schelle klappern, das ist etwas ganz anderes.
Wenn ihr das hören würdet, das Blut würde in Wallung geraten. Es ist als wären die leidenschaftlichen, anheizenden Rhythmen mit dem dröhnenden Stampfen und Rufen des maorischen Haka; und die westlich helleren, schnelleren und geordneteren Militärtrommler mit den präzisen, strikten und geradlinigen Stepptänzern eine Symbiose eingegangen. Und von den Rock und Metal-Symphonien die im Bauchtanz aufgingen, habe ich noch gar nicht angefangen. Die Folk-Tänze schenke ich mir an dieser Stelle, es gibt so viele wie es heute Chöre gibt.
Die Welt ist lauter geworden. Wir sind noch hier.
So und jetzt muss ich los, mein neuestes Kostüm ausführen und loslegen. Ich habe mich nämlich in einen der Trommler verguckt. Schon klar oder? In einer Welt in der alle trommeln und unsere Herzen höher schlagen lassen, wie hoch ist da die Chance sich in einen zu verlieben? Welchen? Heute der da mit den wild kreisenden Haaren, während er sich vorwärts bewegt und unaufhörlich seine Arme fliegen lässt. Im Kreis, im Takt, große ausgreifenden Bewegungen, urtümlich, einfach und doch so inspirierend.
Komm mit mir, lebe.