15 – Abreagieren und Beruhigen
„Meine Güte! Du siehst ja aus, als wärst du jemandem vor den Kühler gesprungen“, keuchte Tom und zog Erik mit besorgtem Blick in die Wohnung.
Der schwieg, stapfte lediglich direkt in Richtung Toms Zimmer. Eigentlich hatte Erik im Anschluss an die Schule erst einmal nach Hause gehen wollen. Aber seine Mutter wäre ihrem Dienstplan für diese Woche zufolge, noch nicht unterwegs in Pflegeheim. So wie er im Moment aussehen dürfte, wollte Erik ihr nicht unter die Augen treten. Und Toms Begrüßung zeigte, dass das eine kluge Entscheidung gewesen war.
Zumindest nicht ganz so dämlich wie sich innerhalb der Schulmauern zu prügeln. Wobei Erik nicht sicher war, ob er sich freuen sollte, dass keiner der Lehrer es gemerkt hatte. Den Anschiss konnte er zwar gar nicht brauchen, aber vielleicht hätten Sandro und die Affenbande dabei ja endlich mal richtig etwas abbekommen. War jetzt allerdings nicht mehr zu ändern. Denn Erik stand ja inzwischen hier – bei Tom.
Kaum war er in dem kleinen WG-Zimmer angekommen, ließ Erik den Rucksack von der Schulter gleiten und setzte sich auf das Bett. Toms inzwischen eher kritischen als besorgten Blick hielt Erik im Augenblick nicht aus. Anderen in die Augen zu sehen konnte er an guten Tagen nicht. Heute war ein Scheißtag. Zumindest seit die Schule aus war. Also senkte Erik den Blick und starrte stattdessen auf seine Hände.
„Warte kurz, ich bin gleich wieder da.“
Damit verschwand Tom aus dem Zimmer – nur um höchstens drei Minuten später mit einem Plastikkoffer, einer Schüssel Wasser und einer Reihe Waschlappen zurückzukommen. Er stellte alles vor Eriks Füßen ab und tauchte den ersten Lappen ein. Nachdem Tom ihn ausgedrückt hatte, drückte er ihn Erik in die Hand.
„Hier. Mach die Fingerknöchel sauber, damit ich sehen kann, wie viel davon dein Blut ist.“
Gehorsam griff Erik zu dem Stück Stoff, antwortete jedoch nicht. Vorsichtig tupfte er über die rechte Hand. Das meiste davon dürfte ohnehin nicht seins sein. Aber das sagte Erik vorsorglich nicht. Tom sah sauer genug aus, als er sich ein weiteres Tuch schnappte und kurz darauf anfing, vorsichtig das Blut aus Eriks Gesicht zu tupfen.
„Was ist passiert?“, fragte Tom ein paar Minuten später. „Und komm mir nicht mit irgendeinem Scheiß. Ich hab drei ältere Brüder. Ich weiß, wie Jungs aussehen, die verprügelt wurden.“
Erik zuckte mit den Schultern, bereute es aber sofort, als die Bewegung links schmerzhaft zog. Vermutlich überdehnt. ‚Muss passiert sein, als Luca dich von Sandro runtergezerrt hat.‘
„Ich warte, Erik!“
„Worauf denn?“, zischte er um Beherrschung bemüht zurück. „Du weißt doch offenbar eh schon, was passiert ist.“
Tom seufzte und schüttelte den Kopf: „Worum ging es?“
Einen Moment zögerte Erik unsicher, ob er überhaupt etwas sagen sollte – und wenn ja, was.
„Hey...“ Bildete er sich das ein oder klang Toms Stimme diesmal tatsächlich wesentlich sanfter? „Wir hatten doch gesagt, dass Auskotzen okay ist.“
Da musste Erik grinsen, was er direkt bereute, da es an der aufgeschlagenen Lippe zog.
„Also? Worum ging es?“
„Keine Ahnung“, gab er leise zu.
Erik war sich selbst nicht sicher, weshalb es heute so eskaliert war. Irgendeinen Grund fand Sandro ja stets für Sticheleien. Aber den Scheiß tatsächlich bei Tom abladen? Andererseits würde es ja vielleicht helfen. Wenigstens um sich ein klein bisschen besser zu fühlen.
„Da ist so ein Kerl in meiner Klasse“, setzte Erik zögerlich an.
„Lass mich raten ...“, meinte Tom grinsend und griff, nachdem er offenbar mit Eriks Gesicht fertig war, zu dem Plastikkoffer, den er mitgebracht hatte. „Er hat ein Problem damit, dass du auf Jungs stehst.“
Eriks Magen zog sich zusammen. „Männer“, murmelte er kaum hörbar, während er trotzdem langsam nickte.
„Und deshalb hat er dich verprügelt?“, hakte Tom jedoch nach. Unbeirrt von ihrem Gespräch griff er dabei zu einer Flasche mit Wunddesinfektionsmittel und begann es mithilfe einer Kompresse auf die Verletzungen an Eriks Hand zu tupfen.
Der schüttelte diesmal den Kopf, konnte sich aber ein weiteres kurzes Grinsen trotz des sofort einsetzenden Schmerzes nicht verkneifen, als ihm das Gespräch vor dem Physikunterricht wieder einfiel.
„Ich hab ihm gesagt, dass seine Fresse zu hässlich ist, als dass ich ihn vögeln würde. Da war er wohl beleidigt.“
Jetzt grinste Tom ebenso, schüttelte allerdings den Kopf. „Es ist dämlich, sich grundlos mit anderen anzulegen, Erik.“
Der biss die Zähne zusammen, um nicht sofort wütend zurück zu fauchen. Es war nicht ‚grundlos‘ und letztendlich war er es auch nicht gewesen, der sich mit Sandro angelegt hatte. Es war dieser Affenarsch, der ihn zuerst blöd angemacht hatte. Und weshalb?
‚Weil das Arschloch von Lehrer ausnahmsweise einmal ein gutes Wort für dich hatte.‘
Erik sank in sich zusammen. Es war nicht wirklich fair, Berger für die Prügelei verantwortlich zu machen, oder? Letztendlich hatte Sandro nie sonderlich viele Gründe gebraucht, um sich mit jemandem anzulegen. Der Affenkönig war früher ebenso ein Mistkerl gewesen. Der einzige Unterschied war, dass er damals nicht Erik als Ziel seiner Angriffe gewählt hatte.
‚Es ist trotzdem Bergers schuld‘, beharrte eine wütende Stimme in Eriks Kopf. ‚Wenn der Mistkerl nicht permanent diese verfickte Pornopoesie durchnehmen würde, wärst du nicht so aufgekratzt gewesen.‘
Sofort zuckte es in Eriks Schritt – wollte ebenso gern etwas ganz anderes ‚durchnehmen‘. Sicherlich keine Gedichtinterpretation. Aber vielleicht würde das dem Mistkerl von Deutschlehrer zeigen, was seine dämlichen Gedichte auslösten. Wobei Berger die mit Sicherheit auch nur an die Tafel schmierte, weil er genau wusste, was die mit Erik machten! Das war volle Absicht! Garantiert!
„Erik?“
„Was?“, murrte er, darum bemüht, die Wut nicht an Tom auszulassen.
Trotzdem kam Erik nicht umhin, seine Augen über den schlanken Körper vor ihm wandern zu lassen. Nur für eine Sekunde sah er dabei zu Toms Gesicht. Für einen Moment versuchte Erik, zu verstehen, was das für ein Blick war, der ihm entgegenschlug. Aber das Grün war zu blau, als dass sich Erik auf irgendetwas anderes konzentrieren konnte.
Glücklicherweise war es Tom, der den Kopf senkte und anfing, einen Verband um Eriks rechte Hand zu wickeln. Alles, was der jetzt noch sehen konnte, waren diese kurzen schwarzen Haare und ein Kopf, der sich viel zu nah an seinem Schritt befand.
‚Du bist ein krankes Arschloch!‘, fauchte Erik sich selbst stumm an.
Vielleicht hatte Sandro ja diesmal doch zu fest zugeschlagen. Wobei der Affenkönig nicht mehr als zwei wirklich gute Treffer hatte landen können, bevor Erik ihn mit sicherem Griff am Boden gehabt hatte. Den Rest hatte er kassiert, nachdem Luca und Oliver ihn von Sandro untergezerrt hatten. Trotzdem stiegen diese verfickten Bilder in Erik auf. Der schwarze Haarschopf, der sich seinem Schritt näherte und dort ganz andere Dinge trieb, als Tom gerade.
„Dir scheint’s ja schon wieder besser zu gehen“, meinte der feixend.
„Was erwartest du, wenn du mit deinem Kopf keine fünfzehn Zentimeter von meinem Schwanz entfernt bist“, nuschelte Erik beschämt. Und sauer, weil er sich überhaupt schämte.
„Hm ...“, gab Tom nachdenklich zurück. „Das hier dürfte reichen.“
Tom sah überraschend auf – und Erik schrak zusammen. Schon wieder sah er nur dieses beschissen falsche Blaugrün, das er doch eigentlich nicht einmal bemerken sollte. Weil Erik die Augenfarbe von irgendwelchen Kerlen schließlich am Arsch vorbeigehen konnte. Es war nicht die blöde Farbe, die ihn nervte. Garantiert nicht!
Erik war doch noch nie gut damit klargekommen irgendjemandem in die Augen zu sehen. Da war schon wieder so ein beschissenes Gefühl in Eriks Brust, presste sie zusammen, schnürte ihm die Luft ab. Nur deshalb drehte er den Kopf beiseite. Andere Menschen verstand Erik schlicht nicht. Es war nicht Tom, der hier das Problem – oder falsch war. Es war diese kranke Scheiße, die sich immer wieder in seinem Kopf ausbreitete.
„Zieh dich aus, Erik.“
Er zögerte nur einen Moment. Nicht, dass Erik ernsthaft Skrupel gehabt hätte, Tom weiterhin dafür zu benutzen, endlich die verfluchten Bilder von diesem dämlichen Berger loszuwerden. War ja nicht so, als ob Tom dabei nicht auch auf seine Kosten kommen würde. Vielleicht würde Eriks durchgeknalltes Hirn ja sogar irgendwann kapieren, dass Tom die bessere Wahl war. Tatsächlich konnte Erik nicht einmal sagen, was es gewesen war, das ihn zögern ließ.
Als eine Hand auf den Knopf von Eriks Jeans gelegt wurde und ihn durch das Knopfloch schob, war die Antwort auf diese Frage aber ohnehin egal. Es war ein Scheißtag gewesen und jetzt fing er endlich an, besser zu werden. Gebannt starrte Erik auf die zweite Hand, die sich mit genau dem richtigen Maß an Druck über seinen Schritt geschoben wurde. Da waren eindeutig zu viele Stoffschichten zwischen ihm und diesen Fingern – ganz zu schweigen von gewissen anderen Teilen aus Toms Anatomie.
Der stemmte die Arme links und rechts von Eriks Beinen auf die Matratze und drückte sich nach oben. Beim Versuch auszuweichen fiel Erik rückwärts aufs Bett. So gut wie möglich, schob er sich weiter hinauf. Ein Keuchen entrann Erik, als Tom ihm mit geradezu raubtierhaftem Blick folgte. Für einen Sekundenbruchteil setzt seine Atmung aus, während Eriks Herzschlag sich zeitgleich beschleunigte.
Er musste wegsehen, konnte es schon wieder nicht ertragen, Tom in die Augen zu sehen. Stattdessen ließ Erik seinen Blick tiefer wandern, bis er an Toms Lippen hing, von denen er sich eben eine völlig andere Art von Aufmerksamkeit gewünscht hatte.
„Ich hoffe, du bist nicht ... allzu schwer verletzt“, raunte Tom mit einer Stimme, die ein Beben durch Eriks Körper laufen ließ. Eines, das direkt gen Schritt wanderte.
Wie automatisch hob Erik das Becken, traf jedoch auf keinen Widerstand. Ein kurzes Stöhnen entrann ihm, dann zog er Toms Kopf hastig zu einem Kuss zu sich herunter. Die Begeisterung, mit der dieser erwidert wurde, sprach für sich selbst – obwohl Tom ihm mehr Reibung weiterhin verwehrte.
„Keine Sorge, bin schon schlimmer vermöbelt worden“, gab Erik zurück, kaum dass sich ihre Lippen trennten.
„Hm ...“, brummte Tom zufrieden, während er bereits Eriks Shirt nach oben schob. „Ich glaube, ich sollte genauer nachsehen, wo du womöglich überall verletzt sein könntest.“
Schon spürte Erik ein Paar Lippen und die dazugehörige Zunge an seinem Nabel. Kurz darauf einige Zentimeter höher. Noch höher. Weiter, immer weiter – abwechselnd. Kuss, Zunge, Kuss, Zunge, eine Spur, die sich vom Bauchnabel langsam in Richtung von Eriks Brust zog.
„Lass dich nicht aufhalten“, keuchte er gepresst. Darum bemüht, Tom nicht zu zeigen, wie sehr er das hier mochte.
Stattdessen schloss Erik die Augen und ließ den Kopf zurückfallen. Er ließ seine Hände Toms Rücken entlang abwärts gleiten, während der sich über Eriks Brust nach oben arbeitete. Kaum, dass er Toms Hüften erreichen konnte, versuchte Erik diese zu sich herunter zu ziehen. Der Versuch scheiterte allerdings, da Tom sich, wie so oft, sträubte.
Murrend setzte er dazu an, sie beide herum zu drehen, da schob Tom den Pullover über Eriks Kopf und in den Nacken. Als er darum kämpfte, den verdammten Pullover weiter von den Armen zu streifen, zog die Bewegung erneut an der verletzten Schulter. Mit einem Zischen fluchte Erik unterdrückt. Aber Tom beachtete es nicht. Er schob den Pullover gerade so weit über Eriks Arme, dass er ihn quasi an den Ellenbogen gefesselt hielt.
„Komm schon“, maulte Erik genervt.
„Hm-Hm“, raunte Tom ihm ins Ohr, nur um kurz darauf langsam einen unsichtbaren Weg entlang von dort über den Hals hinab zurück zur Brust kleine Küsse und Bisse zu verteilen. „Ich bin noch nicht fertig, mit meiner Inspektion.“
Erneut stöhnte Erik und wieder mehr aus Frust, denn aus Erregung. Doch als er versuchte, die Arme endlich aus dem verdammten Pullover zu befreien, scheiterte Erik erneut – und zischte ein weiteres Mal vor Schmerz.
Tom störte das weiterhin wenig. Er setzte seine Erkundung unbeirrt fort, erreichte erneut den Bauchnabel. Kurz darauf wurde endlich der Reißverschluss an dieser verdammen, viel zu engen Jeans geöffnet. Erleichtert atmete Erik durch. Fluchte aber erneut innerlich, weil der beschissene Pullover einfach nicht von den Armen runter zu bekommen war, ohne dass es dabei schmerzhaft an der Verletzung in der Schulter zog.
„Bitte, Tom“, presste Erik irgendwann heraus. „Das tut weh.“ So gern er mit diesem Kerl schlief, aber Schmerzen standen dabei so gar nicht auf Eriks Programm.
Sofort schnellte der schwarze Haarschopf nach oben. „Was?“
„Das verdammte Shirt“, zischte Erik mit zusammengekniffenen Augen.
Tom runzelte die Stirn, half ihm dann aber hastig, den Pullover endlich fertig auszuziehen. „Tut mir leid“, murmelte Tom betreten.
Kaum war er befreit, schnellte Erik nach oben und warf seinerseits Tom aufs Bett. Der schob sich sofort weiter hinauf, verfolgt von einem zufrieden grinsenden Erik.
„Ich bin dran“, raunte er und zog mit einem kräftigen Ruck an Toms Bein, sodass der wieder ein Stück näher zu ihm heran rutschte. Das Grinsen wurde breiter, als Erik um Tom herum griff, um den Bund der Jogginghose über diesen viel zu verführerischen Po zu ziehen.
„Läufst du eigentlich immer ohne Unterhosen zu Hause rum?“
„Du hattest geschrieben, das du vorbei kommst“, entgegnete Tom und hob das Becken ein Stück an, damit die Hose besser herunter zu ziehen war. Wenigstens hatte der Kerl den Anstand dabei in Ansätzen beschämt auszusehen.
Achtlos schleuderte Erik die Jogginghose hinter sich, bevor er sich nach unten beugte und seine Zunge einmal über Toms Länge gleiten ließ. Der zog zischend die Luft ein. Eine Hand lag plötzlich auf Eriks Hinterkopf und presste ihn runter.
Seine eigene Linke schob sich unter einem Bein hindurch und umfasste Toms Po. Diesen so verdammt reizvollen Hintern, den Erik nur ansehen brauchte, um hart zu werden. Ein Knurren entrann seiner Kehle, als er erneut den Kopf senkte, um das mentale Bild eines anderen Pos loszuwerden.
„Ich schreibe, dass ich vorbei komme und du bist frisch rasiert und ohne Unterhose“, raunte Erik mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln auf den Lippen.
Er tastete langsam an Toms Po entlang, bis sie ein wohlbekanntes Ziel fanden.
„Mal sehen, wie es hier aussieht...“
„Mehr!“, forderte Tom heiser und streckte sich Eriks Fingern willig wie immer entgegen.
Der Widerstand war gering und die Feuchtigkeit auf die Erik stattdessen traf ein eindeutiges Zeichen, dass Tom ihm heute, wie so oft, den einen oder anderen Schritt voraus war in der Planung. Als der zweite Finger ebenso problemlos in Tom eindrang, konnte Erik ein eigenes Stöhnen nicht unterdrücken.
Er selbst hatte die verdammte Jeans leider noch an, nachdem Tom ausgerechnet dort hatte abbrechen müssen. Etwas umständlich schaffte Erik es, sie abzustreifen, ohne sich allzu sehr von Tom zu lösen oder seine linke Schulter zu stark zu belasten. Der sich unter ihm windende Tom fand die Unterbrechung allerdings gar nicht witzig, wie er sofort murrend kundtat. Wenigstens half er so gut wie möglich mit. Kaum war die Hose weg, zog Tom Erik zu sich hinunter. Kräftige Beine schlangen sich um seine Hüften, während schlanke Arme sich um seinen Hals legten, und einen weiteren Kuss einleiteten.
Mit mehr Reibung kam erneutes Stöhnen, von beiden Seiten. Gleichzeitig verschwanden die Gedanken an den heutigen Vormittag aus Eriks Kopf, bis alles, was darin vorherrschte, nur noch einem Ziel diente. Dieser Drang in ihm, sich zu nehmen, was Tom derartig bereitwillig anbot. Als der sich gegen Erik stemmte, hielt er ihn weiter unten. Ein kurzer Biss in die Schulter und Tom zog zischend die Luft ein.
‚Oh ja, jetzt kommen wir der Sache näher‘, dachte Erik bei sich, während er tiefer wanderte.
Im Gegensatz zu seinem Ex Dominik hatte Tom deutlich weniger Problem damit, wenn es nicht um sanftes Streicheln und verhaltene Küsse ging. Die hatte er bisher weder verteilt noch einfordert. Was Tom wollte, war schlicht und simpel, dass es sich in der Regel in zwei einfache Worte fassen ließ. Wieder bäumte der Körper unter ihm sich auf und erneut drückte Erik Toms Becken mit Gewalt zurück in die Laken.
Das beständige Pochen in seinen Ohren stand im direkten Einklang mit dem im Schritt. Erik beugte die Finger und kratzte leicht mit den Nägeln über Toms Rücken hinab, während er sich mit den Lippen auf der Vorderseite nach unten arbeitete. Die Hand an Eriks Hinterkopf wurde dabei beharrlich runtergedrückt, um ihn zu mehr Eile zu zwingen.
„Worauf wartest du?“, zischte Tom ungehalten, als Erik sich offenbar noch immer nicht dorthin bewegte, wo er erwartet wurde.
„Warum so eilig, Tom?“
Das dreckige Grinsen verging Erik allerdings schnell, als die Bewegung, an der aufgeplatzten Lippe zog. Die kurze Ablenkung reichte Tom, um wieder die Oberhand zu gewinnen. Mit einem schnellen Ruck hatte er das rechte Bein angezogen und stemmte es gegen Eriks Bauch, um ihn von sich fortzuschieben. Ein kurzes Hochstemmen und dann saß Tom in Eriks Schoß, anstatt weiterhin schön brav unten liegen zu bleiben.
Erik fluchte innerlich, biss jedoch die Zähne zusammen, um es nicht laut zu tun. Dass Protest gegen Toms eindeutigen Widerwillen unten zu liegen, keinen Erfolg haben würde, hatte Erik in den letzten Wochen bereits mehrmals erfahren dürfen. Bei guter Laune bequemte Tom sich durchaus einmal auf die Knie, aber mehr als das war nicht drinnen.
„Wenn Du nicht in die Gänge kommst ...“, raunte Tom und lachte leise, während er bereits zum Nachttisch nach der Kondompackung griff. „Keine Spielchen, Erik. Das weißt du doch.“
Und wie er das wusste, aber im Grunde wollte Erik schließlich auch nicht ‚spielen‘. Er wollte so verflucht viele Dinge, dass sein Hirn im Augenblick überhaupt nicht in der Lage war, sie alle zu sortieren – geschweige denn zu verbalisieren. Was Erik auf jeden Fall wollte, war aber sich endlich in diesen verdammten kleinen Po zu versenken. Also hielt er zur Abwechslung die vorlaute Klappe. Andernfalls würde er hier nämlich gar nichts kriegen. Auch diese Lektion hatte Erik in den letzten Wochen gelernt.
„Komm schon, Tom!“, jammerte Erik trotzdem. In einem geradezu verzweifelten Versuch setzte er mit einem leichten Lächeln hinzu: „Du hast wohl kaum die dreißig, vierzig Minuten, die ich bis hierher brauche, im Bad verbracht, weil du nicht gevögelt willst.“
Tom rutschte auf Eriks Schritt hin und her, was dem ein weiteres unzufriedenes Knurren entlockte. Als Erik die Hände hob, ließ sich Tom ohne Widerstand passender platzieren. Das Reißen von Plastik und damit waren sie endlich wieder auf dem Kurs, wo Erik nur zu gern hin wollte.
Mit geübten Fingern streifte Tom ihm das Kondom über, bevor er sich mit einem weiteren Grinsen hinunter: „Keine Spiele mehr, Erik.“ Der biss sich auf die Zunge und nickte stumm. „Sehr gut. Dann können wir ja jetzt endlich weitermachen.“
✑
Als Erik Stunden später neben einem leise schnarchenden Tom im Bett lag, war er zwar körperlich befriedigt, ansonsten aber aufgewühlter als zuvor. So sehr er den Sex mochte, manchmal nervte Toms ‚Kontrollzwang‘ einfach tierisch. Und nachdem Erik sich am Nachmittag bereits erfolglos mit Sandro angelegt hatte, war heute definitiv so ein Tag.
‚Von wegen, keine Spiele‘, dachte Erik grummelig. ‚Bei anderen heißt das Vorspiel und ist herzlich willkommen.‘
Missmutig drehte er den Kopf nach links, wo Tom friedlich schlief. Je länger Erik ihn anstarrte, desto mehr verblasste die Wut, machte stattdessen diesem dämlichen Flattern Platz, das Erik einfach nicht einordnen konnte. Tom sah friedlich und zufrieden aus und irgendwie war das ein willkommener Anblick.
‚Na ja, wen wundert es, Tom ist schließlich auch voll auf seine Kosten gekommen‘, zuckte es Erik durch den Kopf und er konnte sich ein zaghaftes Lächeln nicht verkneifen.
Jetzt, wo Tom schlief, hatte Erik wenig Probleme, diesen näher zu betrachten. Eine etwas zu große Nase. Lippen, die vor gut zwei Stunden wahre Wunder bewirkt hatten, um die letzte Runde einzuleiten. Wenn Erik sich zwischen Toms Lippen und diesem hübschen Po entscheiden müsste, wäre das definitiv keine leichte Wahl.
‚Man kann wenigstens nicht falschliegen.‘
Eriks Grinsen wurde breiter und zog erneut an der aufgeschlagenen Lippe. Wütend über sich selbst tastete er nach der Verletzung. Vielleicht sollte er sich das mal im Spiegel ansehen. Aber schlimm konnte es nicht sein. Beim Küssen war es kaum ein Problem gewesen. Als Erik die Finger begutachtete, war kein Blut daran zu sehen, also war die Wunde nicht wieder aufgerissen.
‚Es war trotzdem dämlich sich mit Sandro zu prügeln‘, ermahnte Erik sich selbst. ‚Da hatte Tom völlig recht gehabt.‘
Allerdings wehrte sich ein anderer, deutlich trotzigerer Teil sofort, dass der Affenkönig schließlich angefangen hatte. Und wenn Luca und Oliver nicht gewesen wäre, hätte Erik Sandro das vorlaute Maul gehörig poliert. Beleidigt drehte er sich auf die Seite und zog die Decke ein Stück höher – zumindest den Teil, den Tom ihm nicht schon wieder gerade klaute. Wenn Erik häufiger hier schlafen wollte, sollte er sich eine eigene Decke besorgen und mitbringen.
Der Gedanke war komisch und ließ Erik die Stirn runzeln. Es wäre durchaus praktisch, wenn er nicht immer um sechs Uhr morgens raus müsste, damit er vor der Schule nach Hause konnte. Andererseits stellte eine eigene Decke auch ein Zugeständnis dar, dass das hier mehr war.
‚Wie nennt man es, wenn es bei einem One-Night-Stand nicht bei einer Nacht bleibt?‘, fragte Erik sich selbst. ‚Eine Beziehung doch wohl nicht, oder?‘
War dieses Eingeständnis zur Exklusivität und gelegentliche Treffen zum Kino bereits eine Beziehung? Mit einem kaum hörbaren Schnauben drehte Erik sich auf die andere Seite und starrte erneut Tom an. Der schlief weiter friedlich, ahnte vermutlich kein Stück, was in Erik vorging. Im Grunde genommen war das hier aber doch nicht so viel anders als die Beziehung, die Erik mit Dominik geführt hatte. Abgesehen davon, dass Tom deutlich fordernder beim Sex war – und wesentlich weniger bei allem anderen erwartete.
Letztendlich war es doch sogar deutlich besser. Kein Gejammer über irgendwelche Rollen, die Domi verpasst hatte. Keine kitschige Einrichtung, die Schnulzenfilme oder das versaute Essen. Irgendetwas in Erik zog sich zusammen, während er weiterhin auf Tom starrte. Aber irgendwie fehlte damit auch etwas.
‚Wenn das mit Domi eine Beziehung war, was ist das hier?‘
Zögerlich streckte Erik die Hand aus. Bevor sie tatsächlich Kontakt herstellen konnte, hielt er jedoch inne. Tom konnte es nicht leiden, wenn man ihn mitten in der Nacht weckte. Nicht ohne Grund fing er jedes Mal an zu meckern, sobald Eriks Handy am Morgen klingelte. Er schluckte und zog die Hand zurück.
Vielleicht war es albern und dämlich, aber etwas in Erik fing an, sich zu fragen, ob das hier nicht mehr sein könnte. Dummerweise hielt Eriks Innerstes sich bei der Frage, was genau denn das sein könnte dezent zurück. Im Grunde hatte er also weder eine Ahnung, was er wollte, noch was ihm fehlte und erst Recht nicht wie er es bekommen sollte.
Resignierend schloss Erik für einen Moment die Augen, nur um sich kurz darauf aufzurichten. Er kramte das Handy heraus. Es war erst Elf. Wenn er sich beeilte, könnte er einen der regulären Busse nach Hause bekommen. Dann musste er sich morgen früh nicht abhetzen. Erik zögerte. Der Gedanke, sich wieder hinzulegen und sich den Rest der Nacht entweder um die Decke zu zanken oder ein Heizkraftwerk im Rücken zu ertragen, war nicht gerade erbaulich. Die Vorstellung, alleine im eigenen Bett zu liegen aber auch.
Als er ein weiteres Mal zu Tom schielte, zog sich Eriks Magen erneut zusammen, anstatt das Flattern früherer Nächte heraufzubeschwören. Wollte er tatsächlich eine Beziehung zu Tom? Vielleicht. Irgendwie. So ganz sicher war Erik sich da im Augenblick nicht.
Er war hergekommen, weil er nicht hatte nach Hause gehen wollen – und keine Ahnung hatte, wo er sonst hätte hingehen können. Das hier war der einzige Ort, der Erik eingefallen war. Bekommen hatte er Sex – mehrfach. Aber irgendetwas daran fühlte sich falsch an.