40 – Streit und Rückblick
„Was zum Teufel erwartest du eigentlich von mir?!“
Erik seufzte und rieb sich mit dem Daumen über die Stirn. Irgendwo dahinter begann sich ein stechender Schmerz stetig deutlicher in seinem Kopf auszubreiten. Dieses Gespräch lief nicht, wie er sich das vorgestellt hatte.
„Ich erwarte überhaupt nichts“, brummte Erik entsprechend genervt. Nicht von Tom, sondern von sich und seinen zu hohen oder schlichtweg falschen Hoffnungen. Denn Tatsache war, dass Erik durchaus diese eine Erwartung gehabt hatte. Nämlich, dass Tom ihm wenigstens zuhören und vielleicht zur Abwechslung einmal auf Erik eingehen würde.
Benny hatte Tom irgendwann mit einer Schmusekatze verglichen. Die konnte Erik bis heute nicht erkennen. Im Gegenteil. Was ihm da auf dem Bett gegenüber saß, war definitiv eher ein Tiger als eine Hauskatze. Und zwar ein verflucht bissiger.
„Was ist los, Erik?“, fragte Tom – offensichtlich ebenso genervt. „Warum stellst du dich immer öfter derart an?“
Erik konnte gerade noch verhindern, dass er bei diesen Worten zusammenzuckte. War es das, was er tat? ‚Sich anstellen‘? Die Worte hatte er vor bald einem Jahr schon einmal gehört. Den stechenden Blick ertrug Erik nicht mehr, deshalb sah er lieber auf das Bettlaken hinab.
„Vertraust du mir nicht?“, fragte Erik statt einer Antwort zurück.
Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie die Anspannung in Toms Körper sich schlagartig zu verdoppeln schien. „Darum geht es nicht“, antwortete Tom kühl. „Wir haben darüber gesprochen, dass das zwischen uns nichts Ernstes ist. Und du hast gesagt, es wäre okay. Warum jetzt plötzlich nicht mehr?“
Erik seufzte innerlich und rieb sich erneut mit dem Daumen über die Stirn. „Darum geht es doch gar nicht. Aber du hast auch gemeint, du magst mich.“
„Ich mag dich ja auch. Aber ... scheiße Erik, ich hab dir gesagt, dass ich keine Beziehung mehr will.“ Diesmal klang Tom nicht genervt, eher resignierend.
‚Weil er dir wie einem kleinen Kind immer wieder das gleiche erklären muss.‘
Die Stimme seines persönlichen Arschlochs zu ignorieren, fiel Erik an diesem Abend reichlich schwer. Aber er versuchte es trotzdem. Schloss für einen Moment die Augen und drängte das Ziehen im Magen zurück. Er war kein dämliches Kind.
„Es ist ein beschissenes Abendessen, Tom, sonst nichts“, presste Erik trotz des Drucks in seiner Brust heraus.
„Es ist ein Essen bei dir zu Hause.“
„Meine Mutter wird nicht einmal da sein!“, brüllte Erik allmählich ernsthaft genervt. Er wollte doch nur, dass sich das hier endlich wenigstens nach irgendetwas anfühlte.
Tom schwieg. Die zusammengepressten Lippen und die funkelnden Augen sagten aber genug. Er würde nicht kommen. Und Erik würde Tom nicht überzeugen können. Nur, was das letztendlich für ihre Zukunft hieß, konnte Erik sich weiterhin nicht eingestehen.
Es tat weh – mehr als es sollte, denn im Grunde genommen hatte Tom Recht. Er hatte von Anfang an gesagt, dass er keine Beziehung wollte. Und Erik war es genauso gegangen. Damals hatte Erik aber auch nicht damit gerechnet, dass sie sich ein halbes Jahr später immer noch treffen würden. Und dass ihm das alles dann nicht mehr so am Arsch vorbei ging. Menschen änderten sich. Zögerlich sah er zu Tom, der derweil nicht mehr ganz so verkniffen, dafür reichlich missmutig aussah.
‚Nicht jeder scheint sich zu ändern‘, dachte Erik bei sich. ‚Zumindest nicht in die gleiche Richtung.‘
„Ich hab dir schon einmal gesagt, dass das hier nicht funktionieren wird, wenn du eine Beziehung willst“, meinte Tom kaum hörbar.
„Ich hab nicht gesagt, dass ich eine möchte“, antwortete Erik tonlos. Dass er sich zumindest so etwas wie Freundschaft erhofft hatte, würde Erik Tom lieber nicht auf die Nase binden. Jedenfalls nicht an diesem Abend.
Heute hatte Erik lediglich gefragt, ob Tom nicht einmal zu ihm zum Essen kommen und die Nacht bei ihm verbringen wollte. So etwas sollte doch wohl auch unter Freunden drinnen sein. Warum das für Tom so ein rotes Tuch war, verstand Erik nicht. Und dummerweise schien Tom nicht gewillt zu sein, es zu erklären. Oder er schafft es nicht, die richtigen Fragen zu stellen.
„Ich mag dich ehrlich, Erik“, wiederholte Tom erneut. Mit jedem Mal, dass er die Worte hörte, klangen sie hohler, falscher. „Aber ich will mich nicht noch einmal binden.“
Der Druck in Eriks Brust wurde zu einem Stahlband, das sich in seine Haut schnitt. Tief genug, um ihn innerlich ausbluten zu lassen. Nicht weil Tom ihn ein weiteres Mal zurückwies, sondern da es so klang, als hätte der Mann bereits eine Beziehung hinter sich. Eine, die mies genug gewesen war, dass es sich bis auf Erik hinaus auswirkte.
„Was auch immer in deiner letzten Beziehung falsch gelaufen ist ...“, setzte Erik an.
„Lass es“, unterbrach Tom ihn zischend, bevor Erik anbringen konnte, dass er schließlich ein anderer Mensch war. „Ich will nicht! Meine Güte, muss es denn immer gleich darum gehen die große ... Liebe ... zu finden?“
Einen Moment schwieg Erik. Versuchte, die richtigen Worte zu treffen. „Ich rede nicht von Liebe, Tom“, nuschelte er.
Um genau zu sein, war Erik sich nicht einmal mehr sicher, was er überhaupt für diesen Mann empfand. Es sah allerdings stetig deutlicher danach aus, als würde er es nie herausfinden. Und trotzdem konnte Erik nicht loslassen.
Tom aber offenbar auch nicht, denn er war es, der kurz darauf fragte: „Wieso können wir nicht einfach alles so lassen, wie es ist? Ist doch gut so.“
Erik zog die Stirn kraus, überlegte. Aber er fand keine Antwort. Jedenfalls nichts, was Tom überzeugen würde, dass er mit dem Status quo nicht klarkam. Alles, was Erik einfiel, klang in seinen eigenen Ohren ebenso hohl und falsch, wie Toms Worte davon, dass er ihn ‚mochte‘.
„Okay“, gab Erik dennoch heiser nach. Er schluckte und rieb sich erneut mit dem Daumen über die Stirn. Der Schmerz dahinter war erträglich, aber nicht wirklich angenehm.
„Ich meine es ernst, Erik“, hakte Tom jedoch ein weiteres Mal nach. „Ich will keine Beziehung mehr. Und ich will das auch nicht noch einmal diskutieren.“
Diesmal nickte Erik lediglich und stieg vom Bett, um sich anzuziehen. Die Kopfschmerzen würden nicht besser werden und im Grunde hatte er ja offenbar für heute alles hier erledigt, was es zu erledigen gab. Jedenfalls war davon auszugehen, dass Tom ihm nach dem Sex von vorhin weder mehr bieten, noch von ihm erwarten würde.
„Haust du jetzt einfach ab?“
Erik hielt inne, zuckte dann mit den Schultern. Hose und Shirt waren schnell übergezogen. Er schnappte sich den Rucksack und sah erneut zu Tom, der stirnrunzelnd und mit einer selbst für Erik nicht übersehbaren Irritation auf dem Bett saß.
Wie betäubt versuchte Erik, ein Gefühl aus seinen Untiefen auszugraben, das dieser Anblick bei ihm auslöste. Aber da war nichts. Das Stechen im Magen, das ihn bis eben malträtiert hatte, war kaum spürbar.
„Du wolltest ficken und das haben wir“, gab Erik tonlos zurück. „Für was brauchst du mich hier noch? Wenn ich jetzt nach Hause fahre, nervt dich morgen früh mein Handy nicht und ich hab nicht den Ärger eher aufstehen zu müssen, um zur Schule zu kommen. Gewinn für alle.“
Die Furchen auf Toms Stirn wurden tiefer und für einen Augenblick regte sich in Erik ein Funke Hoffnung, dass er diesem Kerl nicht ganz so egal war, wie es geklungen hatte. Das verhaltene Glimmen war allerdings zu klein und schafft es nicht, zu einem wirklichen Feuer zu werden.
Anstatt ihn aufzuhalten, murmelte Tom lediglich: „Okay. Bis dann.“
‚Sag irgendwas!‘, forderte von irgendwo aus den Untiefen von Eriks Geist eine Stimme.
Aber Erik hatte keinen blassen Schimmer, was er sagen sollte. Die Worte waren weg. Alles, was ihm einfiel, würde Tom garantiert weiter von ihm wegstoßen. Wobei das im Augenblick kaum möglich erschien. Da wo ein Ziehen, Reißen oder auch Flattern herrschen sollte, war gähnende Leere.
Deshalb ging Erik. Schweigend. Kein Gruß, kein Abschied, denn alles, was er sagen könnte, würde dazu führen, dass es eher ein ‚auf Nimmerwiedersehen‘ als ein ‚bis bald‘ wäre. Glücklicherweise tauchte keiner von Toms Mitbewohnern in diesem Augenblick im Flur auf und Erik schaffte es unbehelligt bis auf die Straße.
Dort konnte er endlich durchatmen. Der Druck auf seiner Brust wurde dadurch jedoch nicht weniger. Im Gegenteil. Je weiter Erik sich von Toms Wohnung entfernte, um zum Bus zu gehen, desto mehr fühlte es sich so an, als ob hier eben etwas entschieden worden war, was Erik nicht geplant hatte, überhaupt zu diskutieren.
‚Er wird sich nicht für dich ändern‘, dröhnte es in Eriks Gedanken.
Jedes Wort ein weiterer Stich – nicht nur in seinem ohnehin schmerzenden Kopf, sondern ebenso in der Brust. Nein, Tom würde sich nicht ändern. Und so war es vielleicht tatsächlich seine eigenen falschen Erwartungen, die Erik hier einen Strich durch die Rechnung machten.
‚Du brauchst ihn nicht‘, versuchte er sich einzureden.
Half allerdings nur mäßig, selbst wenn der vernunftbegabte Teil von Eriks Kopf der Feststellung zustimmte. Vermutlich war sie schlicht aus dem gleichen Hirnareal gekrochen, das sich der Zustimmung jetzt natürlich nicht verweigern konnte.
Erik seufzte und versuchte, den Gedanken auf Abstand zu halten. Das gelang ihm sogar einigermaßen. Jedenfalls, bis er alleine in seinem eigenen Bett lag und an die Zimmerdecke starrte.
„Nur Sex“, murmelte Erik vor sich hin und schloss die Augen. Letztendlich lief es darauf hinaus. Und zwar absehbar auf nichts sonst.
‚Das, was du wolltest nach Dominik‘, sagte Erik sich erneut. Aber es half wenig, um gegen die Enttäuschung anzukämpfen.
Ja, Tom hatte ihm nie ernsthaft irgendetwas anderes in Aussicht gestellt. Trotzdem konnte Erik nicht mehr leugnen, dass er gehofft hatte, daran hätte sich im Laufe des vergangenen halben Jahres etwas geändert. Wenn es die ganze Zeit nur um Sex gegangen war, warum hatte Tom sich mit ihm auf dem Weihnachtsmarkt getroffen? Weshalb die Kinobesuche? Tatsächlich nur, um dort nicht alleine hinzugehen?
Erik verstand es nicht und egal, wie sehr er versuchte, sein Hirn zu verknoten, es blieb ihm schleierhaft. Denn offenbar hatte Tom ja mit seinen Mitbewohnern kein schlechtes Verhältnis. Mit denen könnte er genauso in irgendeinen Film gehen. So wie Mario sich bei ihren letzten Treffen gegeben hatte, würde der Tom vermutlich liebend gern ins Rush-Inn begleiten.
‚Garantiert auch ins Bett.‘
Scheiße, den Gedanken konnte Erik gerade so gar nicht gebrauchen.
Dieses beschissene schwarze Loch in seiner Körpermitte fing schon wieder an größer zu werden. In dem Versuch, es irgendwie abzudichten, drehte Erik sich auf die Seite, zog die Knie an die Brust und starrte auf die Wand.
„Und jetzt?“, fragte er sich.
Weder das Arschloch in seinem Kopf, noch irgendjemand sonst schien eine Antwort zu wissen. Zumindest war niemand bereit, ihm eine zu geben. Seufzend schloss Erik die Augen. Vielleicht würde morgen die Welt ja wieder besser aussehen.
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Dummerweise sahen Montage selten gut aus. Erst recht, nachdem Erik früher am Tag in Bio wieder die halbe Stunde hatte beobachten dürfen, wie Sandro und Ines die ganze Zeit die Köpfe zusammensteckten. Die Tatsache, dass er sich den Mist nicht länger antun musste, war lediglich darin begründet, dass er irgendwann resignierend den Kopf auf den Tisch gelegt und vor sich hin gedöst hatte.
Trotzdem ging ihm an die Nieren, dass der blöde Affenkönig beziehungstechnisch weiterhin deutlich besser aufgestellt war als er. Okay, vielleicht war es Ines, die da erfolgreicher war. Mit einem Mädchen wollte Erik sich allerdings nicht vergleichen. Denn dann würde sich zu Ines auch noch Hanna gesellen, die einem gewissen Deutschlehrer genauso gern die Klamotten vom Leib zerren würde wie er.
‚Denk nicht einmal dran!‘
Erik stöhnte tonlos, während er inzwischen versuchte, Herrn Darians Ausführungen in Mathe zu folgen. Der war weiterhin so verdammt gut gelaunt aufgrund seines über ihn hereingebrochenen Nachwuchses, dass die Mathestunden die reinste Folter waren.
Mal ehrlich, wenn man sich in Selbstmitleid suhlen wollte, dann sollte man frischgebackene Väter definitiv meiden. Die konnten einem jede Stimmung verderben. Glücklicherweise war Mathe die letzte Stunde des Tages und so würde Erik sich danach endlich auf den Heimweg machen.
‚Wo dann eine beschissene Deutschhausaufgabe auf dich wartet.‘
Genervt ließ Erik den Kopf auf den Tisch fallen und schloss die Augen. Richtig, da war ja dieses dämliche Buch, das sie in Deutsch durchnahmen. Als ob sein Privatleben nicht scheiße genug wäre. Da musste Erik sich auch noch das von irgendeinem verträumten, vermutlich dauerhaft bekifften, Vollidiot antun. Ein Trottel, der nicht damit klarkam, dass die Schnepfe, die er sich ausgesucht hat, sich für den vernünftigen Typ entschieden hatte, anstatt für ihn.
‚Du rennst Tom auch hinterher.‘
Erik schloss die Augen und kämpfte gegen das wieder größer werdende schwarze Loch in seinem Inneren an. Schließlich ‚rannte‘ er Tom nicht nach. Auf ihre Art und Weise hatten sie eine Beziehung. Eine, die Sex beinhaltete. Und in der Tom, im Gegensatz zu Erik, weiterhin der Meinung war, dass das vollkommen ausreichend war.
In diesem Moment erklang die Glocke zum Stundenende und damit war zumindest der Montag endlich beendet. Einer der letzten vor den Prüfungen. Der April stand vor der Tür. Ein Grund mehr, dass Erik sich in seinen Prüfungsfächern endlich etwas konzentrierte.
Obwohl er es eigentlich nicht wollte, kam Erik nicht umhin einen Blick zu Sandro und Ines zu werfen, als er ihr einen Arm über die Schulter legte und sie aus dem Klassenzimmer schob. Was zum Geier machte er selbst eigentlich falsch? Wieso bekam ein Idiot wie Sandro das auf die Reihe?
Nachdenklich packte Erik seine Sachen ein und machte sich auf den Heimweg. Als er Dominik vor inzwischen über einem Jahr kennengelernt hatte, war die Initiative eindeutig von dem ausgegangen. Jedenfalls wenn es darum ging, dass sie eine ‚Beziehung‘ führten. Klar, Erik war der Sache nicht abgeneigt gegenüber gewesen.
Wenn er heute auf diese Zeit zurückblickte, hatte er sich allerdings vermutlich auch nicht hilfreich dahingehend gezeigt. Trotzdem waren da Gefühle für Dominik gewesen. Genau wie da heute etwas war, das er für Tom empfand. Jedenfalls glaubte Erik das. Aber ob das wirklich Liebe war? Stirnrunzelnd stieg er die Stufen zu seinem Wohnhaus hinauf. Das mit Domi war auf keinen Fall nur Sex gewesen. Erik hatte gern Zeit mit ihm verbracht. Auch wenn dieses Geschwafel über Musicals mitunter genervt hatte. Trotzdem hatte Erik es ertragen. Es gehörte dazu und irgendwie war der ganze Kram mit Dominik gemeinsam wesentlich weniger nervig gewesen.
„Ich war nicht wie Tom“, flüsterte Erik leise, als er die Post aus dem Briefkasten holte.
Ein kurzer Blick, aber das meiste war Werbung und der einzige andere Brief für seine Mutter. Nicht, dass Erik irgendetwas erwartet hätte.
In der Wohnung angekommen, warf er die Post auf den Küchentisch und verzog sich anschließend in sein Zimmer. Hunger hatte Erik keinen – vielleicht war ihm auch nur der Appetit vergangen. Kam in letzter Zeit ja häufiger vor.
Als Erik sich auf dem Bett zusammenrollte, fühlte er schlagartig, wie die Müdigkeit seine Knochen hindurch kroch. Am liebsten hätte er die Augen zugemacht und erst einmal eine Runde geschlafen. Aber dann wäre er später am Abend hellwach und am nächsten Morgen nicht ausgeschlafen.
Verschlafen zur ersten Stunde aufzutauchen wäre garantiert ein böser Fehler. Vor allem, da Erik dort einem gewissen Deutschlehrer zwangsläufig über den Weg laufen würde. Er zog die Beine näher an die Brust und schloss die Augen.
Immerhin führte der Gedanke an den Blödmann nicht mehr automatisch zu irgendwelchen kranken Fantasien, die Eriks Hirn heraufbeschwor. Dafür tummelte sich immer öfter dieses beschissene Flattern im Bauch, von dem er nicht sagen konnte, ob das besser war.
Oder woher es kam.
Jedenfalls war es scheiße. Wie Schule generell wieder in letzter Zeit. Nicht, weil Erik Probleme mit irgendetwas hatte. Okay, die Prüfungsvorbereitung in der dämlichen Stochastik wollte ihm einfach nicht ins Hirn, aber irgendwie würde er die paar Punkte da schon rausholen, um wenigstens zu bestehen.
Nein, es waren nicht die Probleme, die so scheiße waren, sondern perfiderweise eher deren Abwesenheit. Was Eriks ohnehin schon krankes Hirn noch gestörter erscheinen ließ. Schließlich sollte er sich freuen. Die Situation vom Anfang des Schuljahres hatte allerdings einen entscheidenden Vorteil gehabt: Erik hatte genau gewusst, woran er war.
Die Fronten waren klar gewesen. Sandro hatte ihn gemobbt, Berger hatte ihm nicht geholfen und stattdessen dämliche Strafarbeiten verteilt. Im Ausgleich dazu hatte Erik beschissen kranke Hausarbeiten abgegeben und die beiden Idioten gehasst. Bis aufs Blut. Um genau zu sein, hatte er Berger zu gern eine reinwürgen wollen.
‚Du wolltest ihn beruflich und menschlich ruinieren‘, rief eine mahnende Stimme Erik in Erinnerung, wie weit seine Gedanken damals gegangen waren. Mit einem gequälten Stöhnen drehte er sich ruckartig herum und richtete sich auf.
„Nicht darüber nachdenken“, ermahnte Erik sich erfolglos.
Denn es war definitiv eine nicht zu leugnende Tatsache, dass Sandro sich nur noch mit ihm anlegte, wenn Ines ihm die kalte Schulter zeigte. Und Berger? Bei dem war sich Erik inzwischen überhaupt nicht mehr sicher, was er von ihm halten sollte.
‚Er ist jedenfalls nicht das Arschloch, für das du ihn vor ein paar Monaten gehalten hast.‘
Zumindest nicht mehr. Was er stattdessen war, wagte Erik, nicht einmal zu denken. Denn das war fast noch kranker als der Mist, den er Berger bisher um die Ohren gehauen hatte.
‚Gib es doch zu. Das Einzige, was du an dem Mann noch ruinieren willst, ist seine Unschuld.‘
Erik stöhnte und ließ den Kopf in die Hände sinken. Genau deshalb sollte er nicht über Berger nachdenken. Nicht einmal ansatzweise! Um eben diesen Vorsatz umzusetzen, sprang Erik auf und stapfte zum Schreibtisch. Da waren Hausaufgaben zu erledigen. Und es würde nicht schaden, wenn er die eine oder andere Musteraufgabe für die Prüfungen durchging, bevor ihm dafür endgültig die Zeit weglief.