„Anni, siehst du, was ich sehe?“
„Was denn, Tante Cloe?“
„Dort drüben, vor dem Internet-Café, ist das nicht dieser knackige junge Mann, dem das OCEANS gehört?“
Beladen mit einigen Einkaufstaschen blieb Cloe interessiert stehen. Die beiden Frauen hatten eine Shoppingtour durch die Stadt unternommen und befanden sich auf dem Rückweg.
Anni verdrehte genervt die Augen.
„Es hat ihm gehört, Tante Cloe, bevor er so dämlich war, es für Edward Hamiltons Kaution zu verpokern. Jetzt läuft er als Angestellter an der kurzen Leine dieser Vegas-Braut, die ihn nur zu gern vernaschen würde.“
„Woher weißt du das alles?“, fragte Cloe erstaunt.
„Man hört so einiges“, erwiderte Anni vage und sah ihre Tante amüsiert an. „Es wundert mich, dass du davon noch nichts mitbekommen hast. Die halbe Stadt redet bereits über die Eskapaden von Ed Hollisters Jetset-Töchterlein. Sie kriegt immer, was sie will. Caroline kann einem wirklich leidtun. Tja, mein liebes Tantchen, seitdem du mit diesem Schneider liiert bist, scheinst du gesellschaftlich überhaupt nicht mehr auf dem Laufenden zu sein.“
„Also ich muss doch sehr bitten!“ Cloe blinzelte gegen die Sonne in Deans Richtung. „Aber mal ganz ehrlich, glücklich sieht der Junge wirklich nicht aus.“
„Hör endlich auf, ihn anzustarren, Tante Cloe, der spielt nicht in deiner Liga.“
„Ich will ja auch nicht spielen, Schätzchen, ich will mich nur nett unterhalten.“ Sie straffte die Schultern. „Komm, wir leisten ihm ein wenig Gesellschaft und muntern ihn etwas auf.“
Bevor Anni es verhindern konnte, stöckelte Cloe auch schon selbstbewusst über die Straße, genau auf das Internet-Café zu.
*
Danielle wusste selbst nicht genau, wie sie diese Schicht überstanden hatte, aber irgendwann war ihr Dienst endlich zu Ende, und sie sank erschöpft auf die Bank im Umkleideraum. Gedankenverloren starrte sie vor sich hin.
George Freeman war tot...
Sie konnte es noch immer nicht glauben. Erst gestern hatte sie zusammen mit ihm in seinem Rosengarten gesessen.
Sie machte sich schwere Vorwürfe, obwohl John ihr erklärt hätte, dass George Herzanfall nahezu unvermeidlich gewesen war.
„Alles Geld der Welt, selbst die beste Privatklinik sind nichts wert, wenn das Herz versagt. Die Liste für Spenderherzen ist endlos lang und letztlich war er schon zu schwach, um so eine Transplantation zu überstehen. Es war einfach Schicksal“, hatte er sie getröstet, bevor er heute Vormittag die Klinik verließ, um nach den letzten schweren Stunden ein wenig zur Ruhe zu kommen. „Zumindest hat er vor seinem Tod noch die Wahrheit erfahren und war glücklich darüber.“
Danielle wischte verstohlen eine Träne weg. John tat ihr in der Seele leid. So wenig Zeit war ihm gemeinsam mit seinem Vater vergönnt gewesen, und trotz des schmerzlichen Verlustes versuchte er sogar noch, sie zu trösten.
Für einen kurzen Augenblick vergrub sie ihr Gesicht in den Händen.
Nichts mehr sehen und hören!
Erschrocken fuhr sie hoch, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte...
*
Caracas, Venezuela
Matt und Mitch wurden am Flughafen von Michael Donovans Privatdetektiv Oliver Henderson erwartet, der sie beide in Masons Firma bringen sollte.
Die Millionenstadt Caracas, malerisch eingebunden in ein Längstal des Küstengebirges am Karibischen Meer, zeigte sich ihnen in strahlendem Sonnenschein. Anders als Los Angeles, das fast ständig unter einer leichten Dunstglocke zu liegen schien, war die Luft hier glasklar und rein und ließ die Metropole vor ihnen wie eine makellose, supermoderne Spielzeugstadt erscheinen, deren Bild in der Mittagshitze leicht flimmerte.
Eine Stadt der Superlative, zumindest auf den ersten Blick, entstanden aus den Wünschen der Reichen und Schönen dieser Welt.
Matt und Mitch jedoch hatten kaum einen Blick für das besondere Flair dieses Urlaubsparadieses.
Ihre Mission war eine andere.
Das Gelände der Firma CASTILLO CORPORATIONS war recht schnell erreicht, denn Henderson kannte sich gut aus und verstand es, das Gewirr aus mehrspurigen Straßen und Autobahnen der Innenstadt geschickt zu umfahren. Während der Fahrt versorgte er die beiden Besucher kurz und sachlich mit allen wichtigen Informationen, die er während seines Aufenthaltes hier bereits gesammelt hatte. Auf einem Parkplatz kurz vor dem Firmengelände stoppte der Detektiv den Wagen.
„Es ist sicherer, wenn man uns in der Firma nicht zusammen sieht. Mich kennt man hier bereits als amerikanischen Immobilienmakler aus Salt Lake City“, erklärte er den beiden Männern und reichte Matt einen Zettel. „Das ist die Handynummer, unter der Sie mich jederzeit erreichen können. Ich wohne im PLAZA - Hotel, nur zehn Minuten von hier. Dort sind auch Zimmer für Sie beide reserviert, falls Sie über Nacht bleiben müssen. Sie können es gar nicht verfehlen, es liegt direkt an der Straße, die ins Zentrum führt. Und den roten Lexus dort drüben habe ich ebenfalls für Sie gemietet. Wenn Sie zurückreisen, stellen Sie ihn einfach am Flughafen ab. Hier sind die Papiere für den Wagen.“
Matt lächelte zufrieden.
„Danke, Mister Henderson. Sie haben wirklich an alles gedacht.“
„Mister Donovan bezahlt mich gut dafür“, grinste der Detektiv und nickte den beiden Männern aufmunternd zu. „Na dann, viel Glück!“
*
Danielle hatte in Gedanken versunken dagesessen und überhaupt nicht wahrgenommen, wie jemand hinter ihr den Raum betrat. Umso erschrockener war sie, als sie sich umdrehte und geradewegs in Masons unergründlich dunkle Augen blickte.
„Was willst du denn hier?“, fuhr sie ihn ungehalten an, um die Furcht zu verbergen, die sie immer noch erfasste, sobald sie sich in seiner Nähe befand.
„Ich habe nach dir gesucht, und deine nette Kollegin sagte mir, dass du hier drin bist“, erwiderte er wie selbstverständlich und setzte sich. „War ein weiter Weg bis hierher, vor allem, wenn man noch etwas wacklig auf den Beinen ist.“
Danielle starrte auf seinen Kopfverband und nahm sich insgeheim vor, mit der „netten“ Kollegin ein ernstes Wort zu reden, weil sie einem Patienten so einfach Zutritt zu den Räumen des Personals gewährt hatte.
„Wie geht es deinem Kopf?“, fragte sie vorsichtig.
Mason verzog skeptisch das Gesicht.
„Physisch geht es ihm gut, aber psychisch muss noch eine Menge aufgeräumt werden, fürchte ich.“
Danielle musterte ihn mit ernstem Gesicht.
„Warum bist du hier, Mason?“
„Ich wollte dich sehen. “ Er schien angestrengt nach den richtigen Worten zu suchen „Um dir zu sagen, dass es mir leid tut.“
Danielle sah ihn überrascht an. Sie spürte genau, wie schwer es ihm fiel, seine Gefühle so offen zu zeigen. Aber konnte sie ihm vertrauen? Meinte er wirklich, was er sagte? Sie war nicht sicher. Vielleicht würde sie das nie sein.
„Was tut dir leid, Mason?“
„All die schrecklichen Dinge, die ich dir angetan habe.“
Obwohl es ihr unter Aufbietung all ihrer Selbstbeherrschung gelang, nach außen hin ruhig und gelassen zu wirken, schien eine eiskalte Faust ihr Innerstes schmerzhaft zusammenzupressen. Misstrauisch betrachtete sie jede seiner Bewegungen.
„Könntest du dich bitte etwas präziser ausdrücken? Was hast du mir angetan?“
Er schien überrascht von ihrer Offenheit, dennoch lächelte er.
„Verstehe. Du willst wissen, ob ich nur bluffe oder mich wirklich erinnern kann.“ Abwartend sah sie ihn an. Er versuchte ihrem Blick Stand zu halten, was ihm offensichtlich nicht leichtfiel.
„Nun, ich habe mich dir gegenüber nicht nur einmal als Matt ausgegeben, ich habe dich aus der Hütte in den Bergen entführt und dich unter Drogen gesetzt. Als mir Matt und Stefano dann auf die Schliche kamen, bin ich einfach abgehauen, nachdem ich dir eine Überdosis verabreicht hatte. Ich kann es mir heute selbst nicht erklären, aber anscheinend wollte ich dich mit niemandem teilen, vor allem mein Bruder sollte dich nicht bekommen. Ich hätte dich damals lieber sterben lassen.“
„Das ist dir ja auch fast gelungen“, erwiderte sie scheinbar ungerührt, während sie ihn nicht aus den Augen ließ. „Erzähl weiter!“
„Lange Zeit glaubte ich, du wärst tot. Bis Cynthia mir sagte...“
„Cynthia?“
„Cynthia Rodriges, meine persönliche Assistentin.“
Danielle überlegte.
„Augenblick mal, nur damit ich das jetzt richtig verstehe, reden wir über dieselbe Cynthia Rodriges, die sich als Teilhaberin in Matts Firma eingekauft hat?“
Mason nickte.
„Ich habe sie in die HSE eingeschleust, um mit ihrer Hilfe die Firma zu ruinieren, und Matt geschäftlich endgültig fertig zu machen. Es war mein Geld, mit dem sie Annabel Parker die Anteile abgekauft hat.“
Die Informationen sprudelten nur so aus ihm heraus, und er schien froh zu sein über jede Bekenntnis, die über seine Lippen kam.
Irgendwann hob Danielle abwehrend die Hände.
„Stopp, Mason!,“ sagte sie entschieden. „Das führt zu weit, und wenn du es wirklich ehrlich meinst, dann solltest du diese geschäftlichen Dinge später Matt erzählen.“
„Das habe ich bereits getan.“
„Und was sagt er dazu?“
„Darüber unterhalten wir uns, wenn er aus Caracas zurück ist.“
„Ah ja.“ Danielle nickte. „Ich hoffe nur, du hast ihm die Wahrheit gesagt.“
„Das habe ich.“
„Okay.“ Sie atmete tief durch. Jetzt war die Gelegenheit, ihn das zu fragen, was ihr seit Tagen auf der Seele brannte und sie nicht ruhig schlafen ließ.
Jetzt oder nie! Es musste sein, sonst würde sie niemals Ruhe finden.
„Mich selbst interessiert im Moment nur noch eine Sache.“
„Und die wäre?“
„Was genau ist während der Entführung zwischen uns geschehen?“
Auf Danielles Frage hin zog Mason erstaunt die Stirn in Falten.
„Wie meinst du das?“
„So, wie ich es sage“, erwiderte sie und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, auch wenn ihr das Herz plötzlich vor Aufregung bis zum Hals schlug. „Du hast mich unter Drogen gesetzt, so dass ich mich an vieles nicht mehr erinnern kann.“
Mason schien angestrengt zu überlegen.
„Da war dieser Brief mit meiner Aussage, dass Randy Walker den Mann am Pier nicht umgebracht hat.“
„Ja, das weiß ich. Ich habe den Brief unter der Matratze versteckt, um den Beweis für seine Unschuld sicherzustellen.“
„Kluges Mädchen.“
„Lenk nicht vom Thema ab.“
„Was genau willst du wissen?“
„Du hast etwas zu mir gesagt, als ich nach der Entführung in deinem Schlafzimmer völlig zugedröhnt zu mir kam.“
„Und was?“
„Du hast gesagt, mit ein paar Drogen im Blut wäre ich ein völlig anderer Mensch. So wunderbar kooperativ.“
Er starrte sie fast erschrocken an.
„Danielle…“
„Du hast gesagt, das, was heute hier geschehen ist, würde Matt nie erfahren“, fuhr sie unbeirrt fort, obwohl sie all ihre Willenskraft aufbieten musste, um ihn mit den für sie bedeutungsvollen Worten zu konfrontieren, die sie seit Tagen bis in den Schlaf verfolgten. „Es sei denn, du würdest wollen, dass er es erfährt.“
Nun war es heraus.
Mason fuhr sich mit der Hand über die Stirn und dachte einen Augenblick angestrengt nach.
Sekunden vergingen, Sekunden, die Danielle wie eine Ewigkeit erschienen. Dann jedoch blickte er auf und nickte.
„Es tut mir leid, Danielle.“
„Was? Was tut dir verdammt nochmal leid, Mason?“, fuhr sie ihn ungehalten an. „Dass du mich vergewaltigt hast, als ich bewusstlos war?“ Sie war mit ihrer Selbstbeherrschung inzwischen ziemlich am Ende und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. „Rede endlich!“
„Ich habe das gesagt, damit du glaubst, wir beide hätten...“
„Haben wir nicht?“
„Nein. Ich schwöre dir, ich habe dich nicht angefasst.“ Er schüttelte mit einer Entschiedenheit den Kopf, die sie überraschte. Offen sah er sie an. „Ich habe in meiner Vergangenheit schlimme Dinge getan, aber das hätte ich niemals…“
„Oh doch, Mason, das hättest du“, unterbrach sie ihn ungehalten. „Und zwar aus demselben Grund, aus dem du all die anderen schlimmen Dinge getan hast: um deinem Bruder weh zu tun.“
„Nein!“ Er wandte sich ab und kämpfte sichtlich um seine Fassung. „So war es nicht, glaub mir! Ich hätte dir nie etwas angetan, während du bewusstlos warst. Ich wollte nur, dass du mich liebst. Mich, nicht Matt! Aber momentan kann ich selbst nicht nachvollziehen, weshalb ich all diese Sachen getan habe.“
„Aber du hast sie getan, und du erinnerst dich.“
„Ja verdammt, ich erinnere mich leider an jedes einzelne Detail! Ich wünschte, meine Erinnerungen daran wären für immer ausgelöscht.“
„Das wäre allerdings auch keine Lösung, denn Matt und ich werden bestimmt nicht vergessen, was du getan hast.“
Mason drehte sich langsam wieder um und hob scheinbar hilfesuchend den Blick, doch Danielle starrte nur wütend zurück.
„Es fällt mir momentan schwer, meine damaligen Beweggründe richtig nachzuvollziehen“, begann er kopfschüttelnd. „Vermutlich war es zu Anfang so, dass ich dich ihm wegnehmen wollte, um jeden Preis. Er sollte leiden, genauso wie damals, als ich ihm Marina nahm. Doch ich hatte dabei nicht mit meinen eigenen Gefühlen für dich gerechnet. Damit geriet die Sache etwas außer Kontrolle. Ich wollte, dass du für mich genauso empfindest, wie ich für dich.“
„Und wie sollte das funktionieren? Indem du mich unter Drogen setzt und mir irgendwelche Dinge einredest, die in Wirklichkeit nie passiert sind?“
Er hob resigniert die Schultern.
„Anscheinend habe ich geglaubt, wenn ich dich nur weit genug wegbringe, würdest du Matt vergessen.“ Er sah ihren skeptischen Blick und hob verzweifelt die Hände. „Verdammt, so glaub mir doch!“
Fassungslos schüttelte Danielle den Kopf.
„Es fällt mir schwer, dir irgendwas zu glauben, Mason.“
Er strich über seine schmerzende Stirn und lachte verächtlich.
„Nur allzu verständlich. Heute weiß ich auch, wie absurd mein Verhalten war. Das hat vielleicht bei Marina funktioniert. Aber nicht bei dir. Du hättest Matt niemals vergessen.“
Danielle nickte nur stumm. Mason wandte sich ab und trat ans Fenster. Mit hängenden Schultern, die Hände, frustriert zu Fäusten geballt, tief in den Hosentaschen vergraben, starrte er schweigend hinaus.
´Er sagt die Wahrheit. Es ist nichts geschehen´, überlegte Danielle. ´Er hatte sich in mich verliebt, und das hat ihn aus dem Konzept gebracht.´
Es war, als würde sie durch sein Bekenntnis von einer zentnerschweren Last befreit, die ihr seit Tagen auf der Seele lag.
Sie atmete tief durch.
„Weißt du, Mason“, sagte sie nachdenklich „Matt hat die ganze Zeit darunter gelitten, dass du ihn hasst. Er konnte nicht verstehen, warum das so war. Ich glaube, jetzt könnte er es. Rede mit ihm, das wäre eine echte Chance für einen Neubeginn. Vorausgesetzt natürlich, du bist diesmal wirklich ehrlich und spielst nicht wieder irgendwelche Spielchen mit uns.“
Nachdenklich runzelte er die Stirn.
„Genau das hat Marina gestern auch zu mir gesagt.“ Marina - ihr Name, so fremd, und doch so vertraut.
Er hob den Kopf und zwang sich, Danielle in die Augen zu sehen.
„Ich habe euch allen das Leben zur Hölle gemacht. Ich weiß nicht, ob ich das jemals wieder gutmachen kann.“
Stumm erwiderte sie seinen Blick und blieb ihm die Antwort schuldig. Er nickte resigniert und wandte sich zur Tür. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal um und suchte erneut ihren Blick, als würde er noch immer auf eine Reaktion von ihr hoffen.
Trotz allem, was in der Vergangenheit geschehen war, tat er ihr leid, wie er dastand, so allein und verloren in seinen Erinnerungen. Den inneren Kampf mit seinem schlechten Gewissen musste er jedoch selbst ausfechten, diese Gefühle konnte ihm keiner ersparen. Und vielleicht war es ja auch gut so...
„Gib uns allen etwas Zeit, Mason“, sagte sie leise. „Es ist nicht leicht. Nicht nur für dich fängt nach der Operation eine neue Zeit an. Auch wir müssen dich neu kennenlernen. Vor allem Matt. Aber er wird es versuchen, das weiß ich.“
*
Caracas, Venezuela
Matt betrat das moderne, mehrstöckige, weiß verkleidete Gebäude mit den verspiegelten Fenstern und der leuchtenden Aufschrift CCC, die für CASTILLO CORPORATIONS CARACAS stand, während Mitch zunächst unten im Wagen blieb und den Eingang im Auge behielt, in der Hoffnung, vielleicht Edward Hamilton irgendwo zu erblicken.
„Wenn er die Firma verlässt, folgst du ihm“, hatte Matt ihm aufgetragen. „Henderson sagte, die Angestellten hätten in etwa einer Stunde Feierabend, vielleicht haben wir Glück.“
Im Inneren des Gebäudes war es angenehm kühl.
Matt durchquerte die helle und sehr modern eingerichtete Eingangshalle mit den riesigen tropischen Grünpflanzen und steuerte auf die Aufzüge zu.
„Mister Castillo?“, begrüßte ihn die hübsche junge Dame am Empfangstresen erstaunt. „Sie... hier?“
Matt hörte den fremdklingenden Namen und erinnerte sich zum Glück gerade noch rechtzeitig daran, dass ihn hier alle für Mason hielten. Schnell drehte sich um und trat näher. Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln, während er einen kurzen Blick auf ihr Namensschildchen warf.
„Natürlich, Marielle. Immerhin gehört mir die Firma, schon vergessen?“
„Wie könnte ich“, hauchte sie mit kokettem Augenaufschlag, und Matt überlegte einen Augenblick, ob seinen Bruder am Ende mehr als ein nur dienstliches Verhältnis mit der rassigen Brünetten verbunden hatte. Sie schien zumindest sehr erfreut darüber, ihn zu sehen. „Allerdings meinte Misses Castillo, Sie würde Sie vorerst nicht zurückerwarten.“
„Nun, Schätzchen“, erwiderte er mit einem verheißungsvollen Augenzwinkern. „Manchmal kommt es eben anders, als man denkt. Ich verspürte plötzlich eine unbändige Sehnsucht... nach meiner geliebten Frau!“
Die Dame bekam schlagartig rote Wangen.
„Na dann“, erwiderte sie frostig und zwang sich zu einem schiefen Lächeln. „Es ist sehr angenehm, Sie wieder bei uns zu wissen.“
*
„Schöner Schlammassel“, kommentierte Cloe die brisanten Neuigkeiten, die sie während der letzten halben Stunde aus einem Gespräch mit Dean erfahren hatte, und winkte den Kellner herbei.
„Noch drei Cappuccino“, orderte sie und zwinkerte Dean aufmunternd zu. „Na, komm, Kopf hoch, Süßer, uns wird schon etwas einfallen.“
Sie nahm ihr Täschchen und sprang auf. „Ich geh mir nur mal eben die Nase pudern, lauft mir aber inzwischen nicht weg, Ihr beiden!“
„Keine Sorge, Tante Cloe, solange du die Rechnung bezahlst, werden wir brav hier sitzen bleiben“, erwiderte Anni trocken. Dann lehnte sie sich zurück und musterte Dean nachdenklich.
„Was ist?“, fragte er leicht irritiert.
„Ich habe dich für einen ziemlich coolen Typen gehalten“, meinte sie geradezu. „Und nun lässt du dich plötzlich von so einer Wüstengans herumkommandieren?“
Dean hatte ihnen auf Cloes neugierige Fragen hin von seinem Dilemma mit Eden erzählt. Dass die Millionärstochter ihm das Leben schwermachte, war nur zu offensichtlich. Ihre neueste Taktik bestand darin, ihn unter geschäftsmäßigem Vorwand mit nach Las Vegas schleppen zu wollen. Bis jetzt hatte er sich noch herausreden können, doch ewig würde sie sich nicht hinhalten lassen.
Dean seufzte kaum hörbar.
Zum Teufel mit Eden Hollister! Momentan gab es weitaus wichtigere Dinge in seinem Leben.
Carolines Entführung zum Beispiel…
Er hatte bisher mit niemandem darüber gesprochen, und er würde es auch jetzt nicht tun, obwohl es gerade das war, was ihm momentan am meisten zu schaffen machte. Aber er musste an Carolines Sicherheit denken.
Er sah Annis bohrenden Blick und versuchte, rasch eine Antwort auf ihre Frage zu finden.
„Weißt du, Anni, es war nicht Edward, dem ich damit einen Gefallen tun wollte, als ich das OCEANS als Kaution für seine Freilassung verpfändet habe, sondern Caroline. Sie sollte nicht darunter leiden, dass man ihren Vater ins Gefängnis gesteckt hat, schuldig oder nicht. Wie konnte ich denn ahnen, dass die Dinge derart aus dem Ruder laufen!“
„Genau gesagt, du hast Edward unterschätzt.“
„In gewissem Sinne ja“, musste er widerwillig zugeben.
Anni lächelte wissend.
„Glaub mir, Dean, diese bittere Erfahrung haben bisher fast alle machen müssen, die mit ihm zu tun hatten, mich selbst nicht ausgeschlossen. Ich hasse diesen Kerl schon seit Jahren wie die Pest.“
„Wem sagst du das“, seufzte Dean. „Wenn er nicht Carolines Vater wäre, dann hätte ich keinen Gedanken an ihn verschwendet. Meinetwegen hätte er im Knast verrotten können.“
„Und du willst das OCEANS unter keinen Umständen aufgeben?“
„Nein, das will ich nicht. So eine Tanzbar zu managen ist genau das, was ich mir immer gewünscht habe. Und ich weiß, dass Caroline auch Spaß daran hatte, das OCEANS in Schwung zu bringen. Aber wenn Eden mir weiter so zusetzt, werde ich den ganzen Kram hinwerfen und mit Cary aus Sunset City verschwinden.“
„Lass mich nachdenken.“ Anni nahm einen Schluck von dem Cappuccino, den der Kellner gebracht hatte. „Da muss doch etwas zu machen sein.“
Cloe, die soeben aus Richtung der Restrooms zurückkehrte, sah aufmerksam von einem zum anderen.
„Na ihr Hübschen, was brütet ihr aus?“
„Kluge und einfallsreiche Ideen“, erwiderte Anni.
„Hast du denn so etwas?“
„Ist mir angeboren.“
Cloe blinzelte Dean zu und lachte.
„Das hat sie von mir!“
„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“ Anni strich eine Locke ihrer roten Haarpracht zurück und beugte sich vor. „Hör zu, Dean, ich habe da so eine Idee, wie wir deine neue Chefin möglichst schnell und bequem loswerden könnten. Ich muss aber zuerst mit ein paar Leuten darüber sprechen.“
Dean sah sie gespannt an.
„Was hast du vor?“
Anni lächelte geheimnisvoll und griff nach ihren Einkaufstaschen.
„Überlass das mir. Ich war lange genug brav. Es ist mal wieder Zeit für ein paar hübsche kleine Intrigen.“
„Anni“, warnte Cloe mit strafendem Blick. Ihre Nichte grinste.
„Lass gut sein, Tante Cloe. So schlimm wird es nicht. Aber für so ein neureiches Biest wie diese Miss... Wie-heißt-sie-gleich-nochmal-? müsste es gerade reichen.“ Sie erhob sich und nickte den beiden zufrieden zu. „Einen schönen Nachmittag noch. Ich bin sicher, Tante Cloes Schneider wird unsere Rechnung gern bezahlen!“
*
Caracas, Venezuela
Genau wie Mason es ihm beschrieben hatte, fuhr Matt mit dem Lift in die Chefetage und durchquerte selbstsicher den Eingangsbereich, wo hinter einem großen modernen Schreibtisch die persönliche Assistentin saß, deren Namen er sich aus den Erzählungen seines Bruders eingeprägt hatte.
„Hallo Daliah.“
„Mister Shelton?“, hauchte die schwarzhaarige „Miss Venezuela“ genauso überrascht wie zuvor bereits ihre makellose Kollegin aus der unteren Etage.
Er warf im Vorübergehen einen scheinbar sehr interessierten Blick in ihr tiefes Dekolleté.
„Ist meine Frau da?“, fragte er und wies auf die Bürotür, die Mason ihm beschrieben hatte.
Daliah nickte irritiert und sprang eilig auf.
„Einen Augenblick bitte, ich melde Sie an!“
„Nicht nötig“, erwiderte Matt in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. „Ich melde mich selbst an.“
Ohne anzuklopfen betrat er das Büro der Geschäftsleitung.
Masons Büro.
Cynthia saß hinter dem mächtigen Eichenschreibtisch und las aufmerksam in irgendwelchen Papieren. Ungehalten über die Störung blickte sie auf... und erstarrte.
„Mason?“
„Da staunst du, nicht wahr, Schätzchen?“ Matt bemühte sich um ein finsteres Grinsen. „Dein dich liebender Ehemann meldet sich von den Totgeglaubten zurück und kann es kaum erwarten, dich in die Arme zu schließen!“
Langsam erhob sich Cynthia. Alle Farbe war mit einem Schlag aus ihrem ebenmäßig hübschen Gesicht gewichen. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist vor sich.
„Ja aber... ich dachte...“, stammelte sie und bemühte sich völlig umsonst um ihre Fassung. Matt lächelte überlegen.
„Du dachtest was?“, fragte er honigsüß. „Dass ich den Unfall nicht überleben würde? Oder das ich mich nie wieder daran erinnern könnte, was geschehen ist? Nun, ich muss dich enttäuschen, Sweetheart, mein Verstand ist glasklar, und mein Gedächtnis funktioniert hervorragend.“
Cynthias fassungsloser Blick glitt suchend über sein Gesicht und seinen Körper, und er konnte sich in diesem Moment nur zu gut vorstellen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
„A… aber man hat mir gesagt, du hättest schwerste Kopfverletzungen erlitten und würdest im Koma liegen. Ich musste mich damit abfinden, hier alles allein...“
„Ja sicher“, unterbrach er sie spöttisch. „Meine arme, verlassene Ehefrau. Du solltest deinen Informanten entlassen, er taugt nichts. Such dir beim nächsten Mal einen, der zuverlässiger ist.“
„Und... was ist mit deinem Kopf? Ich sehe keinen Verband!“
„Ich hatte nur eine Gehirnerschütterung, nicht mehr und nicht weniger. Dafür braucht man keinen Verband“, log Matt, ohne mit der Wimper zu zucken und funkelte sie aus seinen dunklen Augen drohend an. „Und nun bin ich wieder da und muss feststellen, dass meine persönliche Assistentin plötzlich meine Ehefrau ist, die alle Fäden in meiner Firma in ihren Händen hält und gar nicht aussieht, als würde sie unter der schmerzlichen Trennung von ihrem geliebten Gatten leiden.“
„Mason...“
Matt setzte sich in einen der schweren ledernen Clubsessel, schlug lässig die Beine übereinander und goss sich seelenruhig ein Glas von dem Mineralwasser ein, das vor ihm auf dem Tisch stand, während er Cynthia nicht aus den Augen ließ.
„Ja, nur zu, erklär es mir. Ich bin gespannt!“
Cynthias Gedanken überschlugen sich. Was zum Teufel war hier schiefgelaufen?
Sie hatte noch am selben Tag, nachdem sie Mason und Danielle in LA zusammen gesehen hatte, einen Privatdetektiv beauftragt, der herausfinden sollte, was Mason hinter ihrem Rücken so trieb. Bereits am nächsten Tag hatte der Detektiv ihr mitgeteilt, dass Mason Shelton unmittelbar vor der Airport Klinik von einem Wagen angefahren und lebensgefährlich verletzt worden sei. Von schwersten Kopfverletzungen war die Rede gewesen und Gedächtnisverlust, und dass der Patient bereits im Koma läge und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überleben würde!
Daraufhin hatte sie gehandelt, einerseits aus Angst, die Firma könne nach Masons Tod in die Hände von Joannas Töchtern fallen, die ihr nach allem, was passiert war, alles andere als wohlgesonnen waren. Andererseits erfolgte ihr Handeln aus persönlicher Rache an dem Mann, der sie so schamlos ausgenutzt und betrogen hatte.
Und nun saß er entgegen aller Erwartungen urplötzlich völlig unversehrt vor ihr und hatte nicht einmal einen Kratzer davongetragen.
Zu ihrem Unbehagen vermochte sie nicht einmal zu verhindern, dass ihr Herz bei seinem Anblick sofort wieder schneller zu schlagen begann.
Verdammt, was war nur mit ihr los?
Wütend darüber, dass es ihr nicht gelang, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, ging sie in die Offensive.
„Weißt du was, Mason?“, fauchte sie ihn an. „Du hast mich damals vor deinem Bruder gewarnt, was für ein hinterhältiger Mistkerl er sei. In Wirklichkeit jedoch bist du derjenige, vor dem man sich in Acht nehmen sollte.“
Er verschluckte sich beinahe und beugte sich in seinem Sessel nach vorn, während er sie nicht aus den Augen ließ.
„Matthew“, antwortete er, sich mühsam beherrschend. „Ihm ist alles zuzutrauen.“
„Genauso wie dir, mein Lieber! Du bist keinen Cent besser als er!“
Scheinbar lässig lehnte er sich wieder zurück und musterte sie weiter mit eiskaltem Blick.
„Wie darf ich das verstehen?“
„Du hast mich von Anfang an nur benutzt, um dich an deinem Bruder zu rächen. Dass ich mich dabei in dich verliebt habe und alles für dich getan hätte, hat dich überhaupt nicht interessiert!“
„Ich denke, ich habe mich sehr wohl für dich interessiert, sonst wäre ich jetzt kaum mit dir verheiratet, Teuerste.“
Cynthia blinzelte ihn voller Verachtung an.
„Zum Glück habe ich gerade noch rechtzeitig gemerkt, was für ein mieses Spiel du spielst, und entsprechend reagiert. Du hättest den Himmel auf Erden haben können, aber du konntest ja die Finger nicht von dieser Danielle Belling lassen! Und alles nur, weil sie die zukünftige Frau von deinem Zwillingsbruder ist! Wie armselig!“
„Danielle? Wie kommst du denn auf diesen Unsinn?“
„Ich habe euch beide zusammen gesehen, vor Danielles Wohnhaus in Venice. Du bist derart besessen von deiner Rache, dass du dir sogar den gleichen Wagen gekauft hast wie dein Bruder!“
Matt überlegte fieberhaft. Mason und Danielle? Vor Danielles Wohnhaus?
Urplötzlich ging ihm ein Licht auf. Cynthia hatte ihn am Tag nach dem Unfall mit Danielle beobachtet und angenommen, er wäre Mason!
Er grinste überheblich, genauso, wie es sein Bruder sicherlich in dieser Situation getan hätte. Dann stand er auf und ging langsam auf sie zu. Erleichtert stellte er fest, wie ihre nach außen hin so sorgsam bewahrte Fassade Stück für Stück zu bröckeln begann. Verunsichert trat sie zurück.
„Mason... Was hast du vor?“
„Was meinst du denn, was ich vorhabe, Schätzchen?“, fragte er schleppend, ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Wir sind schließlich verheiratet!“
Cynthia wich weiter vor ihm zurück, doch dann spürte sie die Wand in ihrem Rücken.
„Erzähl mir von deinem Unfall, Mason“, versuchte sie verzweifelt abzulenken. „Du weißt also noch alles, was geschehen ist?“
„Erzähl mir von unserer Hochzeit!“, konterte er und blieb ganz dicht vor ihr stehen. „Das ist nämlich das Einzige, woran ich mich nicht erinnern kann!“
Cynthia blickte in seine magischen dunklen Augen und spürte zu ihrem Leidwesen, wie er sie mit diesem geheimnisvollen Blick bereits wieder in seinen Bann zu ziehen begann. Dabei war sie absolut sicher gewesen, ein für alle Mal mit diesem Mann fertig zu sein. Sie hatte sich eingeredet, dass sie ihm, falls er wider Erwarten doch irgendwann hier auftauchen sollte, auf jeden Fall die Stirn bieten würde. Sie hatte alles bis ins Kleinste arrangiert.
Jetzt bloß nicht schwach werden!
Sie nahm all ihren Mut zusammen, stieß ihn mit einer schnellen, unerwarteten Bewegung weg und sprang zur Seite. Mit zitternden Knien verschanzte sie sich hinter ihrem Schreibtisch und funkelte ihn wütend an.
„Hör zu, Mason“, rief sie lauter als beabsichtigt, um den Gefühlssturm zu verbergen, der in ihrem Inneren tobte. „Ich weiß, warum du hier bist, aber ich werde nicht zulassen, dass du mir die Firma ein zweites Mal wegnimmst!“
Matt hob erstaunt die Augenbrauen.
„Wegnehmen? Cynthia, wie kann ich dir etwas wegnehmen, was dir nie gehört hat?“
„Ebenso wenig, wie sie dir gehört hat, du Mistkerl!“, zischte sie. „Du hast dich hier eingeschlichen, genauso wie du dich in Joannas Leben eingeschlichen hast! Ich habe viele Jahre für sie gearbeitet und mein gesamtes Privatleben der CASTILLO COPORATION geopfert. Keiner kennt sich hier so gut aus wie ich, und erst durch meine Arbeit ist diese Firma zu dem geworden, was sie heute ist. Joanna wusste das zu schätzen. Zumindest solange, bis du aufgetaucht bist und alles kaputtgemacht hast!“ Sie schüttelte mit einem verbitterten Lächeln den Kopf, ohne ihn dabei jedoch aus den Augen zu lassen. „Dabei hätten wir uns nach Joannas Tod alles teilen können, du und ich. Wir wären ein unschlagbares Team gewesen, in der Firma und auch privat. Aber du wolltest mich ja nicht, du hast mich die ganze Zeit über nur ausgenutzt, um deinen Bruder fertig zu machen und an diese Kleine heranzukommen! Die Firma und ich, wir waren dir doch dabei völlig egal!“
Cynthia hatte sich in Rage geredet. Nun war dieses Gefühl des Hasses wieder da, welches sie die ganze Zeit seiner Abwesenheit über beherrscht hatte. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Und nun, Mason Shelton Castillo... Nun bekommst du die Quittung dafür!“
Matt wusste nur zu gut, dass Cynthia im Grunde Recht hatte. Sie war von seinem Bruder schamlos belogen und betrogen worden. Er hätte sie gern beruhigt, ihr irgendetwas Nettes gesagt, doch in letzter Sekunde dachte er daran, in welcher Mission er hier war. Rasch überlegte er, wie Mason wohl in dieser Situation auf Cynthias hysterischen Anfall reagieren würde.
„Und du glaubst wirklich, als Misses Castillo mit einer gefälschten Heiratsurkunde kannst du mir diese Quittung präsentieren?“ Er lachte höhnisch. „Oh Cynthia, Schätzchen, ich hätte dich wirklich für etwas cleverer gehalten!“
„Du solltest mich nicht unterschätzen“, warnte sie ihn böse, öffnete eine der Schreibtischladen und entnahm ihr einen geschlossenen Briefumschlag, mit dem sie vor seiner Nase herumwedelte. „Ich habe an alles gedacht. Du hast juristisch gesehen nicht den Hauch einer Chance!“
„Was ist das?“, fragte Matt misstrauisch.
„Ein Obduktionsbefund, mein Lieber. Der dürfte besonders den zuständigen Staatsanwalt interessieren. Darin steht nämlich, woran Joanna Castillo wirklich gestorben ist!“
Matt kniff ungläubig die Augen zusammen und hoffte insgeheim, dass Mason ihm in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hatte.
„Du weißt ganz genau, dass sie zu viel getrunken hatte und dann mit ihrem Wagen tödlich verunglückt ist!“
Cynthia lachte triumphierend.
„Irrtum, Mason! Das sollten alle glauben, und fast wärst du auch damit durchgekommen. Aber ich weiß, was passiert ist. Du hast sie umgebracht! Und ich habe den Beweis!“
*
Mitch saß in seinem roten Lexus und hatte die Klimaanlage auf vollen Touren laufen. Er war ja einiges an Hitze gewöhnt, aber hier in Caracas brannte die Sonne um diese Tageszeit wirklich erbarmungslos. Die ungewohnt hohe Luftfeuchtigkeit tat ihr Übriges.
Müde von dem dreistündigen Flug starrte er vor sich hin und wäre sicher auf seinem Beobachtungsposten eingeschlafen, hätte sich nicht die Sonne im Glas der sich öffnenden Eingangstüren gespiegelt und ihn geblendet.
Erschrocken riss er die Augen auf.
Das war doch... Natürlich, gar kein Zweifel!
Sophia Hamilton höchstpersönlich!
Sie trug eine dunkle Sonnenbrille und um den Kopf eines dieser modernen Kopftücher, das ihre Frisur vor der Sonne und dem Wind schützen sollte. Schnellen Schrittes ging sie zu den Park-Nischen neben dem Eingang und stieg in einen kleinen, dunkelgrünen Sportwagen mit offenem Verdeck. Sekunden später fuhr sie los.
Mitch reagierte sofort. Er ließ den Motor an und parkte zügig aus.
„Na also, wer sagt`s denn! Komm schon, Sophia, bring mich in die Höhle des Schakals! Führ` mich zu deinem Mann!“, murmelte er und folgte ihr unauffällig in Richtung City-Highway.