Es mag so sein, dass viele Menschen nicht an Flüche und solchen Mummenschanz denken. Aber etwas Wahrheit wird schon dahinter sein. Gerade Zigeuner sind auch heute noch dafür bekannt, Menschen mit Flüchen belegen zu können. Hat man einmal einen Fluch am Hacken, ist es schwer, den jemals wieder loszuwerden.
Die Geschichte, die ich heute hier erzähle, soll der Wahrheit entsprechen. Ich weiß es nicht, ob es wirklich so war, oder ob es nur ein Märchen ist, das sich erzählt wurde. Leider kenne ich sie auch nur von Hörensagen. Gerne hätte ich mehr davon gewusst. Aber alle, die ich bisher dazu befragte, sahen mich entgeistert an, oder lachten mich aus.
Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, in den finsteren und düsteren Zeiten des Mittelalters. Nein, das ist kein Märchen, auch wenn die Geschichte fast so beginnt wie eines. So um 1450 soll es sich zugetragen haben.
Eine kleine Zigeunertruppe zog durch den Osten Thüringens, der damals noch nicht so erschlossen war, wie wir Altenburger ihn heute kennen. Dunkle Wälder, kleine Dörfer, in denen nur wenige Menschen lebten. Die größte Stadt in der Nähe war die Residenzstadt Altenburg, die sich durch Kaiser Friedrich I., auch bekannt als Barbarossa, einen Namen gemacht hatte.
Die Zigeunergruppe suchte Schutz vor einem Unwetter in einem kleinen Dorf in der Nähe von Meuselwitz. Meuselwitz hieß damals noch Mizleboze. Ja, lacht nur, es ist ein lustiger Name für ein Dorf, das nach dem gleichnamigen Rittergut benannt wurde.
Der Ort, den die Zigeuner aufsuchten, nannte sich Brossen, das unweit von Mizleboze lag. Die Leute in diesem Dorf waren sehr misstrauisch allen Fremden gegenüber. Noch misstrauischer waren sie Zigeunern gegenüber, die schon damals keinen besonders guten Ruf hatten. Ihnen wurde nachgesagt, alles zu stehlen, das nicht niet- und nagelfest war. Außerdem sollten sie mit dem Teufel im Bunde gewesen sein.
Mummenschanz sagen wir heute. Aber im Mittelalter war dieser Mummenschanz bitterer Ernst. So bitterer Ernst, dass Menschen dafür auf Scheiterhaufen einen grausamen Tod sterben mussten.
Der Tag, an dem die Zigeunertruppe Brossen aufsuchte, war kein guter. Es regnete, ein Sturm war aufgezogen. Je später es dem Abend zuging, desto schlimmer wurde es. Die Zigeuner kamen durchnässt, hungrig und entkräftet in Brossen an. Sie hielten auf dem Dorfplatz und baten die Bewohner des Dorfes um Schutz. Ein Eckchen in einer Scheune hätte ihnen genügt, um am nächsten Tag mit neuen Kräften weiterziehen zu können. Doch kein einziger der Dorfbewohner wollte sich den Reisenden annehmen. Nein, es kam sogar noch viel arger. Die Dörfler verschworen sich. Obwohl viele Angst vor Gewitter und Unwetter hatten, die Angst vor den Zigeunern überwog.
Gemeinsam trieben sie die Truppe aus dem Dorf. Die Zigeuner waren froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Sie flohen auf einen nahen Acker, wo sie am Feldrain unter Bäumen lagerten. Viele von ihnen hatten mehr Angst vor den Dorfbewohnern als die Dorfbewohner vor ihnen.
Nur eine alte Zigeunerfrau hatte Mut. Sie ging zurück und stellte sich den Dörflern. Aber diese ließen nicht mit sich reden. Mit solchen verruchten Leuten wollten sie nichts zu tun haben. Die Alte redete sich den Mund fusselig, bettelte, bot alles an, was sie ihr Eigen nannte. Nichts half. Sie blieben stur und verweigerten jedwede Hilfe.
Die Dorfmeute brauste auf, drohte noch mehr. Das taten sie so lange, bis die alte Zigeunerin schnellstens die Füße in die Hand nahm und vor ihnen floh.
Nur eins ließ sie sich nicht nehmen. Sie verfluchte Brossen und deren Bewohner. Mutig stellte sie sich ein letztes Mal den Leuten und schrie ihnen ihren Fluch entgegen. „Auf ewig sollt ihr das Unglück anziehen“, oder so ähnlich. Der genaue Wortlaut des Fluches ist mir leider nicht bekannt.
Was denkt Ihr, was geschah?
In der gleichen Nacht schlugen Blitze in einige Häuser im Dorf ein. Feuer brachen aus und vernichteten alles. Bei Rettungs- und Löscharbeiten kamen Menschen ums Leben. Die Ernte auf dem Feld um das Dorf, verschimmelte.
Sogar in der heutigen Zeit wirkt sich der Fluch noch auf die Umgebung aus. An Brossen führt die Bundesstraße 180 von Zeitz in Richtung Meuselwitz/ Altenburg vorbei. Auf dieser Straße geschehen mehr Unfälle als anderswo im Landkreis. Oft enden die Unglücke sogar tödlich.
Ob dies alles noch mit dem Fluch zu tun hat? Wer weiß, keiner kann etwas beweisen. Und doch gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht erklären können. Dazu gehören bestimmt auch die Flüche der Zigeuner. Wohl dem, er keinen Fluch am Hacken hat.
© Brida Baardwijk / 29.06.2021