Irgendwo auf dem Mittelmeer
Der Himmel strahlte im schönsten Blau, die Sonne stand hoch. Leise plätscherten die Wellen gegen die Planken des Schiffs. Seit Tagen schon hingen die Segel schlaff am Mast, es war Flaute.
Vorne am Bug stand der Aufseher und gab den Ruderern den Takt an. Dabei schlug er jedes Mal mit einem großen Schlegel auf eine Trommel. Die Männer schwitzen, Schweiß lief ihnen in Strömen über den Körper. Es stank bestialisch, nicht nur nach Schweiß, sondern auch nach Angst. Zwischen den beiden Reihen Ruderbänke lief ein Aufseher mit einer Peitsche entlang. Jeder, der sich nicht im angegebenen Takt bewegte, bekam diese ohne Erbarmen zu spüren.
Am Heck, unter einer Markise, saß der Kapitän des Schiffes mit zwei Fahrgästen. Eine junge Frau war dabei, deren Teint so hell war, dass man denken konnte, sie hätte nie die Sonne gesehen. Neben ihr ein ebenso bleicher Mann, gewandet in edles Tuch.
Eine leichte, aufkommende Brise wehte den Schweißgeruch der Ruderer herüber. Die Frau verzog angewidert das Gesicht. „Stinken die immer so?“, fragte sie empört und hielt sich ein nach Minze duftendes Tuch vor die Nase.
„Meine Dame“, erwiderte der Kapitän lächelnd, „die Männer tun ihr Bestes, um Euch nach Istanbul zu bringen, nicht leicht bei dieser Flaute.“ Er zeigte dabei zum Himmel, an dem immer noch kein einziges Wölkchen zu sehen war.
So echauffierte sich die Dame noch mehrmals, doch der Kapitän ließ sich nicht auf weitere Debatten ein.
Stunden vergingen, der lang ersehnte Wind kam endlich auf. „Lasst die Segel herunter“, rief der Kapitän erfreut den Matrosen zu. Schnell war das getan und das kleine Schiff bekam Fahrt. Die Ruderer konnten sich ausruhen.
Doch nach einer weiteren Stunde, wurde es am Himmel plötzlich dunkel. Wolken türmten sich bedrohlich auf, das Wasser begann zu brodeln.
„Ein Sturm kommt auf“, warnte der Kapitän. „Es ist wohl besser, Ihr geht unter Deck“, empfahl er seinen beiden Fahrgästen. „Ich möchte kein Risiko eingehen.“ Die Frau stakste wortlos auf wackeligen Beinen über das Deck, wohl froh, dem Unbill des Wetters entkommen zu können und verschwand nach unten. Der Mann allerdings schimpfte.
„Herrgott nochmal, tut, was ich sage“, wurde der Kapitän laut. „Ich habe hier das Sagen und nicht Ihr. Also…!“, energisch zeigte er auf die Treppe, die unter Deck führte. Der Mann gab sich geschlagen und gehorchte.
„Herr, ich würde lieber die Segel raffen“, hörte der Kapitän den Steuermann rufen, der sich am Steuer abmühte.
Der Kapitän schaute besorgt zum Himmel. Dann nickte er. „Rafft die Segel“, gab er den nächsten Befehl und rief den Ruderern noch zu: „Legt euch in die Riemen, wir müssen den Sturm entkommen. Es wird wohl schlimm werden.“
Innerhalb kurzer Zeit wurde aus dem Sturm ein Orkan, das kleine Schiff schaukelte in den sich hoch auftürmenden Wellen. Die Männer an den Rudern kämpften, nicht nur um ihr Leben, sondern um das aller.
Der Wind peitschte meterhohe Wellen über das Boot, das wie eine Nussschale hin und hergeworfen wurde. Der Steuermann hatte das Ruder längst aufgegeben, es war gebrochen, nur noch die Ruderer versuchten mit aller Kraft, die Richtung zu bestimmen.
Stunden später, alle waren erschöpft und bis auf die Haut durchnässt, legte sich der Sturm.
„Endlich!“, rief der Kapitän und schlug seinen Ruderern freudig auf die Schultern. „Dank euch sind wir nicht untergegangen und dem Tod entkommen.“
„Land in Sicht, Land in Sicht“, hörten die Männer plötzlich die aufgeregte Stimme des Schiffsjungen vom Bug. Ein erfreutes, aber auch erleichtert es Lachen kam aus den vielen Männerkehlen, sogar der Kapitän und seine beiden blassen Passagiere stimmten mit ein.
© Brida Baardwijk / 19.02.2024