„Klingt als hätte ich einen Fan", erwiderte er und lief an Scarlett vorbei zum Wohnzimmertisch, wo anscheinend Brieftasche, Schlüssel und Handy für ihn von West bereitgelegt wurden.
„Fan ist ein dehnbarer Begriff", erklärte Scarlett und strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Ob er heute noch wegwollte? Es sah so aus. Das war schade, da sie gehofft hatte sich mit ihm zu unterhalten, aber gleichzeitig wusste sie auch nicht, ob sie so viel Zeit mit ihm verbringen wollte.
Sie hatte ohnehin einen riesigen Papierstapel, der auf sie wartete. Gerade als Darwin seine Schlüssel eingepackt hatte, kam West plötzlich in den Raum und erhob das Kinn für eine Ankündigung.
„Mister Warren ist soeben eingetroffen und befindet sich nun im Fahrstuhl", erklärte er, als würde er die Sonntagsnachrichten ausrufen. Er schien wirklich so altmodisch wie er aussah.
Darwins Mimik dagegen wurde geradezu panisch mit großen stechend grünen, geweiteten Augen.
„Was? Nein, nein, nein... wir wollten uns doch im Club treffen. Was macht er hier?", fragte Darwin alles andere als erfreut.
„Das entzieht sich meiner Kenntnis", erklärte West und Scarlett wirkte ein wenig überrascht und blickte zwischen ihm und Darwin hin und her. Was hieß denn das jetzt schon wieder?
„Fuck. Scheiße. So ein Mist!", fluchte Darwin und brachte vor Frustration seine Frisur durcheinander. „Wieso ist er hier? Er hatte doch nur diese eine Aufgabe!", rief er wütend aus und blickte darauf zu Scarlett und wieder zu West. „Was mach ich denn mit ihr?", fragte er hilflos, als auch schon das ‚Ding' des Fahrstuhls erklang, was Darwin geschockt innehalten ließ.
Sollte sie jetzt das tun, was Darwin von ihr wollte? Seine Freundin spielen? Oder war das jemand, der wusste, wer sie war? Auch wenn sich das Scarlett kaum vorstellen konnte.
Darwin warf ihr einen vielsagenden Blick zu, der wohl eben jenes bedeuten sollte. West entfernte sich von den beiden, um den Gast abzuholen. Darwin hoffte wirklich inständig, er würde nur kurz bleiben, um ihn abzuholen.
Scarlett wappnete sich innerlich. Sie wusste nicht, ob sie es gut schaffte Darwins Freundin zu spielen, aber das konnte eigentlich nicht so schwer ein. Die Frage war nur, warum sie hierbleiben sollte. Oder sollte sie mitgehen?
„Sieh das einfach als deine erste Probe", flüsterte Darwin schnell und eindringlich, als er sich neben Scarlett stellte. Als West wieder zurück in den Wohnbereich trat, war hinter ihm ein junger Mann zu sehen, mit rotbraunem Haar und einem breiten Lächeln auf den Lippen.
Scarlett lehnte sich ein wenig an Darwin, so wie sie es bei ihrem Freund auch gemacht hätte. Auch wenn es sich ein wenig ungewohnt anfühlte. Neugierig musterte sie nun den Neuankömmling. Er wirkte wie Darwin sehr gepflegt und reich. Sein muskulöser Körper steckte in einem Hemd und einem Anzugjackett, das jedoch offen war und recht leger wirkte. So leger wie ein solches Kleidungsstück eben wirken konnte. Sein kurzes, rotbraunes Haar war allerdings ein wenig zerzaust und die graugrünen Augen blickten ein wenig irritiert von Scarlett zu Darwin, als er beide erblickte.
Darwin lachte, wobei ihm die Nervosität klar anzumerken war. Er schien also tatsächlich nichts von der Beziehung zu wissen. Weder das sie ein Fake war, noch überhaupt existierte.
„Ray, was machst du hier? Ich dachte wir treffen uns dort", grüßte Darwin und legte etwas abwesend einen Arm um Scarletts Taille.
„Ähm... ja eigentlich, aber ich muss morgen doch arbeiten, also dachte ich wir bleiben bei dir und lassen es etwas ruhiger angehen... ich wusste nicht, dass du Besuch hast", erklärte Ray räuspernd ohne den Blick von Scarlett zu nehmen. Scheinbar war er verwirrt, aber nicht zwangsläufig überrascht.
Scarlett bemerkte sofort, dass die beiden wohl sehr vertraut waren und damit recht gute Freude. Immerhin kam er einfach nach oben und es schien nicht das erste Mal, dass sie ihre Zeit auf diese Weise verbrachte. Aber was sollte sie jetzt tun? Ihn begrüßen und vielleicht sogar sagen dass sie sich freute, dass sie ihn endlich kennenlernen konnte, weil Darwin ihr schon viel erzählt hatte, oder sollte sie warten bis Darwin sie vorstellte? Sie war keine schüchterne Person, daher wäre letzteres wahrscheinlich am auffälligsten. „Hallo, ich bin Scarlett. Schön dich endlich kennenzulernen. Darwin hat mir schon viel von dir erzählt", erklärte Scarlett in ihrer recht aufgeschlossenen Art und mit einem Lächeln im Gesicht. Dass das gelogen war, war ihr nicht anzusehen und wenn sie die Mappe lesen würde, würde sie auch etwas über Ray erfahren. Sie hatte darin bereits sein Bild gesehen.
Darwin löste seinen griff von ihr, als diese hervortrat und Ray eine Hand anbot. Dieser schien etwas überrumpelt und schielte unauffällig zu Darwin, während er Scarletts Hand schüttelte. „Ach, hat er das?", fragte er etwas unsicher und blickte Darwin sichtlich fragend an.
„Ähm... ja", lachte Darwin etwas nervös und trat wieder neben Scarlett, um sie wieder an sich zu ziehen. „Ich wollte es euch noch erzählen, aber es war noch zu früh. Doch da das nun irrelevant ist... Ray, das ist Scarlett, meine Freundin. Scarlett, das ist Ray, mein bester Freund seit der High-School, wie du sicher weißt."
„Ich möchte mich jetzt schon einmal entschuldigen. Ich neige dazu Namen sehr schnell durcheinander zu bringen", erklärte Scarlett ein wenig peinlich berührt. Das entsprach sogar der Wahrheit, würde ihr aber jetzt sicherlich helfen. Hoffte sie.
Allerdings wusste sie nicht genau, was sie jetzt tun sollte. Wenn er jetzt hierbleiben sollte, wäre das wohl unpraktisch.
„Ich entschuldige mich auch schonmal, ich hatte nämlich keine Ahnung, dass Darwin neuerdings so eine reizende Dame an seiner Seite hat. Wieso hast du nie etwas gesagt?", fragte Ray sichtlich irritiert und sah seinen Freund anklagend an.
„Wollte ich, aber es war noch zu frisch", redete sich Darwin raus und sah unglücklich dabei zu, wie es sich Ray im Wohnzimmer gemütlich machte.
„Soll ich euch für euren Männerabend alleine lassen?", fragte Scarlett leise an Darwin, aber so dass Ray ihn hören konnte.
„Das wäre vermutlich-", setzte Darwin verkrampft an, während er Ray beobachtete, ehe dieser ihm unterbrach.
„Auf keinen Fall! Ich hab sie doch eben erst kennengelernt. Ich fasse es ohnehin nicht, dass du sie nicht mitgenommen hättest", wandte der Rotschopf ein und winkte die beiden einladend zu sich auf die Größe Couch.
Scarlett schenkte Ray ein zögerliches Lächeln. „Ich kuriere gerade den Rest einer Erkältung aus, daher wäre ich euch heute Abend sicher nicht die angenehmste Gesellschaft gewesen", erklärte sie, weil sie hoffte das würde ihre wahrscheinliche Schweigsamkeit erklären und Darwin hatte einen Grund ihn frühzeitig heim zu schicken.
„Du hast die Frau gehört", erwiderte Darwin und seufzte enttäuscht, als würde er sich nur ungern von Scarlett trennen.
„Das ist schon okay. Wir lassen es ohnehin ruhig angehen, sagte ich doch", wank Ray jedoch ab und schien neugierig auf Scarlett zu sein. Verständlich wenn er noch nicht einmal wusste, dass sein bester Freund nun eine... Beziehung führte.
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