Verblüfft hielt Darwin sie fest, aus Angst sie würde sonst einfach zusammensinken, war aber sichtlich überfordert mit der Situation.
„Dann warst du schon die letzten Tage mit ihm unterwegs?", fragte er neugierig und schien sich nicht abwimmeln zu lassen. Ein deutliches Zeichen, dass er mit Marian verwandt war.
„Ja, können wir das später besprechen?", fragte sie, klang dabei aber nicht ansatzweise so fest, wie sie wollte.
„Geht es dir wirklich gut? Scarlett, du klingst überhaupt nicht gut. Bist du krank?", fragte er und Marian meckerte im Hintergrund, dass er sie in Ruhe lassen sollte.
„Mir geht es wirklich gut", versuchte Scarlett ihn zu beruhigen.
Sie zuckte zusammen, als Darwin ihr plötzlich das Handy aus der Hand nahm und sich von ihr löste. „Keine Sorge. Ich werde ihr einen Tee oder sowas machen und mich um sie kümmern. Du musst dir also keine Gedanken machen... wer auch immer du bist", erklärte Darwin locker, als wäre nichts dabei.
„Darwin", erklang Scarletts Ruf, während sie versuchte nach dem Handy zu greifen.
„Das will ich dir auch geraten haben, sonst bekommst du es mit mir zu tun", erklärte Sebastian unnachgiebig, der nicht klang, als wäre er sonderlich überrascht eine männliche Stimme zu hören.
Darwin hielte Scarlett mit der freien Hand auf Abstand, auch wenn das schwerer war als er angenommen hatte.
„Keine Angst. Ich kümmere mich sehr gut und ausgiebig um sie", lachte Darwin amüsiert.
„Wehe dir, ich bekomme mit, dass du sie nicht gut behandelst", knurrte Sebastian und Scarlett gab die Gegenwehr auf. Sie konnte sich gegen Darwin sowieso nicht behaupten und im Grunde war es zu spät.
„Ist er dran?", kam nun ein überraschter Ruf aus der anderen Leitung, gefolgt von lautem Knistern, Krachen und Stimmen. Scheinbar kämpfte Marian nun doch um den Hörer.
„Kannst du bitte einfach auflegen?", fragte Scarlett ein wenig niedergeschlagen, die wirklich nicht damit gerechnet hatte, dass Darwin ihr das Handy aus der Hand nehmen würde.
„Ja ist er und jetzt benimm dich, Marian", knirschte Sebastian, doch seine Stimme kam nur undeutlich aus dem Handy.
Darwin blickte nun seufzend zu Scarlett und nahm das Handy von Ohr um aufzulegen und es ihr zurückzugeben.
Diese nahm es entgegen und kämpfte mit den Tränen. Sebastian, der einzige Mann, den sie jemals als Freund haben wollte, glaubte nun, dass sie vergeben war. Das Leben war einfach nicht fair.
„Was?", fragte Darwin unverständlich als er Scarletts niedergeschlagene Haltung bemerkte.
Diese atmete einmal tief durch und versuchte das positive an der Sache zu sehen. Sebastian wusste Bescheid, sie musste ihn also nicht mehr anlügen und wenn Darwin mit ihr Schluss machte, konnte sie sich bei ihm ausheulen. Ihre ‚Beziehung' war immerhin nicht auf Dauer und sie konnte diese vielleicht sogar nutzen, um Sebastian näher zu kommen.
Dieser Gedanke schaffte es ihr zumindest ein schiefes Lächeln auf die Lippen zu zaubern, dass dennoch recht geknickt wirkte. „Ach, schon gut", murmelte sie, auch wenn es ihr noch immer missfiel, wie die ganze Sache gelaufen war.
„Bei dem Gesicht, das du machst, fällt es mir schwer über dich herzufallen", gestand er nüchtern, als stellte das ein wirkliches Problem für ihn da, dem er sich annehmen musste.
Scarletts Lächeln wurde nicht unbedingt fröhlicher bei dieser Bemerkung. „Das tut mir wirklich leid, aber so wie ich Basti kenne, wird er versuchen dich kennenzulernen, was nicht gerade hilfreich sein wird, weil ich nicht weiß, wie ich ihn drei Monate lang auf Abstand halten soll, ohne dass er auf den Gedanken verfällt du hättest mich entführt und er die Polizei ruft", meinte sie nüchtern, denn sie wusste, dass das durchaus ein mögliches Szenario sein konnte. Sebastian neigte dazu sich zu schnell zu viele Sorgen zu machen, wenn es um sie oder Marian ging. Irgendwie sah er Scarlett ebenfalls als seine kleine Schwester und Sebastian war sehr darauf bedacht seine Familie zu beschützen.
Nicht unbedingt die Rolle, die Scarlett in seinem Leben spielen wollte, doch süß war es dennoch.
„Dann sag ihm, ich bin ein vielbeschäftigter Mann und habe wichtige Wichtigkeitsdinge zu erledigen", meinte Darwin und machte einer wegwerfenden Handbewegung, während er sich auf den Balkon begab.
Scarlett folgte ihm nicht ganz so begeistert. „Das kann ich machen, aber ich bin mir trotzdem sicher, dass er mich auch irgendwann mal sehen will", murmelte sie und wusste nicht, ob sie sich auf diese Begegnung freuen sollte oder nicht. Sie vermisste ihn und wollte in seine Arme, aber gleichzeitig hatte sie Angst davor, dass er herausfand, was sie hier tat.
Darwin blieb in der Mitte des Ballons stehen und warf stöhnend mit theatralischen Ausdrücken den Kopf in den Nacken. „Können wir uns darüber Gedanken machen, wenn es der Fall ist?", fragte er, obwohl es nicht danach klang, als würde er auf ihre Zustimmung warten.
„Ja", flüsterte Scarlett und trat an Darwin vorbei an das Geländer des Balkons, wo sie sich mit den Armen abstützte und ihr Kinn auf ihre Arme legte, um die Umgebung zu betrachten. Es war erst kurz nach zwölf Uhr und der Tag hatte gerade erst begonnen und dennoch hatte sie das Bedürfnis sich in ihr Bett zu legen und auszuheulen.
„Wieso macht dich das überhaupt so fertig?", fragte Darwin unverständlich und war reichlich überfordert.
„Wahrscheinlich weil ich seit über drei Jahren versuche diesen Mann zu verführen, der jetzt denkt ich habe einen Freund", murmelte sie niedergeschlagen und hoffte das würde sich wieder legen.
„Wie? Und in all der Zeit hast du abstinent gelebt?", fragte er ungläubig und hob verständnislos die Hände.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich hatte keinen festen Freund und er wusste auch nichts von einen... nächtlichen Begleitern", erklärte sie fast schon entrüstet. Die Vorstellung abstinent zu leben gefiel ihr gar nicht. Dazu hatte sie viel zu viel Spaß am Sex, doch das musste sie nicht jedem unter die Nase reiben und schon gar nicht dem Mann, den sie mochte.
„Na, vielleicht ist das ja der Fehler an deiner Vorgehensweise", schlug Darwin vor und trat neben Scarlett, um sich an das Geländer zu lehnen.
Scarlett schielte nachdenklich zu ihm auf. „Versuchst du mir gerade Nachhilfe im Flirten zu geben??", fragte sie, weil es sich fast so anhörte.
„Nein. Du weißt wie man flirtet, aber du hast anscheinend keine Ahnung davon, wie du einen Mann eroberst", korrigierte er sie und kniff die Augen ein wenig zusammen, bei dem grellen Tageslicht.
„Vielleicht. War bisher auch nur selten meine Absicht", murmelte sie und strich sich einige Strähnen zurück, die immer wieder vom Wind erfasst wurden.
„Mann will was er nicht haben kann", meinte er und wandte sich Scarlett zu. „Mach ihn eifersüchtig", schlug Darwin schulterzuckend vor und schob die Hände in die Hosentaschen.
Scarlett schnaubte. „Ich glaube nicht, dass er eifersüchtig werden würde", meinte sie nachdenklich. So etwas hatte sie tatsächlich noch nicht versucht, doch wie sollte sie das tun? „Und selbst wenn, in den nächsten drei Monaten ist das sowieso egal und ich glaube nicht, dass ich mir dann irgendeinen Kerl anlachen werde, nur um ihn eifersüchtig zu machen. Den müsste ich ja dann auch noch ertragen."
Darwins Miene wurde undurchdringlich, als er sie anblickte, als wäre sie bescheuert. „Wie gut, dass du einen liebreizenden, anbetungswürdigem Freund ‚hast' auf den jeder Mann neidisch wäre."
Scarlett lachte leise auf und es klang ehrlich belustigt. „Ich dachte ich bin hier, weil du eine Freundin brauchst, die deinen Eltern zusagt und nicht weil du mir helfen willst einen Kerl zu erobern", meinte sie, klang aber weder abschätzig, noch abgeneigt.
„Sieh es als Trinkgeld für deine glaubwürdige Darbietung an. Solltest du Versagen, hab ich dann wenigstens was gegen dich in der Hand."
Scarletts Mund klappte ungläubig auf und sie war nicht in der Lage etwas dazu zu sagen.
Sie starrte ihn eine Gefühle Ewigkeit an, in der sie versuchte herauszufinden, ob er das ernst meinte oder nicht. „I-Ist das dein Ernst?", fragte sie schließlich doch nach, weil Darwins Mine nichts verriet.
„Wieso sollte ich scherzen?", fragte er mit einem angedeuteten Lächeln und trat einen Schritt auf Scarlett zu.
„Ich weiß nicht", murmelte sie. „Was hättest du denn davon?", wollte sie wissen, da sie die Möglichkeit durchaus in Betracht zog, auch wenn sie nicht ganz verstand warum Darwin so etwas tun sollte. Außerdem war ihr nicht ganz klar, was er damit meinte, dass er dann etwas gegen sie in der Hand hatte.
„Jede gute Freundin braucht eine Hintergrundgeschichte. Und wenn du mit deinem Schwarm zusammenkommst, wirst du wie die böse aussehen und ich wie das Opfer. Wie geplant."
Scarlett legte ein wenig den Kopf schief. „Das ist hinterhältig, aber eine sehr gute Idee. Würde die perfekte Grundlage für einen Streit liefern", stimmte sie ihm nachdenklich zu. Soweit hatte sie gar nicht geplant. Allerdings musste dann Sebastian auch mitspielen.
„Es ist nicht hinterhältig, wenn du die Jahre drauf rechnest, in denen er dich schamlos hingehalten hat", entgegnete Darwin mit einem geradezu verführerischen Ton.
„Interessante Logik", murmelte sie und schenkte ihm einen verführerischen Blick unter ihren langen Wimpern hervor. Sie konnte seiner Stimme anhören, dass er eigentlich etwas anderes wollte.
„Also?", fragte er und musterte sie genau.
Scarlett lehnte sich ein wenig anders an das Geländer und präsentierte ihren Körper. „Ich glaube dir geht es weniger um dieses Thema, als darum mich ins Bett zu bekommen", stellte sie ein wenig belustigt fest.
~*~*~
Danke fürs lesen, wir hoffen es hat euch gefallen.
Würden uns sehr über Rückmeldungen freuen. Wie hat euch das Kapitel gefallen?