Scarlett seufzte hörbar. Das wurde ja immer besser. Aber zumindest wusste sie jetzt, was er von ihr hielt und sie würde sich selbst ermahnen es nicht wieder zu vergessen.
„Also, deine Schwester ist in Hilfsorganisationen und Sponsoring tätig", griff sie mit ruhiger Stimme, als wäre die Unterhaltung gerade nie passiert, das vorhergehende Thema wieder auf.
„Richtig. Sie war schon seit ihrer Schulzeit sehr aktivistisch was Entwicklungsländer anging und seit sie verheiratet ist und ein Kind hat, setzt sie sich auch für Kinderkrankheiten und Alzheimer und Parkinson ein. Die Mutter unserer Mutter ist mit Alzheimer verstorben wie du sicher weißt."
Scarlett nickte. Daran erinnerte sie sich. „Weißt du woher dieses Interesse von ihr kommt?", wollte sie wissen, auch weil sie neugierig war.
Darwin wollte gerade antworten, als sein Handy begann zu klingeln. Statt ihr zu antworten, holte er das Handy aus seiner Tasche und gab Scarlett ein Zeichen, dass er sich unterhalten wollte.
Mit dem Daumen wischte er über die Oberfläche des Geräts, um abzunehmen und hielt es sich ans Ohr. „Ja?", fragte er gefasst und wandte sich von Scarlett ab, um ein wenig streunend durch den Raum zu spazieren.
Scarlett blickte ihm hinterher und blieb auf dem Sofa sitzen. Dabei baumelten ihre Beine ein wenig. Sein Bewegungsdrang war ansteckend, dennoch versuchte sie sitzen zu bleiben und ihm beim Telefonieren zu belauschen. Das Gespräch klang interessant.
Die meiste Zeit gab er lediglich einsilbige Antworten, ein Schnauben oder sogar nur stummes Augenrollen von sich. Doch wenn er mal seine Ein-Silben-Klausel übertrat, drangen doch so einige Informationen zu ihr hindurch.
„Was soll das heißen ‚Es ist schon eine Woche her'? Ins Rouge kriegst du mich nicht. Ich kann dir was ausleihen, aber ich darf da vorerst nicht mehr gesehen werden", erklärte Darwin seufzend und fuhr sich nachdenklich durch das braune, leicht lockige Haar, als er sich gegen die Glastür lehnte, die auf den Balkon führte. „Heute?", fragte er plötzlich und schielte hinauf, direkt zu Scarlett, die ihn noch immer beobachtete.
Sie konnte seinen Blick nicht deuten und legte daher nur fragend den Kopf schief. Er schien die Person am anderen Ende zu kennen, so wie er mit ihr sprach. Allerdings wirkte er auch nicht so gut gelaunt. Weil er gestört wurden war, oder weil Scarlett ihm im Weg war?
Es folgte eine längere Pause, in der Darwin seinem Gesprächspartner zuzuhören schien. Letztlich gab er ein tiefes, aber nachdenkliches „Hm", von sich und vergrub die freie Hand anschließend in seiner Hosentasche. „Ist gut. Schick mir die Daten", erwiderte er, bevor er ohne Verabschiedung auflegte.
Scarlett überlegte, ob sie ihn fragen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Wenn es etwas war, was sie wissen sollte, würde er es ihr schon sagen. Doch so wie sie verstanden hatte, würde er sie wohl heute doch wieder allein lassen. Sie gab ein leises Seufzen von sich. Vielleicht konnte sie mit Marian chatten, dann fühlte sie sich nicht ganz so allein, wie im Moment.
Bevor sie allerdings etwas hätte tun können, meldete sich auch schon der Fahrstuhl und gemeinsam mit West, traten drei Pagen hinaus, alle bepackt mit jeweils zwei großen Koffern. Ohne ein Wort geleitete West sie ins obere Stockwerk, was Darwin ein verschmitztes Grinsen entlockte.
„Per-fekt", sagt er langsam und stieß sich von dem Fenster ab. „Zeit für eine kleine Generalprobe. Deine Kleider sind da. Mach dich fertig und kommt runter, wenn du soweit bist", sprach er zu Scarlett, wobei er die letzten Worte rief, da er selbst über die Treppe nach oben in sein Zimmer ging.
„Für welchen Anlass denn?", rief sie ihm hinterher. Immerhin wusste sie nicht, wohin er mit ihr wollte, daher konnte sie auch die Kleidung nicht passend aussuchen. Allerdings war sie nicht einmal sicher, ob er sie gehört hatte.
Es dauerte zwar ein wenig, doch als sie hörte wie sich die Tür wieder öffnete und er „Etwas Hübsches", zurückrief, um diese wieder zu schließen, war sie sich sicher.
Der Anlass war etwas Hübsches. Das war eine sehr genaue Angabe.
Seufzend machte sie sich auf den Weg in ihr Zimmer und musste erst einmal schlucken, als sie die Koffer mit Kleidungsstücken sah. Das waren verdammt viele und sie konnte alle möglichen Kleider, Oberteile, Röcke, Hosen und Farben erkennen.
Seufzend begann sie damit sich etwas auszusuchen und musste zugeben, dass nicht alle Teile ihrem Geschmack entsprachen.
Sogar ein Body war darunter. Nicht nur einer, wie sie beim genaueren Hinsehen feststellte. Das war interessant.
Scarlett seufzte und entschied sich für einen schwarzen Body, der ein schönes Muster aus blumenartigen Stickereien hatte, die einen Kragen bildeten. Dazu zog sie sich einen knappen, roten Rock an.
Eine halbdurchsichtige Strumpfhose mit schwarzem Blumenmuster an der Seite und hohe Stiefel rundeten das Outfit ab. Ihre schwarzen Haare steckte sie mit einer Spange am Hinterkopf lediglich leicht zusammen. So trat sie hinaus.
Darwin würde ihr schon sagen, wenn sie nicht passend angezogen war.
Als Scarlett gerade aus der Tür heraustrat und versuchte nicht mit den Absätzen die Treppe hinunter zu purzeln, hörte sie auch schon das Zuschlagen von Darwins Tür. Eilig kam er heruntergelaufen, übersprang sogar einige Stufen, während er sich die Ärmel seines Hemdes ordentlich hochkrempelte.
Scarlett selbst stand bereits am Fußende und blickte zu ihm hinauf, als er sie ebenfalls bemerkte und ruckartig innehielt. Mit großen grünen Augen musterte er sie schockiert von Kopf bis Fuß.
„Was soll das? Du siehst aus als würde ich dich dafür bezahlen mitzukommen", gab er ein wenig überrumpelt von sich, trat neben sie und griff nach ihrem Arm, um sie einmal zu drehen.
„Tust du nicht?", fragte sie fast unschuldig und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. „Als ich nachfragte für was, hast du nicht reagiert", fügte sie schulterzuckend hinzu. Irgendwie fand sie es lustig, dass er so schockiert war. Immerhin hatte er die Sachen doch für sie machen lassen. Wusste er etwas nicht, was sie für Kleidung bekommen hatte?
Darwin legte den Kopf schief und blickte sie, nach ihrem sarkastischen Kommentar vielsagend an. „Das ist doch... wir haben keine Zeit dafür!", winkte er hektisch ab und zog sie mit sich, um ihr sein Jackett in die Hand zu drücken. „Zieh dir wenigstens was drüber, dann sieht es wenigstens so aus als wäre ich fürsorglich", murmelte er und gab West mit einem Handzeichen zu verstehen den Fahrstuhl zu holen.
Scarletts Mund klappte ein wenig auf, als sie sein Jackett überzog. „Wieso denn so hektisch? Da es ja scheinbar nicht zu deinen Eltern geht, gibt es doch wohl auch keinen Grund zur Eile", meinte sie, denn Scarlett war sich ziemlich sicher, dass er sie so niemals mit zu seinen Eltern genommen hätte.
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