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Kapitel 7
Die Flüsternde Stadt
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Es ist nun eine Woche vergangen, seit ich in der Welt der Menschen gestrandet bin. Obwohl Killian viel arbeitet, nimmt er sich auch Zeit, um sich mit mir zu beschäftigen. Er beantwortet all meine Fragen zur Menschenwelt, egal wie viele ich ihm stelle und wie ausschweifend er mir antworten muss. Wir begeben uns sogar ein weiteres Mal zu dem Waschsalon, um unsere Kleidung zu reinigen. Obwohl Killian erst skeptisch war, ob ich es verstehen würde, wenn er mir erklärt, wie man die Waschmaschinen und die Trockner bedient, hat er es getan. Eigentlich ist die Bedienung der Menschentechnik gar nicht so schwer, wie es anfangs vielleicht aussehen mag und auch Killian traut mir immer mehr zu. Mittlerweile darf ich sogar den Toaster alleine verwenden. Ich erschrecke mich zwar immer noch vor dem herausspringenden Brot, aber ich kann nun jederzeit knusprigen Toast essen, wenn mir danach ist. Killians Tablet darf ich mir außerdem auch leihen, unter der Voraussetzung, dass ich ganz vorsichtig damit umgehe. Er hat mir gezeigt, dass man sich durch einfache Berührungen der glatten Oberfläche mit farbenfrohen Spielen die Zeit vertreiben kann. Anspruchsvoll sind sie zwar nicht, jedoch eine ganz gute Beschäftigung, wenn man ein paar Stunden Zeit totschlagen möchte. Von diesen Stunden habe ich mehr als mir lieb ist, denn Killian schläft jede Nacht bis in die späten Morgenstunden.
Je länger ich hier in der Welt der Menschen bin, desto besser finde ich mich in ihr zurecht. Es stellt sich fast so etwas wie Alltag oder vielleicht sogar Normalität ein. Auch wenn es mir hier sehr gut gefällt, denke ich jeden Tag an meine Welt und meine Heimat. Ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich wieder nach Hause komme. Auch Killian ist ratlos.
Von einem Sturm und auch von den grünen Blitzen fehlt weiterhin jede Spur. Killian sichert mir zu, dass die Menschen auf der ganzen Welt so ein Wetterphänomen bemerken und wir sehr schnell davon erfahren würden. Das Internet macht es möglich. Es dient nicht nur dazu, Dinge aus einem Markt auf einem Bildschirm zu kaufen, man kann dadurch auch mitverfolgen, was auf der gesamten Menschenwelt passiert. Wenn es stimmt, was Killian sagt und sich die Nachrichten tatsächlich binnen weniger Minuten verbreiten würden, stellt sich Ernüchterung bei mir ein. Mich überkommt der Gedanke, dass ein derartiges Unwetter vielleicht nie wieder auftauchen könnte. Vielleicht gibt es das in der Menschenwelt gar nicht. Zumindest in der Woche, die ich schon hier verbringe, gab es keinerlei sonderbare Wetterphänomene. Es ist frustrierend.
Selbst wenn ein weiteres dieser Unwetter aufzieht, wer weiß, wo es geschehen wird. Schon die Menschenstadt, in der ich mich im Moment befinde, ist fast schon unbeschreiblich groß. Ohne ein Portal wäre es unmöglich, das Unwetter rechtzeitig zu erreichen, wenn es sich auf der anderen Seite der Menschenwelt befindet. Und selbst wenn ich das Unwetter erreiche, was dann? Was ist, wenn ich in einer weiteren, mir unbekannten Welt lande? Dann sehe ich weder meine Heimat, noch Killian jemals wieder. Ob ich noch einmal solch ein Glück habe und bei einem Wesen lande, das mich aufnimmt und sich so aufopferungsvoll um mich kümmert wie er, wage ich zu bezweifeln.
Doch auch wenn es mir bei Killian gut gefällt, bin ich in der Menschenwelt gefangen. Es ist nicht möglich Hinweise zu verfolgen, da ich außer dem Sturm und den grünen Blitzen keine habe. In der Menschenwelt gibt es keine Magier, keine Hexer, niemanden, der sich mit Magie auskennt und mir helfen konnte, ein Portal in meine Welt zu öffnen. Es gibt nichts, das ich tun kann. Alles, was mir bleibt, ist das Warten, das Hoffen…
Deprimiert sehe ich aus dem Fenster des Schlafzimmers. Nicht nur meine Gedanken sind düster, der Anblick ist ebenfalls recht ernüchternd. Durch das weiße Metall der Feuertreppe, die an dem Gebäude befestigt ist, sehe ich hauptsächlich die beige Wand des nebenstehenden Gebäudes. Kein besonders ansprechender Ausblick. Obwohl wir in dieser Menschenstadt vom Meer umgeben sind, kann man das Wasser nicht sehen. Die riesigen, teilweise sogar gigantischen Bauwerke versperren die Sicht auf die Landschaft der Menschenwelt.
Durch einfache Handgriffe öffne ich das Fenster. Selbstverständlich vergesse ich nicht, die Kapuze über meinen Kopf zu ziehen. Ich verstecke mich vor den Augen der Menschen, besonders Killians Nachbarn sollten keinen zu genauen Blick auf mich werfen. Niemand darf wissen, dass ich keiner von ihnen bin. Vorsichtig klettere ich aus dem Fenster und setze mich auf die Feuertreppe. Dieses Metallgebilde dient der Sicherheit. Es ist dazu da, damit die Menschen aus ihrem Zuhause flüchten können, sollte das Gebäude in Brand stehen. Heute ist das jedoch anders. Anstatt vor einem Feuer zu fliehen, nutze ich die Feuertreppe, um meinen Gedanken zu entkommen und ein bisschen Luft zu schnappen.
Zu meiner Linken fahren Autos die Straße entlang, unter mir erstreckt sich ein kleiner Garten. Ein Blick nach rechts zeigt ein kleines Stück Natur, die ich in der Welt der Menschen so sehr vermisse. Die Baumkronen tragen saftig grüne Blätter, einer von ihnen ist mit rosa Blüten geschmückt. Für einen Moment betrachte ich einfach nur das Grün, das bisschen Natur, die kleine Illusion, nicht in einer vollkommen unnatürlichen Umgebung gefangen zu sein.
„Ach, hier bist du“, höre ich Killians tiefe Stimme hinter mir. Als ich meinen Kopf zur Seite drehe, sehe ich in sein Gesicht. Er stützt seine Oberarme gegen die Fensterbank und sieht mich lächelnd an. Das Lächeln wird jedoch schnell schmäler, bis es ganz von seinen Lippen verschwindet. „Ist alles in Ordnung?“
Ich zucke mit den Schultern. „Ja, nein… Ich weiß es nicht…“ Da ich wirklich nicht weiß, was ich sagen soll, wende ich meinen Blick wieder von Killian. Die rosa Blüten haben nun wieder meine Aufmerksamkeit.
„Es tut mir leid, dass wir noch keine Idee haben, wie wir dich nach Hause bringen können. Neuigkeiten über Stürme und grüne Blitze gibt es immer noch nicht.“
Dass er das sagen wird, habe ich befürchtet. Wieder zucke ich mit den Schultern. „Was ist, wenn ich für immer hier bleiben muss, Killian?“
Der Mensch zögert nicht lange mit seiner Antwort: „Dann passe ich eben für immer auf dich auf.“
Ich schmunzle. „Für immer ist eine ganz schön lange Zeit. Denkst du, dass du mich so lange aushalten würdest?“
„Klar“, antwortet Killian überzeugt. „Du lernst wahnsinnig schnell. Ich bin ziemlich sicher, dass du keine Ewigkeit brauchen wirst, um dich soweit anzupassen, dass niemand an deiner Menschlichkeit zweifelt.“
„Du willst mich doch nur aufheitern“, entgegne ich ihm nicht besonders überzeugt.
„Ja, das will ich und genau deswegen sage ich dir jetzt folgendes: Ich kann dich heute Abend ans Meer bringen.“
Das Meer? Überrascht sehe ich von den rosa Blüten auf und sehe in Killians Gesicht. Der Mensch lächelt wieder. Eilig drehe ich meinen gesamten Körper zu ihm und lege meine Arme stürmisch um Killian. „Du bringst mich ans Meer? Ich kann also endlich schwimmen?“
Killian kann die Umarmung in seiner Position nicht erwidern, doch ich bin sicher, dass er es gerne tun würde. Ich lasse wieder von ihm ab und strahle ihn regelrecht an. Meine Laune, so mies sie gerade noch war, so gut ist sie in diesem Moment. „Danke, Killian.“
„Ganz ruhig“, bittet er amüsiert. „Wir fahren heute Abend. Ich hab heute Nachmittag noch zwei Schüler, die vorbeikommen. Gitarrenunterricht, du erinnerst dich?“
Ich nicke. „Was soll ich in der Zwischenzeit machen?“
„Lass uns das drinnen besprechen.“
Ich steige durch das Fenster wieder in das Schlafzimmer. Killian reicht mir die Hand, um mir zu helfen. Als ich wieder sicher stehe, lässt er mich los. „Was hast du da draußen überhaupt gemacht?“, erkundigt Killian sich. Er zieht die Kapuze vorsichtig von meinem Kopf und lächelt mich an.
„Ich hab mir die Bäume angesehen“, antworte ich ihm. „Fehlt euch Menschen die Natur gar nicht?“
Killian grinst mich an. „Ach, sag bloß, dass es in deiner Heimat viele Bäume gibt.“
Auf diese Aussage muss ich lachen. „Nein“, antworte ich belustigt. „Natürlich gibt es in der Flüsternden Stadt keine Bäume.“ Ich überlege. „Aber in meiner Welt erstrecken sich die Wälder soweit das Auge reicht. Außerhalb des Meeres, versteht sich. Unsere Städte sind viel kleiner. Auch die Gebäude in meiner Welt sind nicht so gigantisch und einschüchternd. Versteh mich nicht falsch, eure Welt ist auf eine ganz andere Art und Weise schön, dennoch fehlt mir die Natur. Das Gezwitscher der Vögel. Tiere, die durch den Wald laufen…“ Fast schon verträumt erinnere ich mich an die Landschaften meiner Welt.
„Hm…“ Killian wirkt nachdenklich. „Wenn du mir gesagt hättest, dass du die Natur vermisst, hätte ich eine einfache Lösung parat gehabt, Ilaria.“
„Eine einfache Lösung?“, frage ich nach.
„Ja“, antwortet er. „Der Lafayette Park ist nur einen Block weiter. Wir müssen nur vier, fünf Minuten die Sacramento Street rauf, dann wären wir schon da.“ Killian seufzt. „Eigentlich hätte ich Idiot selbst darauf kommen können. Du bist jetzt schon eine Woche hier und ich habe dir kaum etwas von San Francisco gezeigt. Tut mir leid, dass ich so ein mieser Fremdenführer bin.“
Der Mensch reibt sich den Nacken und seufzt gleich ein weiteres Mal. Dass nun er derjenige ist, der mies gelaunt ist, gefällt mir nicht. Seine Augen wirken traurig, sie verlieren den Glanz, der dieses eisige Blau sonst immer zum Strahlen bringt. Ich strecke meine Hand nach Killians Gesicht aus, doch er fängt sie ab. Er hält sie für eine Sekunde fest, lässt mich aber doch wieder los. Ich spüre noch deutlich die Wärme seiner Finger an meiner kalten Haut.
„Wenn ich heute noch das Meer sehen kann, ist alles andere vollkommen vergessen“, versichere ich Killian lächelnd. „Außerdem warst du doch beschäftigt. Du hast jetzt schon so viel für mich getan und das ohne eine einzige richtige Gegenleistung zu erwarten. Du hast dafür gesorgt, dass ich Menschenkleidung bekomme und du hast gearbeitet, um sie zu bezahlen. Ich verstehe auch, dass du dich nach einem anstrengenden Tag ausruhen musst. Ich habe keinen Grund, mich zu beklagen, Killian. Es ist alles in Ordnung. Ich bin gerne bei dir.“ Nun zieht er wieder einen seiner Mundwinkel hoch. Sein Blick wirkt gleich ganz anders, die Traurigkeit verfliegt. „Ich weiß zu schätzen, was du für mich tust. Mir ist vollkommen bewusst, dass das alles mehr als selbstverständlich ist. Ich wünschte, es gäbe einen Weg, mich bei dir zu bedanken.“
Killian bricht unseren Augenkontakt ab. Er sieht zur Seite, sein Gesichtsausdruck verrät, dass er wieder über etwas nachdenkt. „Es gibt etwas, das du tun kannst.“ Der Mensch stellt den Augenkontakt wieder her. „Ich fühle mich mies, weil ich dich darum bitte, aber könntest du mir den Gefallen tun und im Schlafzimmer bleiben, solange meine Schüler hier sind?“
„Du willst nicht, dass sie mich sehen“, stelle ich das Offensichtliche fest.
„Genau. Wenn wir heute Abend das Haus verlassen ist das wieder eine andere Geschichte, weil wir nicht die einzigen sind und sozusagen in der Masse untergehen.“ Killian mustert mich. „Aber wenn du in dem Outfit, also mit dieser Kleidung, durch die Wohnung läufst, werden die Jungs ihre Augen nicht von dir lassen können.“
„Outfit“, wiederhole ich belustigt. „Was ist denn falsch damit?“
„Falsch ist das falsche Wort.“ Killian legt seine Stirn in Falten. „Der Satz war eine Meisterleistung.“ Nun schüttelt er den Kopf, beinahe so, als würde er seine Gedanken wieder ordnen wollen. „Egal, worauf ich hinaus möchte, ist, dass ich nicht will, dass meine Schüler abgelenkt werden.“
„Und ich würde sie ablenken?“, frage ich nach, dabei lege ich eine Hand an meinen Brustkorb.
„Ja, du bist eine schöne Frau und Teenager sind… beeinflussbar.“
Obwohl ich nicht verstehe, was Killian mir sagen möchte, finde ich die Situation dennoch lustig, also lache ich. Ich verstehe es nicht. Die Vorstellung, dass meine bloße Anwesenheit einen Schüler davon ablenken soll, etwas zu lernen, will mir nicht in den Kopf gehen. Gerade wenn man nur eine Stunde zur Verfügung hat, sollte man sich doch vollkommen auf seine Tätigkeit konzentrieren und so viele Informationen wie möglich mitnehmen.
„Bitte“, legt Killian nach. „Es sind nur zwei Stunden und das nicht einmal am Stück. Nach dem ersten Schüler mache ich eine halbe Stunde Pause und dann kommt der nächste.“
Ich nicke. „Und wann bringst du mich ans Meer?“
„Heute Abend. Wie versprochen“, sichert Killian mir zu. „Wir werden allerdings mit dem Bus nach Montara fahren. Es wird ungefähr zwei Stunden dauern. Da wir so spät fahren, damit dich niemand sehen kann, wenn du ins Wasser gehst, fährt dann allerdings kein Bus mehr zurück.“ Killian zieht seine Brauen zusammen. „Das heißt, dass ich die ganze Nacht am Strand herumsitze, während du schwimmst. Wir nehmen morgens den ersten Bus zurück nach San Francisco.“
Überrascht sehe ich Killian an. „Du willst die ganze Nacht alleine am Strand verbringen und auf mich warten?“
Er schnaubt. „Wollen ist relativ. Ich habe keine Wahl. Rein theoretisch könnte ich mir ein Zimmer nehmen, aber wenn ich die Preise sehe, verbringe ich die Nacht doch lieber am Strand. Außerdem will ich dich nicht ganz alleine lassen.“
„Das Leben in der Menschenwelt ist wohl ganz schön kostspielig.“
Nun nickt der Mensch. „San Francisco ist die teuerste Stadt der USA. Aber lassen wir das. Gerede über Geld frustriert nur, es ist auch vollkommen unwichtig. Wichtig ist, dass wir dich ins Wasser bringen und du dich frei bewegen kannst.“ Dankbar lege ich meine Arme um Killian. Der Mensch erwidert die Umarmung, allerdings nur für einen kurzen Moment, denn dann löst er mich wieder von sich. „Dann pack ich gleich mal ein paar Sachen. Brauchst du abgesehen von Handtüchern irgendetwas bestimmtes?“
Ich schüttle den Kopf. „Schätze nicht.“
„Vielleicht fällt dir ja noch etwas ein. Wir haben ja noch ein paar Stunden.“
༄ ♫ ༄
Wie von Killian verlangt, verbringe ich die Zeit, in der er unterrichtet, im Schlafzimmer. Ich hätte wieder die Möglichkeit, mich mit dem Fernseher zu beschäftigen, daran habe ich allerdings nicht besonders viel Freude. Killian hat mir auch sein Tablet geliehen, mit dem ich spielen könnte, doch ich beschließe, mich einer ganz anderen Tätigkeit zu widmen. Ich möchte miterleben, wie Killian unterrichtet. Er beweist so große Geduld und hat viel Verständnis für meine Unwissenheit, also muss er ein wunderbarer Lehrer sein. Davon bin ich überzeugt.
Obwohl mich die Türklingel wieder einmal erschreckt und meinen Herzschlag in die Höhe treibt, nutze ich sie als Zeichen, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich öffne die Tür einen kleinen Spalt. Dadurch habe ich die Möglichkeit zu hören und wenn ich es möchte, auch zu sehen, wie Killian unterrichtet.
„Pack mal alles aus. Willst du etwas trinken?“, fragt Killian seinen Schüler.
„Wär nice, ja“, antwortet dieser. Killians Schüler klingt um einiges jünger. „Hast du ein Bier?“
„Netter Versuch. Hast du die wenigstens diese Woche geübt?“
„Es geht.“
„Also nicht“, stellt Killian fest.
Ich setze mich leise auf den Boden und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand, um es halbwegs bequem zu haben. Unauffällig lausche ich, was im Wohnzimmer vor sich geht. Um besser zuhören zu können, öffne ich die Tür noch ein wenig.
Killian spricht wieder: „Dir ist schon klar, dass du üben musst, um ein guter Gitarrist zu werden, oder?“
„Ja, aber das ist schon mega anstrengend. Es reicht ja schon, wenn man eine Gitarre hat. Auf den Fotos kommt das cool. Die Chicks lieben es, ich bekomme echt viele Likes. Tausende, mittlerweile.“
Ich kann Killians Schnauben deutlich hören. „Das reicht vielleicht für Klicks. Vom Posen alleine lernt man aber nicht, wie man Gitarre spielt, Chad.“
„Kann schon sein, aber ich bekomme immerhin mehr Action als du.“
„Ich will auch keine Action, wie du es nennst“, antwortet Killian. Wenn ich es mir nicht einbilde, klingt er nun ein wenig strenger.
„Das sagen Loser, die keine Action bekommen.“
Für einige Sekunden ist es still, doch dann erklingt eine Gitarre. Die Melodie ist eindrucksvoll. Sie klingt schneller, spannender und wilder, als das, was er für mich gespielt hat. Neugierig beuge ich mich zu der Tür und blicke durch den Spalt. Tatsächlich. Killian spielt, doch dann legt er plötzlich seine flache Hand auf die Saiten der Gitarre und lässt sie verstummen. Er richtet seinen Blick auf seinen Schüler und grinst ihn an.
„Wenn du mich fragst, bist du der Loser. Im Gegensatz zu dir muss ich nicht mit meiner Gitarre posieren und einen auf dicke Hose machen. Was hast du vor, wenn eine deiner Chicks dich spielen hören will?“
„Na ich knall sie, das lenkt sie ab.“
Killian lacht, er schüttelt allerdings den Kopf dabei. „Anstatt deine Klappe zu bewegen, solltest du lieber deine Finger bewegen. Los, zeig mir, woran du dich erinnern kannst.“
„Ja okay, chill mal.“
„Ich bin gechillt. Leg los“, antwortet Killian neutral.
Die Melodie oder eher gesagt das zaghafte Zupfen an den Saiten klingt beinahe wie meine ersten Versuche an Killians Gitarre. Besonders beeindruckend ist das nicht, wenn ich meine ehrliche Meinung dazu abgeben müsste. Killian hat Recht, sein Schüler muss mehr üben.
„Den Satz hörst du von den Chicks sicher auch öfter, aber: Ist das alles?“
„Mach mich nicht so an, Killian. Das ist eben voll schwer.“
Der trotzige Tonfall von Killians Schüler bringt mich zum Kichern. Ich halte mir schnell die Hand vor den Mund, um es zu dämpfen, außerdem entferne ich mich eilig von der Tür und lehne mich gleich wieder gegen die Wand, um nicht entdeckt zu werden. Eigentlich sollte ich mich ja unauffällig benehmen. Hoffentlich ist Killian jetzt nicht sauer auf mich.
„Was war das? Hat da grade eine Frau gelacht? Ich dachte du hast keine Freundin.“
Killian räuspert sich, ehe er antwortet: „Konzentrier dich lieber auf deine Gitarre.“
„Wieso versteckst du deine Freundin?“, erklingt die neugierige Stimme des Schülers.
„Chad, im Ernst. Willst du etwas lernen oder nicht?“
„Ich will deine Freundin sehen.“
Nun lacht Killian. „Die steht nur auf echte Musiker. Los, leg deine Finger an die Gitarre.“
„Du gönnst mir echt gar nichts“, ertönt die schmollende Stimme von Killians Schüler.
„Wir fangen noch einmal ganz von vorne an, so als wären die letzten sechs Monate nicht gewesen.“
„Ja, ja, okay…“
Ich verstehe nicht alles, was die beiden besprechen. Teils liegt es an der Akustik, teils fehlen mir die Bedeutungen der Wörter, die gesprochen werden. Killian beim Unterrichten zuzuhören, ist dennoch interessant für mich. Selbst bei so einem unmotivierten Schüler lässt er sich nur schwer aus der Ruhe bringen. Am Tonfall erkenne ich zwar, dass Killian etwas genervt ist, dennoch gibt er sich Mühe, dem Jungen etwas beizubringen.
Als ich höre, wie Killian sich von seinem Schüler verabschiedet und anschließend eine Tür ins Schloss fällt, stehe ich auf und verlasse das Schlafzimmer. Killian schüttelt den Kopf, als er ins Wohnzimmer kommt.
„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, frage ich nach.
„Chad macht mich fertig. Seit einem halben Jahr gebe ich ihm Unterricht. Der Junge will nicht üben, beschwert sich aber dann, dass er nichts kann und dass alles so schwer und kompliziert ist. Wenn ich das Geld nicht brauchen würde, würde ich ihm längst keine Stunden mehr geben.“
Ich höre Killian aufmerksam zu und nicke. Viel kann ich nicht dazu sagen, ich kenne mich in der Menschenwelt kaum aus. Die Gewichtigkeit der Münzen kann ich schwer einschätzen und auch mit der Musik der Menschen habe ich kaum Erfahrungen gemacht. Allerdings kann ich etwas wie Sorge und Bedrückung in Killians Blick wahrnehmen. Er macht sich wohl viele Gedanken.
„Es tut mir leid, dass dich das so aufregt, Killian. Ich verstehe es zwar nicht, aber ich würde trotzdem gerne etwas tun, um dich auf andere Gedanken zu bringen. Kann ich dir irgendwie helfen?“
Killian schnaubt. „Da kannst du mir nicht helfen, aber nett, dass du es versuchen willst.“
„Ich könnte dich umarmen?“, schlage ich vor, was Killian augenblicklich zum Lachen bringt.
Als er aufhört zu lachen, sehen wir uns an. Für einige Sekunden steht er nur stumm da, doch dann antwortet er: „Wow, okay, du meintest das ernst. Ja, gerne.“
Ich überbrücke die Entfernung zwischen uns und lege meine Arme um Killian. Zufrieden schließe ich die Augen und drücke den Mensch ein wenig. „Ich habe dir die ganze Zeit zugehört und ich bin davon überzeugt, dass es nicht dein Fehler ist. Du bist ein toller Lehrer. Dein Schüler ist allerdings sehr faul.“
„Mhm“, antwortet Killian brummend. Er legt seine Arme kurz um mich, doch dann löse ich mich wieder von ihm und lächle ihn an. Killian beschwert sich weiter: „Eine große Klappe hat er auch. Wenn er die Energie in seine Taten, anstatt seine Worte lenken würde, hätten wir alle mehr davon.“ Er atmet genervt aus. „Gut, dass Johnny nicht so ein Trottel ist. Das ist übrigens der Schüler, der in den nächsten Minuten auftauchen wird.“
Zur Antwort nicke ich. „Ich nehme mir eine Flasche Wasser mit ins Schlafzimmer, wenn das in Ordnung ist.“
„Natürlich ist das in Ordnung, was für eine Frage.“ Killian schmunzelt. „Und danke. Die Umarmung war nett.“
„Ich kann dich jederzeit wieder umarmen, wenn du es brauchst“, verspreche ich lächelnd.
Ich begebe mich in die Küche und öffne den Kühlschrank. In der Tür stehen die kleinen Wasserflaschen, die Killian gestern mit nach Hause gebracht hat. Ich nehme eine davon an mich und schließe den Kühlschrank wieder. Wasser.
Für einen Moment schließe ich die Augen und atme tief durch. Heute Abend ist es so weit. Killian bringt mich ans Meer.
༄ ♫ ༄
In eine Tasche hat Killian einiges gepackt, das wir für unseren Streifzug zum Meer brauchen werden. Dass er die ganze Nacht alleine am Strand verbringen möchte, löst gemischte Gefühle in mir aus. Einerseits freue ich mich auf das Meer, anderseits tut es mir leid, dass Killian wegen mir im Freien schlafen muss. Wer weiß? Vielleicht schläft er ja auch gar nicht, sondern wartet darauf, dass ich wieder auftauche. Ich bin mir jedoch sicher, dass Killian sich etwas Erholsameres vorstellen kann, als nachts alleine am Strand zu sitzen.
Bis wir beim Strand ankommen, dauert es allerdings beinahe zwei weitere Stunden. Es ist bereits dunkel, als Killian und ich in den Bus einsteigen. Um unter den Menschen nicht vollkommen von meiner neuen Umgebung überwältigt zu sein, hat Killian mir schon im Voraus gezeigt, wie ein Bus aussieht. Dieses Internet ist äußerst praktisch. Dort gibt es unzählige Fotos von allen Dingen, die man sich vorstellen kann. Man muss dem Internet nur sagen, was man sucht und schon antwortet es und zeigt einem die Fotos, für die man sich interessiert.
Killian deutet mir mit der Hand, Platz zu nehmen. Ich rutsche auf den Sitz neben einem Fenster. Killian steht noch, als sich der Bus schon in Bewegung setzt, doch das stört den Menschen offenbar nicht. Er stellt die Tasche zu Boden und nimmt nun neben mir Platz. Den Rucksack, den er ebenfalls mitgenommen hat, legt er auf seinen Oberschenkeln ab.
„Ich muss dich gleich vorwarnen“, erzählt Killian schmunzelnd. Kleine Grübchen zeichnen sich auf seinen Wangen sich ab, als er mich ansieht. „Es könnte sein, dass ich einschlafe.“ Ich lache, denn mit dieser Aussage habe ich jetzt nicht gerechnet.
„Du liebst deinen Schlaf, richtig?“
„Oh ja“, antwortet er belustigt. „Ein Hobby, das ich mir problemlos leisten kann.“
„Soll ich dich aufwecken, sobald ich den Strand sehen kann?“
„Nein, schon gut, ich hab mir einen Wecker gestellt. In eineinhalb Stunden bin ich wieder wach, egal ob ich fünf Minuten oder eine halbe Stunde geschlafen habe.“
„Ich verstehe.“ Verstohlen sehe ich mich in dem Bus um. Ich bin zwar so gut es geht durch die Kapuze getarnt, dennoch bin ich seit der ersten Begegnung mit einem aggressiven, fremden Menschen ein wenig misstrauischer geworden.
„Falls irgendetwas sein sollte, kannst du mich aber selbstverständlich wieder aufwecken.“
„Das mache ich“, antworte ich Killian ein wenig nervös.
Ich bin aufgeregt, meine Gefühle richtig einzuordnen ist gar nicht so einfach. Im Moment ist es sehr viel auf einmal. Interessiert drehe ich mich nun zur Seite und sehe ich aus dem Fenster. Die vielen Stimmen, die um uns herum erklingen, versuche ich so gut es geht auszublenden. Ich konzentriere mich auf den Ausblick. Die Straßen der Stadt sind beleuchtet, teilweise ist es jedoch so dunkel, dass ich auch die Spiegelung des Inneren des Busses sehen kann. Ich bemerke, dass Killian mich ansieht. Er lächelt. Als ich mich wieder zu ihm drehe und ihn ansehe, lächle ich ebenfalls.
„Ist irgendetwas?“, erkundige ich mich, da er so zufrieden aussieht.
Killian schüttelt leicht den Kopf. „Es ist schön zu sehen, wie sehr dich diese Kleinigkeiten beeindrucken, das ist alles. Du freust dich über alles Alltägliche, das uns Menschen gar nicht mehr so richtig bewusst ist.“
„Und das ist etwas Gutes, ja?“, frage ich nach.
„Ja, das ist es. Ich bin froh, dass ich dich heute an den Strand bringen kann.“
„Ich auch. Kommst du mit mir ins Wasser?“
Killian zieht beide Augenbrauen hoch, seine Stirn runzelt sich dadurch. „Ich? Nein. Auf gar keinen Fall.“
„Ich dachte, ihr Menschen könnt schwimmen?“
„Ja, natürlich. Ich kann schwimmen, aber der Pazifik ist mir zu kalt.“
„Oh, das ist schade. Ich wäre gerne mit dir geschwommen.“
Killian sieht mich an, als würde ihm gerade etwas bewusst werden. „Aber du hast kein Problem mit kaltem Wasser, oder? Das hätte ich Idiot vielleicht gleich fragen sollen.“
Ich schüttle den Kopf. „Keineswegs. Solange es nicht gefroren ist, ist alles in bester Ordnung.“
„Oh, Gott sei Dank. Für einen Moment dachte ich, dass wir jetzt ganz umsonst im Bus sitzen und der Strand und das Meer dich vollkommen enttäuschen.“ Killian atmet durch. „Erzähl mal. Wie ist das Wasser in deiner Heimat?“
Ich lehne mich gemütlich zurück. „Der Flüsternde Ozean? Vielleicht bin ich voreingenommen, aber es ist das schönste Gewässer, das ich je besucht habe. Das Wasser ist klar, es gibt weiße Sandstrände, die Korallenriffe sind farbenfroh und belebt, die Fische haben glänzende, bunte Schuppen“, erzähle ich. Der Mensch sieht mich interessiert an. „Je tiefer man taucht, desto näher kommt man meinem Zuhause, der Flüsternden Stadt. Wenn man nicht weiß, dass sie da ist, findet man sie nicht. Man muss tiefer und immer tiefer tauchen, bis man von vollkommener Dunkelheit umschlossen ist.“
„Wow, das klingt… Bitte erzähl weiter“, spricht Killian fasziniert.
„Wenn man es schafft, diese Dunkelheit zu durchdringen, lüftet sie sich der Schleier, die magische Barriere, die um unsere Stadt gelegt wurde. Man entdeckt die leuchtenden Splitter am Meeresgrund und an den Felswänden, die einen umgeben. Du kannst es dir so vorstellen.“ Ich hebe meine Hände, lege meine Finger aneinander und forme einen Kreis. Mein Blick senkt sich. „In der Mitte befinden sich verschiedene Pflanzen, einige von ihnen sind fluoreszierend und spenden unserem Volk weiteres Licht, andere werden von uns als Nahrungsquelle genutzt. Die Pflanzen umschließen unsere Bibliotheken und den Turm und die Tempel der Magier. In dem äußeren Kreis, also den Felsen, leben wir.“ Ich lasse meine Hände wieder sinken und lächle Killian an. Wir sehen uns in die Augen, als ich weitererzähle. „An der Spitze des Turms der Magier erstrahlt ein riesiger Kristall, der uns nicht nur als Hauptlichtquelle dient, sondern auch die magische Barriere aufrechterhält. Es ist die Aufgabe der Magier, dieses Licht zu bewahren und unser Volk vor ungewollten Eindringlingen zu schützen.“
Fassungslos sieht Killian mich an. Er schnaubt, lacht dann leise. „Wie in einem Film.“ Der Mensch schüttelt den Kopf. „Das klingt unglaublich. Schade, dass du mir deine Welt nicht zeigen kannst.“
„Wie lange könnt ihr Menschen die Luft anhalten?“, erkundige ich mich.
„Nicht lange genug um es bis in die Flüsternde Stadt zu schaffen“, antwortet Killian lachend. „Leider.“
„Wie Bedauerlich.“
„Darf ich dich etwas fragen?“
Ich nicke. „Was immer du möchtest.“
„Wieso nennt sich deine Heimat die Flüsternde Stadt? Dazu muss es doch eine Geschichte geben“, fragt Killian sichtbar interessiert. Seine Augen strahlen förmlich vor Neugierde.
Ich schmunzle. „Ich habe dir doch gerade vor dieser Dunkelheit erzählt, die man durchdringen muss, richtig?“ Killian nickt. „Wer versucht diese Dunkelheit zu durchdringen, wird von Stimmen verfolgt. Flüsternde Stimmen. Stimmen, die dir sagen, dass es keine gute Idee ist, noch tiefer zu gehen. Stimmen, die dich dem Wahnsinn nahebringen, wenn du nicht umkehrst. Sie sind Teil der magischen Barriere.“
„Kaum zu glauben… Gibt es denn Eindringlinge? Ich meine… können andere Wesen überhaupt so lange die Luft anhalten?“
„Es soll einige Tränke geben, die einem das Atmen unter Wasser möglich machen. Soweit ich weiß, gibt es auch mindestens zwei oder drei Zauber, mit denen man die Fähigkeit der Unterwasseratmung auf bestimmte Zeit erlangen kann.“ Ich zucke mit den Schultern. „Alchemie ist leider nicht meine Stärke, sonst könnte ich dir erklären, um welche Tränke es sich handelt.“ Ich räuspere mich. „Aber selbst wenn jemand diese Dunkelheit durchdringen sollte, stößt er nur auf einen weiteren Schild, der fügt jedoch körperliche Schmerzen zu. Das Flüstern ist mehr oder weniger eine Warnung vor genau diesem Schild.“
Killian sieht mich überrascht an. „Unfassbar.“
„Die Barriere schützt uns hauptsächlich vor gefährlichen Seekreaturen“, führe ich meine Erzählung fort. „Eindringlinge vom Land sind eine Seltenheit. Ich weiß gar nicht, ob das in den letzten hundert Jahren überhaupt vorgekommen ist.“
Killian mustert mich, er wirkt nachdenklich. „Okay, du machst mich neugierig. Wenn du keine Magie beherrschst und auch Alchemie nicht deine Stärke ist. Wo liegen deine Stärken dann?“, erkundigt Killian sich. „Womit beschäftigst du dich am liebsten?“
Mit dieser Frage überfällt er mich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Killian etwas über mich, anstatt über meine Welt wissen möchte. Am liebsten würde ich dieser Frage sogar ausweichen, doch er beantwortet meine vielen Fragen mit großer Geduld. Ich kann ihm diese Antwort nicht vorenthalten, das wäre nicht gerecht.
„Es ist so unspektakulär, das wird dich vermutlich gar nicht beeindrucken. Versprich, dass du dich nicht über mich lustig machst“, bitte ich ihn etwas unsicher.
Überrascht zieht Killian eine seiner Brauen hoch. „Ich würde dich doch nicht auslachen. Man sollte niemanden für seine Interessen auslachen. Es ist außerdem ganz egal, was es ist. Es ist bestimmt interessanter, als rotznäsigen Gören Gitarrenunterricht zu geben oder Tellerwäscher in einem Diner zu sein“, versichert Killian mir. „Ich verspreche dir, dass ich mich nicht über dich lustig machen werde.“
„In Ordnung.“ Ich nicke, ehe ich erzähle: „Am liebsten fertige ich Schmuckstücke. Das ist natürlich nicht alles, was ich mache, aber damit verbringe ich wohl die meiste Zeit, wenn ich nicht gerade lese.“ Ich lege meine Hand an meinen Brustkorb und ziehe die Muschelkette hervor, die ich seit Jahren jeden Tag trage. „Diesen Anhänger habe ich selbst gefertigt. Auch meinen Haarschmuck, die Steine und Perlen, die in meine Zöpfe eingearbeitet sind, habe ich selbst hergestellt.“
Killian lächelt breit. Er legt seine Finger an meinen Anhänger und betrachtet ihn. „So genau habe ich mir die Muschel noch gar nicht angesehen. Die Perle gefällt mir.“ Die nächsten Worte flüstert er beinahe: „Perlen sind bei uns sehr wertvoll.“
Kaum lässt Killian meinen Anhänger los, verstecke ich ihn wieder unter meinem Hoodie. „Tatsächlich? Die Wesen, die an Land leben, haben gerne mit uns gehandelt, auch sie waren an Perlen sehr interessiert.“
„Was habt ihr zum Austausch bekommen?“, fragt Killian nach.
„Kommt darauf an, mit welchen Wesen man gehandelt hat. Schmuckstücke, Messer, Kräuter, Karten, Bücher…“
Killian wirkt skeptisch. „Was macht ihr unter Wasser mit Karten und Büchern?“
„Sie in unseren Bibliotheken verwahren?“, antworte ich mit einer Gegenfrage.
„Nein, ich meinte… Verschwimmt die Tinte denn nicht? Das Papier oder Pergament oder wie auch immer du es nennst, müsste sich im Wasser doch auflösen, nicht?“
Ich schüttle den Kopf. „Unsere Expeditionen werden immer von mindestens zwei Magiern begleitet, um dafür zu sorgen, dass uns nichts passiert. Sie legen einen Schutzzauber über die Bücher, um sie vor Wind und Wetter zu schützen.“
Killian lacht. „Klar, Magie. Ich stelle dumme Fragen, entschuldige.“
„Du sprichst hier mit der Königin der dummen Fragen“, antworte ich schmunzelnd.
Der Mensch presst die Lippen zusammen, er nickt, wirkt aber gleich wieder entspannter. „Du hast Recht. Eine neue Welt kennenzulernen ist beeindruckend. Wenn man das alles nicht kennt, kommt man sich automatisch ein wenig dumm vor. Verloren wäre wahrscheinlich ein besseres Wort dafür. Es ist nicht so negativ behaftet.“
„Du hast Recht“, antworte ich. „Wenn ich dich nicht hätte, wäre ich wirklich verloren.“
Killian lächelt mich an, ich erwidere das Lächeln, wende mich allerdings wieder zu dem Fenster. Fast schon verträumt bestaune ich die spärlich beleuchtete Welt der Menschen, die an uns vorbeizieht. Nebenbei spiele ich mit einem meiner Zöpfe. Immer wieder drehe ich meinen Finger um meine Haare. Als sich die Umgebung draußen verdunkelt, kann ich wieder Killians Spiegelbild erkennen. Er scheint mich zu beobachten, auf seinen Lippen ruht immer noch dieses sanfte Lächeln.
Nun bin ich ziemlich sicher, dass er etwas zu sagen hat, also drehe ich mich zu ihm und frage: „Was ist?“
„Nichts“, antwortet er und richtet seinen Blick nach vorne. „Es wird noch eine Weile dauern, bis wir da sind. Hoffentlich kannst du dich so lange gedulden.“
„Mir bleibt nichts anderes übrig, aber ich weiß, dass meine Geduld belohnt wird“, antworte ich ihm zuversichtlich. „Erwarten kann ich es trotzdem nicht.“
Killian schnaubt belustigt. „Das kann ich mir gut vorstellen.“