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Kapitel 50
Im Schein einer Kerze
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Es ist kalt. Eiskalt. Ich spüre Vibrationen durch meinen Körper fließen. Ein Schluchzen in der Stille. Mein Bein zuckt. Mein Arm brennt. Ich habe keine Kontrolle, meine Augen lassen sich nicht öffnen. Mein Körper fühlt sich an, als würde er nicht mir gehören. Ich fühle mich schwer, aber dennoch so leicht. Bewege ich mich? Nein. Bin ich tot? Die murmelnden Geräusche um mich herum werden zu Worten. Worte, die erst unklar sind, doch sie werden immer deutlicher. Ich kann mich nicht bewegen. Es ist so dunkel.
„Es tut mir leid“, höre ich eine flehende, tiefe Stimme. Die Verzweiflung in den einzelnen Worten setzt sich tief in meiner Seele ab. Es ist so kalt. „Ich wollte das nicht. Scheiße.“ Das Schluchzen wird lauter. „Bitte wach wieder auf. Wach auf. Ich kann dich nicht auch noch verlieren. Nicht dich.“ Killian weint. Ich nehme einen tiefen Atemzug. War das ein Geräusch? War ich das? Killian verstummt. Es dauert einen Moment, dann spricht er wieder klarer: „Ilaria?“
„Killian“, antworte ich leise.
„Oh, Gott sei Dank. Gott sei Dank.“ Ich spüre raue Finger in meinem Gesicht. Sie zittern. „Du lebst.“
„Tu ich das?“, frage ich verwirrt.
Ein weiteres Schluchzen. „Ja, es ist alles gut. Du wirst wieder gesund.“
„Das ist schön“, flüstere ich kraftlos. Alles ist gut.
Nach und nach nehme ich meinen Körper immer intensiver wahr. Die Schmerzen in meinem Bein sind unbeschreiblich stark. Sie pulsieren durch meinen gesamten Körper. Ich fühle mich schwach und müde. Es ist schwer, mich daran zu erinnern, was passiert ist. Killian schluchzt. Ich zucke zusammen, als ein Tropfen auf meiner Wange aufkommt.
„Kannst du mich hören?“, fragt Killian mit kratziger Stimme. Ich spüre feuchten Stoff an meiner Wange, dann an meiner Schläfe und meiner Stirn. Auch wenn es kalt ist, fühlt es sich angenehm an. Killian streicht über meine Augen, dann verschwindet der weiche Stoff wieder.
„Ja“, antworte ich leise. Killian drückt mich sanft an sich.
„Du bist in Sicherheit. Schlaf, ruh dich aus.“ Er schluchzt. „Es ist alles gut.“ Ich versuche, meine schweren Augenlider zu öffnen. Es ist möglich, einen verschwommenen Blick auf Killian zu werfen, doch ich bin zu müde. „Alles gut, schlaf. Lass die Augen zu und schlaf.“
„Du weinst“, flüstere ich. „Nicht weinen.“
Es ist still, doch dann antwortet Killian wieder: „Ja, tut mir leid. Das ist alles so viel. Aber es ist unwichtig. Es ist alles wieder gut.“
„Ja“, stimme ich ihm zu. Ein lautes Donnern lässt mich zusammenzucken. Killians Griff wird stärker. Erneute Vibrationen lösen großes Unbehagen in mir aus. Es ist so verdammt kalt. Meine Augen fallen wie von selbst zu. Ich fühle mich, als würde meine Seele in meinen Körper sinken. Was passiert mit mir?
༄ ♫ ༄
Ein sanftes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Ich spüre, dass mein Kopf gestreichelt wird. Killian zieht seine Nase hoch. Müde öffne ich meine Augen. Vorsichtig taste ich nach der Hand, die an meinem Bauch liegt und mich festhält. Mein Liebster ist erleichtert, als wir uns ansehen. Mein Kopf liegt auf seinen Oberschenkeln. Killian drückt sanft meine Finger. Ich bin noch ziemlich orientierungslos. Ich erinnere mich kaum an das, was passiert ist. Wo bin ich? Waren das grüne Blitze? Was ist passiert?
„Du bist wach“, gibt Killian erleichtert von sich. „Wie fühlst du dich?“
„Mir ist ziemlich kalt“, antworte ich ehrlich.
„Ich kann Klamotten für dich suchen.“
Ich nicke. „Danke.“
„Vorsichtig.“ Killian hebt mich an und steht von der Couch auf, auf der ich liege. Er bettet meinen Kopf auf einem Kissen. Als ich mich umsehe, erkenne ich schnell, dass wir nicht in Killians Wohnung sind. Hier war ich noch nie. „Ich bin sofort wieder bei dir.“ Meine Augen sind so müde, dass sie wieder zufallen.
Ich kuschle mich in die Decke, dessen weichen Stoff ich an meinen nackten Beinen fühle. Ich ziehe an der Decke, um mein Bein freizulegen. Die Schmerzen pulsieren wie ein Herzschlag durch meinen Körper. Ich blinzle einige Male, um klare Sicht zu bekommen und werfe einen Blick auf mein Bein. Mein Oberschenkel ist dick eingebunden. An einigen Stellen kann ich mein blaues Blut erkennen. Es ist wohl durch den Verband gedrungen. Eine Erinnerung blitzt durch meine Gedanken. Eine Metallstange. Erschrocken über diese Bilder kneife ich meine Augen zusammen. Schnell bedecke ich mich wieder. Das kann doch nicht wirklich passiert sein. Das ist nicht wahr.
Killian tritt an die Couch heran. Er hat Kleidung dabei. Ohne etwas zu sagen, zieht er die Decke von dem unteren Teil meines Körpers. Er streift eine weite Hose über meine Beine. Sorgfältig deckt er mich wieder zu. Auch eine weitere, große und schwere Decke folgt. Bei meinem verletzten Bein ist er etwas vorsichtiger.
„Ist das so okay oder ist es zu schmerzhaft?“
„Ich weiß es nicht. Alles tut so weh…“
„Du solltest etwas essen. Du hast viel Blut verloren. Bleib einfach liegen, ich durchstöbere die Küche.“
„Wo sind wir hier?“, erkundige ich mich. Ich bin verwirrt.
„Keine Ahnung. Das erste Haus, das ich aufbekommen habe“, antwortet Killian mir. „Draußen stürmt und regnet es. Wir mussten irgendwo unterkommen. Ich weiß selbst nicht mehr wirklich, was ich gemacht habe.“
Ich bemerke, dass auch Killians Hand eingebunden ist. „Du bist verletzt.“
„Nicht schlimm, nur ein kleiner Schnitt.“ Er kniet sich neben die Couch auf den Boden und küsst mich. „Ich bin so erleichtert, dass du wieder aufgewacht bist.“ Killian zieht seine Nase hoch. „Ich dachte, dass ich di-“ Er unterbricht sich selbst und schüttelt den Kopf. Seine Finger zittern, als er durch mein Haar streicht. „Jetzt ist alles gut.“
„Ich dachte, dass du mich alleine lässt.“
Er schüttelt den Kopf. „Nein. Nur ganz kurz. Aber vergiss das. Vergiss das alles. Das ist nicht wichtig. Du musst nur wieder ganz gesund werden.“
„Mir tut alles weh.“
Killian verzieht die Lippen. „Ich weiß. Ich kann nachsehen, ob ich Medikamente finden kann. Ich bin nur nicht sicher, ob ich etwas finde und ob wir das überhaupt nutzen sollten.“ Liebevoll streicht Killian durch mein Haar.
„Hast du meine Tasche mitgenommen?“
„Deine Tasche?“
„Ja.“
„Was brauchst du denn?“, fragt er mich und nimmt dabei gleich Abstand zu mir. Meine Tasche liegt auf einem Tisch. Killian öffnet den Zippverschluss. Ich kenne das Geräusch. „Es ist alles da. Was brauchst du?“
„Ich bin durstig.“
„Willst du deinen Tee?“, fragt er mich. Es raschelt, während Killian in meiner Tasche stöbert.
„Ja, bitte.“
„Du schleppst ja ganz schön viel Kram mit dir herum.“
Mit der Thermoskanne kommt er zu der Couch. Er öffnet sie, füllt den Deckel und stellt ihn dann auf dem Couchtisch ab. Ich werde von Killian gestützt, sodass ich mich aufsetzen kann. Mir wird ein wenig schwindelig. Er reicht mir meine Tasse, hält sie aber weiterhin fest, während ich trinke. Als ich genug habe, lege ich mich wieder hin. Killian gibt mir einen weiteren Kuss auf die Stirn und streichelt meine Wange.
Mein Liebster nimmt wieder Abstand zu mir und verschwindet schnell aus meinem Blickfeld. Das Prasseln des Regens ist kaum zu überhören. Ich sehe durch das Fenster hinaus. Viel kann ich leider nicht erkennen. Es ist dunkel. Ein weiteres Fenster ist mit einem Vorhang verhüllt. Die Kommode vor diesem Fenster wirkt deplatziert. Der Wind bewegt den Stoff.
Killian stellt eine Dose auf den Tisch und legt eine Gabel dazu. „Thunfisch. Der wird dir schmecken.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Du solltest trotzdem essen. Du hast viel Blut verloren. Das hat dir Kraft gekostet.“ Ich möchte mich aufsetzen, da eilt Killian mir sofort zur Hilfe.
„Mein Arm tut so weh.“
„Dann helfe ich dir beim Essen, das ist kein Problem. Und wenn der Regen ein wenig nachlässt, kann ich zur Apotheke gehen. Da finde ich bestimmt auch irgendwas Pflanzliches, das dir bei deinen Schmerzen helfen kann.“
„Danke.“
Killian stützt mich, sodass ich mich aufrecht hinsetzen kann. Er reicht mir die geöffnete Dose. Als ich den Duft des Thunfisches wahrnehme, bekomme ich doch Lust, ein wenig zu essen. Da es mir zu große Schmerzen bereitet, die Dose selbst zu halten, nimmt Killian mir das ab. Er setzt sich auf den Couchtisch. Ich führe die Gabel mit meiner linken Hand zu meinem Mund und kaue genüsslich auf dem Thunfisch.
„Gar nicht so übel.“
„Wenn du noch mehr willst, finde ich bestimmt noch etwas Anderes.“
Es donnert so laut, dass die Intensität des Grollens sich durch Vibrationen deutlich spürbar macht. Ich erinnere mich an den grünen Blitz, den ich auf dem Himmel wahrgenommen habe und auch daran, dass dieselben grünen Blitze das letzte waren, das ich auch in meiner Welt gesehen habe. Ich bin mir sicher, dass das wirklich passiert ist, auch wenn alles noch so verschwommen und verworren ist. Killian mustert mich. Die große Sorge in seinem Blick spüre ich bis in meine Seele.
„Was ist passiert?“, frage ich leise nach. „Ich bin hingefallen und wurde verletzt. Ich versuche, alles in die richtige Reihenfolge zu bringen, doch ich schaffe es nicht. Es ist verwirrend.“
Killian beugt sich zu mir. Er küsst meine Schläfe. Erst einmal, dann ein weiteres Mal und noch ein drittes Mal. „Du wurdest fast verschüttet. Als du das Bewusstsein verloren hast, habe ich dich befreit und dich hierhergebracht.“ Mein Liebster lehnt seinen Kopf gegen meinen. Er spricht recht leise, als er fortfährt: „Aber jetzt ist alles gut. Wir sind noch hier.“
Ich nehme ein wenig Abstand und führe meine Gabel zu Killians Mund. „Iss ein Stückchen.“
„Nein, nicht nötig, du brauchst es dringender.“
Ich sehe Killian intensiv in die Augen. Er seufzt und lässt sich dann von mir füttern. „Was ist mit dem Mann passiert?“
Killian atmet tief durch. „Ich weiß es nicht. Vielleicht dasselbe, das mit dir passiert ist. Also bevor du hierhergekommen bist. Vielleicht ist er jetzt in deiner Welt. Ich kann nur Vermutungen anstellen.“ Er räuspert sich. „Ist mir aber auch scheißegal. Wir haben jetzt andere Sorgen. Sobald das Wetter aufklärt, müssen wir Hilfe suchen. Da draußen ist irgendetwas passiert und das war nicht normal.“
Ein weiteres Erdbeben rollt auf uns zu. Killian drückt mich an sich. Ich höre das Klirren von Tassen. Ich beobachte ein Feuerzeug auf dem Couchtisch, dass sich immer weiter Richtung Rand begibt, bis es schließlich hinunterfällt. Ängstlich schmiege ich mich an Killian, der mich beruhigend streichelt.
„Es wird alles gut“, gibt er murmelnd von sich. Killian wiederholt sich immer und immer wieder, bis das Erdbeben endlich verschwindet. Mein Liebster drückt mir einen Kuss auf den Kopf, dann atmet er tief durch. „Wir machen es uns hier so angenehm wie möglich. Und wenn der Sturm vorbei ist, dann wird uns geholfen. Jemand wird kommen und nach Überlebenden suchen.“ Killian streichelt mich. „Und sie werden uns finden.“ Ich nicke leicht. „Iss auf, damit du dich wieder hinlegen kannst.“
Nachdem ich wieder eingekuschelt auf der Couch liege, bringt Killian die leere Dose weg. Ich kann hören, wie er in der Küche die Schränke durchsucht. Auch das Klicken von Lichtschaltern nehme ich wahr, das Licht geht jedoch nicht an. Der Vorhang vor dem verdeckten Fenster bewegt sich auf und ab. Das ruhige Prasseln des Regen wird immer wieder von lautem Donner unterbrochen. Ich beobachte Killian dabei, wie er sich in dem Wohnzimmer umsieht. Er öffnet die Laden der Kommode, stöbert darin und nimmt etwas heraus. Wieder höre ich Klicken, dann wie Killian genervt die Lade zuschlägt. Ich zucke zusammen.
„Leer, verdammt“, gibt er frustriert von sich. Er bringt etwas zum Couchtisch. Ich erkenne, dass es sich um eine Kerze handelt, als er sie auf dem Couchtisch abstellt. Killian geht in die Knie. Er tastet unter den Tisch, dann richtet er sich wieder auf, um die Kerze zu entzünden. „Langsam wird es doch schon sehr dunkel, aber so haben wir zumindest ein bisschen Licht.“
„Dann ist der Strom verschwunden?“, erkundige ich mich, worauf Killian nickt.
„Wahrscheinlich ist die Leitung zerstört worden. Wasser haben wir auch keines. Das letzte Bisschen aus dem Wasserhahn war braun und ziemlich widerlich. Gut möglich, dass die Rohre auch beschädigt wurden.“ Besorgt sehe ich Killian an, da spricht er schon weiter: „Aber mach dir keine Sorgen. In der Küche sind ein paar Limos und auch Wasserflaschen. Wir können problemlos ein paar Tage hierbleiben.“ Nachdem er einmal tief durchgeatmet hat, lässt er sich auf den Couchtisch sinken. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, aber könnten wir uns in ein Bett legen?“
Killian wiegt den Kopf hin und her. „Mir wäre es lieber, wenn wir hier unten bleiben. So können wir im Notfall schneller abhauen.“
„Kannst du dich wenigstens zu mir legen? Auch wenn es eng ist?“
„Wenn es dir nicht zu sehr wehtut, ja.“
Killian steht wieder auf und quetscht sich zu mir auf die Couch. Da wir nicht besonders viel Platz haben, liege ich hauptsächlich auf ihm. Mein verletztes Bein wird sorgfältig auf seinen Oberschenkeln gebettet. Es schmerzt, aber es tut gut, wieder richtig aufgewärmt zu werden. Ich lausche Killians Herzschlag und versuche, meine Gedanken und Gefühle so ruhig wie möglich zu halten, doch die Schmerzen in meinem Bein lassen sich nicht so leicht verdrängen. All diese verrückten Dinge, die ich gesehen und erlebt habe, fühlen sich so unwirklich an. Ein weiterer, lauter Donner jagt mir einen Schauder über den gesamten Körper. Mein Liebster spielt mit einer meiner Haarsträhnen. Es fühlt sich fast schon wieder normal an, in seinen Armen zu liegen.
Der Regen scheint immer lauter zu werden. Immer wieder wird das fremde Wohnzimmer durch einen der Blitze erhellt, gefolgt von grölendem Donner. Ich schlucke hart und schließe meine Augen. Killians Griff um meinen Körper wird ein wenig fester.
„Versuch noch ein paar Stunden zu schlafen, Prinzessin. Du musst dich darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden. Alles andere übernehme ich.“ Killian krault meinen Nacken. „Ist dir warm genug?“
„Ja, es wird immer besser. Aber wie geht es dir?“
„Besser“, antwortet er knapp, dann drückt er mich sanft gegen sich. „Ich dachte, ich hätte dich verloren.“
„So schnell wirst du mich nicht los.“
„Ich bin einfach nur froh, dass du wieder aufgewacht bist.“ Killian schluckt. „Eigentlich will ich über das alles gar nicht nachdenken. Lass uns schlafen. Morgen ist alles besser.“
„Und was machen wir, wenn die Besitzer des Hauses wiederkommen?“, frage ich leise.
„Naja, falls sie zurückkommen, entschuldigen wir uns für das Chaos. Ich denke aber, dass jeder verstehen kann, dass man so schnell wie möglich Unterschlupf sucht.“ Mein Liebster spielt mit meinen Haaren. „Mach dir aber darüber nicht zu viele Sorgen.“
„Ich versuche immer noch zu begreifen, was überhaupt passiert ist.“
„Mhm“, stimmt er mir brummend zu. „Ich verstehe es auch nicht.“
Da meine Augen ziemlich stark brennen, schließe ich sie und atme tief durch. „Ich bin so müde.“
Killian lacht sehr leise. „Na dann hör auf zu reden und mach die Augen zu.“
„Mein Arm tut weh.“
„Willst du dich anders hinlegen?“
„Ich denke nicht, dass das helfen wird.“
„Vielleicht ist es morgen wieder besser.“
„Möglich.“
Still lausche ich Killians Herzschlag und seiner ruhigen Atmung, um mich von den Schmerzen und den verwirrenden Erinnerungen abzulenken. Es ist schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Müdigkeit nimmt mich immer stärker in Besitz.
༄ ♫ ༄
Ein weiteres Erdbeben lässt mich aus dem Schlaf schrecken. Ich verliere beinahe das Gleichgewicht, doch Killian hält mich fest. Noch bevor ich etwas sagen kann, werde ich liebevoll gestreichelt.
„Sch“, gibt Killian leise von sich. „Es ist alles gut.“
Ich nicke leicht. „Ja, es ist alles gut“, wiederhole ich seine Worte.
Ich kralle mich an der Decke fest und zucke zusammen, als in der Küche etwas zu Boden fällt. Es muss Besteck gewesen sein. Als das Erdbeben wieder abflaut, wird mein Griff wieder lockerer. Mein Nagel bleibt an der Decke hängen, ich muss ihn mir eingerissen haben. Leider ist es zu dunkel, um meine Finger genauer zu betrachten.
„Bist du schon lange wach?“, frage ich, worauf Killian bloß brummt. „Heißt das, dass du gar nicht wach bist?“
„Ist schwer zu sagen, wie lange wir hier schon liegen. Bin aufgewacht, weil mein Arm eingeschlafen ist.“
„Ich würde mir gerne meine Wunden ansehen.“
„Bist du dir sicher? Es sah wirklich nicht gut aus, den Anblick solltest du dir sparen.“
„Ich bin sicher.“
„Okay, aber sei vorsichtig. Fall nicht, wenn ich dich jetzt loslasse.“
Im dürftigen Schein der Kerze setze ich mich auf. Ich bin sehr vorsichtig, als ich mein verletztes Bein auf dem Boden abstelle. Ich beiße die Zähne zusammen. Killian steht von der Couch auf. Seine Bewegungen zeigen, wie nervös er ist. Er tritt an das Fenster und wirft einen Blick hinaus, kommt aber schnell wieder zurück und schiebt den Couchtisch zur Seite um genug Platz zu haben. Er betrachtet mich für einen Moment. Müde streiche ich durch mein Haar. Das alles ist doch vollkommen verrückt. Killian setzt sich auf den Boden. Seine Finger zittern und seine Bewegungen wirken unruhig. Vorsichtig zieht er mir die locker sitzende Hose aus. Die Schmerzen an meinem Bein sind schon leichter geworden, verschwunden sind sie jedoch noch lange nicht. Mir ist ziemlich übel.
„Geht das so?“
„Ja“, antworte ich ihm. Ich schließe meine Augen und versuche, ruhig zu atmen, um die Schmerzen loszuwerden.
„Denkst du, dass du noch blutest? Ich kann das schwer einschätzen“, fragt Killian mich. Er betrachtet den Verband. Ich sehe zu ihm hinunter und merke, wie nervös er ist. Killian reibt sich den Nacken und deutet dann auf einige Gegenstände, die auf dem Couchtisch verstreut liegen. „Ich kann dich noch einmal versorgen, wenn es nötig ist.“ Er verschränkt seine Finger ineinander, vermutlich, um das Zittern zu verbergen, doch selbst vor meinem müden Blick ist er nicht sicher.
„Ich denke nicht, dass ich noch blute. Es sind doch Stunden vergangen“, antworte ich, als ich mein Bein betrachte. Selbst in dem spärlichen Kerzenschein kann ich deutlich erkennen, dass meine Haut dunkel gefärbt und geschwollen ist.
„Bereit?“
„Ja.“ Vorsichtig rollt Killian den Verband ab. Je näher er dem Ende des Verbandes kommt, desto mehr Blut klebt an dem sonst weißem Stoff. Ich verziehe das Gesicht, als ich schließlich meinen Oberschenkel betrachte. Mein Körper hat sich noch nicht vollständig regeneriert. Die Haut ist bereits verschlossen, doch ich kann sehen, dass meine Verletzung größer ist, als ich es vermutet hatte. Mein Oberschenkel ist verbeult und geschwollen. Es sieht aus, als würde ein Stück meines Muskels fehlen.
„Es tut mir leid.“ Killian wischt sich mit beiden Händen über das Gesicht und lässt den Kopf sinken. „Ich wusste nicht, was ich machen soll.“ Ich traue mich nicht, meine Haut zu berühren. „Ich musste dich irgendwie von der Stange lösen.“
„Dann hast du mir das angetan?“, frage ich ihn, worauf Killian sein Gesicht in seinen Händen vergräbt.
Er schluchzt. „Es tut mir so unendlich leid, Ilaria.“ Nun bemerke ich auch das Blut an seiner Kleidung. Ich bin sicher, dass es meines ist. Als Killian ein weiteres Mal schluchzt, streichle ich über seinen Kopf.
„Du hast es getan, um mir zu helfen. Es wird mir bald wieder besser gehen“, versichere ich ihm. „Ich erhole mich ganz schnell.“
Killian sieht auf und wischt über seine feuchten Augen. „Ich hätte dich beinahe umgebracht.“
„Nein, du hast mein Leben gerettet“, antworte ich ihm. „Du bist zurückgekommen und hast mich befreit.“
„Ja.“ Killian zieht seine Nase hoch. „Auch wenn ich auf diese Erfahrung gerne verzichtet hätte.“ Er wischt über seine Augen. „Auf das alles hier. Ach, Scheiße. Das alles ist doch scheiße.“
Ich lasse einen tiefen Seufzer los und streiche wieder durch Killians Haar. Mein Blick ruht auf meinem schmerzenden Bein. „Wenigstens haben wir noch einander.“
Killian nickt. Er dreht sich zum Couchtisch und tastet nach etwas. Er greift sich ein Taschentuch und putzt sich die Nase. „Ja, tut mir leid. Es ist nur alles so verwirrend. Ich weiß nicht, wie ich mit all dem Scheiß klarkommen soll. Ach, fuck. Keine Ahnung. Scheiße.“
„Tut mir leid, dass ich keinen Rat für dich habe“, antworte ich ihm leise.
„Schon okay. Das wird schon irgendwie.“
„Darf ich dich um etwas bitten?“
„Klar.“
„Könntest du mich stützen, damit ich zum Fenster kann? Ich will wissen, was da draußen vor sich geht.“
„Meinst du wirklich, dass du mit deinem Bein laufen solltest?“
Ich zucke mit den Schultern. „Eher nicht, nein.“
„Ich könnte dich tragen, aber nicht, ohne dein Bein irgendwie zu berühren. Das ist wohl eher keine so gute Idee.“ Killian blickt auf meine Verletzung. Dass er mit mir mitleidet, kann er nicht verstecken. „Meinst du, es hilft, wenn wir es kühlen? Der Strom ist zwar schon seit ein paar Stunden weg, aber vielleicht ist noch Eis im Gefrierschrank.“
„Ja, das wäre eine Möglichkeit.“
Killian steht auf. „Wenn du wirklich wissen willst, was draußen zu sehen ist, dann kann ich dir sagen, was ich sehen kann. Du solltest dich besser wieder hinlegen. Vielleicht wäre es auch gut, das Bein hochzulegen.“
„In Ordnung. Aber du sagst mir ganz genau, was du draußen sehen kannst.“
„Einverstanden.“
Bevor Killian in die Küche geht, hilft er mir, mich wieder hinzulegen. Er deckt mich zu, lässt mein verletztes Bein allerdings frei. Liebevoll streicht er durch mein Haar und küsst meine Stirn und auch meine Lippen. Wir sehen uns an. All die Verzweiflung scheint für einen Moment zu verschwinden. Killian zieht einen Mundwinkel hoch und küsst mich ein weiteres mal. Er streicht über meinen Bauch. Es scheint fast so, als ob er gar nicht mehr aufhören will, mich zu berühren. Ihm nah zu sein, fühlt sich gut an. Wie die kleine Flamme der Kerze in der Dunkelheit.
„Ich bin so verdammt erleichtert, dass du wieder aufgewacht bist.“
„Ich kann dich doch nicht in dem Chaos alleine lassen“, antworte ich ihm.
„Ich bin sofort wieder bei dir.“
Nach einem letzten Kuss richtet Killian sich auf. Seine Knochen knacken, als er sich streckt und dann Richtung Küche schlurft. Die Kerze nimmt er mit. Ich schließe meine Augen und lausche den Geräuschen um mich herum. Wind heult um das Haus. Das Prasseln des Regens ist auf eine seltsame Weise beruhigend, wie auch beunruhigend. Lauter Donner grollt über uns. Er ist so gewaltig, dass ich die Vibrationen unter mir spüren kann. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nicht vielleicht doch ein kleines Erdbeben ist.
Killian kommt auf mich zu. Ich öffne meine Augen. „Eis war nicht im Kühlfach, aber ich konnte eine Packung Erbsen finden. Sie ist noch recht kalt.“ Er beugt sich über mich. „Soll ich oder willst du es selbst machen?“
„Mach du.“
„Okay, oh Gott, tut mir jetzt schon leid, dass ich dir gleich wehtun werde.“ Killian setzt sich zu meinen Füßen auf die Couch. Er legt sie auf seinen Oberschenkeln ab. „Achtung, gleich wird es kalt.“ Als Killian die Packung Erbsen auf mich legt, ziehe ich scharf die Luft ein. Ich unterdrücke den Laut, den mein Körper von sich geben möchte und beiße die Zähne zusammen. „Alles okay?“
„Mhm“, drücke ich hervor. Mit zittrigen Fingern strecke ich meine Hand aus der Decke und wische über meine Augen. „Nur noch ein paar Stunden, dann ist alles wieder gut.“ Ich bin nicht sicher, ob ich mich oder Killian damit beruhigen möchte.
„Du hältst das durch“, tröstet Killian mich. „Du schaffst alles. Du bist die beeindruckendste Frau, die mir jemals begegnet ist.“ Er zieht seine Nase hoch. „Als ob dich so eine kleine Verletzung aufhalten würde.“ Killian schluchzt, während er meinen Unterschenkel streichelt. „Fuck, tut mir leid.“
„Kannst du mir sagen, was draußen passiert?“, frage ich nach. „Um mich abzulenken?“
„Ja.“ Killian steht vorsichtig auf. Er legt den Beutel Erbsen wieder auf meinen Oberschenkel. Es tut gut, meine Verletzung zu kühlen, doch die Schmerzen sind schwer zu ertragen. „Alles gut?“
„Nein“, antworte ich ihm. Ich merke, wie sich meine Atmung beschleunigt. „Sag mir bitte, was du siehst.“
Killian nimmt Abstand von mir. Er tritt an das Fenster und sieht hinaus. „Dunkelheit.“ Ein Blitz erhellt die Straßen und auch das Zimmer. Der Donner folgt sofort. „Erschreck dich nicht.“ Ich beobachte meinen Liebsten dabei, wie er die Tür öffnet und hinaussieht. Er spricht lauter, sodass ich ihn verstehen kann: „Es regnet und der Wind ist ziemlich stark. Die Wolken sind ziemlich unheimlich. Dunkel, aber sie schimmern irgendwie auch grün.“ Ein weiterer Blitz, gefolgt von Donner untermalen Killians Beschreibungen. Der Wind sorgt dafür, dass die Kerze auf dem Couchtisch erlischt. „Das alles wirkt ziemlich unwirklich auf mich.“ Er sieht sich um. „Kaputte Autos. Ich sehe aber keine Menschen. Alles wirkt irgendwie verlassen. Da vorne auf dem Boden leuchtet etwas. Wie dieses grüne Schimmern. Keine Ahnung, was das ist.“ Killian zieht die Tür wieder zu. „Verdammt windig und kalt da draußen.“ An Killians langsamen Schritten merke ich, dass er in der Dunkelheit unsicher ist. Die kleine Flamme des Feuerzeugs leuchtet wieder, dann erhellt die Kerze wieder das Zimmer. Killian zieht sein Shirt aus und hängt es über einen Stuhl. Aus der Lade der Kommode nimmt er etwas mit zum Tisch. Es handelt sich um eine winzige Kerze, die er mit dem Feuerzeug entzündet. Ich verfolge Killian mit meinen Augen, doch dann verschwindet er aus meinem Sichtfeld. „Ich besorge mir eben was Trockenes zum Anziehen. Ich bin sofort wieder bei dir.“
„In Ordnung.“
Während Killian das obere Stockwerk begutachtet, setze ich mich vorsichtig auf. Ich nehme die Erbsen von meinem Bein und wende sie, um die kühle Seite wieder auf meine Verletzung zu legen. Mit zusammengebissenen Zähnen schließe ich die Augen. Ich erinnere mich selbst daran, dass es nur noch einige Stunden dauern wird, bis ich mich wieder besser fühle. Besorgt begutachte ich auch meinen schmerzenden Arm. Ich habe keine Kratzer. Meine Haut ist vollkommen intakt, doch auch hier kann ich dunkle Flecken erkennen. Ich taste mich selbst ab. Die Schmerzen sind am Ellbogen am stärksten. Auch mein Handgelenk hat sich schon besser angefühlt. Am besten wäre es wohl, wenn ich meinen Arm wieder schone.
Killians Schritte sind wieder hinter mir zu hören. „Ist zwar nicht ganz meine Farbe, aber wenigstens passt er.“ Mein Liebster trägt einen roten Pullover. Dadurch wirkt er fast wie ein neuer Mensch. Bis jetzt habe ich ihn nur in dunklen Farbtönen gesehen.
„Das Rot lässt dich gefährlich wirken.“
Er schnaubt. „Hoffentlich hält uns das Ärger vom Hals.“
„Ich bin sicher, dass es hilft.“ Killian stellt die winzige Kerze auf den Tisch. Ich bin dankbar für das zusätzliche Licht der kleinen Flamme. „Kannst du mir meine Tasche geben? Vielleicht habe ich die Creme auch hineingeworfen. Ich bin mir nicht mehr sicher.“
„Die habe ich in meinen Rucksack gepackt“, antwortet Killian mir. „Und der ist noch im Auto. Ich hole unsere Sachen, sobald der Sturm nachlässt. Naja, vorausgesetzt, sie sind noch da.“ Killian nimmt meine Tasche an sich. „Willst du sie trotzdem noch?“
„Ja, bitte.“
Mein Liebster reicht mir meine Tasche. Ich fasse hinein und suche nach meinem Smartphone. Als ich es finde, betätige ich den Knopf, der den Bildschirm zum Leuchten bringt. Nun, normalerweise tut er das. Mein Bildschirm bleibt schwarz. Ich war mir sicher, dass ich es aufgeladen habe. Beim Frühstück hat es noch funktioniert.
„Mein Akku ist auch leer“, meint Killian resignierend. „Ich wollte eigentlich 911 anrufen, aber ohne Strom konnte ich auch nicht das Telefon da drüben nehmen.“ Killian setzt sich auf den Couchtisch. „Wir sind fürs Erste wohl auf uns selbst gestellt. Ich bin aber sicher, dass sich bald jemand auf die Suche nach Überlebenden machen wird.“ Seine Zuversichtlichkeit überzeugt mich nicht ganz. Vielleicht liegt es aber auch weniger an Killians Worten und mehr an den starken Schmerzen.
„Denkst du, dass die Magie etwas damit zu tun hat? Mit dem Sturm meine ich?“, frage ich nach. „Dass der Mann sich aufgelöst hat, war doch nicht normal.“
„Das grüne Gewitter da draußen ist auf keinen Fall normal“, meint Killian, ehe er wieder aufsteht. Er tigert nervös durch das Wohnzimmer, dann greift er sich die große Kerze und erkundet die Regale an der Wand. „Aber alles nach einander. Erst warten wir, bis es dir besser geht. Du erholst dich und kommst wieder zu Kräften. Wichtig ist, dass wir einen kühlen Kopf bewahren. Wir schaffen das alles schon irgendwie.“ Killian stellt die Kerze auf die Kommode und durchsucht sie. „Am besten, du legst dich wieder hin und ruhst dich aus.“
„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Kannst du meine Tasche wieder wegnehmen?“
„Aber sicher.“ Mein Liebster kommt auf mich zu. „Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“ Er nimmt mir meine Tasche ab und legt sie auf einen Sessel. „Trink vielleicht noch einen Schluck.“
„Das ist eine gute Idee.“ Killian reicht mir meinen Becher. Ich nehme ihn an mich und trinke ihn leer. „Vielen Dank.“
„Nicht dafür.“ Er stellt den Becher wieder ab und bringt das Kissen hinter mir in Position. Ich lehne mich zurück, da deckt Killian mich schon wieder gründlich zu. Der Beutel mit Erbsen rutscht von der Couch und fällt zu Boden. Killian greift sofort danach, schüttelt ihn durch und legt ihn dann wieder vorsichtig auf mein verletztes Bein. „Ich sehe mich noch im Haus um. Wenn irgendetwas ist und du mich nicht siehst, ruf einfach nach mir. So groß ist das Haus nicht. Ich bin sofort wieder bei dir.“
„In Ordnung. Danke, dass du dich um mich kümmerst.“
„Das mache ich gerne. Werd nur schnell wieder gesund, hörst du?“
Ich schmunzle. „Ich beeile mich. Ich sage meinem Bein, dass es so schnell wie möglich wieder heil werden muss.“
Killian setzt sich neben mich auf den Boden. Er betrachtet mein Gesicht, während er über meinen Kopf streichelt. „Liegst du bequem?“
„Mein Bein ist kalt.“
Killian sorgt dafür, dass zumindest mein Fuß und mein Unterschenkel so gut wie möglich zugedeckt sind. „Ist das so zumindest ein wenig besser?“
„Ja, vielen Dank.“
Ich bekomme einen Kuss auf die Stirn, dann steht Killian auf. Anstatt meine Augen zu schließen, beobachte ich ihn dabei, wie er sich wieder der Kommode widmet. Ich frage mich wonach er sucht, doch ich frage nicht nach. Vielleicht sucht er auch gar nichts, sondern hält sich beschäftigt, um sich abzulenken. All seine Bewegungen wirken unruhig und nervös. Killian kommt wieder auf mich zu. Er setzt sich in den Sessel und hantiert mit einer Taschenlampe. Es dauert einen Moment, doch dann erkenne ich, dass er die Batterien wechselt. Einige erfolglose Klicks später, lässt er einen Seufzer los. „Ach Scheiße. Als wären alle Batterien leergesaugt.“ Resignierend lässt er die Taschenlampe sinken. „Aber mach dir keine Sorgen, wir werden nicht im Dunkeln sitzen. In der Lade sind noch ein paar Teelichter und oben im Schlafzimmer stehen noch drei große Kerzen.“ Er deutet auf die Kerze am Tisch. „Die sind ungefähr so groß wie die.“ Killian lehnt sich in dem gemütlichen Sessel zurück. „Vielleicht ist Ians Taschenlampe ja solarbetrieben.“ Er reibt sich ein Auge. „Hoffentlich steht das Auto noch.“ Nun seufzt Killian. „Und mein Haus. In meiner Wohnung ist noch einiges, dass ich gerne retten würde. Ich hab' auch ein kleines Erdbebenkit mit Wasserflaschen, ein paar Müsliriegeln und einem Erste-Hilfe-Set.“ Er stützt seinen Arm an der Lehne ab und seinen Kopf an seiner Hand. Killian bedeckt seine Augen. „Das ist doch alles Scheiße. Man sieht immer, dass so etwas passiert, aber man denkt doch, dass es einen selbst nie trifft. Ach, fuck.“
„Das Wichtigste ist doch, dass wir zusammen sind und das irgendwie gemeinsam durchstehen.“
Killian sieht zu mir. Er nickt zaghaft und lehnt sich dann wieder in den Sessel zurück. „Ja.“ Mit seiner verbundenen Hand streicht er durch sein Haar. „Ja, du hast Recht, aber ich denke, dass ich gerade erst begreife, was hier überhaupt passiert ist. Wie man es auch dreht und wendet, wir stecken echt in der Scheiße.“
„Sag' das nicht.“
„Es ist aber so. Ich weiß nicht, wie es weitergeht“, antwortet er geschlagen. „Ach, fuck. Fuck!“ Killian tritt gegen den Couchtisch, so dass er ein Stück auf mich zu rutscht. Ich drehe mein Gesicht zur Seite. „Scheiße, tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Killian beugt sich über mich. Ich blicke zu ihm auf. „Tut mir leid, ich will dir keine Angst machen.“
Ich schüttle den Kopf. „Schon in Ordnung.“
„Ich seh' mich weiter um. Ruh' dich aus.“ Killian greift sich wieder die große Kerze, die er auf der Kommode stehen hat lassen.
„Killian?“
„Ja?“
„Ich liebe dich.“
Meine Worte lassen Killians angespanntes Gesicht wieder erweichen. Durch das Kerzenlicht wirkt er dennoch traurig und verzweifelt. Auch wenn er versucht, einen konstruktiven Plan zu entwickeln, bricht die gesamte Situation seinen Geist. Ich kann deutlich spüren, wie aufgewühlt er ist. Es wird schwer, aus dieser chaotischen Situation auszubrechen. Wir müssen zusammenhalten.
Killian nickt. „Ich weiß. Ich dich auch, Ilaria. Sorry für den Ausbruch von gerade eben. Ich brauche ein paar Minuten, um wieder runterzukommen. Das alles macht mich fertig. Keine Ahnung, was ich denken oder tun soll.“
„Nimm dir Zeit“, antworte ich leise, ehe ich meine Augen schließe.
Ich höre Killians Schritte hinter mir. Er steigt die Treppe hinauf. Eine der Stufen knarzt unter seinen Füßen.
„Alles wird gut, Killian“, erinnere ich ihn leise an seine eigenen Worte.
„Ja, alles wird gut“, stimmt er mir zu.