╔═══════════ ༄ ♫ ༄ ══╗
Kapitel 13
Der Golden Gate Park
╚══ ༄ ♫ ༄ ═══════════╝
Mittlerweile zähle ich die Tage nicht mehr, die ich bereits in der Menschenwelt verbracht habe. Ich gewöhne mich außerdem immer mehr an die Gepflogenheiten der Menschen, die Killian mir Tag für Tag näher bringt. Killian war oft außer Haus, um zu arbeiten, was mir die Möglichkeit bot, mich mit der Schrift der Menschen vertraut zu machen. Einige der Zeichen verwechsle ich zwar noch, dennoch mache ich große Fortschritte.
Der Mensch ist immer wieder überrascht darüber, wie schnell ich lerne, in meiner Welt hingegen ist mein Volk für seine schnelle Auffassungsgabe bekannt. Eben diese schnelle Auffassungsgabe hilft mir auch dabei, mich mit meinem eigenen Smartphone zurechtzufinden.
Killian hat mir erklärt, wie man Selfies macht und wie man diese Fotos an einen anderen Menschen verschickt. Einander Nachrichten zu übermitteln ist in der Welt der Menschen unglaublich einfach. Binnen weniger Sekunden kann man jemandem mit seinem Smartphone nicht nur Bilder und Nachrichten, sondern auch gesprochene Worte, sogenannte Sprachnachrichten übermitteln. Durch Emojis, das sind kleine bunte Zeichnungen, kann man ebenfalls miteinander kommunizieren. Diese Emojis gibt es in verschiedenen Formen und Farben. Man kann sich lachende, müde, wütende oder auch weinende Gesichter, Menschen oder verschiedene Tiere aussuchen. Dass es sogar eine Meerjungfrau gibt, bringt mich immer wieder zum Lächeln.
Natürlich verbringen wir unsere Zeit nicht nur in Killians Zuhause, immerhin ist es uns beiden weiterhin wichtig, eine Erklärung für die Rune zu finden. Wir besuchen allerdings auch regelmäßig den Waschsalon, um unsere Kleidung zu waschen. Damit ich etwas Natur zu Gesicht bekomme, statten wir auch den Parks in der Umgebung immer wieder Besuche ab. Zu unserem Bedauern konnten wir bisher jedoch noch keine weitere Fee und auch keine Runen entdecken. Vielleicht haben wir aber heute etwas mehr Glück, wenn wir den Golden Gate Park besuchen.
„Zieh dir die anderen Schuhe an“, meint Killian, als ich gerade in meine schwarzen Pumps steigen möchte.
„Aber wir gehen doch gar nicht an den Strand. Du hast gesagt, dass der Weg im Park aus Stein ist, ich könnte also nicht wie am Strand im Sand versinken“, entgegne ich Killian.
Der Mensch schultert seinen Rucksack. „Wir werden lange zu Fuß unterwegs sein. Ich will nicht, dass du Blasen an den Füßen bekommst und dir dann der Spaß an dem Spaziergang vergeht, weil dir die Füße wehtun. Du wärst nicht die erste Frau, der das passiert.“ Als ich zu ihm sehe, erblicke ich seinen ernsten Gesichtsausdruck. Killian scheint es wohl sehr wichtig zu sein, dass ich flache Schuhe trage. „Zieh dir bitte die anderen Schuhe an.“
„Und wann kann ich meine schönen Schuhe anziehen? Wenn ich nie eine Gelegenheit habe, sie zu tragen, hast du ganz umsonst dafür gearbeitet. Das wäre schade um deine Zeit.“
Killian zuckt mit den Schultern. „Vielleicht wenn wir meine Bandkollegen treffen. Wir sitzen eigentlich nur zusammen und reden miteinander. Das wäre auch eine Gelegenheit, dein Kleid anzuziehen. Du wärst das schönste Mädchen im Lokal.“ Killians harter Gesichtsausdruck ist wieder weicher, er grinst sogar ein wenig.
Verlegen winke ich ab und ziehe meine flachen Schuhe an, so wie Killian es mir vorgeschlagen hat. „Deiner Meinung nach wäre ich dort also das schönste Mädchen?“
„Ja, das nehme ich auch nicht zurück“, antwortet er mit einem nun sehr deutlichen Grinsen. Killian hilft mir in meine Jacke. „Lass uns gehen, wir haben noch eine Busfahrt vor uns, bevor wir wieder an die frische Luft kommen.“
„Wie lange werden wir unterwegs sein?“, frage ich neugierig.
„Um die 40 Minuten“, antwortet Killian mir. „Aber es lohnt sich. Versprochen.“
༄ ♫ ༄
Killian und ich steigen aus dem Bus. Er greift gleich nach meiner Hand, damit wir uns nicht aus den Augen verlieren. Wir sind nicht die einzigen, die schon zu früher Stunde den Golden Gate Park besuchen. Mit uns steigen einige Menschen aus dem Bus. Ich komme kaum dazu, all die Eindrücke zu verarbeiten, die sich mir bieten, denn Killian zieht bereits an meiner Hand. Wir nähern uns den dichter werdenden Bäumen. Es sieht so aus, als würde es hier tiefer in den Park gehen.
„Nicht so schnell, Killian, ich würde mich gerne für einen Moment zurechtfinden“, bitte ich ihn, worauf er stehen bleibt. Meine Hand gleitet aus seinem Griff.
„Oh, sicher. Entschuldige. Hast du irgendwelche Fragen?“
„Ja, natürlich habe ich Fragen. Ich habe immer Fragen, das weißt du doch.“ Killian zieht einen Mundwinkel hoch. Ich merke, dass sein Blick auf mir liegt, auch wenn ich mich selbst gerade in der Umgebung umsehe. „Ich würde gerne wissen, wohin wir gehen.“ Bei meinen letzten Worten sehe ich ihn wieder an.
„Erst dachte ich mir, dass ich dir das De Young Museum zeige, aber dann habe ich es mir doch anders überlegt.“ Killian deutet hinter mich. Natürlich folge ich sofort seinem Finger und erblicke ein ausgesprochen großes und interessant geformtes Gebäude, vor dem sich einige Palmen befinden. „Ich war mir allerdings nicht sicher, wie sehr du dich für Kunst interessierst und außerdem wären wir dann wieder drinnen und du möchtest lieber die Natur genießen.“ Killian reicht mir wieder seine Hand, die ich gerne annehme.
„Und wofür hast du dich dann entschieden?“
„Dass wir heute hauptsächlich spazieren gehen und die frische Luft genießen. Ich werde dir den Japanese Tea Garden zeigen. Das ist ein kleiner, angelegter Park im japanischen Stil. Der Eintritt wäre heute Morgen umsonst, deswegen habe ich mir sogar den Wecker gestellt.“ Killian grinst mich an. „Und du weißt ja, wie gerne ich schlafe.“
„Dann zeigst du mir also einen schönen Ort und sparst Münzen, weil du früh aus dem Bett geklettert bist?“, frage ich amüsiert nach.
„Ja, so erlege ich zwei Vögel mit einem Stein.“
Irritiert sehe ich Killian an. „Entschuldige, ich verstehe nicht. Du willst mit mir Vögel erlegen?“ Killian lacht über meine Frage, ich hingegen finde das nicht besonders lustig. Wenn er hier herkommt, um Vögel zu töten, will ich doch lieber zurück auf die Couch. „Das ist nicht lustig, Killian.“
„Entschuldige“, antwortet er belustigt. „Nein, ich will keine Vögel umbringen. Das ist eine Redewendung. Bildlich gesprochen bedeutet das, dass man zwei Dinge auf einmal macht. Es werden heute keine Vögel erlegt, versprochen.“
Für einen Moment denke ich über Killians Worte nach. „Oh, ich verstehe.“
„Wollen wir weiter?“, fragt er mich mit einem nun sanfteren Lächeln, worauf ich mit einem Nicken antworte.
Wir gehen zusammen die Straße entlang. Der Weg ist nicht besonders weit. Wir halten recht schnell an einem eindrucksvollen und aufwändig verzierten Tor mit leicht geschwungenem Dach. Das muss dieser japanische Stil sein, von dem Killian gesprochen hat. Er unterscheidet sich deutlich von den vergleichsweise schmucklosen und schlichten Menschengebäuden, die ich meistens zu Gesicht bekomme.
Killian führt mich durch das Tor und in den Park hinein. Am Eingang befinden sich zwar einige Menschen, doch Killian zieht mich an der Hand, weg von den Menschen und weiter den Weg entlang. Neugierig sehe ich mich um. Wie oft in der Menschenwelt ist auch dieser Weg wieder aus Stein. Obwohl wir eigentlich genug Platz hätten, um uns umzusehen, ist die Bewegungsfreiheit trotzdem eingeschränkt. Links und rechts neben dem Weg befinden sich Zäune aus dunklem Holz. Zu meinem Bedauern ist es dadurch nicht möglich, durch das grüne, saftige Gras zu laufen. Die kleinen Bauwerke in den Wiesen und selbst die Pflanzen wirken beinahe wie aus einer weiteren, mir noch unbekannten Menschenwelt. Killian und ich spazieren an einem Teich entlang, in dem sich einige bunte Fische befinden. Sie sehen ein bisschen so aus, als hätten sie einen Bart, was mich zum Schmunzeln bringt. Unser weiterer Weg führt uns über eine winzige, improvisiert wirkende Brücke, die aus zwei länglichen Steinen besteht. Killian lässt meine Hand los und deutet mir, vorauszugehen. Ich spüre seine schützende Hand an meinem unteren Rücken, als ich die kleine Brücke überquere.
An einer kleinen Mauer aus Stein, hinter der sich ein Hügel mit saftigem Gras erstreckt, lassen wir uns nieder. Unser Blick ist auf den Teich vor uns gerichtet. An dem Ufer befinden sich einige Steine und Bäume, ein weiteres kleines Bauwerk und Büsche, die sich bis auf Hüfthöhe erstrecken. Auf der anderen Seite des Ufers erblicke ich auch noch Sträucher und ein rotes Gebäude. Es ist ebenfalls in diesem ungewohnten, japanischen Stil, das erkenne ich an dem geschwungenen Dach, dem Holz und den vielen Details, die den meisten Menschenhäusern in der Stadt fehlen.
Froh über die Ruhe nehme ich einen tiefen Atemzug. Killian rückt etwas näher zu mir auf und legt zaghaft seinen Arm um mich. Mit einem Lächeln sehe ich ihn an.
„Wenn du ein paar Monate früher hier her gekommen wärst, hättest du die Kirschblüten sehen können“, erklärt Killian mir. „Die hätten dir gefallen. Durch die Blüten verfärben sich die Baumkronen rosa.“ Bei seiner Erklärung deutet er auf die besagten Bäume. Ich sehe von den Bäumen wieder in Killians Gesicht, als er weiterspricht. „Wenn du willst, kann ich sie dir nächstes Jahr zeigen.“ Kaum hat Killian diesen Satz ausgesprochen, vergeht ihm der fröhliche Gesichtsausdruck. Er wirkt von einer Sekunde auf die andere deprimiert. „ Sorry, ich bin ein Idiot. Im nächsten Jahr bist du gar nicht mehr hier…“
Wie sehr ihn das bedrückt, kann ich deutlich in seiner Stimme hören. „Du willst wirklich nicht, dass ich wieder gehe, richtig?“
„Doch“, antwortet Killian mir, dabei wirkt er jedoch nicht überzeugend. „Du musst gehen. Du musst wieder nach Hause und ich werde dir nicht im Weg stehen, auch wenn ich möchte, dass du bleibst.“ Wir sehen einander in die Augen, doch dann lehnt Killian sich zurück, um von mir Abstand zu nehmen. „Ich komme damit klar, du hast keinen Grund wegen mir traurig zu sein. Ich bin schon erwachsen.“ Er hebt seine Hand und streicht meine Wange entlang, dann durch meine Haare.
„Es ist nicht so einfach, nicht traurig zu sein, wenn ich dieselbe Traurigkeit in deinen Augen sehe, Killian. Nach Hause zurückzukehren wird für mich nicht einfach. Nicht nur, weil ich nicht weiß, wie ich zurückkehren kann, sondern auch, weil es mir hier gefällt.“ Ich sehe zu dem Teich. Der Mensch lässt seine Hand sinken und dreht sich ebenfalls wieder nach vorne.
„Lass uns einfach die Zeit genießen“, meint Killian, wonach er tief durchatmet. Er greift nach meiner Hand. Das nächste, was ich spüre ist, dass er mit dem Daumen über meinen Handrücken streicht. Seine Haut ist wie immer deutlich wärmer als meine eigene.
Mit einem Nicken stimme ich Killians Worten zu. „Es gibt nichts, das ich lieber tun würde.“
Killian und ich entspannen uns nicht nur, ich kann auch etwas lernen. Mit seinem Smartphone zeigt er mir die Karte seiner Welt und auch das Land Japan. Er erzählt mir, dass er selbst nie da war, das Land aber eines Tages gerne besuchen möchte. Killian zeigt mir außerdem noch Fotos von den Städten, doch die vielen Menschen auf den Straßen schrecken mich etwas ab.
Eigentlich möchte ich Killian gerade eine weitere Frage stellen, doch dann werde ich von einem Kichern abgelenkt, das hinter mir erklingt. Da die Grünflächen durch die Zäune von dem Gehweg abgetrennt sind, sollte sich hinter uns niemand befinden. Ich blicke über meine Schulter, meine Augen suchen nach der Quelle des Geräusches.
Zu meiner Überraschung erblicke ich keinen Menschen, sondern ein weißes Kaninchen. In dem Moment, als ich es erstaunt betrachte, richtet es sich auf die Hinterbeine und sieht ebenfalls neugierig in meine Richtung. Das Kichern erklingt erneut, ein nervöses Gefühl macht sich in mir breit. Das Kaninchen hebt seinen Kopf und macht einen neugierigen Schritt auf mich zu. Wir sehen uns für einige Sekunden an. Das Kaninchen legt den Kopf schief, als würde es über etwas nachdenken.
„Alles okay?“, fragt Killian mich. Als er mich anspricht, drehe ich meinen Kopf zu ihm. Ich deute bloß in die Richtung des Kaninchens. Als wir beide uns danach umdrehen, verschwindet es gerade in den Büschen. Ich kann nur noch die Hinterbeine und die wackelnden Blätter und Äste sehen.
„Hast du dieses Kichern gehört?“, frage ich ihn, worauf Killian mit dem Kopf schüttelt.
„Nein. Was hast du gesehen? Eine Fee?“
„Nein, ein weißes Kaninchen.“
„Ein weißes Kaninchen?“, fragt Killian verwundert.
Ich stehe auf und versuche, noch einen Blick auf das seltsame Kaninchen zu erhaschen, doch ich kann es nicht mehr entdecken. Das Gebüsch ist leider zu dicht, um etwas zu erkennen.
Killian klingt amüsiert, als er mir eine weitere Frage stellt: „Hast du vor dem Kaninchen in seinen Bau zu folgen?“ Der Mensch lacht. „Schade, dass du Alice im Wunderland nicht kennst, sonst würdest du das auch lustig finden.“
Verwirrt sehe ich nun den Menschen an. „Nein, ich folge doch keinem Kaninchen in seinen Bau. Unsinn.“ Ich schüttle den Kopf. Eigentlich will ich wissen, was es damit auf sich hat, doch meine Entdeckung ist im Moment wichtiger als meine Fragen. „Das Kaninchen hat gekichert, Killian. Das ist für eure Welt doch nicht normal, oder?“
„Nein, ist es nicht. Bist du dir sicher, dass das nicht eher ein Mensch war?“ Ich werfe Killian einen vielsagenden Blick zu. „Okay, du bist dir sicher.“ Nun sieht sich auch der Mensch nach dem Kaninchen um. „Dann könnte das ein Wesen aus eurer Welt sein? Das wolltest du damit sagen, richtig?“
Ich hebe ahnungslos die Schultern und lasse mich wieder neben ihn auf die Steinmauer sinken. „Das ist gut möglich. Schade, dass es bereits wieder verschwunden ist. Ich hätte ihm gerne einige Fragen gestellt.“
Tröstend legt Killian einen Arm um mich und streichelt meinen Rücken. „Wir werden jemanden finden, der deine Fragen beantwortet. Wir haben schon eine Fee getroffen und jetzt hast du auch noch dieses kichernde Kaninchen gesehen. Irgendwo in der Stadt gibt es jemanden, der weiß, was hier vor sich geht.“
„Ja, hoffentlich“, antworte ich, worauf ich seufze. „Und ich hoffe auch, dass dieser Jemand nicht gleich wieder vor mir wegläuft.“
Killian schnaubt amüsiert. „Wir geben nicht auf, versprochen.“
Nach diesem Erlebnis bleiben wir noch eine Weile sitzen und unterhalten uns. Um mich wieder auf positivere Gedanken zu bringen, wechselt Killian wieder das Thema auf den Park, indem wir uns befinden. Außerdem schnappe ich von den Menschen um uns herum eine Idee auf, die Killian und ich in die Tat umsetzen. Wir machen zusammen Selfies. Diese Erinnerungsstücke werde ich in den nächsten Tagen bestimmt noch einige Male betrachten.
Als der Japanese Tea Garden sich immer mehr mit Menschen füllt, beschließt Killian, dass es Zeit wird zu gehen. Ich stimme ihm widerstandslos zu, denn durch die weiteren Besucher wird es immer lauter, was dazu führt, dass die idyllische Stimmung sich zum negativen ändert. Menschen sind unglaublich laute Wesen.
Auf dem Weg aus dem Park nehme ich wieder das Kichern wahr. Ich bin ziemlich sicher, dass das Kaninchen durch die Büsche hoppelt und uns vielleicht sogar folgt. Nervös blicke ich mich um, sehen kann ich das weiße Kaninchen jedoch nicht.
Ob es weiß, dass ich erkannt habe, dass es nicht in diese Welt gehört? Vielleicht denkt es ja dasselbe über mich…
༄ ♫ ༄
Da der Tag noch jung ist, erkunden wir weiterhin den Golden Gate Park. Killian hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, was er mir als nächstes zeigen möchte. Nachdem wir den Japanese Tea Garden verlassen haben, folgen wir dem Weg und gelangen, nachdem wir eine Straße überquert haben, zu einem großen See. Killian erzählt mir, dass es sich bei diesem See um den Stow Lake handelt. Einerseits bin ich begeistert davon, wie angenehm ruhig es hier ist, anderseits spüre ich auch deutlich das Verlangen, mich auszuziehen und in den See zu springen. So empfinde ich immer, sobald ich auf ein Gewässer stoße. Mein Körper sucht instinktiv nach einer neuen Heimat, wenn ich auf dem Land unterwegs bin.
„Und? Wie gefällt dir der heutige Tag bis jetzt? Ist es hier draußen besser als auf der Couch?“
Ich kichere bei Killians Frage. „Viel besser. Auch wenn ich zugeben muss, dass es nicht nur schlecht ist, auf der Couch zu liegen.“
„Ist das so?“, hakt er nach. „Was gefällt dir an der Couch?“
„Deine weichen Decken zum Beispiel. Von deinem Fernseher bin ich nicht begeistert, aber ich mag es, wenn du mich in den Arm nimmst und mich festhältst, während du fernsiehst.“
Dass Killian sich über meine Ausführung freut, kann ich deutlich an seinem Gesicht erkennen. Sein Lächeln und das Strahlen seiner blauen Augen sprechen Bände. Mit einer Handgeste bittet er mir einen Sitzplatz auf einer Bank am Ufer des Sees an. Kaum nehme ich Platz, setzt Killian sich neben mich und legt einen Arm um meine Schultern. Dieses Mal ist er nicht so zaghaft. Unter dem Schatten einiger Bäume und mit Aussicht auf den See, fühle ich mich fast so, als würden wir uns nicht mitten in einer Stadt befinden.
„Wie sind die Wälder in eurer Welt? Unterscheiden sich die Pflanzen sehr von denen aus meiner Welt?“, fragt Killian mich, wobei der das Thema von der Couch zur Natur wechselt.
„Es kommt darauf an, in welchem Wald man sich befindet“, antworte ich ihm. „Einige Orte sind diesem See nicht unähnlich. Das Wasser in meiner Welt ist allerdings deutlich klarer.“
„Ja, das ist leider ein Problem in unserer Welt.“ Killian streicht über meine Schulter. „Erzähl weiter. Welche Wälder gibt es bei euch noch?“
Ich überlege einen Moment. In den Dokumentationen über Killians Welt habe ich bereits einige Wälder gesehen, also versuche ich, abzuschätzen, was ihm vielleicht unbekannt sein könnte. „Wir haben Wälder mit fluoreszierenden Pflanzen, Pilzen und Wesen. In diesen Wäldern leben einige Elbenvölker. Sie leben in Häusern, die sie in den Bäumen errichtet haben. Die Elben sind übrigens großartige Jäger. Ihre Waffen sind ebenso kunstvoll, wie sie tödlich sind.“ Kurz denke ich darüber nach, was für Killian noch spannend sein könnte. „Weiter im Süden in den Sumpflanden gibt es einen Wald mit Pilzen, die so groß gewachsen sind wie Bäume. Dort leben vor allem Trolle und verschiedene Naturgeister, die diesen Wald beschützen. Außenstehende sind dort eher nicht willkommen. Wenn man die Warnungen der Waldtrolle ignoriert, endet das oft tödlich. Steintrolle hingegen sind zwar groß und einschüchternd, jedoch harmlos.“
„Hast du schon einmal einen Troll gesehen?“
„Einige. Wenn man Abstand zu ihnen hält, dann tun sie einem auch nichts. Sie schützen lediglich ihre Heimat. Wer das respektiert, kann weiterziehen.“
Killian nickt. Sein Blick verrät, wie sehr ihn meine Erzählungen faszinieren. „Das ist beeindruckend. Und Elben? Hast du die schon einmal getroffen?“, fragt Killian interessiert nach.
„Ja, ich bin vor einigen Jahren Nachtschattenelben begegnet. Sie sind sehr schöne, leichtfüßige und elegante Wesen. Leider sind die meisten Elben sehr arrogant. Es gibt ab und zu Ausnahmen, aber Arroganz ist auf jeden Fall eine Eigenschaft, die unter diesem Volk weit verbreitet ist. Mit ihnen zu handeln ist leider nicht so einfach. Sie sind gut darin, ihre Gefühle und Absichten zu verstecken. In ihren Augen kann man nicht besonders gut lesen.“
Killian nickt. Er hängt förmlich an meinen Lippen. „Und wie ist das mit uns Menschen? Mit mir zum Beispiel? Kannst du meine Gefühle und Absichten erkennen?“
Mit einem Lächeln hebe ich meine Hand und lege sie an Killians Wange. „Es ist nicht so einfach wie bei jemandem aus meinem Volk, dennoch erkenne ich sehr viel in deinen Augen. Im Moment sehe ich Neugierde und Faszination. Ich erkenne, dass du dich wohlfühlst und dass du an etwas großen Gefallen gefunden hast. Allerdings kann ich auch sehen, dass etwas fehlt. Ihr Menschen seid auch gut darin, eure Gefühle zu verbergen.“
Nun macht sich auch Überraschung in Killians Gesicht breit. „Ich versuche nicht aktiv, dir etwas zu verheimlichen, falls du das denkst.“ Ich lasse meine Hand von seiner Wange sinken. „Vielleicht funktioniert diese Art der Kommunikation bei anderen Wesen nicht so zuverlässig wie in euren Reihen. Ohne, dass euch jemand etwas verheimlichen möchte.“
„So habe ich das noch nie betrachtet“, antworte ich nachdenklich.
„Wenn du Fragen hast, kannst du sie mir stellen, Ilaria. Ich antworte dir, vorausgesetzt ich habe eine Antwort.“
Ich wende mich von Killian, richte meinen Blick auf den See und lehne mich gegen seine Schulter. Im Wasser vor uns schwimmen einige Gänse, ich kenne diese Tiere aus einer Dokumentation im Fernsehen. Killian drückt mich sofort an sich, genau, wie ich es erwartet habe. Mit gleichmäßigen Bewegungen streicht er über meine Schulter und meinen Oberarm.
Nach einigen weiteren Sekunden breche ich mein Schweigen. „Ich habe tatsächlich eine Frage, auf die du hoffentlich eine Antwort für mich hast. Wann lerne ich deine Freunde kennen?“ Kaum kommt mir meine Frage über die Lippen, hören Killians Streicheleinheiten auf.
„Möchtest du sie denn kennenlernen?“, antwortet er mit einer Gegenfrage.
„Ja, natürlich. Ich möchte mich nicht immer verstecken müssen, wenn einer deiner Freunde die Wohnung betritt. Solange ich hier bin, will ich an deinem Leben teilhaben.“
Mit seiner freien Hand reibt sich Killian über das Gesicht. „Okay, klar, kann ich auch verstehen. Dass du dich verstecken musst, ist ja auch Unsinn. Das hätte ich gar nicht verlangen dürfen, aber ich hatte Angst, dass dir etwas passiert. Wie auch immer. Wenn du meine Freunde kennenlernen möchtest, dann kannst du das auch. Bevor ich dich meinen Freunden vorstelle, müssen wir uns allerdings eine Hintergrundgeschichte für dich überlegen. Wenn du mit einer kleinen Notlüge einverstanden bist, dann steht dem Treffen nichts mehr im Weg.“
Still überlege ich einen Moment. Auch wenn ich nichts davon halte, Killians Freunde zu belügen, wird mir nichts Anderes übrig bleiben. Solange ich in der Menschenwelt verweilen muss, muss ich mich anpassen und zumindest versuchen, die Rolle eines Menschen zu spielen. „Einverstanden.“
Obwohl ich mit seinem Vorschlag zufrieden bin, ist er es offensichtlich nicht. Nach einem tiefen Seufzen sieht Killian mich an. Er drückt mich an sich und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.
„Ich werde mir etwas überlegen“, murmelt er.
„Danke, Killian.“
Nach dieser kurzen Pause setzen wir unseren Spaziergang Hand in Hand fort. Wir gehen weiterhin am Ufer des Sees entlang. Vorbei an Bäumen, Sträuchern, Schilf und Blumen. Wohin wir genau gehen, weiß ich nicht, doch die Frage brennt mir bereits auf der Zunge.
„Der Weg ist nicht mehr weit“, verspricht Killian, als wir gerade über eine Brücke aus Stein gehen. „Das ist der letzte Ort, den ich dir heute zeigen möchte.“
„Wohin gehen wir denn?“
„Siehst du den Weg da vorne zwischen den Bäumen?“
„Die Treppen aus Baumstämmen?“, frage ich nach.
„Genau die. Wir folgen der Treppe nach oben. Sie führt uns zum Strawberry Hill. Aber bevor wir hinaufsteigen, möchte ich dir noch etwas Anderes zeigen. Da vorne gehen wir nach links und nehmen den kleinen Waldweg.“
„Was willst du mir denn zeigen?“
„Das verrate ich dir nicht“, antwortet Killian mit einem frechen Grinsen.
„Manchmal bist du schon sehr fies zu mir“, beschwere ich mich amüsiert. „Meine Neugierde macht mich ganz verrückt und du willst mir nicht helfen. Ganz im Gegenteil, du heizt meine Neugierde frech an und lässt mich ahnungslos neben dir herlaufen.“ Natürlich meine ich es nicht so und das merkt Killian sofort, denn er lacht.
„Komm einfach brav mit mir.“ Der Mensch hebt unsere Hände und tätschelt meine Finger mit seiner freien Hand. „Du wirst es schon früh genug erfahren.“
Schon nach wenigen Metern höre ich Wasser plätschern. „Ist es das? Ich kann Wasser hören.“
„Mhm“, antwortet Killian mir grinsend.
Als wir zwischen den Bäumen hervorkommen, befinden wir uns wieder am Ufer des Sees. Mein Blick folgt jedoch dem Plätschern zu einem Wasserfall. Der Weg vor unseren Füßen besteht aus einzelnen flachen Steinen. Das Wasser des Wasserfalls führt zwischen den Steinen durch und direkt in den See. Auf den ersten Blick wirft der Wasserfall sehr schön, je länger ich ihn jedoch ansehe, desto seltsamer kommt er mir vor.
„Das sind die Huntington Falls.“
„Interessant“, antworte ich knapp, da ich immer noch darüber nachdenke, was an dem Wasserfall nicht stimmig ist.
„Es gefällt dir nicht, oder? Zu viel Wasser?“, fragt Killian nach. „Bekommst du Heimweh?“
Ich schüttle den Kopf. „Er gefällt mir, aber irgendetwas ist seltsam an dem Wasserfall.“
Killian überlegt einen Moment. „Könnte daran liegen, dass es ein künstlicher Wasserfall ist. Das soll heißen, dass Menschen ihn gemacht haben. Das Wasser wird mit Pumpen nach oben geleitet und fließt dann hinunter.“
Ich sehe Killian teils überrascht, teils irritiert an. „Warum macht ihr so etwas?“
Der Mensch zuckt mit den Schultern. „Der ganze Golden Gate Park ist künstlich angelegt. Ich schätze, dass er gebaut wurde, weil er hübsch aussieht. Dass dich das enttäuscht, enttäuscht mich jetzt ein bisschen. Ich dachte, ich mache dir eine Freude, wenn ich dich hierher bringe.“
Dass Killian sich so viele Gedanken darüber macht, ist ausgesprochen süß von ihm, seine Zweifel sind jedoch unbegründet. Amüsiert schüttle ich den Kopf, ehe ich ihm antworte: „Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin fasziniert. Ihr Menschen seid ein sehr einfallsreiches Volk. Ihr habt in eurer Stadt keine Natur, also sorgt ihr dafür, dass Pflanzen und Tiere ein Zuhause finden.“ Ich sehe mir den Wasserfall noch einmal sehr genau an. Die Steine wirken tatsächlich so, als wären sie von Hand gemacht. Auch die Pflanzen, die zwischen den Steinen wachsen, machen den Eindruck, als hätte sie jemand dort platziert. „Ein von Menschen gefertigter Wasserfall. Unglaublich.“
„Und da gehen wir jetzt hoch“, antwortet Killian mir und deutet nach oben.
„Darf ich dich um einen Gefallen bitten, bevor wir gehen?“, frage ich nach.
Er schnaubt. „Als ob ich dir etwas abschlagen könnte. Was kann ich für dich tun, Ilaria?“
„Könntest du ein Foto von mir machen?“ Ich deute zu dem Wasserfall. „Von mir und dem von Menschen errichteten Wasserfall?“
Killian lacht. „Nichts leichter als das.“
„Vielen Dank.“
༄ ♫ ༄
Der Spaziergang durch den Wald ist eine willkommene Abwechslung zu den kleinen Parks, die wir in den letzten Tagen besucht haben. Der Golden Gate Park ist nun, abgesehen von dem Meer, mein liebster Ort in der Menschenwelt.
Wir suchen uns erneut einen gemütlichen Platz, um die Natur zu genießen. Aus seinem Rucksack zieht Killian eine Decke, auf die wir uns setzen. Auch jetzt sucht er von sich aus meine Nähe. Killian legt einen Arm an meine Taille, was mich dazu bringt, ihn anzusehen. Eigentlich möchte ich etwas sagen, doch als ich seine blauen Augen erblicke, verwerfe ich den Gedanken schnell wieder. Ich fühle mich wohl. In seinen Augen kann ich deutlich erkennen, dass es ihm genauso geht.
Ich rutsche an Killian heran und lehne meinen Kopf gegen seine breite Schulter.
„Möchtest du etwas zu trinken haben?“, fragt Killian mich. „Wir sind ja schon eine Weile unterwegs.“ Der Mensch reibt über meinen Arm und nimmt dann vorsichtig Abstand. Ich löse mich von ihm, damit er ungestört nach seinem Rucksack greifen kann. Er öffnet eine Flasche Wasser für mich und reicht sie mir.
„Das ist lieb von dir, danke, Killian.“
Er winkt ab. „Das ist doch selbstverständlich. Ich habe auch etwas zu essen eingepackt, wenn du Hunger hast.“
Auch wenn ich keinen Hunger habe, nicke ich lächelnd. Killian hat sich viel Mühe gegeben, diesen Tag zu gestalten. Ich nehme einen Schluck Wasser und verschließe die Flasche gleich wieder, um sie neben mir abzustellen. „Was hast du denn mitgebracht?“
Killian packt das Essen aus. „Sandwiches, einen Salat, weil dir der letztens so gut geschmeckt hat und Schokoriegel.“
„Das klingt gar nicht schlecht“, antworte ich ihm und nehme gleich die kleine Schüssel mit Salat zur Hand.
„Hier.“ Killian reicht mir eine Gabel. „Lass es dir schmecken.“
„Vielen Dank.“ Ich nehme den Deckel ab und beginne gleich zu essen. Genau wie beim letzten Mal schmeckt der Salat ausgezeichnet. „Ich möchte mich außerdem dafür bedanken, dass der heutige Tag so wundervoll ist.“
Killian sieht mich überrascht an. „Du musst dich nicht bedanken. Wir waren lange genug auf der Couch. Ich bin zwar ein gemütlicher Typ, der gerne zu Hause herumsitzt und fernsieht, aber wenn du lieber aktiv sein willst, dann kann ich mich anpassen. Wenn du wieder nach Hause kommst, soll mein Wohnzimmer nicht alles sein, was du kennst.“ Ich lasse die Gabel in die Schüssel sinken, lege meine Hand an Killians Oberschenkel und streichle ihn. Sein Blick ruht auf mir, er öffnet seine Lippen für eine Sekunde, schließt sie aber gleich wieder, ehe er doch spricht: „Ich lehne mich jetzt sehr weit aus dem Fenster, aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob du nicht doch bleiben möchtest?“
Die Frage stimmt mich nachdenklich. So sehr ich mein Zuhause auch vermisse, gibt es mindestens einen Moment, an dem ich darüber nachgedacht habe, hierzubleiben. Ich blicke auf meinen Salat und überlege, was ich dem Menschen antworten könnte. Killian hat mir angeboten, sich um mich zu kümmern. Die Menschenwelt gefällt mir und ich fühle mich in Killians Nähe ausgesprochen wohl. Wir wissen jetzt, dass es in seiner Welt Magie gibt und dass ich nicht das einzige fremde Wesen bin, das in dieser Stadt lebt. Dennoch weiß ich auch, dass ich nicht hierher gehöre. Ich sollte nicht an Land leben, geschweige denn in dieser Welt.
„Ja, das habe ich“, antworte ich Killian und sehe zu ihm. „Wenn ich jetzt im Moment die Wahl hätte, ob ich durch ein Portal gehe und nie wieder zurückkomme, wüsste ich nicht, was ich tun soll.“ Für eine Sekunde presse ich meine Lippen zusammen. „Bei dir zu sein fühlt sich gut an. Ich denke jeden Tag an mein Zuhause, aber wenn ich dich ansehe, vergesse ich schon fast, dass ich nicht hierher gehöre.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch. „Meine Einladung steht. Du kannst bei mir bleiben, wenn du das möchtest.“ Der Mensch greift nach meiner Hand, die an seinem Oberschenkel liegt, und sieht sie an. „Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich dafür entscheidest. Du solltest es aber nicht nur aus Dankbarkeit machen. Wenn du nach Hause willst, dann verstehe ich das natürlich auch.“
Ich nicke. Killians Berührungen fühlen sich angenehm an. Obwohl ich gerade noch eher traurig gestimmt war, lächle ich bereits wieder. Der Mensch hat etwas an sich, das noch kein anderes Wesen ausgestrahlt hat. Er ist etwas Besonderes, das wird mir von Tag zu Tag immer klarer.
„Killian?“ Er sieht von meiner Hand in meine Augen. „In einem bin ich mir allerdings sehr sicher. Im Moment gibt es keinen Ort, an dem ich lieber wäre als hier mit dir.“ Mit einem Lächeln ziehe ich meine Hand aus seiner und streichle über seine Wange. Er legt seine Hand an meine und nimmt sie dann aus seinem Gesicht. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er verlegen ist und nicht weiß, was er darauf antworten soll.
Killian nickt, doch dann meidet er meinen Blick und reibt sich den Nacken. Nach kurzer Stille findet er doch noch seine Worte. „Ja, mir geht es nicht anders.“
Er ist süß, wenn er verlegen ist.
༄ ♫ ༄
Der Tag neigt sich dem Ende zu, der Himmel verfärbt sich in rosa und orangen Farbtönen. Der bunte Himmel strahlt durch die dunklen Bäume. Und auch wenn es langsam kühl wird und ich beginne zu frieren, möchte ich den Anblick nicht missen. Killian zieht mich näher zu sich, er scheint zu merken, dass mir kalt ist.
„So besser?“, fragt er mich, worauf ich nicke.
„Ja.“
„Wenn du gehen willst, dann gehen wir. Du kannst dich in der Badewanne aufwärmen. Danach wartet eine kuschelige Decke auf dich.“
„Nein, noch nicht. Ich will den Sonnenuntergang so lange es geht genießen“, antworte ich leise und schmiege mich an Killians warmen Körper. „Am liebsten würde ich für immer bleiben.“
„Für immer, hm?“, fragt Killian mit einem hörbaren Lächeln. Ein Blick in sein Gesicht bestätigt das. Wir sehen uns in die Augen. Der Moment wirkt von einer Sekunde auf die andere beinahe magisch, als würden wir einander anziehen. Ein warmes, wohliges Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Es fühlt sich beinahe so an, als würde ich in Killians blauen Augen versinken. Der Anblick lässt mein Herz höher schlagen.
Killians Gesicht kommt immer näher. Er schließt seine Augen. Ich lehne mich ihm entgegen, doch kurz bevor sich unsere Lippen berühren, spreche ich: „Warte.“ Killian zieht seinen Kopf zurück. Nun sehen fragende Augen in meine. „Mich zu küssen könnte ernsthafte Konsequenzen mit sich tragen. Dessen solltest du dir bewusst sein.“
Killian streicht durch meine Haare. „Was auch immer auf uns zukommen sollte, ich kann damit leben“, antwortet er selbstsicher.
Wir sehen uns noch einen Moment lang in die Augen, bevor er seine ein weiteres Mal schließt. Ich tue es ihm gleich und wir beide überbrücken die letzten Zentimeter, die unsere Lippen voneinander trennen. Killian schlingt seine Arme um mich. Sein Kinnbart kitzelt mich ein wenig, doch seine warmen Lippen sind weich und fühlen sich angenehmer an als erwartet. Zaghaft lege ich meine Hand an seine Wange und streiche mit dem Daumen über seine glattrasierte Haut. Einige Sekunden bewegen wir unsere Lippen gegeneinander, doch dann nehme ich etwas Abstand, um Killian wieder in die Augen sehen zu können. Es ist beinahe unmöglich für mich, ein Lächeln zu unterdrücken. Der Mensch lehnt seine Stirn gegen meine. Mit geschlossenen Augen atme ich tief durch. Keiner von uns spricht auch nur ein Wort, denn im Moment ist es nicht wichtig, etwas zu sagen. Meine Hand gleitet von seiner Wange über seinen Hals bis zu seiner Brust. Unter meinen Fingern fühle ich sein Herz schlagen. Killian geht es nicht anders. Ich kann deutlich spüren, dass uns beide etwas verbindet. Es ist nicht mehr nur Neugierde oder die Faszination für das Unbekannte, es ist viel mehr als das. Killian gibt mir das Gefühl, vollständig zu sein.
Niemals hätte ich auch nur für eine Sekunde daran gedacht, dass ich meinen Seelenverwandten, einen gewöhnlichen Menschen, in einer vollkommen fremden Welt finden würde.
Seit ich hier bin, frage ich mich jeden Tag, warum ich wohl in dieser Welt gelandet bin. Vielleicht ist Killian ja der Grund dafür.