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Kapitel 47
Entspannung aus der Tube
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Mein Liebster freut sich darüber, dass ich auch heute wieder aus dem Haus komme. Er selbst hat noch einiges zu erledigen und außerdem bin ich sicher, dass er heute Nachmittag noch ein langes Nickerchen machen möchte. Ich bin schon sehr gespannt darauf, Zeit mit Lauren zu verbringen. Ich denke, dass es mir guttun wird, auch eine gute Freundin in der Welt der Menschen zu haben. Es ist zwar schön, Zeit mit Killian und Ian zu verbringen, aber Abwechslung ist nötig, um den manchmal doch eintönigen Alltag spannender zu gestalten. Mehr über Lauren und das Leben als Frau in der Menschenwelt zu lernen, wird mir helfen, mich hier zurechtzufinden.
Lauren schließt die Tür ihres Hauses auf. Schon als ich in ihr Auto stieg, konnte sie kaum aufhören zu lächeln. Ich bin sicher, dass auch sie viele Fragen an mich haben wird. Dieser Tag kann nur spannend werden. Heute sieht Lauren etwas anders aus als bei unserem letzten Treffen. Ich erkenne, dass sie kein Makeup trägt. Ihre langen, schwarzen Haare sind zu einem Zopf zusammengebunden.
„Wie gesagt, heute haben wir das Haus für uns alleine. Die Kleine ist bei meiner Mum und Angus arbeitet. Wir sind also vollkommen ungestört und ganz unter uns Mädels.“ Lauren lächelt mich an. „Ich nehme an, dass du bei Killian nicht besonders viel Körperpflege betreibst, oder?“
„Ich nehme fast jeden Tag ein langes Bad“, antworte ich ihr.
„Das meinte ich eigentlich nicht. Ich wollte damit nicht sagen, dass du schmutzig bist.“
Ich kichere. „So habe ich das auch nicht aufgefasst.“
Lauren atmet durch. „Ein Glück. Tut mir trotzdem leid. Ich sollte mich vielleicht besser ausdrücken.“ Wir bleiben im Eingangsbereich stehen, wo wir unsere Jacken ausziehen. „Weißt du, ich hatte eher so etwas wie Haarpflege oder Gesichtspflege gemeint.“ Um das zu verdeutlichen, fährt sie mit ihren Fingern durch ihr langes, schwarzes Haar. „Gesichtsmaske, Haarmaske, Peeling, Cremes, all sowas, verstehst du?“
„Ich bin mir nicht sicher“, antworte ich ihr ehrlich.
Lauren winkt ab. „Lass uns erst einmal richtig ankommen. Ich erkläre dir gleich, was ich meine.“ Ich folge Lauren in die Küche, dabei sehe ich mich um. Ihr Wohnzimmer gefällt mir. Es ist offener und größer als das von Killian. Die großen Fenster sorgen dafür, dass der Raum angenehm hell ist. An der blau gestrichenen Wand steht ein großes Aquarium. Bei unserem letzten Besuch war das noch nicht da, da bin ich mir sicher. Die bunten Fische, die darin herumschwimmen, sehen hübsch aus.
„Möchtest du irgendetwas trinken? Ian meinte, dass du Kamillentee magst, richtig?“, fragt sie mich, worauf ich nicke.
„Ja, Kamillentee wäre wunderbar. Vielen Dank.“
„Super, dann Tee für meine neue beste Freundin“, antwortet sie, ehe sie den Schrank öffnet, vor dem sie steht. „Also, zurück zur Körperpflege. Habt ihr in eurer Welt nichts, dass ihr euch auf die Haut reibt oder in die Haare knetet, um euch zu pflegen oder wohler zu fühlen? Bei uns ist das eine richtige Wissenschaft. Frauen und auch viele Männer lieben es, sich selbst zu verwöhnen oder verwöhnt zu werden.“
„Ich bin sicher, dass es so etwas gibt. Wir haben auch Heilsalben.“ Lauren füllt Wasser in einen Kessel, während sie mir zuhört. „Mein Volk macht das eher nicht.“ Ich streiche über meinen Arm. „Wir sind eigentlich die meiste Zeit im Wasser. Unsere Haut ist sehr robust. Wir sind ständig Steinen, Sand und dem Meer ausgesetzt.“ Lauren stellt den Kessel auf den Herd und macht dann wieder einen Schritt auf mich zu.
„Darf ich?“ Zur Antwort nicke ich. Meine Freundin greift nach meinem Arm und streicht über meine Haut. „Wahnsinnig weich.“ Sie hebt meinen Arm an und betrachtet meine Haut noch etwas genauer, ehe sie meinen Arm wieder sinken und von mir ablässt. „Eine Meerjungfrau müsste man sein, dann müsste man nie an Haarentfernung denken.“ Sie lacht.
„Oh, du meinst die Haare an den Armen?“ Ich hebe meinen Arm erneut. Vergleichsweise hält sie ihren Unterarm an meinen. Ich kann die kleinen Härchen an ihrer hellen Haut erkennen. Im Vergleich dazu ist meine Haut vollkommen langweilig glatt.
„Ja, und an den Beinen und den Achseln und im Intimbereich.“ Sie seufzt. „Weißt du, überall, wo man sie nicht haben will, wachsen sie und überall wo sie wachsen sollten, wachsen sie zu langsam.“ Sie deutet auf ihren Kopf. „Es ist sozusagen ein Schönheitsstandard, dass wir Frauen nahezu haarlos sind. Im Prinzip sind Haare auf dem Kopf und Augenbrauen okay, der Rest wird fast schon verteufelt.“
„Oh“, gebe ich überrascht von mir. „Dann entspricht meine Körperbehaarung also dem Standard.“
Lauren lacht, dann dreht sie sich amüsiert um und nimmt eine Tasse aus dem Schrank. „Lustig, aber auch beneidenswert. In den letzten Jahren hat die Body-Positivity immer mehr zugenommen und gerade wir Frauen bemühen uns darum, dass behaarte Körper wieder als normal angesehen werden.“ Sie macht eine ausladende Handgeste. „Aber ehrlich gesagt fühle ich mich damit nicht wohl. Am angenehmsten ist es für mich, wenn ich haarlos und glatt bin. Aber da hat jeder seine eigenen Vorlieben.“ Sie stellt die Tasse neben dem Herd ab und schaltet dann ihre Kaffeemaschine ein. Für einige Sekunden beobachte ich das blinkende Licht, dann richte ich meinen Blick wieder auf Lauren. „Es ist schon fast ein Klischee, dass ich einen Wellnesstag geplant habe und dir das alles erzähle und dich ein bisschen in die Welt der Frauen einführe, aber es ist ja nicht so, als würde Killian das machen. Das alles liegt überhaupt nicht in seiner Komfortzone, aber ich denke, dass du es zumindest kennenlernen solltest.“ Sie blickt auf die Kaffeemaschine, sorgt aber schnell wieder für Augenkontakt zwischen uns. „Ist es für dich okay, wenn wir heute einen kleinen Wellnesstag machen? Dann zeige ich dir, was viele von uns Menschen gerne anstellen, um uns selbst zu pflegen und uns wohlzufühlen. Wenn du das aber lieber nicht machen willst, können wir auch etwas Anderes machen. Ich will dich nicht in eine vorgefertigte Frauenrolle stecken.“
Mich überkommt das Gefühl, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Menschen viel ausgeprägter ist, als es in meinem Volk der Fall ist. Doch das ist keine überrumpelnde Neuigkeit für mich. Schon bei den Zwergen gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die ich faszinierend finde.
Lächelnd sehe ich Lauren an. „Nein, ich halte das für eine gute Idee. Ich bin schon sehr neugierig darauf. In den letzten Tagen war meine Laune immer wieder wie Ebbe und Flut. Es würde mir guttun, mich zu entspannen und mich gut zu fühlen.“
„Perfekt. Dann können wir ja gleich loslegen.“ Sie deutet auf die Kaffeemaschine. „Achtung, das wird gleich laut.“
Ich lächle, dann halte ich mir die Hände an die Ohren. Es ist lieb von Lauren, dass sie darauf achtet.
༄ ♫ ༄
Das große Badezimmer gefällt mir. Mein Augenmerk liegt natürlich sofort auf der Wanne in der Ecke, die um einiges größer ist, als die in Killians kleinem Badezimmer. Sie lädt dazu ein, es sich lange gemütlich zu machen und vielleicht sogar in Ruhe ein Buch zu lesen. An dem Rand der Wanne befinden sich Kerzen. Ich kann mir gut vorstellen, mich bei Kerzenschein im duftenden Wasser zu entspannen.
Als Lauren mich anspricht, sehe ich zu ihr. „Bevor wir dir irgendetwas ins Gesicht reiben, ohne zu wissen, ob es dir überhaupt guttut, möchte ich gerne einen Allergietest mit dir machen.“ Lauren muss wohl meinen Blick bemerken, denn sie legt eine Hand an meinen Arm und beschwichtigt mich gleich wieder: „Mach dir keine Sorgen darum, das ist im Normalfall sehr schmerzlos. Ich reibe dir einen kleinen Klecks von allem, was wir verwenden könnten auf deinen Arm.“ Sie streicht über meinen Unterarm, legt ihre Hand an mein Handgelenk und dreht meinen Arm, sodass die Unterseite nach oben gerichtet ist. „Das machen wir hier, an der empfindlichsten Stelle. Handgelenk und Armbeuge. Da ist zumindest bei uns Menschen die Haut am empfindlichsten.“ Sie lächelt mich an. „Wenn irgendein Peeling oder eine Maske wehtut, dann waschen wir das Zeug sofort ab und ich hole dir einen Eisbeutel, um deine Haut zu kühlen. Ist das für dich okay oder willst du jetzt doch lieber etwas Anderes machen? Wenn du dich unwohl damit fühlst, dann finden wir eine andere Beschäftigung.“
Ich schüttle den Kopf. „Danke, dass du dich um mich sorgst. Killian hat das auch gemacht, als ich mich verletzt hatte. Die Salbe hat auf der Haut gebrannt.“
„Ach Mist. Was habt ihr dann gemacht?“
„Er hat danach eine pflanzliche Salbe verwendet. Die hat mir geholfen. Ihr habt wohl viele pflanzliche Alternativen. Auf die möchte ich lieber zurückgreifen, wenn es um meine Gesundheit geht.“
Lauren nickt, dann lächelt sie wieder breiter. „Perfekt. Wir nutzen heute nur vegane Sachen, die sind alle pflanzlich. Ich habe mir extra ein paar Dinge mit Meersalz ausgesucht. Ich dachte, dass das deiner Haut am ehesten bekannt vorkommt und du darauf eher positiv reagierst, als auf irgendwelche Kräutermischungen.“
Laurens Freundlichkeit bringt mich zum Lächeln. Sie ist sehr einfühlsam und bedacht darauf, dass ich mich bei ihr wohlfühle und das tue ich auch. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten bei unserem ersten Treffen fühle ich mich an ihrer Seite sehr sicher. Ihre Augen wirken ehrlich und liebevoll. Man muss sich an ihrer Seite gutfühlen.
„Danke.“ Ich sehe mich in dem Badezimmer um. „Wann fangen wir an?“
„Jetzt“, antwortet Lauren mir und legt ihre Hände an ein kleines Regal. Als sie es bewegt, bemerke ich, dass sich an der Unterseite Räder befinden. „Am besten wir gehen ins Wohnzimmer, da ist es bequemer und wir haben mehr Platz.“ Lauren öffnet einen Schrank und nimmt ein Handtuch heraus, das sie auf das rollende Regal legt.
Zusammen begeben wir uns wieder ins Wohnzimmer. Ich sehe mir die Bilder an den Wänden an. Zwischen einigen Fotos, die auf Partys gemacht wurden, entdecke ich Familienfotos. Die Tochter von Lauren und Angus ist ausgesprochen niedlich. Ihre großen Augen faszinieren mich sehr.
Ich nehme auf der Couch Platz, während Lauren den Couchtisch und somit auch meinen Tee zur Seite schiebt. Sie schüttelt das Handtuch auf und legt es über meinen Schoß. „Damit dein hübsches Kleid nicht schmutzig wird, wenn ich ungeschickt vor mich hinkleckse.“
„Ach, das wäre nicht so schlimm. Ich weiß, wie eine Waschmaschine funktioniert.“
„Oh, du wäschst selbst?“, fragt sie mich, dabei setzt sie sich neben mich. „Ich hoffe doch, dass dein Killian dich nicht zum Waschen und Putzen einteilt, als wärst du seine kleine Hausfrau.“
„Nein“, antworte ich. „Wir machen alles zusammen. Eigentlich macht er das Meiste. Der Staubsauger ist viel zu laut. Ihn zu benutzen bereitet mir Unbehagen.“
Lauren kichert, dann greift sie wieder nach meinem Arm. „Mittlerweile gibt es zwar leisere Geräte, aber Staubsaugen macht trotzdem genauso wenig Spaß wie vorher.“ Sie dreht ihn wieder so, dass die Unterseite nach oben zeigt und betrachtet dann für einen Moment meine Haut. „Ich bin ein bisschen neidisch, weil deine Haut so glatt und weich ist.“
„Ich kenne es nicht anders. Mein Volk ist nun einmal so“, antworte ich ihr sanft. „In eurer Welt ist das Aussehen viel wichtiger als bei uns. Killian ist wegen seinem Aussehen auch ein wenig unsicher und dabei sieht er so gut aus.“
Lauren zuckt mit den Schultern. „Schöne, schlanke, trainierte Menschen haben es deutlich leichter im Leben, aber um schön, schlank und trainiert zu sein, muss man eben etwas tun. Ich habe jahrelang kein einziges Gramm Kohlenhydrate gegessen, um so auszusehen und ich trainiere fast jeden Tag um meine Figur zu behalten. Und je älter man wird, desto schwieriger ist es.“ Lauren mustert mich. „Aber es ist gut zu wissen, dass übermenschliche Wesen diesem Standard leichter entsprechen, als wir Menschen selbst. Das sagt viel über uns aus.“
„Wie meinst du das?“, frage ich sie.
„Ich wusste vorher schon, dass man für die Schönheitsstandards viel arbeiten und auf viel verzichten muss, aber zu sehen, dass sie wortwörtlich übermenschlich sind, zeigt mir noch einmal, wie dumm das alles eigentlich ist.“ Lauren öffnet eine der Schubladen und stellt dann einige Tuben und Dosen auf die rollende Kommode. „Weißt du, ich habe Killian schon öfter angeboten, ihn mit ins Fitnessstudio zu nehmen, auch Angus und Marc haben es ihm angeboten. Leider liegt er aber viel lieber auf der Couch und vernichtet eine Tüte Chips, anstatt sich zu bewegen. Außerdem ist er leider auch der Typ Mensch, der seinen Frust mit Essen verarbeitet und er hatte auch ziemlich viel Frust, den er verarbeiten musste.“ Lauren mustert mich. „Aber jetzt geht es ihm besser und er hat dich. Man merkt auf jeden Fall, dass es ihn verändert hat, nicht mehr alleine zu sein und eine nette Freundin zu haben. Dass du ihn auch ein bisschen aus der Bude lockst, ist eine gute Sache.“
Ich nicke leicht. „Manchmal klingt es so, als hättest du etwas gegen ihn.“
„Ach, Quatsch, nein. Ich mag ihn als Mensch, aber er hat einige anstrengende Eigenschaften, die sich mit meinen anstrengenden Eigenschaften schlagen. Wir haben schon einige Male diskutiert, aber vergiss das einfach. Killian und ich sind Freunde und man muss nicht alle Eigenschaften an einem Menschen mögen, um ihn gern zu haben.“ Sie winkt ab. „Wichtig ist, dass ihr beide zufrieden seid.“
„Das sind wir“, antworte ich Lauren. „Sehr sogar.“
„Ich fange mal mit dem Test an, sag mir, falls irgendetwas wehtut, okay?“
„Mhm“, stimme ich ihr zu und beobachte sie dabei, wie sie die erste Tube aufmacht, einen Tropfen auf ein Wattestäbchen gibt und es dann auf meinem Unterarm verteilt. „Aber wenn wir schon davon sprechen. Sag mal, wie viel von eurer Geschichte, die ihr uns beim ersten Treffen aufgetischt habt, stimmt eigentlich? Also, dass du nicht aus Europa kommst und kein Arbeitsvisum hast, kann ich mir denken, aber wie habt ihr euch getroffen?“
Ich lächle bei der Erinnerung. „Es war tatsächlich ein Abend. Es war bereits dunkel und ich bin in einer Gasse gelandet.“ Nun vergeht mir das Lächeln ein wenig. Lauren trägt bereits die nächste Essenz auf. „Ich weiß nicht genau, wie ich in eurer Welt gelandet bin, aber ich erinnere mich noch genau daran, wie laut und verwirrend alles war. An der Straße war Licht und ich wollte näher an das Licht heran, um etwas zu erkennen, aber dann bin ich hingefallen und Killian hat mir aufgeholfen.“
„Dann war er zur Richtigen Zeit am richtigen Ort, hm?“
„Ich denke, dass es Schicksal war, dass wir uns begegnen. Mein Volk hat eine besondere Verbindung zueinander. Jeder von uns hat ein passendes Gegenstück und Killian ist mein Gegenstück. Wieso es ausgerechnet ein Mensch ist und wieso dieser Mensch aus einer fremden Welt kommt, kann ich mir allerdings nicht erklären. Es gibt so viele Fragen, die mir wohl niemand beantworten kann.“
„Eigentlich süß, wie du das erzählst, auch wenn es einen traurigen Beigeschmack hat. Tut mir leid, dass du hier gelandet bist. Ich wäre wahrscheinlich nicht so stark wie du.“
Ich beobachte Lauren dabei, wie sie immer mehr Punkte auf meiner Haut hinterlässt. Einige sind weiß, andere wiederum grau oder braun. Der nächste Punkt ist überraschenderweise sogar schwarz.
„Nun ja, mir bleibt nichts Anderes übrig. Eure Welt bietet glücklicherweise sehr viel, das mich von meinem Verlust ablenken kann.“
Lauren kichert. „Oh ja, darin sind wir ausgesprochen gut. Wahre Meister. Tut dir irgendetwas weh?“
Ich überblicke die Punkte auf meinem Arm und schüttle den Kopf. „Nein, mir geht es gut.“
„Du hast doch nichts dagegen, wenn ich dich noch mehr ausquetsche, oder?“, fragt Lauren mich. „Also metaphorisch gesehen, ich quetsche dich nicht wirklich.“
Amüsiert schüttle ich den Kopf. „Nein, ich bin so offen wie das weite Meer.“
„Das liebe ich an dir“, meint Lauren. Sie verschließt die letzte Tube und greift dann nach ihrem Kaffee. „Die Punkte lassen wir mal trocknen und dann sehen wir weiter. Wir haben ja keinen Stress.“ Ich nicke. „Also. Ich habe mir Gedanken gemacht. Im Prinzip bist du illegal hier, egal, ob du einfach so aufgetaucht bist oder nicht. Dafür kannst du natürlich nichts, aber wenn du auf Dauer in unserer Welt bleibst, dann brauchst du eine gefälschte Identität. Ich habe recherchiert, weil ich dachte, dass du Killian vielleicht einfach heiraten könntest, um eine Greencard zu bekommen, aber dafür musst du legal in unser Land einreisen und das geht ohne Papiere leider nicht.“
„Und wie bekomme ich eine gefälschte Identität? Es klingt, als wäre das nicht einfach.“
„Ist es auch nicht“, stimmt Lauren mir zu. „Es ist vor allem sehr, sehr teuer. Einen falschen Ausweis, um in einen Club zu kommen, kann man schnell besorgen, aber wenn du eine neue Identität haben willst, kostet das mehrere Zehntausend Dollar.“
„Oh nein, so viel Geld haben wir nicht“, stelle ich enttäuscht fest.
„Ja, das dachte ich mir, aber vielleicht hat Killian ja noch ein paar alte Kontakte. Dieser – Gott, wie hieß dieser Kerl? – Austin. Genau, Austin. Der kennt bestimmt irgendwelche Typen, die irgendwen kennen. Vielleicht hat Killian ja noch einen Gefallen offen.“
Als ich den Namen Austin höre, weiten sich meine Augen. „Oh, das könnte ein Problem werden.“
„Wieso?“
Ich sehe auf meinen Arm. Meine Augen wandern die Punkte an meiner Haut entlang. Ich seufze und sehe dann wieder zu Lauren. „Es ist eine lange Geschichte. Kurz gesagt schuldet Killian ihm Geld. Er hat ihm alles gegeben, was er hatte, aber das hat nicht gereicht. Dann habe ich Austin gesagt, dass ich ihm sein Herz herausreiße, wenn er uns nicht in Ruhe lässt.“
Lauren sieht mich erst verwundert und dann skeptisch an. „Hat das denn funktioniert?“
„Ja, schätze schon. Seitdem lässt er uns in Ruhe.“
„Gut, das ist wohl eine verbrannte Brücke.“ Sie rümpft die Nase, dann wirft sie einen Blick auf meinen Arm. „Mit deinem Arm ist alles gut?“
„Ja“, antworte ich knapp.
Zwischen uns wird es still. Ich nutze die Zeit, um von meinem Kamillentee zu trinken. Das Blubbern des Aquariums wirkt plötzlich viel lauter. Auch, wenn ich es nicht sollte, ärgere ich mich über mich selbst. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder an Austin denken würde. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mir helfen könnte, mein Leben in der Welt der Menschen zu verbessern. Vielleicht hätte ich ihm nicht drohen sollen. Wenn ich ihm eine Perle geschenkt hätte, anstatt ihn zu verängstigen, dann hätte ich diese Chance nicht verspielt. Ich hätte mich nicht von meiner Angst und meiner Wut leiten lassen dürfen. Ich presse meine Lippen zusammen.
Lauren mustert mich, dann spricht sie wieder: „Als ich klein war, wollte ich unbedingt eine Meerjungfrau sein. Meine Mum hat sogar eine Flosse für mich genäht. Die habe ich immer übergezogen und bin damit durch die Wohnung gehüpft, wenn ich mich bewegen musste.“
Ich sehe auf, direkt in Laurens Augen. „Wieso seid ihr Menschen so fasziniert von uns? Ich verstehe es nicht. In eurer Welt gibt es keine Meerjungfrauen, die euch dazu inspirieren könnten.“
Die Frage scheint Lauren zu überraschen. „Wir kennen sie, also euch, aus Geschichten. Einige davon sind schon hunderte von Jahren alt.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Weißt du, Meerjungfrauen werden mit Schönheit und Freiheit assoziiert. Ihr seid wunderschön, ihr könnt den ganzen Tag im Meer schwimmen oder auf einem Felsen liegen und euch sonnen lassen. Und je nachdem, welcher Erzählung man glaubt, lockt ihr Männer ins Wasser, um sie zu ertränken.“ Sie grinst. „Das ist manchmal auch sehr verlockend.“
Laurens Erzählung bringt mich zum Schmunzeln. Dass dieses Gerücht mich nicht nur in meiner Welt, sondern auch in der Welt der Menschen verfolgt, amüsiert mich. „So Unrecht hast du mit deiner Vorstellung nicht. Allerdings verletzen wir niemanden. Wir ertränken keine Menschen und auch andere Wesen nicht. Dass wir sie zum Schwimmen einladen, ist allerdings nicht unüblich.“ Ich streiche mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Willst du heute immer noch eine Meerjungfrau sein?“
„Wenn ich bedenke, wie viel Zeit ich mir ersparen würde, weil ich mich nicht enthaaren müsste, dann ja. Offensichtlich muss ich auch nicht meine Stimme opfern, um Beine zu bekommen, was noch ein weiterer Pluspunkt für dein Volk ist“, antwortet Lauren schnell. Ich kichere. „Stört es dich, wenn ich dir ein paar Meerjungfrauen-Fragen stelle?“
„Nein, ganz und gar nicht.“
„Okay, die ist vielleicht albern, aber tragt ihr wirklich Muscheln als BH?“ Sie legt ihre Hände an ihre Brüste. „Das sieht man bei Illustrationen sehr oft. Seesterne sieht man auch ab und zu.“
Ich blicke auf meine Brüste, dann aber gleich wieder zu Lauren. „Nein, das tun wir nicht. Genau genommen tragen wir unter Wasser gar nichts. Wenn wir reisen, dann tragen wir meist Tücher, aus denen wir leichte Roben knüpfen. Die sind praktisch, denn damit kann man seine Flosse trocknen, wenn man unterwegs einen schönen See oder einen Fluss findet, in dem man schwimmen möchte.“
Meine Freundin nickt. „Und wie funktioniert das mit der Flosse?“
„Ich verwandle mich, wenn ich nass bin.“ Mit meiner Hand ziehe ich eine Linie auf meinem Oberschenkel. „Es reicht, wenn ich bis hier im Wasser stehe. Ein paar Tropfen machen mir nichts aus. Wenn es ganz leicht regnet und ich meine Beine problemlos trockenwischen kann, dann stört mich das nicht weiter.“
Sie nickt. In ihrem Blick erkenne ich ihr ehrliches Interesse. „Darf ich dich vielleicht um etwas bitten?“, fragt Lauren mich. „Wir werden uns einen Pool zulegen. Nächstes Jahr. Würdest du dann vielleicht die Meerjungfrau für einen Kindergeburtstag spielen? Angus und ich würden dich natürlich bezahlen und du müsstest nicht viel tun. Im Pool herumschwimmen und Fotos mit Kindern machen. Und du bekommst natürlich etwas zu essen und zu trinken. Besonders kleine Mädchen lieben Meerjungfrauen und man kann auch Menschen engagieren, die sich als Meerjungfrauen ausgeben. Aber eine echte Meerjungfrau in seinem Pool zu haben, würde das zur besten Geburtstagsparty aller Zeiten machen.“
Ich erinnere mich sofort an das kleine Mädchen und wie sehr sie sich gefreut hat, als sie ein Foto mit mir machen durfte. „Das würde ich sehr gerne machen“, antworte ich ihr aufgeregt. „Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn man jemanden glücklich machen kann.“
Freudig klatscht Lauren in die Hände. „Meine Kleine wird sich so freuen. Sie liebt Meerjungfrauen. Das wird toll. Ich kann es schon vor meinem inneren Auge sehen. Zu dumm, dass ich jetzt ein Jahr warten muss und nicht sofort mit den Partyvorbereitungen anfangen kann.“ Sie greift dann nach ihrem Kaffee, um davon zu trinken. Als sie die Tasse abstellt, spricht sie weiter: „So, ich denke, dass wir jetzt mit unserem Verwöhnprogramm anfangen können. Wenn irgendetwas unangenehm ist oder sich seltsam anfühlt, musst du es mir sagen, okay?“ Ich nicke zur Antwort.
Sie steht auf und streckt sich genüsslich. Aus der Ecke zieht Lauren einen großen Koffer hervor. Es stellt sich schnell heraus, dass dieser Koffer ein zusammengeklappter Tisch ist. Obwohl ich ihr meine Hilfe anbiete, besteht Lauren darauf, dass ich es mir gemütlich mache und ihr die Arbeit überlasse. Während meine Freundin also den Tisch aufstellt, trinke ich von meinem Tee. Bei genauerer Betrachtung erinnert mich der Tisch eher an ein hohes Bett. Bevor ich mir große Gedanken darüber machen kann, vibriert mein Smartphone in meiner Tasche. Da Killian vielleicht irgendetwas braucht, fische ich es heraus und sehe auf das Display.
„Und? Wer stört?“, fragt Lauren mich, als sie sich die rollbare Kommode schnappt und zu dem Tisch schiebt.
„Ian“, antworte ich. Das Foto von ihm und seinen zwei Katzen bringt mich zum Lächeln. Im Hintergrund des Selfies erkennt man die Rückbank und eines der Fenster seines Autos. „Er besucht seinen Freund in L.A. und wie es aussieht hat er seine Katzen mitgenommen.“ Ich antworte Ian mit einem Herz-Emoji und steige von der Couch. Ich gehe auf Lauren zu, um ihr das Foto zu zeigen.
„Aww, wie süß.“ Sie legt ihre Hand an ihre Brust, als sie sich das Bild ansieht. „Ihr seid gute Freunde geworden, hm?“
„Ja“, antworte ich stolz. „An seiner Wand hängt jetzt auch ein Foto von mir.“
Lauren legt ihre Hand an meinen Oberarm. „Damit bist du wohl offiziell in den Freundeskreis integriert. Von jetzt an hast du eine zweite Familie.“ Obwohl mich das Wort Familie ein wenig erschreckt, lächle ich trotzdem. Es ist erleichternd und befreiend, seinen Platz im Leben zu finden. Sich in der Menschenwelt zurechtzufinden, wird von Tag zu Tag einfacher.
Ich deute auf den Tisch. „Was hast du damit vor?“
„Das ist ein Massagetisch. Darauf legt man sich, wenn man massiert wird, aber wir nutzen ihn dazu, dich zu verwöhnen.“ Sie wackelt mit den Augenbrauen. „Los, leg dich da drauf.“
„Ich soll mich auf den Tisch legen?“
„Jup. Rauf mit dir.“
Lauren hilft mir, auf den Tisch zu klettern. Ich lege mich auf den Rücken und sehe nun an die Decke des Wohnzimmers. Es fühlt sich ein wenig an, als würde ich auf einem Altar liegen und in wenigen Momenten irgendwelchen Göttern geopfert werden. Meine Freundin nimmt mir mein Smartphone ab. Ich sehe ihr dabei zu, wie sie es auf den Couchtisch legt.
„Und was passiert jetzt?“, frage ich ein wenig nervös. Ich verhake meine Finger miteinander und schlucke schwer, während Lauren mich mit einer kuscheligen Decke zudeckt.
„Ich beginne mit einer Hautreinigung. Du wirst sehen, wie angenehm sich das anfühlt. Es ist einfacher, wenn du liegst. So kannst du dich auch viel besser entspannen. Ist alles gut bei dir?“
„Ja, schätze schon.“
Lauren setzt sich an das Kopfende. Nun legt sie das Handtuch von vorhin über meinen Brustkorb. Vorsichtig streicht sie mein Haar aus meinem Gesicht. „Du siehst ein wenig verängstigt aus. Sollen wir doch etwas Anderes machen?“
„Ich fühle mich ein bisschen ausgeliefert. Entschuldige.“
„Ach, du musst dich doch nicht entschuldigen.“ Lauren streicht über meine Schulter. „Wenn du das nicht willst, können wir uns auch auf die Couch setzen.“
„Ich möchte es versuchen.“
„Okay, perfekt.“ Lauren streicht wieder durch mein Haar. „Erschreck dich nicht. Ich nutze einige Spangen, um dein Haar aus deinem Gesicht zu halten. Mein Haarband ist irgendwie verschwunden, aber so geht es auch. Als erstes reinige ich deine Haut mit Rosenwasser und dann machen wir das Peeling.“
Ich nicke leicht und lasse Lauren gewähren. Auf ihren Vorschlag hin schließe ich meine Augen und atme tief durch. Lauren schaltet sanfte Musik an, die tatsächlich schnell zu meiner Entspannung beiträgt. Auch das Blubbern des Aquariums ist ein angenehmes Hintergrundgeräusch. Mit einem warmen, weichen Tuch wischt sie über meine Haut. Ihre Berührungen sind äußerst angenehm. Sie erklärt mir alles, was vor sich geht, um mir meine Anspannung zu nehmen. Das Peeling fühlt sich etwas rau, aber durchaus angenehm an. Als Lauren mit ihren Fingern über meine Haut streicht und mich massiert, atme ich wohlig durch. Trotz meiner anfänglichen Skepsis entspanne ich mich. Als sie mir von dem Wellnesstag erzählt hat, hätte ich mir das nicht so vorgestellt, enttäuscht bin ich jedoch nicht. Ganz im Gegenteil.
„Bist du schon eingeschlafen?“, fragt Lauren leise, als sie wieder mit einem warmen, feuchten Tuch über meine Haut wischt. Dabei ist sie sehr behutsam.
„Nein, aber fast“, antworte ich ihr ebenso leise. „Du machst das sehr gut. Ich fühle mich sehr wohl.“
„Als nächstes möchte ich dir eine Gesichtsmaske auftragen. Die beruhigt und pflegt deine Haut.“
„Darf ich das dann auch an dir ausprobieren?“, frage ich nach und öffne dabei meine Augen. Lauren beugt sich über mich und sieht mich an.
„Wenn du Lust darauf hast, auf jeden Fall. Mit deinen kalten Fingern wird das bestimmt Spaß machen.“ Ich kichere. „Falls ich hundert Mal zucke, dann liegt das nicht daran, dass du etwas falsch machst.“
„Wenn es hilft, kann ich meine Finger vorher mit warmem Wasser aufwärmen.“
„Ach was“, winkt sie ab. „So bleibe ich wenigstens wach und du kommst nicht in die seltsame Situation, dass ich einschlafe und du dasitzt und nicht weißt, was du machen sollst.“
„Ich würde mich schon beschäftigen. In meiner Tasche ist ein Buch.“
„Tz, kommt gar nicht in Frage. Ich lade nicht meine neue beste Freundin zu mir nach Hause ein, um dann ein Nickerchen zu machen.“
„Und was soll ich tun, wenn du doch einschläfst? Willst du, dass ich dich wecke?“
„Ja, bitte.“ Lauren streicht ein letztes Mal über meine Wange. „Jetzt kommt die Gesichtsmaske. Das wird sich jetzt so anfühlen, als würde ich dein Gesicht mit einem Pinsel anmalen. Es ist auch ein bisschen kühler als das Peeling, also erschreck dich nicht, ja?“
Mit geschlossenen Augen warte ich auf den nächsten Schritt. Lauren hat Recht. Es fühlt sich genauso an, wie sie es beschrieben hat. Mit einem Pinsel streicht sie die Maske auf. An meiner Schläfe kitzelt es ein wenig, doch alles in allem ist es eine schöne und angenehme Erfahrung. Von den anfänglichen Ängsten und Bedenken ist nichts mehr übrig.
Lauren entfernt das Handtuch und auch die Decke und hilft mir, von der Liege zu steigen. An das Gefühl, dass mein Gesicht bedeckt ist, muss ich mich zwar noch gewöhnen, doch ich bin sicher, dass das schnell vorbeigehen wird. Im Spiegel des Eingangsbereichs betrachte ich Laurens Werk. Es sieht ungewöhnlich, allerdings auch recht interessant aus, ein vollkommen weißes Gesicht zu haben.
Wir tauschen die Plätze. Ich bin ein wenig aufgeregt, als ich Lauren vor mir auf dem Tisch liegen sehe. Sie legt das Handtuch an ihrem Brustkorb zurecht und schließt ihre Augen. Sorgfältig und auch vorsichtig folge ich ihren Anweisungen. Erst bin ich fast schon zu vorsichtig, da ich sie mit meinen langen Nägeln nicht kratzen möchte, doch ich komme immer mehr aus mir heraus, während ich mich um Laurens Gesicht kümmere. Es ist eine interessante Erfahrung, einem Menschen auf diese Weise nah zu sein. Ein Mensch, der nicht Killian ist.
Die weiße Gesichtsmaske bedeckt noch unsere Haut, während wir uns wieder auf der Couch einfinden, um uns zu unterhalten. Lauren schlägt vor, dass wir zusammen Selfies machen. Natürlich stimme ich ihr zu, denn ich habe großes Interesse daran, meine Sammlung an Erinnerungsstücken zu erweitern. Zufrieden lächelnd lasse ich mein Smartphone wieder in meiner Tasche verschwinden.
Lauren erzählt mir von ihren Erfahrungen in der Welt der Menschen. Davon, welche verschiedenen Jobs sie bereits ausprobiert hat, von ihren Erfahrungen mit Männern und auch von ihrer Familie und ihren Freunden. Sie verspricht mir, sich umzuhören, sodass ich vielleicht doch einer Arbeit nachgehen kann, ohne mir eine gefälschte Identität zulegen zu müssen. Wir tauschen uns auch über Schmuck und Mode aus und sie bietet mir an, bei ihren Freundinnen Werbung für meine Schmuckstücke zu machen. Lauren erzählt mir davon, dass ich mein Meerjungfrauen-Dasein als Image nutzen könnte. Bei unserem Gespräch wird mir schnell klar, dass ich in der Welt der Menschen tatsächlich selbst Geld verdienen könnte, wenn ich nur fleißig genug bin und hart arbeite. Ich bin sicher, dass ich Killian helfen kann, seinen Lebensunterhalt oder besser gesagt unseren Lebensunterhalt zu bestreiten. Killian braucht meine Hilfe und vielleicht schaffe ich es sogar, genug Geld zu verdienen, um mir eine dieser gefälschten Identitäten zulegen zu können.
Da die Gesichtsmaske sich langsam selbstständig macht und uns wortwörtlich Stückchenweise aus dem Gesicht fällt, waschen wir uns im Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass es gar nicht so einfach ist, alles auf einmal abzuwaschen. Mit meinem Finger reibe ich über die weißen Stellen und wasche mein Gesicht noch einmal mit kühlem Wasser.
„Hier“, spricht Lauren sanft, als sie mir ein Handtuch reicht.
„Danke.“ Ich nehme es zur Hand und trockne mein Gesicht. Ich streiche über meine Haut. Sie wirkt tatsächlich verändert. Irgendwie strahlender und frischer.
„Und? Wie fühlst du dich nach deiner ersten Gesichtsbehandlung?“
„Gut“, antworte ich ihr. „Können wir das irgendwann wiederholen?“
Lauren lächelt mich breit an, dann umarmt sie mich fest. „Ich hatte gehofft, dass du das sagst.“ Ich komme kaum dazu, ihre Umarmung zu erwidern, da lässt sie schon von mir ab. Lauren nimmt meine Hand und drückt einen Klecks direkt auf meine Handfläche.
„Hautcreme ist der letzte Schritt.“
Ich schnuppere neugierig daran, doch der Duft ist so zart, dass ich ihn schwer einordnen kann. Mit Hilfe des Spiegels sorge ich dafür, dass ich die Hautcreme gründlich und gleichmäßig auftrage. Zufrieden betrachte ich mein Spiegelbild. Meine Haut fühlt sich sehr erfrischt an und sie sieht auch erfrischt aus.
„Willst du noch einen Tee?“, fragt Lauren mich, worauf ich nicke.
„Liebend gerne.“
Lauren und ich verlassen das Badezimmer und gehen wieder in die Küche. Bevor sie jedoch dazu kommt, Wasser für meinen Tee zu kochen, läutet ihr Smartphone. Zu meinem und auch ihrem Bedauern müssen wir unsere gemeinsame Zeit früher beenden, als wir es geplant hatten. Da es ihrer Tochter nicht gut geht und sie zu ihrer Mami will, fährt Lauren mich nach Hause. Vor dem Haus ist leider kein Parkplatz frei, also ist unsere Verabschiedung kurz. Ich steige aus.
„Hey, Ilaria“, spricht sie, um mich davon abzuhalten, die Autotür zu schließen.
„Ja?“, frage ich und beuge mich, sodass ich Lauren problemlos ansehen kann.
„Wenn ihr von eurem Campingtrip zurück seid, musst du mir unbedingt eine Nachricht schicken. Und mach viele Fotos, ich will alles ganz genau wissen.“
Ich kichere. „Das mache ich. Ich hoffe, dass es deiner Tochter schnell wieder besser geht.“
„Ach, das wird schon. Hab noch einen schönen Abend.“
„Du auch und danke für alles.“
„Wir sehen uns.“ Zum Abschied winkt sie mir, was ich natürlich gleich erwidere.
Ich schließe die Tür und sehe Laurens Auto einen Moment nach, dann suche ich den Schlüssel in meiner Tasche und betrete das Gebäude. Ich kann deutlich spüren, dass dieser Tag uns einander nähergebracht hat.