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Kapitel 23
Pier 39
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„Ilaria, Prinzessin“, höre ich Killian in mein Haar flüstern. Ich bekomme einen Kuss in den Nacken und einen weiteren auf die Schulter. „Guten Morgen.“
Killians tiefe Stimme an meinem Ohr zu hören, bringt mich zum Lächeln. Ich könnte mich daran gewöhnen auf diese Weise geweckt zu werden. Verschlafen drehe ich mich zu ihm. „Guten Morgen, Killian.“
„Siehst du? Du bist wieder aufgewacht.“ Killian küsst meine Stirn. „Wie fühlst du dich?“ Er streicht meine Haare glatt.
Ich hebe meine Arme über meinen Kopf und strecke meinen Körper. „Ein bisschen steif. Ich muss mich bewegen, um wieder lockerer zu werden.“ Auf einem Arm stütze ich meinen Kopf ab, außerdem lege ich meine freie Hand an Killians Brust und kraule ihn. „Du bist schon ansprechbar. Wie lange bist du schon wach?“
„Einen Kaffee lang“, antwortet Killian mir. Er legt seine Hand an meine Taille. „Ich musste das ausnutzen. Nichts gegen dich, aber einen Morgen, an dem ich nicht angesprochen werde, hatte ich ewig nicht mehr.“
„Dann sollte ich entweder länger schlafen als du oder still sein.“
Killian winkt ab. „Nein, du interpretierst zu viel in meine Worte hinein. Es war nur zur Abwechslung nett, wach werden zu dürfen, bevor irgendjemand irgendetwas von mir will.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. „Brauchst du einen Kaffee?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein danke.“ Müde reibe ich mir die Augen. Es fühlt sich an, als würde ich sie noch nicht ganz aufbekommen.
„Du bist ja noch ganz verschlafen.“ Killian streicht über meine Wange, er lächelt sanft. „Brauchst du noch etwas Zeit oder kommst du mit? Ich mache uns beiden ein leckeres Frühstück. Wenn du keinen Kaffee magst, kann ich dir einen Tee oder eine heiße Schokolade machen.“
Ich streichle Killians Brust, er beugt sich zu mir und gibt mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Nachdem er wieder etwas Abstand von mir nimmt, antworte ich ihm: „Ich muss erst ins Badezimmer.“
„Für ein Bad? Wenn du länger brauchst, warte ich noch.“
„Haare kämmen, Zähne putzen, Gesicht waschen“, zähle ich auf, ehe ich mir ein weiteres Mal die Augen reibe. „Meine Augen kleben.“
„Lass mich mal sehen.“ Ich sehe Killian an, seine Augen blicken von links nach rechts und wieder von rechts nach links. „Sie sehen aus wie immer. Wasch dir das Gesicht, dann geht’s wieder.“ Killian setzt sich auf. Ich nehme mir noch einen Moment, in dem ich mich genüsslich strecke.
„Ich muss mich noch an das Schlafen gewöhnen. So lange zu liegen ist vollkommen ungewohnt. Mein Körper fühlt sich regelrecht erstarrt an.“
Als ich mich aufsetze, rutscht Killian gleich hinter mich. „Ich versuche etwas, okay?“ Er streicht meine Haare über meine Schulter nach vorne und legt seine kräftigen, warmen Hände an meine Schultern. „Sag mir, falls ich zu grob bin, okay?“
„Was hast du denn vor?“
„Nur eine kleine Massage“, antwortet Killian und schon spüre ich seine angenehmen Berührungen an meinen Schultern. Ich atme tief durch und lasse meinen Kopf nach vorne fallen.
„Das fühlt sich gut an.“
Killian erhöht den Druck ein wenig, damit bringt er mich dazu, wohlig zu seufzen. Es wundert mich nicht, dass Menschen diese Art von Berührungen lieben. Ich bemerke schnell, dass meine Verspannungen sich lösen. Man merkt sofort, dass Killian das schon öfter gemacht hat.
„Das ist perfekt, danke“, schwärme ich zufrieden.
„Wenn du möchtest, kannst du dein Shirt ausziehen, dann ist es sogar noch angenehmer.“
„Massierst du dann mit geschlossenen Augen weiter, damit du mich nicht nackt sehen musst?“, frage ich schmunzelnd, was er jedoch nicht sehen kann.
Killian schnaubt. „Ich habe kein Problem mit Nacktheit, Ilaria. Es kam mir nur unangebracht vor, weil wir uns kaum kannten und du eben du bist. Das Problem war außerdem, dass du sehr attraktiv bist und ich dich nicht anglotzen wollte. Das gehört sich nicht. Vielleicht war ich auch etwas verlegen. Manchmal stelle ich mich sehr ungeschickt an.“
„Hm.“ Ich lege meine Hände an mein Shirt, ziehe es über meinen Kopf und lasse es in meinem Schoß liegen. Es dauert einige Sekunden, doch dann streicht Killian mit seinen warmen Händen über meinen bloßen Rücken, ehe er wieder meine Schultern und auch meinen Nacken massiert. Wenn ich jeden Morgen wieder weichgeknetet werde, könnte ich mich vielleicht an Schlaf gewöhnen.
„Du hattest Recht, das ist sogar noch besser. Danke.“
Killian rutscht näher zu mir. Er lehnt seinen Kopf gegen meinen und nimmt einen tiefen Atemzug. Seine Hände gleiten meine Arme entlang, bis zu meinen Händen, die in meinem Schoß verschränkt liegen. Killian verschränkt unsere Finger miteinander und küsst zärtlich meinen Nacken. Das tiefe Brummen, dass er von sich gibt, bringt mich ungewollt zum Kichern.
„Irgendetwas sagt mir, dass du das vielleicht mehr genießen könntest, als ich es tue.“
„Könnte sein“, antwortet er vage. Ich kann das Grinsen an seinen Lippen auf meinem Hals spüren, bevor er mich ein weiteres Mal küsst. „Du hast ja keine Ahnung, was ich am liebsten mit dir anstellen würde.“
„Dann verrate es mir.“
„Heute noch nicht“, antwortet Killian mir. Er drückt mich an sich und fährt mit seiner Nase über meine Ohrmuschel. „Wir kommen schon noch früh genug an diesen Punkt.“ Ich schließe meine Augen, als er mich ein weiteres Mal am Hals küsst.
„Wenn es so schön ist wie deine Küsse, dann kann ich es kaum erwarten.“
„Es ist besser“, verspricht Killian brummend. Seine Hände wandern meinen Körper entlang. Er legt sie an meine Brüste. „Viel besser.“
Ich öffne meine Augen und versuche, über meine Schulter zu schauen. Es ist zwar nicht möglich, Killians ganzes Gesicht zu sehen, aber ich blicke in ein blaues Auge. Er nimmt etwas Abstand und grinst mich frech an. Killian erntet einen skeptischen Blick, ehe ich mich wieder nach vorne drehe. „Du machst mich neugierig, Killian.“ Ich lehne mich Killians Körper entgegen, er lehnt seinen Kopf erneut gegen meinen. „Du magst meine Brüste sehr, hm?“
Killian schnaubt amüsiert, dann lacht er leise. „Sie liegen gut in der Hand.“
„Wieso fasst du sie überhaupt an?“, hake ich nach. Der Mensch möchte seine Hände wegnehmen, doch ich drücke sie wieder an ihren Platz. „Ich habe nicht gesagt, dass es mich stört. Das fühlt sich schön warm an.“
Ich bringe Killian ein weiteres Mal zum Lachen. „Das ist sozusagen ein Menschending. Die meisten Männer finden Brüste attraktiv. Es fühlt sich gut an, sie in der Hand zu halten. Manchmal macht man auch andere Dinge damit.“
„Muss ich das verstehen?“
„Nein, es reicht, wenn ich es verstehe“, antwortet er frech.
„Gut, ich verstehe es nämlich nicht.“
Killian lässt etwas lockerer, dann gibt er mir einen letzten Kuss. „So, jetzt aber raus aus dem Bett, bevor wir es gar nicht mehr verlassen. Wir haben heute noch etwas vor.“
Ich bin überrascht, als er schnell aus dem Bett klettert und schon in der Tür steht. Nun, für seine Verhältnisse ist er schnell. Killian zieht einen Mundwinkel hoch, ehe er mir die Hand entgegen streckt. Ich ziehe mein Shirt über, stehe dann auf und greife nach seiner Hand. Zufrieden entführt Killian mich ins Wohnzimmer.
„Was haben wir denn vor?“, frage ich neugierig.
„Wirst du noch sehen.“
„Du bist heute auffallend geheimnisvoll.“
༄ ♫ ༄
Wie jeden Donnerstag mache ich mich dazu bereit, mich im Schlafzimmer zu verstecken. Heute gibt Killian wieder Gitarrenunterricht. Ich bin also wieder auf mich gestellt, bis er mit seiner Arbeit fertig ist. Gerade, als ich mich mit einem Glas Wasser zurückziehen möchte, spricht Killian mich an.
„Warte“, bittet er mich. Killian steht von der Couch auf und nimmt mich an der Hand. „Du musst dich heute nicht im Schlafzimmer verschanzen.“ Er mustert mich von oben bis unten. „Wenn du deine Schuppen versteckst, dann kannst du machen, was du willst.“
„Auch neben dir sitzen und dir zusehen?“
Killian presst die Lippen zusammen, ehe er antwortet: „Fast alles.“ Er gestikuliert zur Couch. „Nur das eben nicht.“
Ich trinke einen Schluck aus meinem Glas. „Und was kann ich dann tun?“
„Die Tür offen lassen, damit du zuhören kannst?“, antwortet er fragend.
Ich lege den Kopf schief. „Das klingt nicht gerade nach der großen Freiheit, die du mir gerade versprochen hast.“ Killian streicht mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
„Das war ungeschickt formuliert. Du kannst dich frei in der Wohnung bewegen, aber es wäre mir ganz recht, wenn du dich nicht neben uns setzt.“ Ich möchte gerade etwas antworten, doch Killian spricht schnell weiter. „Nicht, weil ich dich nicht dabei haben möchte, sondern weil ich arbeite und mich konzentrieren muss. Außerdem kann man meine Jungs ganz leicht ablenken. Chad ist ganz besonders anfällig. Er nutzt jede Gelegenheit, um Zeit zu verschwenden.“ Killian nimmt meine freie Hand in seine und küsst meinen Handrücken. Ich verfolge seine Bewegungen mit meinen Augen. „Das verstehst du doch, oder?“
„Ich verstehe es klar und deutlich.“ Ich strecke mich zu Killians Wange und gebe ihm einen Kuss. „Die Tür bleibt geöffnet und wenn mein Glas leer ist, werde ich das Zimmer verlassen und es auffüllen.“ Ich hebe mein Glas an, um meine Aussage zu verdeutlichen.
„Ausgesprochen mutig“, meint Killian mit einem Grinsen. „Wenn Chad wieder einen auf dicke Hose macht, musst du nicht darauf eingehen. Du musst nicht mit ihm sprechen, okay?“
Ich nicke. „Vielleicht verstecke ich mich doch vor deinem faulen Schüler. Nicht, dass er noch schlechter wird.“
Killian schnaubt amüsiert, dann schüttelt er den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das möglich ist.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. „Du bist jetzt schon besser als er. Mein fleißiges Mädchen.“
Ich bekomme einen Kuss auf die Schläfe. Gerade, als Killian Abstand von mir nimmt, läutet die Türklingel. Dummerweise erschrecke ich mich so sehr, dass ich mein Wasser verschütte. „Ups.“
Killian sieht auf meinen Brustkorb, er grinst dabei breit. „Zu schade, dass ich da jetzt aufmachen muss.“
Ich sehe an mir herab. Abgesehen davon, dass meine Kleidung nass ist, habe ich mein Getränk auch auf dem Boden verteilt. „Geh ruhig, ich mache das sauber.“
Killian nickt, dann macht er sich schon gemütlich auf den Weg zur Tür. Mit meinem nun halbleeren Glas gehe ich in die Küche, um es wieder aufzufüllen. Ich lasse es stehen, nehme aber dafür ein Tuch mit ins Wohnzimmer, um die kleine Pfütze wegzuwischen.
„Mann, Killian, du hast keinen Plan, wie krass meine Insta-Seite abgeht. Seit letzter Woche hab ich 2K Follower mehr.“
„Traumhaft“, antwortet Killian desinteressiert.
„Ja, sei ruhig neidisch, Mann. Ich bin viel krasser als du es je sein wirst.“
„Ein Glück, dass ich immer der viel krassere Gitarrist sein werde, das hält mich davon ab, mich nachts in den Schlaf zu weinen.“
„Du bist so ein schlechter Verlierer.“
Während die beiden sich noch im Gang unterhalten, wische ich den Boden trocken und hole mein Glas aus der Küche. Im Schlafzimmer stelle ich es auf der Kommode ab und suche nach trockener Kleidung.
„Willst du was trinken?“, höre ich Killian fragen.
„Klar, ein Bier.“
„Der Witz wird nicht besser, wenn du ihn jede Woche wiederholst.“
„Dann bring mir endlich mal ein Bier“, fordert Killians Schüler.
„In deinen Träumen, Chad. Setz dich hin und pack deine Gitarre aus.“
Bier. Ich glaube nicht, dass Killian überhaupt so etwas im Kühlschrank hat. Ob das Bier der Menschen genauso schmeckt wie das der Zwerge? Bei Gelegenheit sollte ich das in Erfahrung bringen.
Ich lausche dem Gespräch der Menschen. Sie unterhalten sich über Musik und kaum eine Minute später höre ich schon Chads erste holprige Versuche auf der Gitarre. Da meine lange Hose bereits im Wäschekorb liegt und wir in den letzten Tagen nicht im Waschsalon waren, ziehe ich einen Rock und meine Strümpfe an. Mein nasses Shirt tausche ich gegen ein trockenes aus. Ich sammle meine nassen Kleidungsstücke zusammen und gehe damit ins Wohnzimmer. Schon nach dem ersten Schritt aus der Tür verstummt die Musik.
„Oh, nice. Hey, Baby, ich bin Chad.“ Ich drehe mich zur Couch und sehe Killians Schüler an. Er grinst mich lässig an und nickt mir zu, außerdem zwinkert er. Bei Killian ist das irgendwie charmanter.
„Ilaria“, stelle ich mich vor und hebe eine Hand. Mit dem anderen Arm drücke ich meine Wäsche an mich. „Lasst euch nicht stören, ich will nur ins Badezimmer.“
„Du hast mein Mädchen gehört“, spricht Killian ein wenig strenger. „Konzentrier dich auf deine Gitarre.“
„Mann, Killian, wieso hast du die Schnecke vor mir versteckt? Die ist ja echt verdammt heiß. Viel zu heiß für dich, wenn du mich fragst.“
„Danke“, antworte ich dem faulen Schüler, da ich davon ausgehe, dass das als Kompliment gemeint ist. Ich gehe hinter der Couch vorbei und verlasse das Wohnzimmer.
„Dich fragt aber keiner, Chad.“ Killian seufzt. „Spiel weiter.“
„Du hast doch nur Angst, dass deine Freundin dich für 'nen coolen Kerl verlässt.“
„Na dann muss ich ja keine Angst haben, solange du hier bist.“
„Boar Killian, du bist immer so ein Penner.“
„Sieh erstmal zu, dass dir Sackhaare wachsen, bevor du versuchst, eine erwachsene Frau zu beeindrucken. Gitarre spielen soll helfen, schöne Frauen an Land zu ziehen, vielleicht motiviert dich ja das.“
Der Schlagabtausch zwischen Killian und seinem Schüler amüsiert mich. Wieso Chad überhaupt noch am Unterricht teilnimmt, verstehe ich nicht. Wenn er nichts lernen will, könnte er seine Zeit doch auch anders nutzen.
Ich schüttle den Kopf und öffne dann die Tür zum Badezimmer. Die nasse Kleidung werfe ich in den Wäschekorb. Es wäre gut, wenn wir bald wieder den Waschsalon besuchen, der Wäschekorb quillt längst über.
༄ ♫ ༄
„Also, hier ist mein Plan“, beginnt Killian damit, von unserer heutigen Tagesplanung zu erzählen. Gespannt sehe ich von der Couch aus zu ihm nach oben und trinke von meiner heißen Schokolade. „Ich dachte, dass wir ein kleines Experiment machen. Hättest du darauf Lust?“
Ich wärme meine Finger an meiner Tasse. „Um was für ein Experiment handelt es sich?“
„Gestern am Strand ging es dir schlecht und ich wollte wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, dieses Gefühl zu dämpfen.“
„Und wie möchtest du das machen?“, frage ich nach. Ich beuge mich zum Couchtisch und stelle meine Tasse ab, ehe ich wieder zu Killian nach oben sehe.
Er lässt sich neben mich sinken und spricht weiter: „Der erste Punkt ist bereits erledigt. Du warst heute gute zwei Stunden in der Wanne und jetzt würde ich gerne herausfinden, ob es dir hilft, wenn du vorher in Salzwasser gebadet hast und dich dann in der Nähe von Wasser aufhältst.“
„Dann fahren wir jetzt ans Meer?“
„Ich dachte, dass ich dir den Pier 39 zeige.“ Killian reibt sich den Nacken. „Die Gespräche von gestern wollen nicht mehr aus meinem Kopf. Marc hatte Recht. Ich hätte dir längst ein paar Sehenswürdigkeiten zeigen sollen.“ Er seufzt. „Ich war faul und es tut mir leid.“
Ich schüttle den Kopf. „Unsinn, du bist nicht faul.“
Killian schnaubt. „Doch das bin ich, aber das will ich jetzt ändern. Was sagst du zu meiner Idee? Wenn du keine Lust hast, etwas zu unternehmen, können wir auch in den Park gehen, uns Donuts holen und dann auf der Couch kuscheln, bis wir einschlafen.“
Nach einigen Sekunden Überlegung mustere ich Killian und nicke im Anschluss. „Lass uns zum Pier gehen.“ Ich lege eine Hand an Killians Oberschenkel und lehne mich zu ihm. „Aber was ist, wenn es nicht funktioniert und es keinen Unterschied macht?“
„Dann fahren wir wieder nach Hause.“
„Und die Donuts? Können wir welche holen, wenn wir nach Hause gehen?“, frage ich und blinzle Killian an, in der Hoffnung, dass ihn das zu einem Ja verleitet.
Killian lacht, ehe er mir einen festen Kuss auf die Lippen drückt. „Für dich immer, Prinzessin.“ Er zwinkert mir zu und steht auf. „Trink aus, wenn wir in fünf Minuten losgehen, erwischen wir den nächsten Bus ganz locker.“
„In Ordnung, ich bin so gut wie fertig.“
༄ ♫ ༄
Wir steigen aus dem Bus. Zu unserem Glück war die Fahrt kurz, denn viel Platz hatten wir durch die zahlreichen Menschen nicht. Das Gedränge im Bus hat allerdings zu unverhoffter Kuschelzeit geführt.
„Alles okay?“, erkundigt Killian sich, worauf ich nicke.
Ich sehe mich um. Die Straße sieht ziemlich gewöhnlich aus. Bis jetzt ist noch nichts vom Ozean zu sehen. „Du kennst den Weg?“
„Selbstredend.“ Er nimmt mich an der Hand und wir gehen los. „Das letzte Mal, als ich am Pier war, ist zwar eine Weile her, aber den Weg vergisst man nicht“, erklärt er. „Fisherman’s Wharf zählt zu den größten Touristenattraktionen von San Francisco. Früher gab es hier einfach nur einen Fischmarkt, aber heute ist es viel mehr. Unser Pier 39 ist auf der ganzen Welt berühmt.“
„Und was ist daran so besonders?“, frage ich nach.
„Es gibt ein Aquarium, eine Menge Restaurants, Souvenirläden, Straßenkünstler... Kurz gesagt: Es gibt viel zu sehen. Außerdem kann man die Seelöwen beobachten. Die Seelöwen rie-“ Killian unterbricht seinen Satz und räuspert sich. „Sie sind ziemlich laut, aber egal. Die Touristen stehen darauf, sie zu beobachten. Die Restaurants sind ziemlich teuer, aber hier gibt es leckere Clam Chowder, die auch auf der ganzen Welt bekannt ist. Würde ich keinen Jackson für uns beide hinblättern, würde ich dir eine spendieren.“
„Jackson?“, frage ich verwirrt nach.
„20 Dollar. Das Geld ist aktuell knapp und ich kann mir außer die Aussicht nichts leisten, was wir heute zu sehen bekommen.“
„Oh“, antworte ich ihm. Als ich in Killians Gesicht sehe, zieht er einen Mundwinkel hoch.
„Aber das ist nicht deine Sorge, okay? Ich sage es dir nur, damit du weißt, wieso ich dir nicht alles kaufen kann, was du dir in den Kopf setzt.“
„Es tut mir leid, dass du wegen mir so wenig Geld hast.“
„Ich war vorher schon arm“, meint Killian und zuckt dann mit den Schultern. „Ich habe diese Woche zwei Solo-Gigs. Morgen und übermorgen, um genau zu sein. Für nächste Woche habe ich auch noch einen Job angenommen. Leider nicht als Musiker, aber ich muss ein paar Dollar verdienen und Rechnungen bezahlen, sonst wird es eng.“
„Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, um dir zu helfen?“, frage ich nach.
„Nein, schon gut, du kannst mir nicht helfen. Für eine Arbeit brauchst du einen Ausweis, erinnerst du dich?“
„Ja“, antworte ich nickend. „Natürlich, der Ausweis. Eure Bürokratie, richtig?“
„Dass du dir das gemerkt hast, wow“, entgegnet Killian mir. „Dein Gedächtnis hätte ich auch gerne.“
„Es gibt viel zu beachten, um in eurer Welt überleben zu können und ich möchte mich so gut ich kann anpassen.“ Ich drücke Killians Hand. „Ich würde dir gerne bei deinen Finanzen helfen. Wenn wir in meiner Welt wären, würde ich Schmuck fertigen und ihn verkaufen.“
„Oh. Ich bin so ein Idiot.“
„Hm? Was meinst du?“, frage ich irritiert, weil mir Killians plötzlicher Stimmungswechsel seltsam vorkommt. „Haben wir uns verlaufen?“
„Nein, nein. Ich habe mich gerade daran erinnert, dass ich dir mein Werkzeug geben wollte, damit du dich beschäftigen kannst. Erinnere mich daran, wenn wir wieder zu Hause sind. Mein Gedächtnis ist nicht so gut wie deines.“ Killian sieht mich an, er zieht einen Mundwinkel hoch. „Entschuldige, dass ich das vergessen habe. Das war keine Absicht.“
„Das macht mir nichts aus. Ich hatte mit euren Schriftzeichen genug zu tun. Wer weiß? Vielleicht kann ich ja zur Abwechslung dir etwas beibringen.“
Killian schnaubt. „Ich weiß nicht, ob Schmuckherstellung etwas für mich ist. Das sollte vielleicht eher dein Ding bleiben.“
„Du willst es dir nicht einmal ansehen?“, frage ich nach.
Killian überblickt die Straße, die wir beide kurz darauf überqueren. „Ich sehe es mir gerne an, aber ich glaube, dass ich dafür nicht die nötige Feinmotorik habe.“ Er zwinkert mir zu. „Deine hübschen Finger sind jedoch dafür geschaffen.“
Ich lächle breit. „Du weißt immer genau, was du sagen musst, um mich zum Lächeln zu bringen.“
„Mein geheimes Talent.“ Killian lacht leise. „Sieh mal über die Straße.“ Er nickt nach vorne. „Wir sind gleich da. Spürst du schon etwas?“
Obwohl ich ihn noch nicht sehe, kann ich fühlen, dass der Ozean nicht weit entfernt ist. Ich nicke leicht. „Ja, ich kann das Meer spüren, aber mach dir keine Sorgen, mir geht es gut. Ich bin nur ein wenig nervös.“
Als wir am Pier 39 ankommen, bin ich im ersten Moment vollkommen überfordert. Durch die vielen Menschen ist es vergleichsweise laut. Sofort vermisse ich die ruhige Musik, mit der ich gestern die Geräusche im Bus gedämpft habe. Ich halte mich an Killian fest und schmiege mich gegen seinen Arm. Es dauert einen Augenblick, doch dann versuche ich, mich zu orientieren. Dass das Meer in der Nähe ist, macht die Sache nicht einfacher für mich.
Zwischen einigen Pflanzen entdecke ich eine große Statue einer Krabbe. Die Scheren der Metallkrabbe gefallen mir gut, weswegen ich leicht lächle. Die Menschen haben sie gut getroffen. Mein Blick schweift wieder über den Platz. Ich bin fasziniert von einem Gebäude, dessen Eingang von einer unglaublich großen, roten Gitarre verziert wird. Der Hals der riesigen Gitarre ragt über das Dach des Gebäudes.
„Gut, ich denke, dass meine Frage damit beantwortet wurde. Vorher in Salzwasser zu baden bringt absolut gar nichts. Schade.“ Killian seufzt. „Ich hatte gehofft, dass eine kleine Dosis Meer dein Verlangen mindert.“
„Schon in Ordnung. Jetzt wissen wir es wenigstens. Wieso dachtest du überhaupt, dass es funktionieren könnte? Es hat doch gestern schon nicht funktioniert.“
Killian zuckt mit den Schultern. „Gestern hattest du kein Salz im Wasser. Du kommst aus dem Meer. Ich dachte, dass das logisch ist. Marc hat da etwas erwähnt, dass mich auf die Idee gebracht hat.“ Er winkt eilig ab. „Es hat nicht funktioniert, also vergessen wir das.“
Killians Aussage erinnert mich daran, dass ich ihn ohnehin fragen wollte, was es mit Marcs Anschuldigungen auf sich hat. So wütend, wie ihn dieses Thema gemacht hat, ist es aber wahrscheinlich besser, auf den perfekten Zeitpunkt zu warten und der ist mit großer Sicherheit nicht jetzt.
„Schon vergessen“, antworte ich ruhig und sehe mich um. „Aber wenn wir schon hier sind, solltest du mir alles zeigen. Wir müssen auch kein teures Chowder essen, was auch immer das sein soll.“
Killian schnaubt, dann befreit er seinen Arm aus meinem Griff und drückt mich an sich. Ich bekomme außerdem einen Kuss auf die Schläfe. „Du solltest mir aber sagen, wenn es dir zu unangenehm wird. Wenn du siehst, wie schmutzig das Wasser am Pier ist, vergeht dir die Lust nach Schwimmen vielleicht ohnehin von ganz alleine.“
„Verschmutztes Wasser? Das klingt nicht besonders vielversprechend.“
„Sag mir, welche Richtung für dich am interessantesten aussieht. Dann gehen wir da lang.“ Killian sieht sich in der Gegend um.
„Oh“, entkommt es mir überrascht. „Ich darf mich entscheiden?“
Auch ich sehe mich wieder um. Vielleicht springt mir etwas Besonderes ins Auge. Inmitten der Menschen erkenne ich ein Mädchen mit pinken Haaren. Das Mädchen trägt kein Shirt, stattdessen werden ihre Brüste von Muscheln bedeckt. Auf ihrem Kopf befindet sich ein farblich passender Seestern. Hinter ihr steht ein sehr desinteressierter, großer Mann. Die beiden verteilen blaues Papier an die vorbeigehenden Menschen. Je länger ich die beiden beobachte, desto klarer wird mir, dass ich sie schon einmal gesehen habe. Allerdings erinnere ich mich nicht mehr daran, wo ich sie gesehen habe. Ich mustere erst das Mädchen und dann den großen Mann genauer. Plötzlich fällt es mir wieder ein. Das sind die beiden aus dem Thrift Shop. Der Mann hat einen Pelzmantel gekauft. Ich erinnere mich auch, dass ich ihre Unterhaltung belauscht habe.
„Ilaria?“
„Hm?“, frage ich und blicke zu Killian auf, der mich fragend ansieht. Dass ich ihm eine Antwort schulde, hätte ich beinahe vergessen.
„Wenn dich das Wasser so ablenkt, sollten wir lieber gehen.“
„Nein, das ist es nicht. Die beiden mit dem blauen Papier waren in dem Thrift Shop, als wir uns Kleidung gekauft haben.“
Killian blickt in die Richtung der beiden. „Ja, der Kerl mit dem Pelzmantel“, erinnert auch er sich. „Eigentlich dachte ich eher, dass er eher ein Zuhälter ist, als fürs Aquarium Flyer zu verteilen. Wie man sich irren kann.“
„Manchmal verstehe ich so wenige deiner Worte, dass ich gar nicht weiß, was ich zuerst fragen soll.“
Killian nickt und erklärt dann: „Die beiden verteilen Flyer, also Werbung für das Aquarium. Im Aquarium kann man sich Fische ansehen.“
„Oh, ich mag Fische“, bemerke ich.
„Ja, das dachte ich mir schon. Der Eintritt ist leider ziemlich teuer. Um das Geld würde ich dich lieber direkt ans Meer bringen. Dort kannst du dir Fische ansehen und schwimmen. Davon hast du eindeutig mehr“, erzählt Killian, worauf ich nicke.
Ich sehe noch einmal zu den beiden hinüber, auch das pinkhaarige Mädchen erblickt mich. Wir knüpfen Augenkontakt. Sie wirkt, als würde sie sich freuen, mich zu sehen. Eilig kommt sie auf uns zu. Killian nimmt mich an der Hand. Er versucht, mich wegzuziehen, doch da hält mich das Mädchen bereits an meinem anderen Arm fest.
Sie lächelt und spricht mich sofort an: „Hey, du schaust so aus, als wärst du die perfekte Meerjungfrau! Kannst du schwimmen?“
Ich fühle mich für einige Sekunden etwas überrumpelt, doch dann antworte ich ihr: „Ja, natürlich.“ Sie lässt meinen Arm los. Killian seufzt. Mir wird einer der Flyer gereicht. Interessiert sehe ich mir das blaue Papier an, doch dann spüre ich den Blick des großen Mannes auf mir und sehe zu ihm. Sein Blick fixiert mich auf eine seltsame Weise. Er macht mich nervös.
„Das ist großartig.“ Ich sehe wieder zu dem Mädchen, als ich wieder angesprochen werde. „Wir suchen nämlich eine zweite Meerjungfrau für die Show im Aquarium und nächsten Samstag ist das Casting. Ich würde mich sehr freuen, dich dort zu sehen.“ Das Mädchen mustert mich und deutet dann auf einen meiner mit Muscheln geschmückten Zöpfe. „Dein Stil schreit förmlich nach Meerjungfrau.“ Nun tippt sie mit ihrem Finger auf den Flyer. „Da ist mein Instagramname. Solltest du zum Casting kommen wollen, hast aber keine Zeit, wird dort der Ersatztermin bekannt geben und du kannst dir meine Arbeit anschauen.“
„Danke für das Angebot, wir überlegen uns das“, antwortet Killian für mich. Er greift wieder nach meinem Arm und zieht leicht daran. „Komm, Prinzessin, wir haben heute noch einiges vor.“
Ich lächle das Mädchen an. Zeit für eine richtige Verabschiedung habe ich leider nicht. „Vielen Dank für die Einladung“, spreche ich schnell, ehe Killian mich schon wegzieht.
Killian hat es wohl ziemlich eilig, von dem Mädchen wegzukommen. Er erklärt mir nicht einmal, wohin wir gehen. Über meine Schulter werfe ich noch einen letzten Blick auf den großen Mann mit den dunklen Haaren. Er murmelt etwas vor sich hin. Ich kann zwar seine Lippenbewegungen erkennen, doch durch die Entfernung und die vielen anderen Geräusche ist es mir nicht möglich, zu verstehen, was er sagt. Die Art, wie er mich ansieht, spricht jedoch Bände. Ich könnte schwören, dass er erkannt hat, dass ich kein Mensch bin.
Um nicht zu stolpern, richte ich meinen Blick wieder nach vorne. Als wir uns zwischen einigen Menschen durchschlängeln, verstärkt Killian den Griff an meiner Hand. Mir ist das mehr als recht, da ich ihn nicht verlieren will. Ich bin zwar selbstsicher genug, um alleine in den Park zu gehen, aber auf dem Pier alleine herumzulaufen traue ich mir noch nicht zu. Nachdem wir die Menschenmenge hinter uns lassen, bleiben wir für stehen. Ich nutze die Zeit, um den Flyer zu falten und in die Tasche meiner schwarzen Jacke zu stecken.
„Wieso hast du mich aus dem Gespräch gerissen?“, frage ich, worauf Killian seine Stirn in Falten legt.
Er überlegt, ehe er antwortet: „Das war nur Gequatsche. Du kannst diesen Job ohnehin nicht annehmen. Die meisten Menschen wollen diese Flyer gar nicht erst lesen. Die Dinger landen entweder im nächsten Mülleimer, auf dem Boden oder im Ozean.“
„Ich finde es trotzdem nett, gefragt zu werden. Sie schien sehr freundlich zu sein, findest du nicht?“ Killian zuckt mit den Schultern. „Eine Frage hätte ich aber. Was ist ein Instagramname?“
Nun wirkt der Mensch endlich wieder etwas entspannter. „Instagram ist eine App für dein Smartphone. Social Media. Das erkläre ich dir bei Gelegenheit genauer, okay?“
„In Ordnung, danke“, antworte ich ihm. Er reicht mir seine Hand und ich ergreife sie sofort. Mein Liebster gibt mir einen sanften Kuss. Dass er mein Gespräch mit dem Mädchen unterbrochen hat, kann ich ihm sofort wieder verzeihen.
Killian und ich gehen weiter. Nach einigen Minuten fällt mir ein Gebäude ins Auge, das Wassermassagen anbietet. Killian erklärt mir, wie die Massage funktioniert. Die Menschen legen sich auf eine Art Podest. Sobald man liegt, wird ein Becken über den Menschen gelegt und das Wasser eingeschalten. Durch mehr oder weniger sanfte Wasserstrahlen werden die Menschen massiert. Eine Folie aus Plastik sorgt dafür, dass sie dabei nicht nass werden. Für mich wäre das nichts. Ich spüre das Wasser lieber direkt an meiner Haut. Es würde mich vermutlich verrückt machen, nicht nass zu werden. Entspannend wäre das nicht, da bin ich mir sicher.
Wie gehen immer weiter und lassen die Gebäude hinter uns. Nun stehen wir vor dem Meer. Ich streiche über den gefalteten Flyer in meiner Jackentasche. Eine Meerjungfrau zu spielen wäre die perfekte Aufgabe für mich. Wer könnte das besser als ich?
„Ich würde gerne den Job annehmen.“
Killian seufzt, er klingt genervt, als er spricht: „Das geht nicht, Ilaria.“
„Aber warum denn nicht?“
„Manche Dinge willst du dir nicht merken, was? Weil du keine Papiere hast und früher oder später jemand dein Geheimnis entdeckt, egal wie vorsichtig du bist. Ilaria, meine Welt läuft nach Regeln, die man nicht biegen und brechen kann, wie man es möchte, weil man sonst große Probleme bekommt“, erklärt er mit gedämpfter Stimme. Er lässt einen tiefen Seufzer los und drückt meine Hand.
„Aber es muss doch etwas geben, das ich tun kann.“
Killian zieht mich in seine Arme. Er drückt mich fest an sich. Ich lehne meinen Kopf gegen seine Schulter. Die Art, wie Killian durch meine Haare streicht, fühlt sich gut an. Er bittet mich: „Lass uns das Thema wechseln, bevor ich mich noch einmal wiederholen muss.“ Mit einem sanften Lächeln sehe ich zu Killian auf. Er beugt sich zu mir, um mich zu küssen. Killian hat wieder einmal Recht. Ein Kuss ist mir um einiges lieber, als mir über Dinge Gedanken zu machen, die ich nicht ändern kann.
Wir spazieren am Wasser entlang, dieses Mal sind wir beide wieder still. Es wird kühler, doch dank Killians Nähe ist mir trotzdem warm genug. Wir nehmen uns die Zeit, die Seelöwen zu beobachten und auch wenn wir nicht wie die Touristen Geld für Souvenirs oder teuren Fisch ausgeben, amüsiere ich mich sehr gut. Ich werde allerdings das Gefühl nicht los, dass es irgendetwas gibt, dass Killian beschäftigt.
Wir überblicken die Bucht von San Francisco. Killian streckt seinen Arm aus und deutet nach vorne. Ich folge seinem Finger und versuche, auszumachen, worauf er zeigt. „Siehst du das weiße Gebäude auf der kleinen Insel da hinten?“
„Du meinst den weißen Punkt auf dem grünen Punkt?“, frage ich amüsiert. „Ich bin mir nicht sicher, was ich da sehe.“
Killian lacht. „Ja, genau die meine ich. Jedenfalls ist das Alcatraz. Das Gebäude, also der weiße Punkt, war ein Gefängnis. Es war das ausbruchssicherste Gefängnis der Welt, allerdings war es zu teuer, alles instand zu halten. Und eben weil es so kostspielig war, wurde das Gefängnis 1963 geschlossen.“ Er nimmt sein Smartphone heraus und zeigt mir Fotos der Insel. „Man kann die Insel auch mit einem Schiff besuchen und sich das Gefängnis ansehen, aber das ist auch ziemlich kostspielig.“ Ich sehe mir die Fotos an, blicke aber dann zu Killian. „Jetzt zu Dingen, die dich vielleicht mehr interessieren. Die Insel hat ihren Namen von den Vögeln, die dort nisten. Alcatraz ist spanisch für Pelikan. Die Insel ist ein Vogelschutzgebiet.“ Interessiert höre ich Killian zu. Er zeigt mir noch ein Bild eines Pelikans, damit ich seiner Geschichte besser folgen kann. „Das heißt, dass Menschen ihnen nichts tun dürfen und die Vögel ganz ungestört dort leben dürfen.“
„Ich liebe es, wenn du mir Dinge erklärst“, antworte ich ihm schmunzelnd.
Killian reibt sich den Nacken. „Ich kann dir zwar nicht die Tour spendieren, aber das heißt nicht, dass du nichts lernen kannst.“ Killian nickt Richtung Wasser. „Sieh mal, ein Seelöwe.“
Ich trete einen Schritt nach vorne und lehne mich gegen das Holzgeländer, um eine bessere Sicht auf das Tier zu haben. „Oh, hallo mein Freund des Meeres.“ Das Tier schnauft und taucht unter.
Killian räuspert sich, ehe er sich neben mich stellt und sich ebenfalls gegen das Holz lehnt. „Die Frage klingt vielleicht bescheuert, aber kannst du wirklich mit Tieren aus dem Meer sprechen? Mit Fischen zum Beispiel?“ Für eine Sekunde bin ich irritiert, doch dann fange ich an zu lachen. „Okay, die Frage war wohl dümmer, als ich dachte. Sorry.“
Amüsiert lege ich eine Hand an Killians Arm und streichle ihn. „Nein, das war nicht dumm, das war süß.“ Ich strecke mich zu seiner Wange und gebe ihm einen Kuss. Killian zieht einen Mundwinkel hoch, als ich ihn anlächle. „Ich kann zwar mit ihnen sprechen, aber ich bekomme keine Antworten und ich verstehe sie auch nicht. Es gibt keine sprechenden Fische in meiner Welt. Ich glaube auch nicht, dass sie besonders intelligent sind.“ Killian nickt verstehend. „Kraken hingegen sind schlau. Einige von uns halten sich Smaragdkraken als Begleittiere. Sie können beeindruckende Tricks lernen.“
„Oh, Begleittiere sind dann so etwas wie Haustiere, hm?“ Er streicht durch seinen Bart. „Hattest du auch Tiere?“
„Seepferdchen. Ich habe mir Seegras besorgt, um sie vor meine Höhle zu locken und es hat funktioniert“, erzähle ich stolz. „Das sind sehr sensible, aber hübsche Tiere.“
Killian hebt die Brauen. Er grinst, doch er versucht, davon abzulenken, indem er durch seinen Kinnbart streicht. „Seepferdchen, hm?“
„Ja. Schade, dass ich wohl nie wieder mit ihnen spielen kann“, gebe ich nachdenklich von mir und sehe auf die Bucht hinaus. Das trübe, verschmutzte Wasser unterstreicht meine aufkeimende Traurigkeit. Auch in diesem Punkt hatte Killian Recht. Besonders einladend sieht das Wasser nicht aus. In meiner Welt habe ich noch nie so ein ungemütliches Gewässer gesehen.
Killian streicht durch mein Haar und dann über meinen Rücken. Es dauert einen ausgedehnten Moment, bis er wieder spricht: „Warum spielst du das Thema immer so herunter, wenn es dich doch offensichtlich traurig macht?“
Ich richte mich auf und sehe Killian an. „Weil ich nicht möchte, dass du ein schlechtes Gewissen hast, nur weil du mit mir zusammen sein willst.“ Auch Killian richtet sich auf. Er mustert mich, bevor er mir wieder ins Gesicht sieht. „Du wolltest nicht, dass ich gehe und glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht verlassen will. Ich liebe deine Welt und dich liebe ich noch mehr. Trotzdem vermisse ich meine Familie, meine Freunde, mein Zuhause. Wie sollte es auch anders sein? Ich wurde vielleicht gegen meinen Willen hierher gebracht, aber ich bleibe aus freien Stücken bei dir.“ Ich werfe einen flüchtigen Blick auf die Bucht, ehe ich wieder Killian ansehe. „Meine Entscheidung ist getroffen. Ich bleibe bei dir und finde einen Platz in deiner Welt, an dem ich dich unterstützen kann.“ Ich lächle meinen liebsten Menschen an. Killian erwidert mein Lächeln und drückt mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
„Uns fällt bestimmt bald etwas ein, das du tun kannst, um dich wieder nützlich zu fühlen.“
„Das ist bestimmt einfacher, als einen Weg zurück nach Hause zu finden.“ Ich lehne meinen Kopf gegen Killians Schulter und sehe auf das Meer hinaus. „Die Rune ist erloschen und wir haben keine weiteren Hinweise. Auch die Fee haben wir nie wieder gesehen. Es gab nie grüne Blitze und auch wenn das grüne Schimmern versteckte Wesen sichtbar gemacht hat, hat es nichts geändert.“
Killian streicht durch mein Haar, er spielt mit einem meiner Zöpfe. „Vielleicht hätten wir uns mehr anstrengen sollen. Aber zu zweit winzige Runen in der gesamten Stadt, wenn nicht sogar der gesamten Welt zu suchen, ist irrsinnig.“
Ich sehe nach oben. Killian richtet seinen Blick ebenfalls auf mich. In seinen Augen kann ich deutlich erkennen, dass er sich wegen unserer erfolglosen Suche schlecht fühlt, doch das muss er nicht. Ich nehme Killians Hand, meine zweite Hand lege ich an seinen Brustkorb, um ihn zu streicheln.
„Manchmal findet man etwas, ohne danach zu suchen. So wie ich dich gefunden habe“, spreche ich sanft und strecke mich zu Killians Lippen, um sie liebevoll zu küssen.
Killian löst den Kuss und lacht leise. „Du bringst mich immer wieder in Verlegenheit.“
„Ist das ein Problem?“
„Nein, ganz und gar nicht. Komm her, Prinzessin.“