Der Winter lag immer deutlicher in der Luft. Die Nächte wurden kälter, aber Nadja vermutete, dass es dieses Jahr keinen Schnee geben würde.
Nichts, was Phoebe gewundert hätte. Wann hatte sie zum letzten Mal Schnee gesehen? Trotzdem war die Luft schneidend kalt, während sie Nadja über den nassen Bürgersteig folgte.
"Du hast mir niemals deine Geschichte erzählt", sagte Nadja unvermittelt.
"Nein", bestätigte Phoebe überrumpelt. Sie zögerte.
Sie redete nicht gerne über sich. Sie dachte nicht einmal über die Vergangenheit nach und verdrängte alle Erinnerungen in die dunkelsten Winkel ihres Gedächtnisses.
Sie merkte, dass Nadja stehen geblieben war und sie fragend ansah: "Möchtest du?"
Phoebe musste ehrlich sein: "Nein, nicht wirklich. Ich - ich denke nicht daran, wenn es geht."
Sie schlang die Arme um den Oberkörper und merkte, wie sie förmlich in sich zusammen sank.
"Hey, ist ja gut", sagte Nadja sanft: "Tut mir leid, ich bin sehr neugierig."
"Ist nicht schlimm", meinte Phoebe: "Vielleicht erzähle ich es dir mal. Wenn ... wenn ich selbst damit klar komme."
Nadjas Hand lag beruhigend auf ihrer Schulter: "Lass dir Zeit."
Phoebe hatte im Weitergehen ein schlechtes Gewissen. Eigentlich hätte Nadja die Wahrheit verdient.
Sie seufzte leise und kämpfte gegen die Bilder an, die in ihr aufstiegen. Nadja hatte mit ihrer unbesorgten Frage alte Wunden wieder aufgerissen.
"Meine Geschichte kennst du vielleicht sogar - wenn du dir Nachrichten verfolgst", plauderte die Frau drauf los.
Phoebe, die aus ihren Gedanken gerissen wurde, fragte: "Du hast viele Banküberfälle begangen."
"Viele nicht. Fünf. Das Problem ist, dass die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden. Man bekommt nicht mehr so viel Geld, wie man bräuchte."
"Wie viel Geld brauchst du denn?", fragte Phoebe nervös. Sie ahnte inzwischen, dass Nadjas große Sporttasche voller Scheine war, und sie fragte sich, wie dieses Vermögen zu wenig sein könnte.
"Sagen wir so: Ich bräuchte noch einen Überfall."