Tiara:
Tiara fühlte sich immer noch schlapp, als der Morgen anbrach, aber sie konnte bereits aufstehen. Ihre Gesichtshälfte schmerzte zwar immer noch, aber es war nicht mehr so schlimm, dank Alba. Sie war wirklich eine talentierte Heilkundige. Was Runa betraf, sie hatte jeden überrascht. Tiara hatte von Selena erfahren, was Runa alles getan hatte. Killian hatte es bereits erwähnt gehabt, aber ihre beste Freundin konnte ihr mehr Details geben, da sie mit Damian gesprochen hatte. Ihren Brüdern ging es auch gut, und dafür war sie unendlich dankbar. Aber die zwei waren nie ein Ziel gewesen, nur sie. Sie selbst konnte immer noch nicht glauben, dass sie solche Kräfte besitzen würde. Ihr leben lang hatte sie geglaubt, ein ganz normales Mädchen zu sein und dann das. Langsam richtete sie sich auf. Alle anderen schliefen noch. „Ihr solltet Euch schonen“, hörte sie eine leise Stimme sagen, als sie aufstehen wollte. Tiara sah auf und sah in die bernsteinfarbenen Augen von Runa. Sie war bereits wach. „Du bist schon wach?“ „Ich war schon immer eine Frühaufsteherin“, antwortete sie schulterzuckend und faltete eine Decke zusammen. „Wie fühlt Ihr Euch?“, fragte sie. „Schon besser. Wie ich gehört habe, verdanke ich einiges auch dir.“ Runa hielt mitten in der Bewegung inne. „Ich habe nichts weiter getan, als ein Buch überzureichen.“ „Dieses Buch hat mir aber das Leben gerettet. Also danke.“ „Gern geschehen, Mylady.“ Runa fuhr mit ihrer Arbeit fort. Nachdem sie mit der Decke fertig war, nahm sie das Spanntuch in die Hand. „Du kannst mich ruhig Tiara nennen. Und lass bitte das Mylady weg.“ Runa sah Tiara überrascht an. „Das gehört sich aber nicht…“ „Glaub mir, jeder meiner Freunde, wird dich um dasselbe bitten.“ Runa überlegte kurz und sah zu Selena. „Selena hat das bereits getan“, gab sie schließlich zu. Ein Lächeln breitete sich in Tiaras Gesicht aus, kurz darauf zuckte sie vor Schmerz zusammen. Runa legte das Spanntuch beiseite, nahm ein Tablett mit Mullbinden und Wattepads und lief auf Tiara zu. „Lass mich mal deine Wunde sehen.“ Sie nahm vorsichtig das große Pflaster von Tiaras Wange und sah sich den Kratzer an. „Du bist wohl hübscher als sie“, sagte Runa und trug vorsichtig eine Salbe auf. „So etwas hat sie erwähnt“, murmelte Tiara. Nachdem Runa mit der Salbe fertig war befestigte sie ein neues Pflaster auf Tiaras Wunde. „Ruhe dich lieber noch aus, bis die anderen aufwachen.“ „Was ist mit dir?“ „Ich kümmere mich um alles andere.“ Tiara legte sich vorsichtig und mit der Hilfe von Runa hin. „Falls etwas ist, ruf einfach.“ Danach ließ sie Tiara alleine und trug die Wäsche fort. Runa war sehr hübsch und so eine Haarfarbe wie ihre, hatte Tiara noch nie gesehen. Ihre Haare waren silbern. Und solche Augen wie ihre, hatte sie auch noch nie gesehen. Sie sahen aus wie klare Bernsteine. Runa war groß und schlank. Sie trug ein Kleid, in dem sie sich frei bewegen konnte. Es war bodenlang und dunkelblau. Es war eigentlich ganz schlicht, aber dennoch sah Runa verdammt schön aus. Sie hatte einen hellen Teint, dichte, lange Wimpern, volle Lippen, eine Stupsnase und ihr Kinn stach etwas mehr raus. Aber das ließ sie nur hübscher aussehen. Während Runa aufräumte, merkte Tiara, wie leise sie sich bewegen konnte und wie flink sie war. Nach etwa zwei Stunden wachten die anderen auch auf. Ihre Mutter war stehts neben ihr und fragte sie, ob sie etwas bräuchte und jedes Mal verneinte Tiara. Dann trat Damian mitten in den Raum und die Stimmung änderte sich, als er ein ernstes Gesicht machte.
Tiara:
„Wir sollten nun darüber reden, wie wir mit der Situation umgehen“, sagte er und zog jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. „Ich weiß, Tiara muss sich noch ausruhen und wir sind hier in Sicherheit, aber wir haben alle Alekto kennen gelernt, und nun sind zwei von ihrer Sorte da draußen und planen die Auferstehung von Alekto.“ „Was schlägst du vor?“, fragte Alic. „Wir brauchen einen Plan“, antwortete Damian. „Schön und Gut, aber wir können keine Hexenjagd veranstalten. Wir wissen nicht einmal wo sie sind und ich bezweifle, dass sie uns einfach in Ruhe lassen werden“, warf Coilin ein. „Wir stehen bei null“, stöhnte Selena. „Alles was wir wissen ist, dass sie Rachegöttinnen sind und die Auferstehung von Alekto planen“, sagte Thea frustriert. „Die zwei werden uns niemals am Leben lassen, da wir wissen, was sie vorhaben“, sagte Selena. „Warum haben sie dann nicht angegriffen?“ Alle Blicke wanderten zur Treppe. Dort saß Runa auf einer Stufe und sah die anderen fragend an. „Alba sagte doch, dass das hier ein gesegneter Ort ist.“ „Das schon, aber sie sind auch nicht aufgetaucht.“ „Sie hat Recht“, sagte Damian. „Vielleicht haben sie Angst vor diesem Ort“, überlegte Thea laut. „Glaubst du das wirklich?“, fragte Sirius und zog eine Braue in die Höhe. „Hast du eine bessere Erklärung?“, erwiderte Thea. „Vielleicht können sie uns nicht sehen, besser gesagt unseren Standort“, sagte Mila. „Aber warum?“ Flanna sah Mila fragend an. „Irgendetwas hindert sie daran“, sagte Tiara und richtete sich auf. „Als ich noch gefangen war, konnten sie jeden von euch sehen, aber nur die Zwillinge nicht.“ Die anderen sahen Tiara an. „Du meinst, die Zwillinge sind der Grund dafür?“, fragte Killian. „Ich weiß nicht. Ich sage bloß das, was ich mitbekommen habe.“ „Konnten sie sonst noch jemanden sehen? Abgesehen von uns?“, fragte Sirius. „Keine Ahnung.“ „Also sind die Zwillinge unsere Beschützer?“, fragte Thea. „Nein. Es gab noch eine Person, die bei den Zwillingen war und das die ganze Zeit über“, sagte Ayla, die sich zum ersten Mal zu Wort meldete. „Wer denn?“ „Sie“, Ayla zeigte auf Runa. „Ich?“, fragte Runa überrascht. „Stimmt, du warst die ganze Zeit bei Levi und Linus“, warf nun Amon ein. „Du warst auch da, als Megaira aufgetaucht ist. Und sie kannte dich nicht“, sagte Sirius. „Ihr meint also, ich wäre der Grund dafür, dass sie uns noch nicht gefunden haben?“ Tiara konnte Runa ansehen, dass sie das bezweifelte. „Das ist das Logischste“, antwortete Sirius. „Das klingt doch lächerlich. Wie sollte so etwas überhaupt möglich sein? Ich bin keine Hexenmeisterin oder so etwas“, sagte sie und stand auf. „Aber eine andere Erklärung gibt es nicht“, fuhr Sirius fort. „Ich muss an die frische Luft.“ Runa verließ das Haus. „Also gut, wir haben unsere Erklärung, warum sie uns nicht angreifen, aber wir wissen immer noch nicht wo die zwei sich befinden“, sagte Damian. „Ich kann versuchen sie zu orten“, schlug Sirius vor. „Bloß nicht! Sie könnten es zurück verfolgen“, rief Mika. „In Filmen werden Tote immer in Grabstätten wiederbelebt. Aber Alekto hat kein Grab“, sagte Jack. „Sie hat zwar kein Grab, aber sie ist an einem Ort gestorben“, sagte Killian. „Du meinst doch nicht…“, fingt Selena an. „Das Tal, wo der Mondstein war.“ „Dann schwebt Helios in Gefahr. Wir müssen ihm eine Nachricht zu kommen lassen“, rief Selena. „Nicht nur das. Wir müssen dorthin.“ Jeder starrte Damian an. „Sollten wir nicht lieber in Sicherheit bleiben?“, fragte Thea. „Wir müssen sie aufhalten“, sagte Damian mit ernster Stimme. „Da gebe ich ihm Recht“, sagte Coilin. „Was ist mit Tiara und den Zwillingen?“, fragte Flanna. „Die bleiben hier. Hier ist es sicher und wenn sie die Angriffe auf uns konzentrieren, passiert ihnen nichts“, antwortete Mila. „Ich bleibe ganz sicher nicht hier“, rief Tiara. „Was redest du für einen Unsinn? Du kannst nicht mal auf den Beinen stehen!“, rief Killian. „Was ist, wenn sie mich noch einmal entführen wollen? Dann bringe ich die Zwillinge in Gefahr“, konterte Tiara. Langsam wurde sie wütend. Es wurden einfach Entscheidungen über ihr Leben getroffen und sie wurde nicht einmal gefragt! „Und wie sollen wir auf dich aufpassen, wenn wir im Tal sind?“, fragte Killian aufgebracht. „Ich brauche keinen Schutz!“ „Ach wirklich?“ „Ja!“, schrie Tiara, daraufhin wurde sie in grünes Licht getaucht. „Was zum…?“, hörte sie jemanden sagen. Die Tür ging auf und Runa kam rein. Ohne zu zögern ging sie zu Tiara. „Warte, das grüne Licht sieht nicht gerade einladend aus!“, rief Coilin. Doch Runa war bereits bei Tiara angekommen.