Bei ihrer Kammer angekommen, öffnete Val leise die Tür und warf einen Blick zu Ceara hinüber, die bereits schlief. Ihre Freundin wachte auch nicht auf, als sie sich langsam näherte und mit einem Ächzen vor ihr auf die Knie ging, um sie sachte an der Schulter zu berühren.
Cearas Schlaf konnte nicht besonders gut gewesen sein, denn sie schreckte bei der Berührung sofort auf, sodass Val ihr beruhigend die Hand an die Wange legte. „Alles gut.“
„Valeria?“ Ceara blinzelte verschlafen und rieb sich die Augen, ehe sie Val besorgt musterte. Doch ehe sie etwas sagen konnte, ging ihr Kopf hoch und ihr Blick richtete sich auf eine Stelle hinter Val. Fast schien es, als ob sie sich bei Alexeys Anblick ein wenig entspannte. „Gehst du zu ihm?“
Val nickte, beugte sich vor, gab Ceara noch einen Kuss auf die Stirn und zog ihr dann die Decke wieder hoch, ehe sie sich mit zusammengebissenen Zähnen auf die Beine zwang, Ceara eine Gute Nacht wünschte und auf dem Weg nach draußen noch ihr Nachthemd mitnahm. Dabei war sie ihrer Freundin unglaublich dankbar, dass diese keine Fragen stellte, obwohl sie ihr ins Gesicht geschrieben standen. Doch Val hatte heute nicht mehr die Kraft, ihrer Freundin etwas vorzumachen, um sie zu beschützen. Sie musste sich um sich selbst kümmern. Sehr dringend sogar, also zwang sie ihre Beine dazu, auch noch den Weg zu Alexeys Kammer zu bewältigen, der ihr auch sofort die Tür aufhielt, um sie einzulassen.
Im Gegensatz zu ihrer eigenen Kammer war es hier relativ hell, da Alexey einige Öllichter angezündet hatte, die wie so oft eine angenehme Atmosphäre schufen. In der Mitte des Raumes blieb Val schließlich etwas unschlüssig stehen, während sie hörte, wie Alexey hinter ihr seinen Helm abnahm und weglegte. Danach ging er mit wenigen langen Schritten an ihr vorbei und stellte ihr den Hocker vor den Tisch hin, auf dem er bereits alles bereitgelegt hatte, damit sie sich waschen konnte. Er nahm sogar den bereitgestellten Krug zur Hand und leerte für sie Wasser in eine Schüssel. Der Dampf, der dabei aufstieg, sagte Val, dass es noch richtig schön warm war.
Val ging zu dem Tisch hinüber, warf ihr Nachthemd darauf und ließ sich schließlich schwer auf dem Hocker nieder, während sie immer noch Alexeys Umhang so fest vor ihrer Brust zusammenhielt, als könnte man ihn ihr wegnehmen. Sie blickte nicht hoch und machte auch sonst keine Anstalten, sich irgendwie zu bewegen. Val konnte einfach nicht. Nachdem sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, fühlte sie sich so verdammt erschlagen und dreckig. Jede noch so kleine Bewegung erschien ihr wie eine unendliche Kraftanstrengung. Und vielleicht, wenn sie sich nicht bewegte und einfach nur hier sitzen blieb, würde der Albtraum, der sie den ganzen Tag über in seinen Fängen gehabt hatte, nicht wahr werden. Vielleicht würde er sich als Lüge entpuppen. Als ein simples Hirngespinst. Sie musste nur hier sitzen bleiben und alles ausblenden, was sie daran erinnerte. Der Schmerz an Stellen, die nie die Sonne sahen. Der grässliche Geschmack in ihrem Mund. Das ekelhaft klebrige Gefühl an den Innenseiten ihrer Schenkel und in ihrem Haar. Der widerliche Gestank, der sie wie eine dichte Wolke einhüllte. All das musste sie ausblenden. Wenn sie sich nicht rührte, dann …
Alexey trat vor sie und ging in die Hocke, sodass er zu ihr aufsah. Val schlug die Augen nieder und wich seinem Blick aus. Doch sie wehrte sich nicht, als er vorsichtig ihre Hände berührte, damit sie den Stoff seines Umhangs losließ. Ganz langsam und unendlich geduldig zog er den Stoff auseinander und über ihre bebenden Schultern, bis dieser mit einem Rutsch zu Boden glitt und sie halbnackt vor ihm saß. Wieder nahm sie die Hände hoch. Nicht nur, um sich zu bedecken, sondern auch, um sich selbst zu halten. Sie wollte nicht auseinanderbrechen.
Alexey wandte sich halb zum Tisch herum, nahm ein weiches Tuch zur Hand und tauchte es in das warme Wasser. Er drückte es aus und drehte sich zu Val zurück. Vorsichtig hob er die Hand mit dem Tuch an ihr Gesicht, zögerte für einen Moment und als Val nicht reagierte, strich er ihr damit über die geschwollene Wange.
Alexey ging unglaublich sanft vor, während er ihr auf diese Weise das Gesicht wusch. Val konnte dabei das vage Zittern seiner Hände spüren. Deutlicher, als er ihr mit der anderen Hand das dreckige Haar aus dem Gesicht strich. Noch immer brachte sie es nicht fertig, ihn anzusehen, oder auch nur einen Gedanken zuzulassen. Stattdessen war sie wie erstarrt. Sowohl in ihrem Inneren wie auch im Außen. Nicht einmal als Alexey wieder aufstand und hinter sie trat, reagierte sie. Im Gegensatz zu allen anderen war seine spürbare Präsenz in ihrem Rücken keine Bedrohung. Nein, sie mochte ihn noch nicht mit Fluchtplänen behelligen, weil sie ihm nicht genug vertraute, doch instinktiv vertraute sie ihm dennoch genug, um zu wissen, dass er ihr nichts tun würde. Nicht hier an diesem Ort, wo sie beide sie selbst waren. Ungestört von der Außenwelt, die nur Grauen für sie bereithielt.
Alexey strich Val sanft durch die Haare und brachte sie dabei dazu, den Kopf in ihren Nacken zu legen und die Augen zu schließen. Nachdem er die letzten Reste ihres Zopfes gelöst hatte, hielt er eine leere Schüssel unter ihr Haar, während er etwas Wasser aus dem Krug darüber goss, um es nass zu machen. Danach stellte er die Schüssel und den Krug zur Seite und verrieb eine wohlduftende Essenz darin. Der Duft von Kräutern und Blumen breitete sich im Raum aus und vertrieb den Gestank, den ihr Körper verströmte.
Obwohl es nicht nötig wäre, massierte Alexey ihr ein wenig die Kopfhaut, sodass Val, ohne es selbst zu bemerken, sich ein wenig zu entspannen begann. Er war äußerst gründlich. Wusch ihr Haar mehrmals durch, ehe er zufrieden war. Dabei war der Rest von ihr und vermutlich auch er selbst schon ganz schön durchnässt, als er damit fertig war, doch im Moment fror Val nicht mehr. Es war nicht nur die Wärme im Raum, die ihr guttat, sondern auch die Hitze, die spürbar von Alexeys Körper ausging. Inzwischen hatte er wieder nach dem Tuch gegriffen und es in der Waschschüssel ausgewaschen, ehe er neben ihr kniete und zunächst ihren Hals wusch, sich über ihre Schultern die Arme entlang arbeitete, die sie inzwischen nicht mehr völlig verkrampft um sich geschlungen hatte und schließlich über ihr Schlüsselbein tiefer ging.
Als das weiche Tuch über ihre rechte Brust strich und Vals Brustwarze neckte, durchlief ein Schauer Val und ihr Atem beschleunigte sich. Zunächst hob ihr Blick sich nur flüchtig, doch sobald sie Alexeys Gesichtsausdruck wahrnahm, konnte sie gar nicht mehr wegsehen. Es war nichts Lustvolles in seinen Augen zu erkennen. Kein Zeichen davon, dass ihr fast ganz nackter Anblick ihm auch nur irgendwie Vergnügen bereitete. Ganz im Gegenteil. Alexey biss offensichtlich so fest die Zähne zusammen, dass er fast damit knirschte. Auch seine Augenbrauen waren ein wenig zusammengezogen und seine Pupillen stark geweitet. Er war wütend. Scheinbar unglaublich wütend sogar, doch er versuchte offensichtlich, es nicht zu zeigen.
Diese so vollkommen andere Reaktion zog noch mehr von Vals Aufmerksamkeit auf Alexey. Gerade eben noch war ihr sein Befinden zum Großteil völlig entgangen, doch nun war es nicht zu übersehen, wie geladen er war. Wie jeder Muskel in seinem Körper angespannt war. Das Zittern seiner Hände hatte sie vorhin schon gespürt, doch nun wusste sie auch, dass sie vor Wut zitterten und er wohl auch deshalb eine solche Hitze ausstrahlte. Sein Atem ging flach und dennoch blähten sich immer wieder seine Nasenflügel, als würde er Witterung aufnehmen. Dabei war er unglaublich blass im Gesicht, sodass die Schnitte und die dunklen Nähte beinahe schon grotesk hervortraten. Fast erwartete Val ein bedrohliches Knurren, doch Alexey blieb auch weiterhin stumm.
Es war diese heftige Reaktion, die Val schließlich aus ihrer Erstarrung riss. Denn verdammt, sie sollte auch wütend sein. Sogar scheißwütend! Doch Alexey sollte es nicht sein. Er musste schon genug ertragen. Er sollte sich nicht auch noch auf diese Weise um sie kümmern müssen!
Bevor Alexey bei ihrer anderen Brust ankam, nahm Val ihm das Tuch aus der Hand und bekam nun so auch seine Aufmerksamkeit, die er bisher stur auf seine Tätigkeit gerichtet hatte.
Alexey hob den Kopf und sein intensiver, eindringlicher Blick richtete sich auf sie. Fast augenblicklich begann es in Vals Magen zu flattern, doch sie ignorierte das Gefühl. Stattdessen schluckte sie einmal hart, um den Knoten in ihrem Hals runterzubekommen und raunte dann leise und mit kratziger Stimme: „Danke, aber ich kann … selbst waschen mich.“
Für einen Moment regte Alexey sich nicht, sah sie nur weiterhin fest an, doch dann nickte er und stand auf. Weit ging er allerdings nicht, denn er nahm sich ein frisches Tuch und begann damit, ihr das feuchte Haar trocken zu reiben.
Val ließ ihn gewähren. So wütend wie er im Augenblick war, musste er wohl wenigstens irgendwas tun, um nicht zu explodieren. Sie konnte es nur zu gut verstehen. Sie hatte heute den ganzen Tag über immer wieder ihre Wut irgendwie runterschlucken müssen und das war keinesfalls eine leichte Aufgabe gewesen. Auch jetzt wollte sie wieder in ihr hochwallen, doch Val wollte nicht wütend sein. Nicht hier. Nicht bei Alexey. Sie wollte … Sie sollte sich erst einmal säubern und dann … würde sie schon sehen.
Es klang zwar nach einem halbwegs guten Plan, doch die Umsetzung gestaltete sich wirklich als schwierig. Val schaffte es zwar relativ gut, ihren Oberkörper zu waschen, doch als es daran ging, diese Scheiß Goldkettchen zu öffnen, damit sie den beschissenen Stoff um ihre Hüften loswerden konnte, zitterten ihre Hände so sehr, dass sie mit ihren Fingern die filigranen Verschlüsse einfach nicht aufbekam. Alexey musste ihr am Ende helfen, was sogar erstaunlich gut ging, obwohl er so riesige Hände hatte.
Als sie dann endlich diesen beschissenen Fetzen los war, rutschte Val auf dem Hocker ein Stück nach vor an die Kante. Sie war sich Alexeys Anwesenheit in ihrem Rücken nur zu deutlich bewusst, als sie noch einmal das Tuch auswusch und sich schließlich dazu zwang, ihre Beine zu öffnen.
Val konnte nicht sofort mit der Hand dazwischen gehen. Stattdessen wusch sie zunächst gründlich ihre verklebten Schenkel und Beine. Dabei überraschte es sie überhaupt nicht, dass sich das Tuch langsam ein wenig rosa färbte. Val hatte sich heute zwar überhaupt nicht gewehrt, doch der Perverse hatte dennoch ein Schlachtfeld in ihrem Schoß hinterlassen. Spätestens, als Val mit dem feuchten Tuch drankam und es beschissen zu brennen begann, wusste sie, dass sie gar nicht so genau wissen wollte, wie sie momentan dort unten aussah. Das Gefühl genügte ihr auch so.
Val merkte erst, dass sie hektisch zu atmen begonnen hatte, als sich Alexeys Arme vorsichtig um sie schlangen und er sie mit dem Rücken an seine Brust zog, sodass sie seinen kontrolliert tiefen Atem spüren konnte. Sein langes Haar kitzelte sie immer wieder an der Brust, die sich immer noch hektisch hob und senkte, doch langsam beruhigte Val sich. Es war nicht nur das Gefühl von Alexeys starken Armen, das sie so beschützend umfing, sondern auch seine Wärme und sein Duft. Ja, genau das hatte sie den ganzen Tag über schmerzlich vermisst. Dieses Gefühl. Diese Nähe. Diesen … Mann.
Nach anfänglichem Zögern lehnte Val von selbst ihren Kopf gegen Alexeys Schulter und schloss für einen Moment die Augen, um alles auszublenden, was gerade nicht mit ihrem Beschützer zu tun hatte.
Sie konnte seinen Atem an ihrer Wange spüren, kurz bevor er zärtlich seine Lippen an ihre Schläfe legte und sie durch die Nähte ein wenig kitzelte. Dieser zarte Kuss war so unschuldig wie wohltuend und wurde noch untermalt mit sanften Fingern, die ihr durchs feuchte Haar streichelten.
Wie lange sie beide so blieben, wusste Val nicht. Sie war umfangen von Alexeys Wärme, atmete seinen herrlichen Duft ein, der alle anderen Gerüche vertrieb und spürte seiner Nähe und Zuneigung für sie nach. Immer noch war es ihr ein Rätsel, warum dieser Mann für sie da war. Warum er ihr seine Zuneigung so offen zeigte, obwohl er genau wusste, was ihnen beiden blühte, sollte die Eiskönigin je dahinter kommen. Es war ihr beider Glück, dass diese im Augenblick nicht da war. So viel hatte Val heute mitbekommen. Wann genau das Drecksstück zurückkam wusste nicht einmal der Perverse, doch wenn es nach Val ging, konnte sie auch für immer wegbleiben. Ein Scheusal im Haus genügte vollkommen und so blieb wenigstens Alexey vor weiteren Grausamkeiten verschont.
Erst als Val sich regte, reagierte auch Alexey, indem er sie langsam wieder losließ und ihr noch ein letztes Mal durchs Haar strich. Danach kam er wieder auf die Füße, um etwas zu holen, das auf der Truhe neben seinem Bett stand. Als er zu ihr zurückkam konnte sie wieder ein kleines Schälchen in seiner Hand erkennen, das er ihr zeigte. Es sah wie eine Salbe aus und roch schwach nach Kräutern. Dazu hatte sie eine ungewöhnliche rosa Färbung. Als Val Alexey fragend ansah, da das eindeutig nicht die Kräuterpaste für ihren Rücken war, deutete er knapp auf ihren Schoß, ohne jedoch seine Augen von ihrem Gesicht zu nehmen, und überreichte ihr dann das Schälchen.
Val warf das nasse Tuch zurück in die Schüssel und war unschlüssig, ob sie tatsächlich auch noch mit den Fingern an ihre Verletzungen rangehen wollte. Doch wenn die Salbe auch nur annähernd so gut half, wie das Zeug für ihren Rücken …
Alexey hatte sich bereits taktvoll von ihr abgewandt und legte gerade seinen Gürtel ab, um sich die nasse Tunika über den Kopf zu ziehen. Sobald Val einen nackten, mit roten Linien übersäten Hintern sah, wandte sie sich wieder ab und nahm etwas von der Salbe auf ihre Finger, um sie aufzutragen. Das Brennen wurde fast augenblicklich deutlich gemildert, sodass Val noch mal von der Salbe nachnahm und sie nun sehr viel großzügiger auftrug. Auch in sich verteilte sie eine ordentliche Menge davon, da sie ganz schön wund war und die Salbe die unerträgliche Trockenheit in ihr milderte.
Sobald Val fertig war, kam sie auf ihre zittrigen Füße, wusch sich die Hände in der Schüssel und trocknete sich noch grob ab, bevor sie ächzend in ihr Nachthemd schlüpfte. Inzwischen hatte auch Alexey wieder eine frische Tunika übergezogen und war auch sofort zur Stelle, als Vals Beine sie nun wirklich nicht mehr tragen wollten und sie einfach umzufallen drohte.
Alexey hob sie sanft hoch, als wöge sie nichts und setzte sie vorsichtig auf sein Bett. Von einem anderen Krug schenkte er ihr Wasser in einem Becher ein, den sie dankbar annahm, um hastig zu trinken. Vals Kehle war wie ausgedörrt. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen oder getrunken. Wie auch, wann hätte sie dafür Zeit finden sollen? Wann hätte der Perverse sie denn gehen lassen?
Auch den zweiten Becher voll Wasser stürzte Val nur so hinunter, doch anstatt ihr noch ein drittes Mal den Becher zu füllen, wurde Val eine Schüssel mit warmem Eintopf und ein großes Stück Brot in die Hände gedrückt. Allein vom Duft des Essens begann ihr Magen vor Hunger geradezu zu brüllen, sodass sie die ersten Bissen äußerst gierig hinunter schlang.
Erst als Alexey sich hinter sie setzte, sah Val hoch, doch der Kamm in seiner Hand verriet ihr sein Vorhaben und kurz darauf konnte sie auch schon seine wohltuenden Finger in ihrem Haar spüren. Sanft fing er dabei bei ihren Spitzen an und war so sehr darauf bedacht, ihr nicht an den Haaren zu ziehen, dass er vermutlich die ganze Nacht dafür brauchen würde, doch anscheinend wollte er es um jeden Preis vermeiden, ihr auch nur ein bisschen wehzutun.
Sehr viel langsamer und umso nachdenklicher aß Val weiter, während sie sich Alexeys Nähe in ihrem Rücken und seinen Berührungen nur zu deutlich bewusst war. Ab und an rieselte ihr sogar ein warmer Schauer über den Rücken, der sie selbst überraschte. Doch so elend und dreckig sie sich vorhin noch gefühlt hatte, dieser Mann hatte dafür gesorgt, dass sie sich inzwischen vollkommen anders fühlte. Sie fühlte sich frisch und sauber. Ihre neue Wunden waren versorgt. Der grässliche Geschmack war aus ihrem Mund verschwunden. Ihr gröbster Durst gestillt und nun füllte sich auch langsam ihr hungriger Magen mit köstlichem Eintopf. Dazu noch die zärtliche Behandlung seiner Hände …
Wäre es nicht so völlig absurd, Val könnte beinahe vor Wohlbehagen schnurren. Denn wie auch immer Alexey es anstellte, ob es nun an ihm selbst oder an der heimeligen Atmosphäre lag, der heutige Tag war inzwischen deutlich von ihr abgerückt und auch in ihren Gedanken nicht mehr so stark präsent. Dafür rückte Alexey immer weiter in den Vordergrund und Val hatte nun wirklich nichts dagegen, sich ausführlicher mit ihm zu beschäftigen.
Val aß, so viel sie runterbrachte, doch Alexey hatte ihre Portion so großzügig bemessen, dass sie sogar etwas davon stehen lassen musste.
Während sie die Schüssel zurück auf die Truhe stellte, war er gerade dabei, ihr einen lockeren Zopf für die Nacht zu flechten. Geduldig wartete Val ab, bis er damit fertig war, erst dann drehte sie sich ganz zu ihm herum und sah ihn an.
Seine Wut war deutlich verraucht, doch er wirkte immer noch angespannt und ebenfalls sehr nachdenklich, denn er erwiderte Vals Blick erst, als sie ihn vorsichtig an der Wange berührte. Dabei kam sie ihm so nahe, dass sie spürte, wie ihm der Atem stockte und er sich noch mehr anspannte. Doch Val hatte nichts vor, das ihn tatsächlich aus der Fassung bringen könnte. Stattdessen besah sie sich gründlich die Nähte an seinen Lippen und schüttelte dann mit gerunzelter Stirn den Kopf. Sie war nicht zufrieden mit dem Heilungsfortschritt der Wunden.
Sie hätten nach ein paar Tagen schon deutlich besser aussehen müssen, erst recht, wenn sie Alexeys bisherigen Heilungserfolg bedachte. Nein, Val konnte sich wirklich keinen Reim darauf machen. Weder darauf, dass seine Wunden jetzt so langsam heilten, noch darauf, dass die Verletzung, die sie ihm damals zugefügt hatte, so schnell geheilt war. Alexey blieb ihr nach wie vor ein Rätsel.
Da sie für seine Lippen ohnehin nicht mehr tun konnte, als sie ohnehin schon getan hatte, besah Val sich nun die restlichen Schnitte in Alexeys Gesicht, die ebenfalls kaum besser als am ersten Tag aussahen. Das gleiche Ergebnis fand sie auch auf seiner Brust vor, als sie ein wenig den Ausschnitt seiner Tunika von ihm wegzog, um hineinsehen zu können. Durch die Nässe vorhin blutete er sogar schwach an der einen oder anderen Stelle. Sogar an seinen Armen, dort wo er mit dem Wasser in Berührung gekommen war, als er ihr die Haare gewaschen hatte. Es war zwar nicht weiter tragisch, da er es auf jeden Fall überleben würde, doch es war wirklich mehr als seltsam.
Val nahm schließlich Alexeys Hand und legte sie in ihren Schoß, während sie sie mit ihren eigenen Händen hielt und zart mit den Daumen die roten Zeichen auf seinem Handrücken nachzeichnete.
„Diese Schnitte …“, begann sie langsam, da ihr heute eindeutig schon die Konzentration für diese Sprache fehlte. „… ungewöhnlich, nicht wahr?“ Val hob ihren Blick von Alexeys Hand und sah ihn fragend an.
Alexey erwiderte ihren Blick und nickte einmal. Kurz entlockte er ihr sogar ein winziges Lächeln als sein Daumen einen der ihren einfing und festhielt. Doch Val wurde sehr schnell wieder ernst. „Darum heilen langsamer?“
Es folgte ein weiteres Nicken.
Val seufzte und erinnerte sich daran, was noch alles ungewöhnlich an diesen Verletzungen war. Zum Beispiel die Tatsache, dass eben genau jene Zeichen, die die Wunden darstellten, in der Nacht zuvor noch seltsam geleuchtet hatten. Ganz so, als würde man sie von innen heraus beleuchten, was einfach nicht sein konnte und dennoch hatte sie gesehen, was sie gesehen hatte. Daran zweifelte Val nicht im Geringsten.
„Dieser Ort … so seltsam …“ Ein weiteres Seufzen und Kopfschütteln folgte. War das alles denn wirklich echt?
Alexeys Hand an ihrer Wange war es zumindest, denn sie konnte sehr genau die Wärme spüren, die von ihm auf sie überging, als er sie berührte, und auch alles andere, was damit einherging.
Val legte ihre Hand auf seine, um sie an Ort und Stelle festzuhalten, während sie die Augen schloss und seinen Trost wie ein Schwamm in sich aufsaugte. Noch mehr ihrer Anspannung fiel dabei von ihr ab und machte langsam aber sicher einer erschlagenden Müdigkeit Platz, sodass Val sich schließlich mit geschlossenen Augen nach vorne lehnte, bis ihr Gesicht Alexeys Brust berührte. Ein weiterer tiefer Seufzer folgte, nachdem auch ihre Finger seine Seiten gefunden hatten und sich daran festhielten. Mit einem Mal war Val so müde, dass sie sich gar nicht mehr rühren wollte. Ihr Rücken hätte zwar noch eine weitere Behandlung mit der Kräuterpaste gut vertragen können, doch Val wollte sich auf keinen Fall mehr von Alexey lösen. Das schien auch er am Ende zu begreifen, denn anstatt zuvor noch die ganzen Öllichter zu löschen, drehte er sich mit Val zusammen auf die Seite, damit er sich mit ihr der Länge nach auf dem Bett ausstrecken konnte.
Er hatte noch gar nicht seine endgültige Schlafposition gefunden, da war Val vor Erschöpfung auch schon eingeschlafen.