Val wurde relativ unsanft von einem kleinen Erdbeben geweckt. Besser gesagt von einem weiteren Nachbeben, denn in dieser Nacht war sie mehr als nur einmal unsanft durchgerüttelt worden.
Auch dieses Mal war Alexey der Grund für die Erschütterung, die das ganze Bett zum Wackeln brachte und Val nicht zum ersten Mal weckte. Glück für sie war nur, dass er während seiner Albträume nicht um sich schlug, denn dann wäre Val auf keinen Fall heil aus der Sache rausgekommen. So aber zuckte er nur hin und wieder und gab haarsträubende Knurrlaute von sich, während sich jeder seiner Muskeln bis aufs Äußerste anspannte.
Anfangs war Val noch zu erschöpft gewesen, um großartig darauf zu reagieren. Sie hatte ihn lediglich im Halbschlaf beruhigend streicheln und ihm irgendeinen Kauderwelsch zuflüstern können, bis Alexey wieder still schlief. Doch im Laufe der Nacht waren die Albträume schlimmer geworden und dieses Mal sogar so heftig, dass er sich tatsächlich mit Val im Arm herumwarf. Gerade noch so konnte sie sich an seiner Seite festhalten, um am Ende nicht noch aus dem Bett befördert zu werden. Dabei kam sie auf seiner Brust zum Liegen, die sich unter ihr hektisch hob und senkte.
„Hey, alles gut. Es ist alles in Ordnung.“ Val umfasste mit beiden Händen Alexeys Gesicht und versuchte ihn sanft zu wecken. Sie hatte keine Ahnung, was wäre, wenn er ruckartig aus seinem Traum gerissen wurde, zumal er scheinbar trotz der Albträume sehr tief schlief. Am Ende beförderte er sie vielleicht sogar noch bis zur Tür.
Im Schlaf versuchte Alexey ihrer Berührung auszuweichen, während er nun eindeutig die Zähne fletschte – zumindest spürte Val, wie sich seine Gesichtszüge noch mehr verzogen, und auch die Tatsache, dass sie auf ihm lag, gefiel ihm offenbar nicht gerade. Ein triftiger Grund für sie schließlich doch aus dem Bett zu klettern, um die Öllampe wieder anzumachen und Alexey auch mehr Freiraum zu geben. Wahrscheinlich wurde er gerade in seinen Träumen von dieser Bitch und ihrem neuen Stecher gequält, das wollte sie nicht auch noch durch ihre Anwesenheit bestärken.
Val kam allerdings gar nicht erst dazu, nach der Öllampe zu tasten, denn da hatte sich auch schon eine riesige Hand um ihren Unterarm geschlungen und hielt sie fest.
„Alexey?“, versuchte sie es noch einmal vorsichtig.
Statt eine Antwort zu bekommen wurde Val zurück zum Bett gezogen, wo sich ein Arm gefühlt so dick wie ein Schlauchboot um ihren Rücken legte und sich ein Gesicht an ihren nackten Bauch presste. Leise raunte es heiß gegen ihre Haut, doch Alexeys Stimme raspelte im Moment so sehr, dass sie ihn nicht verstehen konnte.
„Was sagst du?“ Val wagte es nun doch, ihn am Kopf zu berühren und ihm durch das weiche Haar zu streicheln.
„Geh … nicht weg …“, brummelte es erneut gegen ihren Bauch, bevor Alexey sich im Bett aufrichtete und sie einfach von den Füßen hob, um sie nun wieder voll in die Arme schließen zu können. Ein wenig kam sich Val dabei vor, als wäre sie das Kuscheltier für einen Riesen, aber sie verstand durchaus, dass Alexey nach seinen beschissenen Träumen nicht allein sein wollte, also versuchte sie einfach wieder die Decke über sie beide zu ziehen. Sie fror zwar nicht, da Alexey eine beachtliche Hitze ausstrahlte, aber sie fühlte sich mit dem Stoff um sich herum einfach wohler.
„Bist du wieder ganz wach?“, fragte sie vorsichtshalber noch mal nach und kuschelte sich in seine Halsbeuge.
Dieses Mal erhielt sie wieder nur ein undefinierbares Brummen als Antwort, während er sich geradezu an sie schmiegte und scheinbar gar nicht mehr loslassen wollte. Dabei atmete er immer wieder tief ein, was gut war, denn er schien sich dadurch auch zu beruhigen.
Da er die Nähe nun auch wieder wollte, streichelte Val ihm über den Nacken und die Schulter. Immerhin hatte sie selbst auch absolut nichts dagegen, von ihm gehalten zu werden. Einfach zu spüren, dass da jemand war, dem man etwas bedeutete. Natürlich hatte sie auch Ceara, aber von so einem Riesen gehalten und beschützt zu werden … Das war einfach etwas anderes, als von einer jungen Frau, die selbst allen Schutz der Welt nötig hätte, den Val ihr aber nicht geben konnte.
„Geht’s wieder?“, fragte Val nach einer Weile des Schweigens und Haltens leise nach, woraufhin Alexey sie sogar noch fester hielt. Gerade so, dass sie noch Luft bekam, mehr aber auch nicht. Val ließ es einfach geschehen. Sie wusste ja, dass Alexeys Verfassung nicht von jetzt auf gleich wieder in Ordnung kommen würde. Das konnte durchaus noch eine Weile dauern. Zudem war sie auch wirklich gerne für ihn da. Denn er hatte es mehr als verdient und im Nachhinein tat es Val immer noch leid, was sie so alles über Alexey gedacht hatte, als sie über ihn eigentlich noch gar nicht wirklich etwas wusste. Schrecklich war für sie auch, dass sie selbst jedes Mal wünschte, irgendjemand würde sie von dem Perversen befreien, wenn er sie mal wieder benutzte, doch natürlich half ihr niemand und dann musste sie daran denken, wie oft sie bei Alexey einfach nur tatenlos daneben gestanden hatte. Ihm nicht geholfen hatte, obwohl er vor ihren Augen immer wieder von der Eiskönigin missbraucht worden war.
Zwar konnte sie sich damit noch herausreden, dass es nicht so ausgesehen hatte, aber wirklich glücklich hatte er dabei ja auch nicht gewirkt. So oder so, es wurmte Val enorm. Vor allem, weil auch sie nichts tun konnte, um Alexey am Ende zu helfen. Sie konnten nur gegenseitig ihre Wunden lecken und zusehen, dass sie so bald wie möglich dieser Hölle entkamen. Doch dazu musste Alexey erst mal wieder gesund werden und dann gab es natürlich auch immer noch das Problem mit diesem Fluch, der auf ihm lag und der dafür sorgte, dass er alles tun musste, was diese verdammte Bitch von ihm verlangte. Ohne diesen Mist hätten sie vermutlich schon in den nächsten Tagen oder Nächten abhauen können, sobald Alexey wieder dazu in der Lage war, richtig zu laufen. Aber so …
Val hatte wirklich keine Ahnung, was sie beim letzten Mal angestellt hatte, um Alexey die Fähigkeit zum Lügen zurückzugeben. Ganz zu schweigen davon, wie sie es bewerkstelligen sollte, dass ihm sein ganzer Körper wieder gehorchte. Sie wusste auch nicht, wie ihre angebliche Heilgabe funktionierte, wo sie sich doch nicht einmal selbst helfen konnte. Wie sollte es ihr unter diesen Umständen also überhaupt möglich sein, etwas für Alexey oder gar gegen den Fluch zu tun?
Val wollte ein schweres Seufzen entkommen, das sie sich aber am Ende verkniff. Alexey hatte im Moment genug eigene Probleme, da sollte er sich nicht auch noch um ihre kümmern müssen.
Für eine ganze Weile saßen sie also einfach nur so da, hielten einander und lauschten dem Atem des anderen, bis Alexey sich merklich versteifte und Val sich weiter aufrichtete, um ihn fragend anzusehen, ohne wirklich was sehen zu können.
„Was ist los?“
Zunächst bekam sie nur ein Knurren von ihm, bis Alexey sich dann doch zu einer Antwort hinreißen ließ. „Das Haus erwacht. Du solltest gehen …“
Nicht, dass er auch nur irgendwie Anstalten machte, sie loszulassen, damit Val tatsächlich gehen konnte, stattdessen zog er sie wieder eng an seine Brust und Val spürte geradezu, wie es in ihm arbeitete.
„Ich will auch nicht gehen …“, gestand sie ihm leise und gestattete sich nun doch ein Seufzen. „Aber ich muss und je schneller ich gehe, umso eher kann ich wieder zu dir.“ Val sprach es mit einer ordentlichen Portion gelogenem Optimismus in der Stimme aus, aber was half es schon, hier und jetzt in Selbstmitleid zu baden?
Darum machte sie sich schließlich auch von Alexey los, nachdem sie ihm einen geradezu keuschen Kuss auf die Wange gegeben hatte. Mehr brachte sie im Augenblick nicht übers Herz. Immerhin war sie schon dabei, die inneren Mauern ihres Widerstands hochzuziehen, um die kommenden Stunden mit dem Perversen wenigstens irgendwie ertragen zu können.
Obwohl es Alexey ganz eindeutig nicht schmeckte, ließ er sie schließlich gehen und entzündete sogar die Öllampe für sie, damit Val ihr fast getrocknetes Nachthemd finden und anziehen konnte.
Als sie ihn wieder ansah, wirkte Alexey so erschöpft, wie sie sich fühlte. Zudem auch noch todunglücklich und voller unterdrückter Aggression. An seinem Pokerface musste er eindeutig noch arbeiten, aber gerade dabei half ihm wohl auch der metallene Helm, den Val früher so verteufelt hatte. Jetzt fand sie es sogar gut, wenn Alexey ihn aufsetzen und sich somit wenigstens etwas von der Außenwelt abschirmen konnte.
„Versuch, noch ein wenig zu essen, ja?“, gab sie noch zu bedenken. Hoffentlich versuchte er es wirklich, denn so ausgezehrt gefiel Alexey ihr absolut nicht. Nicht etwa der Ästhetik und Schönheit wegen, sondern weil es sehr deutlich machte, was man ihm in den letzten Tagen und Wochen angetan hatte.
Alexey musste so schnell wie möglich wieder zu Kräften kommen, damit er bereit war, sollte eine Flucht tatsächlich einmal denkbar werden. Nicht, dass sie vorhatten mit Pauken und Trompeten abzuhauen, aber ein bisschen Schlagkraft konnte auf keinen Fall schaden und da hatte Val in ihrem momentanen Körper einfach die schlechteren Karten.
Alexey nickte, stand dann aber auf, um noch einmal zu ihr zu gehen, dabei seine Nacktheit völlig ignorierend. Auch für Val spielte sie im Moment keine Rolle. Stattdessen ließ sie sich noch mal in den Arm nehmen und erwiderte die Geste, ehe Alexey sie zur Tür brachte.
Bevor sie wirklich gehen konnte, hielt er sie noch einmal an der Hand zurück und sah ihr fest in die Augen: „Irgendwann werde ich ihn umbringen. Dafür, was er dir antut …“
Val lächelte grimmig, als sie an den Perversen dachte. „Sofern ich dir nicht zuvorkomme.“
Sie streckte sich noch ein letztes Mal für einen flüchtigen Kuss. „Wir sehen uns später.“ Dann ging sie, bevor man sie noch bei ihm erwischen, oder Ceara ob ihres Fehlens Probleme bekommen konnte.
Eben jene fiel Val auch beinahe um den Hals, als sie sich in ihre gemeinsame Kammer zurückschlich.
„Ich dachte, du kommst zu spät!“ Ceara hielt sich gar nicht erst lange mit einer Begrüßung auf. Sie zog Val auch sofort zu ihrem Strohsack und drückte sie darauf nieder, bevor sie ihr hastig das Nachthemd über den Kopf zerrte und Val dabei half, stattdessen in ihr schlichtes Hauskleid zu schlüpfen, das sie ohnehin nicht lange anhaben würde. Auch war es im Grunde genommen unsinnig, ihr die Haare zu kämmen und zu flechten, doch Val sagte nichts zu ihrer geschäftigen Freundin. So gut kannte sie Ceara inzwischen, dass das einfach ihre Art war, mit Stress umzugehen.
„Alles in Ordnung?“, kam auch schon prompt die Frage, die Val eigentlich so gar nicht wirklich beantworten konnte. Doch vermutlich waren ihre Augenringe einfach nicht zu übersehen und dass Val mit Müh und Not immer wieder ein Gähnen unterdrückte.
„Schlechter Schlaf. Alexey hat böse Träume. Aber er hat ein wenig essen.“
Ceara erwiderte nichts darauf und die Art, wie sie ihre Lippen zusammenkniff, sagte Val, dass ihre Freundin immer noch nicht wirklich damit einverstanden war, dass sie immer wieder bei Alexey übernachtete. Ob es nun irgendwie Eifersucht war, oder einfach nur daran lag, dass Ceara sich Sorgen um Val machte, konnte sie nicht so genau sagen, aber sie hatte im Moment auch nicht die Zeit und Energie um nachzufragen.
Fest stand zumindest, dass Ceara Alexey besser kennenlernen sollte, um ihre antrainierte Abneigung ihm gegenüber zu verlieren. Ihre Freundin hatte trotz allem wohl immer noch ein falsches Bild von ihm und das sollte sich ändern, wenn sie irgendwann gemeinsam fliehen wollten.
„Ihm geht es schlecht, nicht wahr? Hat die Domina ihn so schwer bestraft?“
Vals Augen wurden vor Verwunderung groß, da sie mit dieser Frage oder diesem Interesse von Cearas Seite her gar nicht gerechnet hatte. Irrte sie sich etwa doch in ihrer Freundin?
„Ja. Sehr schwer. Nicht nur sein Körper, sondern auch … sein Geist …“ Ein bisschen unwohl fühlte Val sich dabei, Ceara mehr über Alexey und seinen Zustand zu verraten. Als wäre es ihr ganz spezielles Geheimnis, das sie für sich behalten wollte, doch auf der anderen Seite war das eigentlich genau das, was Ceara ein besseres Verständnis für Alexey bringen könnte. Es konnte also nicht schaden, denn soweit vertraute Val auf Ceara, dass ihre Freundin dieses Wissen nicht gegen sie verwenden würde. Wäre es anders, sie hätte sie schon längst verraten können. Aber letztendlich saßen sie alle drei als Sklaven im selben verdammten Boot fest und mussten zusehen, wie sie aus der Sache wieder rauskamen.
„Das klingt sehr seltsam. Er wirkt immer so stark und beängstigend. Unnahbar, wie nicht von dieser Welt.“ Ceara band Vals Zopf am Ende mit einer kleinen Haarsträhne zu und sah sie dann mit großem, ehrlichen Blick an. „Doch der Schein trügt?“
Val wusste nicht wieso, doch plötzlich war sie verdammt kurz davor, in Tränen auszubrechen, während sie einfach nur nicken konnte.
Um ihren bevorstehenden Gefühlsausbruch zu verschleiern, schlang sie die Arme um Ceara und drückte ihre Freundin an sich. Es war anders, als Alexey zu umarmen, aber keinesfalls schlechter. „Er eigentlich sehr warm und … sanft. Er guter Mann, der böse Dinge tun muss. Das sehr schwer für ihn.“
Ceara spürte wohl Vals Zittern, denn sie drückte ihre Freundin fester an sich und streichelte ihr besänftigend über den Rücken. „So schwer es auch ist, er ist gesegnet, dass du nun für ihn da bist. Dich um ihn kümmerst … und ihn liebst …“
Bei Cearas Worten versteifte Val sich unwillkürlich, sodass ihre Freundin sie wieder losließ und ihr fest in die Augen zu blicken versuchte, was gar nicht so einfach war, denn Val wich ihrem Blick aus.
„Du liebst ihn doch, nicht wahr?“, hakte Ceara sanft nach und wischte Val über die Wange. „Ich kann es sehen.“
Mochte ja sein, dass ihre Freundin Vals Sorge um Alexey richtig interpretierte. Sie kam deshalb trotzdem nicht mit der völlig unerwarteten Erwähnung des L-Worts klar und allein der Gedanke daran, drehte ihr merkwürdigerweise fast den Magen um. Vielleicht lag es auch an der Schwangerschaft, aber DARAN würde sie jetzt erst recht nicht denken.
Überhaupt war Val zum ersten Mal wirklich und wahrhaftig froh darüber, dass die Sklaventreiberin wie immer völlig unangekündigt aber zur rechten Zeit bei ihrer Tür hereinschneite, um Ceara in die Küche zu schicken und Val für ihre tägliche Beautysession mitzunehmen. So blieb gar nicht erst die Zeit über Dinge wie Liebe und Schwangerschaften nachzudenken. Wofür Val eigentlich ganz dankbar war.
***
Auf Valerias Rat hin hatte Alexey tatsächlich noch einmal versucht, ein wenig zu essen und auch noch etwas zu schlafen, doch wo ersteres wenigstens halbwegs gelang, fiel ihm letzteres so schwer, dass er es schließlich aufgab. Ohne seine kleine Kriegerin fand er keinen Schlaf. Im Gegenteil. Das Wissen darüber, wo oder besser gesagt bei wem sie sich im Augenblick befand, machte ihn nicht nur rastlos, sondern geradezu rasend.
Für gewöhnlich hätte Alexey diese Art von überschüssiger Energie und aufgestauter Aggression am Palus ausgelassen, doch er durfte genau genommen seine Kammer nicht verlassen, sobald die Gefahr bestand, in seinem Zustand von jemandem gesehen zu werden. Also war er hier eingesperrt und konnte nichts weiter tun, als kleine Runden vom Bett zum Tisch hin zur Tür und wieder zurück zum Bett zu drehen. Das Gehen fiel ihm dabei schon deutlich leichter, dennoch war er noch weit davon entfernt, wieder der Alte zu sein. Letztendlich würde er das wohl auch nie wieder werden. Nicht nach allem, was vorgefallen war, denn er würde es nicht so einfach vergessen können.
Im Laufe des Tages erreichten Alexeys Emotionen mehrere Höhen und Tiefen. Mal stand er kurz davor, den Verstand zu verlieren, während er wie ein kleines Kind weinte und sich selbst hielt, dann schlug das Wetter seiner Gefühle unvermittelt um und er wurde so wütend, dass er beinahe daran erstickte.
Mehrmals stand er kurz davor die wenigen Dinge, die er in seiner Kammer besaß, kurz und klein zu schlagen. Lediglich der Gedanke daran, dass Valeria das Chaos am Abend sehen würde, hielt ihn davon ab. Er wollte ihr nicht erklären müssen, warum er alles in seiner rasenden Wut und seinem brodelnden Hass auf Vorenus zu Kleinholz verarbeitet hatte. Auch so beschämte ihn das Wissen, wie sehr er sich in ihrer Nähe hatte hinreißen lassen. Wie wenig Kontrolle er über sich besessen hatte und dass er ihr eine so große Bürde war, obwohl ihre eigenen Sorgen und Probleme sie bereits beugten.
Während seine Emotionen ihn immer wieder erschütterten, versuchte Alexey sich stets auf die schönen Dinge zu besinnen, die ihm seit Valerias Erscheinen widerfahren waren. Wie es sich anfühlte, wenn sie ihn berührte und küsste. Die Wärme, die sie ausstrahlte und dennoch nichts mit Hitze zu tun hatte. Zumindest keiner rein körperlichen. Wie wild sein Herz jedes Mal schlug, sobald er sie sah.
So sehr ihn diese Gedanken und Erinnerungen auch besänftigten, die Kehrseite der Medaille ließ sich absolut nicht leugnen. In ihm kamen dabei durchaus auch unangenehme Empfindungen hoch.
Wie er sich ihr aufgedrängt hatte, als er dachte, er würde träumen. Wie ernüchternd das anschließend böse Erwachen gewesen war. Es war schön und beängstigend zu gleich, zu wissen, dass Valeria seiner Nähe nicht abgeneigt war. Trotz allem, was zwischen ihnen vorgefallen war. Dennoch war Alexey auch in Sorge, dass ihn das alles am Ende scheitern lassen könnte. Dass er ihrer Zuneigung vielleicht nicht gerecht wurde und er sie enttäuschte. Davor fürchtete er sich tatsächlich am meisten.
So müßig all diese Denkerei auch war, seine Gedanken drehten sich unaufhaltsam wie ein Wirbelsturm in seinem Kopf im Kreis, ohne einen Anfang oder ein Ende zu finden, bis Alexey nicht mehr einfach nur still dasitzen konnte. Trotz seiner körperlichen Schwäche und den wenigen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung standen, um gezielt trainieren zu können, begann er damit, sich völlig zu verausgaben. Erst als jeder seiner Muskeln protestierte und jeder einzelne Knochen im Leib schmerzte, war es so still in ihm, dass er die verbleibende Zeit bis zum Abend ohne weitere größere emotionale Schübe durchstehen konnte. Dennoch schnellte er wie ein abgeschossener Pfeil von seiner Bettstatt hoch, als das Warten ein Ende zu haben schien und die Tür zu seiner Kammer endlich geöffnet wurde.
Die Ernüchterung folgte jedoch sogleich auf dem Fuße, als Alexey seine hochschießende Aggression hinunterschlucken und seine bis zum Anschlag ausgefahrenen Fangzähne verbergen musste. Was ihm kaum gelingen wollte, als schließlich auch noch Valerias Duft in seine Nase drang, und die ohnehin latent vorhandene Mordlust ihn mit einem Mal schier zu überwältigen drohte.