Val schwankte zwischen Entsetzen, Wut und Verzweiflung. Nach außen hin wirkte sie zwar gefasst, doch eigentlich schrubbte sie ihr Nachthemd nur deshalb so intensiv, um sich davon abzuhalten, einfach loszuschreien.
Die ganze Zeit über, während sie sich nun schon dem Perversen fügen musste, hatte sie nicht daran zu denken versucht, welche logische Konsequenz daraus zu ziehen war. Ablenkung hatte es glücklicherweise genug gegeben und bedachte man dann auch noch ihre Vorgeschichte … Ein Schwangerschaft war so ziemlich das Letzte, was sie im Moment gebrauchen konnte. Schon gar nicht, wenn der Vater dieses beschissene Arschloch war, doch so schrecklich sich das auch anfühlte, der Gedanke, ihr eigenes Kind zu töten, war noch bei weitem entsetzlicher.
Außerdem bestand immer noch die Möglichkeit, dass sich die Sache mit der Zeit von selbst erledigte. Sie hatte zwar nun einen anderen Körper, doch änderte das tatsächlich etwas? Logisch betrachtet, ja, doch Val hatte schon lange das Gefühl, das ihr keine Kinder bestimmt waren. Egal von wem. Sie würde wohl nie eine Mutter werden. Damit hatte sie sich schon lange abfinden müssen und auch jetzt wollte sie nicht daran denken. Val konnte einfach nicht daran denken. Es gab schon so viel Scheiße, die sie an diesem Ort ertragen musste und da war auch noch Alexey … Er wirkte im Moment zwar stabil, doch das könnte sich jederzeit wieder ändern. So schnell erholte man sich nicht von einer Belastungsstörung.
Val konnte es sich im Augenblick also gar nicht leisten, diese ganz spezielle Tür zu öffnen. Dieses Thema aufzugreifen und sich näher damit zu befassen. Sie wollte es momentan auch gar nicht. Zweieinhalb Wochen war auch nicht sehr weit. Sie hatte also noch Zeit, bevor es offensichtlich wurde. Hoffentlich genug Zeit, um … Pläne zu haben. Für diese Sache, eine Flucht, für was auch immer. Val hatte verdammt noch mal nicht vor, einfach nichts zu tun und sich mit der Situation abzufinden. Sie meinte, was sie sagte, wenn sie behauptete, dass sie schon irgendwie eine Lösung für Alexeys Problem finden würden. Sie mussten einfach.
Während Val ihr Nachthemd passiv-aggressiv von dem Blut befreite, stand Alexey schließlich auf und verließ seine Kammer. Es war gut, dass er nichts sagte und sie auch in Ruhe ließ. Ein wenig Abstand war im Moment genau das, was sie brauchte. Außerdem zweifelte Val nicht daran, dass er bald wieder zurückkommen würde, weshalb sie schließlich auch das Nachthemd so gut wie möglich auswrang und über die Kante des Tisches hängte, damit es wenigstens halbwegs trocknen konnte. Danach wusch sie sich selbst so gründlich wie nötig, aber auch so zügig wie möglich, denn sie begann relativ schnell zu frieren. Darum wickelte sie sich danach auch wieder in die Decke, stellte das Tablett mit dem Essen, das nicht wirklich weniger geworden war, auf die Truhe daneben und schlüpfte dann in Alexeys Bett, um es sich gemütlich zu machen. Trotz allem hatte sie nicht vor, ihn schon jetzt alleine zu lassen, denn sie brauchte seine Nähe genauso dringend wie er die ihre.
Als Alexey nach einer Weile wiederkam – das Gehen ohne voll ausgebildete Zehen fiel ihm offenbar immer noch schwer – hatte er einen Krug mit frischem Wasser und eine volle Öllampe dabei. Beides stellte er neben die Waschschüssel auf den Tisch, ehe er die Fackel neben der Tür mitnahm und mit ihr noch einmal die Kammer verließ. Was gut war. Wahrscheinlich hatte er die fehlende Fackel an der Wand bemerkt und im Gegensatz zu ihr, wusste er offenbar genau, wo er an welche Sachen rankam. Zum Beispiel an frisches Lampenöl.
Wieder zurück in der Kammer leerte er das benutzte Wasser in den dafür bereitstehenden Eimer und goss frisches Wasser in die Schüssel. Als er sich den Hocker vor dem Bett nahm, streifte sein Blick den ihren und er erwiderte schwach das Lächeln, das Val ihm schenkte, obwohl es auch nicht viel ausgeprägter war. Zumindest schien es aber zu sagen, dass zwischen ihnen alles gut war. Auch nachdem sie sich vorhin so kratzbürstig gezeigt hatte.
Nur mit einer Decke bekleidet setzte Alexey sich auf den Hocker vor dem Tisch und begann sich zunächst einmal zu rasieren. Er war darin so viel geschickter als sie, denn er benötigte noch nicht einmal einen Spiegel. Val sah ihm überraschend gerne dabei zu, da es irgendwie etwas Hypnotisches an sich hatte, wie er das Rasiermesser über die Haut führte und sie dabei für eine Weile ihre Gedanken vergessen konnte. Geschickt war er damit auf jeden Fall.
Erst als Alexey sich das Gesicht wusch und dann aufstand, um die Decke um seine Hüften fallen zu lassen, damit er auch den Rest von sich waschen konnte, schloss Val die Augen. Da sie aber kein bisschen müde war und die Dunkelheit ihre düsteren Gedanken befeuern würde, drehte sie Alexey schließlich den Rücken zu und lauschte den dezenten Geräuschen, während sie die Wand anstarrte. Er brauchte auch nicht lange, obwohl er keine Eile hatte. Anschließend kam Alexey mit der Öllampe zum Bett und stellte diese auf die Truhe daneben.
Als Val sein kurzes Zögern bemerkte, hob sie kurzerhand einfach die Decke einladend an, ohne den Kopf zu drehen. Darunter war sie ja noch in eine weitere Decke gehüllt, weshalb sie ihm dabei nicht ihren blanken Hintern präsentierte.
Alexey schlüpfte auch sofort darunter, um nicht zu viel von der Wärme entweichen zu lassen. Allerdings so, dass er sie nicht berührte, was schon eine beachtliche Leistung war. Für sich allein war das Bett im Verhältnis zu Val riesig, doch mit diesem Hünen von Mann darin schrumpfte dieser Eindruck gewaltig schnell in sich zusammen. Wahrscheinlich hing Alexey halb über der Kante, um sie nicht zu berühren.
Umso überraschender war es, als er schließlich seine Hand auf ihren Oberarm legte und sein Daumen ihre Schulter streichelte. Für einen Moment genoss Val diese schlichte, zarte Berührung; sein Entgegenkommen, doch dann drehte sie sich zu Alexey herum, um ihn ansehen zu können.
Bei seinem Anblick konnte Val sich gar nicht wirklich entscheiden. Gefiel ihr die glattrasierte, aber damit eher verjüngte Variante, oder doch eher der Drei-Tage-Bart-Look, der ihn älter aussehen ließ?
Ohne großartig darüber nachzudenken, legte Val ihre Hand an seine frisch rasierte Wange, um auch noch einen Fühltest zu machen, damit sie die Beschaffenheit überprüfen konnte. Nein, es war wirklich eine verdammt schwere Entscheidung, denn so schön glatt er im Moment auch war, ihr hatte ebenso das zarte Kratzen auf ihrer Haut gefallen. Vor allem, wenn er dabei ihren Hals küsste …
Bei dieser Erinnerung stieg unwillkürlich Hitze in Vals Wangen und sie nahm die Hand runter. Für so etwas war nicht der rechte Zeitpunkt. Vielleicht bekamen sie den auch nie, wenn man bedachte, was immer wieder passierte, um Momente wie diesen zunichte zu machen. Auf jeden Fall aber brauchte Alexey im Moment eines: Ruhe. Keine unnötige Aufregung. Nichts, das seine Emotionen wieder aus der Bahn werfen könnte. Sein Verstand brauchte ebenso Zeit zum Heilen wie auch sein Körper.
Etwas, das Val auf seine Verletzungen zurückbrachte, weshalb sich ihr Blick schließlich auf den Bereich richtete, der nackt vor ihr lag. Das Licht war hierfür zwar nicht ideal, doch Val konnte noch genau die Stellen an Alexeys Oberkörper erkennen, die verbrannt worden waren. Zärtlich berührte sie einen kreisrunden Fleck, der aussah, als hätte man ihn mit Hilfe der Sonne und einer Glasscherbe verbrannt, oder mit einem runden Metallstück in der Größe eines Pennys.
„Hast du noch Schmerzen?“, fragte sie schließlich leise mit belegter Stimme.
Alexey fing ihre Hand ein und legte sie flach auf sein Herz, sodass sie das regelmäßige Pochen darunter fühlen konnte. „Es tut kaum noch weh.“
Val hob den Blick und sah Alexey direkt in die Augen. „Und wie sieht es im Bereich weiter unten aus?“
Er wich ihr nicht aus, sondern blickte vollkommen ruhig zurück. „Er heilt, wie der Rest von mir.“
„Trägst du denn auch immer noch diesen Ring?“ Die Frage konnte Val sich einfach nicht verkneifen. Wäre er damals nicht zu geschwollen gewesen, sie hätte ihm das Teil sofort wieder runtergerissen, doch jetzt hoffte sie inständig, dass Alexey es selbst getan hatte. Der Penisring war einfach das Letzte, zumal noch nicht einmal Sex im Spiel war, der dem Teil eigentlich einen Nutzen gegeben hätte.
„Ring?“, hakte Alexey nach und runzelte ehrlich unwissend die Stirn.
„Das kreisrunde Ding um deinen … Du weißt schon.“ Zur Sicherheit ging Vals Blick kurz Richtung Süden, damit Alexey auch wirklich verstand.
Das Klopfen unter Vals Handfläche beschleunigte sich deutlich und auch Alexeys Kiefer spannte sich an. Oh ja, er hatte verstanden.
„Ich kann ihn nicht abnehmen“, antwortete er schließlich mit einem leisen Knurren.
„Bist du noch zu geschwollen?“ Was Val wundern würde, denn eigentlich schienen nur noch diese Verbrennungen ein Problem zu sein, doch möglich war natürlich alles.
„Nein. Offenbar können nur Jene ihn abnehmen. Hedera hat einen … Fluch darauf gelegt. Es ist mir nicht möglich, ihn abzustreifen.“
Vals Augen weiteten sich und für einen Moment blieb ihr der Mund ein wenig offen stehen, bevor ihr vor Wut ganz heiß wurde, doch sie versuchte ruhig zu bleiben. „Warum? Was bringt ihr das?“ War das sowas wie eine Fessel für seinen Schwanz, oder wie konnte Val das verstehen?
An der Art, wie ruhig Alexey dabei blieb, obwohl ihn das Teil sichtlich ankotzte, und ihrem Blick auch nicht auswich, erkannte Val, dass er sich damit offenbar schon seit sehr langer Zeit herumschlagen musste. „Damit bringt sie mich dazu, für sie hart zu werden, denn es mir einfach nur zu befehlen, bewirkt in diesem Fall nichts.“
Val schloss die Augen und rang um Fassung. Diese Frau wurde ihr mit dieser Aktion nicht wirklich sympathischer.
Eine sanfte Berührung an der Wange ließ sie wieder aufsehen. „Denk nicht daran. Im Moment ist dieser … Ring nur da und bewirkt sonst nichts. Die meiste Zeit vergesse ich ihn sogar.“
Ja, in der Zeit, in der die Eiskönigin ihn nicht dazu zwang, sie um den Verstand zu ficken. Das hatte sich zwar inzwischen mit ihrem neuen Stecher deutlich verbessert, doch Val hatte nicht vergessen, wie es davor gewesen war. Im Nachhinein betrachtet empfand sie das Gesehene als noch sehr viel schrecklicher, da alles plötzlich in ein neues Licht gerückt wurde. Und sie hatte sich schon gefragt, wie Alexey so standhaft hatte sein können. Kein Wunder, wenn er nicht die geringste Erregung dabei empfand. Das musste zudem auch noch verdammt schmerzhaft gewesen sein. So auf Dauer gesehen. Erektionen über Stunden hinweg konnten Schädigungen verursachen und Val würde es nicht wundern, wenn genau das immer wieder passiert war. Glücklicherweise heilte Alexey jedoch schnell und das wusste offenbar auch die Eiskönigin auszunutzen.
Val würde das Miststück wirklich zu gerne leiden lassen. Am besten mit ihren eigenen Waffen!
„Valeria …“ Alexey legte ihr seine Hand an die Wange, um wieder ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Das ist jetzt nicht von Bedeutung.“
„Alles, was dich betrifft, ist für mich von Bedeutung“, gab Val finster zurück, weil es schlichtweg der Wahrheit entsprach. Wann genau das passiert war, wusste sie zwar selbst nicht, doch es war so.
„Mir geht es mit dir nicht anders, doch ich will im Augenblick nicht an diese Dinge denken. Die Zeit mit dir ist zu kostbar, um sie mit solchen Gedanken zu verschwenden.“ Das war Alexeys voller Ernst. Das sah sie in seinen Augen und doch konnte Val nicht so einfach tun, als wäre nichts. Denn das würde sie unweigerlich auf ihre eigenen Probleme zurückbringen, wenn ihr Verstand nicht mit anderen Dingen abgelenkt wurde.
„Aber wir müssen darüber reden“, widersprach sie daher und strich Alexey dabei nachdenklich über die Stelle, wo sie ihn seiner Aussage nach an sich gebunden hatte. „Ich will es besser verstehen. Ich meine, wir hatten noch nicht einmal wirklich die Gelegenheit, über das zu sprechen, was du mir offenbart hast. Das mit Jenen, meiner Gabe und all diese Dinge. Was heißt es eigentlich für dich, an mich gebunden zu sein? Wie fühlt sich das an? Und kann ich das irgendwie wieder rückgängig machen?“
Alexey seufzte schwer. Wahrscheinlich hätte sie gar nicht erst damit anfangen sollen, denn das war sicher nichts, was ihm wirklich Ruhe schenkte.
Er kam näher, schlang einen Arm um ihre Seite und legte seine Stirn an ihre, wobei er sie unentwegt ansah. „Was es genau heißt, kann ich nicht sagen, da es anders ist, als die Art, wie Hedera mich an sich gebunden hat. Es fühlt sich auch anders an. Deine Kraft in mir ist … angenehm. Unaufdringlich. Warm. Als würde ich immer einen Teil von dir bei mir tragen. Im ersten Moment war das für mich erschreckend, weil es mich zu sehr daran erinnert hat, was Hedera mir angetan hat, doch inzwischen will ich ohne dieses Gefühl gar nicht sein. Es erinnert mich immer wieder daran, dass diese Art von … Kraft nicht nur böse ist, sondern auch gut sein kann. So wie deine Gabe.“
Die absolut nichts gebracht hatte, während Alexey so schwer verletzt gewesen war. Oder sie selbst. Also eigentlich war sie vollkommen nutzlos, doch Val wollte nicht schon wieder damit anfangen. Es beruhigte sie aber, zu hören, dass sie Alexey nichts Entsetzliches antat, bis sie es irgendwie schafften, das Ganze wieder rückgängig zu machen.
„Gibt es sonst noch etwas, das du wissen möchtest?“ Alexey nahm die Hand von ihrer Seite und strich ihr damit durchs Haar, ehe er sie in ihrem Nacken liegen ließ, wo er sie ein wenig mit den Fingerspitzen kraulte. Das Gefühl war so angenehm, dass Val die Augen schloss und beinahe vergaß, was er gesagt hatte, also öffnete sie sie wieder und sah ihm zuerst ins Gesicht, doch dann wieder dorthin, wo sie immer noch seine Verbrennungen erkennen konnte, über die sie erneut vorsichtig strich. „Warum sind diese Wunden so anders als die anderen? Sie heilen bei weitem nicht so schnell wie der Rest deiner Verletzungen.“
„Weil ich nicht auf normale Weise verbrannt worden bin. Dieser Blonde … Arum hat mich mit seiner Gabe verbrannt. Du erinnerst dich: Er kann Blitze aus seinen Händen entstehen lassen.“
Val biss die Zähne zusammen. Oh ja, sie erinnerte sich, aber selbst die Tatsache, dass sie das Resultat direkt vor der Nase hatte, machte es nicht leichter für sie, all das zu glauben. Allerdings fiel ihr dabei auch wieder der Handabdruck auf Alexeys Hoden ein. So wie das Ganze ausgesehen hatte, war er dort nicht nur verbrannt, sondern auch ziemlich gequetscht worden. Kein Wunder, dass es ihn so geschmerzt hatte.
Das Gefühl der Finger in ihrem Nacken verstärkte sich. „Alles okay? Du knurrst.“
Alexey sah sie besorgt an, also schüttelte sie schwach den Kopf und schluckte die ganze Aggression runter, die in ihr hochkommen wollte, doch bei seiner feinen Nase konnte er es sicher an ihr riechen.
„Ich musste nur daran denken, was ich gesehen habe. Wie schwer du dort unten verletzt wurdest. Das … lässt mir keine Ruhe.“ Ebenso wenig wie der Bastard, der Alexey das angetan hatte. Die Liste der Personen, die Val am liebsten leiden sehen würde, wurde immer länger.
„Valeria, es tut wirklich kaum noch weh“, versicherte Alexey ihr, doch Val konnte es nicht auf sich beruhen lassen.
„Ich weiß und ich glaube dir auch, aber du hast auch gesagt, dass du diesen Teil an dir hasst. Ich denke nicht, dass du besonders objektiv bist, wenn es darum geht, zu beurteilen, wie schwer du noch in diesem Bereich verletzt bist. Ich würde mich wirklich wohler fühlen, wenn ich selbst einen Blick darauf werfen könnte, um die Sache richtig zu beurteilen. Nicht als Frau, sondern als Ärztin … Ich meine als medica*.“
Alexey sah sie zunächst überrascht an, doch dann wich er ihrem Blick aus. Sein Herzschlag ging inzwischen ganz schön schnell und so nah an sich konnte Val auch seine plötzliche Anspannung fühlen, also strich sie ihm beruhigend über die Brust und den Hals. „Ist schon gut. Du musst es mir nicht zeigen, wenn du nicht willst. Ich will einfach nur, dass es dir gut geht. In allen Bereichen.“
Alexey haderte mit sich, doch schließlich sah er ihr wieder in die Augen, als würde er etwas suchen und als er es offensichtlich fand, nickte er schwach und drehte sich auf den Rücken, bevor er langsam die Decke von sich zog.
Um ihn ein wenig abzulenken und ihm zugleich für sein Vertrauen zu danken, umfasste Val Alexeys Gesicht, stützte sich auf seiner Brust ab und begann ihn zärtlich zu küssen. Das brachte ihn zwar für einen Moment aus dem Konzept, doch Alexey ging darauf ein, sodass Val letztendlich die Decke das restliche Stück von ihm ziehen konnte. Allerdings ging sie nicht gleich in die Vollen, sondern küsste ihn zärtlich weiter, während ihre Hand seine Brust, seine Seite und ein wenig seinen Bauch streichelte. Je tiefer sie wanderte, umso angespannter wurde er und auch sein Atem ging schwerer, sodass Val ihre Lippen schließlich von ihm löste und Alexey zärtlich anblickte.
„Ich bin ganz vorsichtig“, versprach sie ihm leise. „Und du kannst mich jederzeit aufhalten, wenn dir etwas unangenehm ist, okay?“
Wieder nickte Alexey schwach und legte sich zunächst ergeben ins Kissen zurück. Jedoch nicht lange, denn sobald Val sich aufsetzte und ihren Blick an ihm hinab wandern ließ, richtete er sich hastig auf seine Unterarme auf, um besser sehen zu können.
Val wusste, dass er ihr nicht misstraute, sondern das eine ganz natürliche Reaktion auf das war, was man ihm angetan hatte. Er war nicht schamhaft. Das hatte die Eiskönigin ihm wohl schon lange ausgetrieben. Was Alexey so zögerlich und wachsam sein ließ, war die Tatsache, dass man ihn dort unten gefoltert hatte. Sein Unterbewusstsein erwartete Schmerz und empfand deswegen sicher auch Angst, weshalb Val auch ihre Hände ganz von ihm nahm und zunächst einmal rein mit den Augen zu beurteilen versuchte, wie die Lage war. Bevor sie jedoch überhaupt zu der prekären Stelle kam, blieb ihr Blick an Alexeys Unterbauch hängen, der so voller Brandstellen war, dass er fast durchgehend rot glühte. Allein bei diesem Anblick wollte Val vor Schmerz das Gesicht verziehen. Von wegen, es tat kaum noch weh!
Val machte sich eine geistige Notiz, dass sie seine Brandverletzungen auf jeden Fall noch weiter mit kühlen Kompressen behandeln sollten. Das half zwar nicht wirklich bei der ohnehin verlangsamten Heilung, doch wenigstens würde es die Schmerzen ein wenig lindern, denn davon hatte Alexey sicher noch genug.
Mochte ja sein, dass er eine hohe Schmerztoleranz besaß, doch unnötig leiden musste er wirklich nicht. Zumindest nicht, wenn es nach Val ging. Aber zuvor wollte sie noch wissen, wie es dem Rest von ihm ging, also ließ sie ihren Blick weiter wandern.
Alexeys großer Freund sah auf den ersten Blick weitestgehend heil aus. Der war aber auch eher ziemlich geschwollen gewesen, anstatt verbrannt und hatte in allen möglichen Farben geleuchtet, als Val ihn das letzte Mal gesehen hatte. Von dem beschissenen Ring um seine Wurzel einmal abgesehen, sah also alles soweit gut aus. Worum Val sich ohnehin mehr Sorgen machte, waren Alexeys Hoden.
„Kannst du den Großen ein bisschen zur Seite …?“ Alexey kam ihrer Aufforderung nach, noch ehe Val den Satz zu Ende gesprochen hatte. Er legte seinen Kumpel auf seinen wie eine Herdplatte glühenden Unterbauch und ließ auch gleich seine Hand darauf liegen, was vollkommen in Ordnung war. Er durfte sich ruhig ein wenig bedecken. In dem Fall hatte Val ohnehin schon alles gesehen, was sie hatte sehen wollen.
Alexey zuckte zusammen, als sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte, gehorchte dann aber, als sie ihn mit sanftem Druck dazu brachte, ein wenig weiter die Beine für sie zu öffnen. Was sie so noch besser zu sehen bekam, gefiel ihr nicht besonders. Der Handabdruck war immer noch da und auch hier sah es aus, als hätte Alexey sich einen ordentlichen Sonnenbrand eingehandelt.
Vals Blick ging zu Alexeys Gesicht hoch und sie strich beruhigend über seinen Oberschenkel, während sie ihn ruhig ansah. „Darf ich dich abtasten? Ich würde gerne sehen, was sich seit dem letzten Mal verändert hat.“ Denn auch hier war er ziemlich geschwollen gewesen und zum Teil verhärtet, als hätte er Einblutungen. Wahrscheinlich war das dank seiner guten Heilung kein Problem mehr, doch Val wollte auf Nummer sicher gehen.
Alexeys Kiefer spannten sich deutlich sichtbar an und er wirkte nicht unbedingt glücklich, doch dann nickte er knapp.
Val schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Ich beeile mich.“ Und sie würde sehr, sehr vorsichtig sein. Beim letzten Mal hatte er es nicht mitbekommen, dafür war er sich dieser Sache hier und jetzt deutlich bewusst. Das war sicher nicht leicht für ihn und Val wünschte, es gäbe sehr viel angenehmere Gründe, dass sie seine Eier befummelte, aber im Moment gingen ihre Gedanken nicht einmal ansatzweise in diese Richtung. Sie war durch und durch im Ärztemodus und deshalb auch voll und ganz darauf fokussiert, etwas zu ertasten, das sie beunruhigen könnte, oder eben nicht.
Vals Hand war ein wenig kalt, sodass Alexeys Körper sofort darauf reagierte, doch er hielt still und ließ sie machen. Vielleicht tat es seiner verbrannten Haut auch hier ganz gut, ein wenig gekühlt zu werden, da Alexey allerdings keinen Mucks von sich gab und auch nicht irgendwie schmerzvoll das Gesicht verzog, obwohl sie gerade sein Gehänge bearbeitete, schien es ihm tatsächlich nicht allzu viel auszumachen, zumindest was die Schmerzen anging. Von ihr befummelt zu werden, selbst wenn es aus rein medizinischen Gründen war, war wohl etwas ganz anderes, denn er knirschte dabei beinahe mit den Zähnen und Alexeys Atem ging nur noch stoßweise.
„Fühlt sich gut an“, gab Val schließlich sachlich ihre Meinung kund und schlug sich gedanklich gegen die Stirn, als sie die Zweideutigkeit ihrer Aussage bemerkte. „Ich meine, ich ertaste keine Verhärtungen, Knoten oder Schwellungen.“ Sie nahm die Hand wieder weg und zog rasch die Decke über Alexeys Schoß. „Bis auf diese äußerlichen Verbrennungen scheint soweit alles in Ordnung zu sein.“
Von Alexey kam kein „Hab ich doch gesagt“, oder „Dann hättest du dir das also sparen können“. Stattdessen drehte er sich wieder auf die Seite und zog die Beine leicht an, während er sich geradezu unter der Decke verkroch. Obwohl er ansonsten ruhig blieb, atmete er immer noch schwer und schien sie gar nicht ansehen zu können.
Val streckte sich wieder neben ihm aus und zog die Decke auch über sich. Sie suchte mit ihrer Hand nach seiner und sah ihn offen an. „Danke, dass du mich hast nachsehen lassen. Jetzt bin ich tatsächlich beruhigt.“
Alexey schwieg auch weiterhin. Dafür machte er es sich offenbar zur Aufgabe, eine ihrer ohnehin schon glatten Haarsträhnen noch mehr mit den Fingern zu glätten. Er sah ihr noch immer nicht direkt in die Augen und wirkte allgemein ziemlich nachdenklich und verschlossen.
„Was ist los?“, fragte sie schließlich leise und drückte seine Hand vorsichtig.
Alexey machte noch einen Moment weiter, ehe er ein unzufriedenes Brummen ausstieß. „Ich wünschte, ich wäre wieder in diesem Traum. Dort war alles … so viel einfacher.“
„Inwiefern?“ Val ahnte es natürlich, aber es schien ihr wichtig, dass er es aussprach.
„In meinem Traum da wolltest du mich und ich wollte … dich. Alles ganz … einfach.“
„Und was ist jetzt anders?“ Val zog Alexeys Hand an ihren Mund und gab ihm einen sanften Kuss auf den bandagierten Knöchel, während sie ihn ansah. „Ich sagte dir ja schon, dass es mir gefallen hat.“
„Das … ist es nicht. Ich meine, ich bin froh, dass du … aber auf der anderen Seite … Es fühlt sich alles so verrückt an.“ Alexey zog ihre Hände von ihrem Mund weg und an seine Nase, als wollte er sich dahinter verstecken, was er einen Moment lang auch tat, während er die Augen niederschlug. „Ich … will von dir berührt werden und dann wieder nicht. Es ist … angenehm und dann das genaue Gegenteil. Mal bin ich in deiner Nähe ganz entspannt und dann wieder wie erstarrt …“ Er schüttelte den Kopf, als könnte er sich selbst nicht mehr verstehen, also rutschte Val ein kleines bisschen näher, zog ihre Hände vor seinem Gesicht weg und legte ihre Stirn an seine, so wie er es vorhin getan hatte, während sie ihm in die Augen schaute und seine Hand an ihr Herz drückte. „Nach allem, was man dir angetan hat, ist das ganz normal, Alexey. Es wird Zeit brauchen, bis du dich wieder ganz wie du selbst fühlst.“
„Warum jetzt? Es ist immerhin nicht das erste Mal. Bei weitem nicht.“ In seinen Augen glomm Wut und er begann zu zittern, sodass Val ihm beruhigend über die Wange streichelte.
„Ich weiß es nicht genau. Ich kann es nur vermuten, aber … vorher musstest du ganz alleine damit fertig werden. Du musstest dich nur um dich selbst kümmern und jetzt … bin ich da. Du machst dir Sorgen um mich. Vorwürfe, weil du mir gegen deinen Willen wehgetan hast und zugleich kannst du dich nicht einfach vor all dem verschließen, weil ich dich zur Offenheit zwinge. Ich mache dich verletzlicher, als du eigentlich sein willst. Kommt das in etwa hin?“
Anstatt ihr direkt zu antworten schüttelte Alexey den Kopf. „Ich will das nicht fühlen!“
Sein Knurren ließ ihr die Härchen im Nacken zu Berge stehen, was Val eigentlich Vorwarnung genug hätte sein müssen, dennoch überraschte es sie, als sie sich plötzlich auf dem Rücken wiederfand. Alexey direkt über ihr. Er stützte sich dabei mit den Unterarmen ab, lag also nicht allzu schwer auf ihr und dennoch konnte Val etwas fühlen, womit sie dann doch nicht gerechnet hatte. Alexey war erregt.
Eindeutig mit dem Körper und nicht mit dem Kopf, denn in seinen Augen stand Frustration und Verwirrung. Auch Wut ließ seinen Körper regelrecht glühen und da war dann auch immer noch dieses bedrohliche Knurren.
Genau darum war es noch viel zu früh für alles, was auch nur irgendwie in eine sexuelle Richtung ging. Er kam damit einfach nicht klar, obwohl Val es ihm von ganzem Herzen gönnen würde, auch endlich mal etwas Gutes zu fühlen. Gerne hätte sie ihm dabei geholfen, schöne Erinnerungen zu sammeln und etwas Stress abzubauen, doch das musste warten. Das Einzige, was sie ihm im Moment ohne Komplikationen geben konnte, war Geborgenheit.
Glücklicherweise reagierte sie auf seine plötzlich wieder sprunghaften Emotionen nicht panisch oder ängstlich, sondern war voll und ganz bei ihm, weshalb Val die Hände hob und sie auf Alexeys Schultern legte, um ihn sanft ein wenig weiter zu sich runterzuziehen, dabei verrenkte sie ganz schön den Kopf, um zumindest sein Kinn küssen zu können.
„Ich weiß, Alexey. Das geht –“ Er schnitt ihr mit seinem stürmischen Kuss das Wort ab, während er sie in eine Umarmung zog, bei der ihr fast die Luft wegblieb.
Plötzlich war da wieder überall um sie diese enorme Hitze, die sein Körper ausstrahlte. Sein intensiver Duft, der ihre Lungen füllte. Sein heftig pochendes Herz so nah an ihrem.
Val war zwar überrumpelt, doch auf gute Art. Auf eine richtig gute Art, denn trotz der Intensität spürte sie, wie Alexeys Anspannung allmählich nachließ. Wie seine Küsse von verzweifelt stürmisch, zu genießerisch zärtlich wechselten und er sie schließlich nicht mehr so panisch festhielt, sondern sich mit ihr auf die Seite rollte, wo er sie sanft im Arm hielt, sie weiter küsste, aber zugleich auch mit seinen Fingern ganz unverfänglich streichelte und kraulte, bis er sie beinahe zum Schnurren brachte.
Das war schön und tat nicht nur ihm richtig gut. Auch Vals innere Anspannung ließ nach und sie ließ sich voll und ganz darauf ein, mit Alexey Zärtlichkeiten auszutauschen und es zu genießen, so intensiv mit ihm kuscheln zu können. Das brauchten sie immerhin beide, sogar ziemlich dringend. Die Nähe. Die Wärme. Die Liebe in jeder einzelnen Berührung. Das war ihre gemeinsame Stärke und zugleich ihr Halt in dieser durch und durch beschissenen Welt.
Irgendwann, Val war so entspannt, als bestünde ihr Hirn nur noch aus rosa Zuckerwatte, schlief sie schließlich an Alexeys Brust gekuschelt ein, wo sie sich selbst so geborgen fühlte, als könne ihr nichts und niemand etwas anhaben. Es war zwar nur eine Illusion, aber dafür eine verdammt schöne.
* weibliche Form von medicus = Ärztin, Heilerin