Vals Schlaf wurde von blutigen Alpträumen und sehr realen Schmerzen begleitet.
So erschöpft sie auch war und so sehr ihr geschundener Körper auch nach Ruhe verlangte, fuhr sie doch immer wieder schweißgebadet hoch, völlig orientierungslos in der absoluten Dunkelheit, die sie wie eine alles verschlingende Masse umgab.
Wäre da nicht Cearas warmer Körper an ihrer Seite gewesen, die sie immer wieder beruhigend streichelte und ihr mit ihrer melodischen Stimme sanfte Worte zuflüsterte, Val wäre mit Sicherheit schon längst durchgedreht.
Irgendwann aber war sie dann doch so erschöpft, dass sie in einem tiefen, traumlosen Schlaf versank und erst wieder erwachte, als Ceara sie sanft aber bestimmt aufzuwecken versuchte.
Val konnte sich vor Schmerzen kaum bewegen. Ihre steifen Muskeln machten das Ganze auch nicht leichter, doch die Art, mit welcher ihre Freundin sie zum Aufstehen drängte, war beunruhigend genug, um die Warnsignale ihres Körpers zu ignorieren und ihn dazu zu zwingen, das zu tun, was sie von ihm verlangte.
Erst da realisierte Val, als sie sich so in der kleinen vertrauten Kammer umsah, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie hierher gekommen war.
Das Letzte, woran sie sich noch erinnern konnte, war die Erinnerung an eine freundliche Frau mit dem ungewöhnlichen Namen Briseis, die sie gerade einen Gang entlanggeführt hatte, bevor Val wegen der starken Schmerzen wieder schwarz vor Augen geworden war.
Was danach passiert war, hatte sie nicht mehr mitbekommen.
„Essen.“ Ceara drückte ihr eine kleine, hölzerne Schüssel in die Hände, der ein köstlicher Duft nach frischem Eintopf entströmte, bevor sie sich auch schon an Vals Haaren zuschaffen machte. Sie selbst war schon längst angezogen und frisiert und von Kore fehlte auch jede Spur.
Wie spät es wohl war?
Da sie nicht wusste, wie sie Ceara fragen konnte, warum diese so gehetzt wirkte, versuchte Val ihrer Freundin einfach zu vertrauen und dem einfachen Befehl nachzukommen, den diese ihr gegeben hatte. Doch das Essen gestaltete sich schwieriger als gedacht, da sie kaum den hölzernen Löffel halten, geschweige denn ihren Arm so weit heben konnte, dass sie ihn zu ihrem Mund brachte.
Schon die kleinste Muskelbewegung in ihrem Rücken schmerzte unglaublich, so dass Val es am Ende aufgab, bevor sie wieder ohnmächtig wurde.
Ceara hatte diesen mitleiderregenden Versuch schweigend mit angesehen und kaum, dass sie mit Vals Haaren fertig war, nahm sie ihr die Schüssel mit dem Eintopf wieder aus der Hand und begann sie zu füttern.
Val konnte ihrer Freundin kaum in die Augen schauen.
Sie schämte sich ganz bestimmt nicht dafür, dass sie Hilfe beim Essen brauchte, aber dafür fühlte sie sich umso elender dabei, von ihrer Freundin versorgt zu werden, nach allem, was sie angerichtet hatte.
Eigentlich hätte Ceara, anstatt ihr zu helfen, verdammt wütend auf sie sein müssen, doch vermutlich wusste die junge Frau nicht einmal, dass Vanadis' Tod Vals Schuld war.
Das machte alles nur noch schlimmer.
Mehr als die Hälfte von dem köstlichen Eintopf brachte sie nicht hinunter, bevor Val schlecht zu werden drohte, doch Ceara bedrängte sie zum Glück auch nicht weiter, sondern half ihr stattdessen auf, was ein sehr heikles Unterfangen war.
Als Val endlich auf ihren eigenen Füßen stand, hatte sie Tränen in den Augen, die sie vorsichtig wegzuwischen versuchte, so dass es ihre Freundin nicht bemerkte.
Schwer auf sie gestützt, wartete sie darauf, dass die Rothaarige die Tür zu ihrer Kammer öffnete und mit ihr zusammen hindurch ging, doch Val prallte vor dem, was davor stand, entsetzt wieder zurück, so dass sie mit ihrer Freundin zusammen beinahe eine Bruchlandung hingelegt hätte.
Allein die metallene Dämonenfratze zu sehen, ließ Val am ganzen Körper unkontrolliert vor Panik zittern und ihr Herz hämmerte ihr so wild von innen gegen die Brust, als wolle es sich um jeden Preis daraus befreien.
Vals Atmung begann sich zu überschlagen und sie merkte selbst, wie sie immer mehr zu hyperventilieren begann, bis Ceara sich beschützend vor sie schob und sie so vor Vanadis' Mörder abschirmte.
Erst die Reaktion ihrer Freundin gab ihr die Kraft, gegen das plötzliche Angstgefühl und die Panik anzukämpfen, die der Hüne mit seinem bloßen Anblick in ihr auslöste.
Mit kontrolliert tiefer Atmung versuchte Val sich wieder etwas zu beruhigen und die Situation neu einzuschätzen, denn weder hatte er seine beiden Schwerter gezogen, noch machte er sonst irgendwie den Eindruck, als wolle er ihnen beiden gefährlich werden. Er stand einfach nur da und wartete.
Dennoch tauschte sie mit Ceara den Platz und schob sich nun an ihrer statt mit ihrem Körper beschützend vor sie.
Zwar war sie im Augenblick kein Gegner für ihn, aber sie wollte ihren Standpunkt klar machen. Er würde ihre Freundin nur über Vals Leiche bekommen.
Worauf er eindeutig nicht aus war. Denn nachdem sie sich eine geschlagene Minute lang angestarrt hatten, drängte Ceara sie einfach an ihm vorbei und ging mit ihr zusammen voraus, während der Hüne mit der Metallfresse ihnen schweigend folgte.
Es war, als würde ihr jemand die ganze Zeit über eine Knarre an den Hinterkopf halten, ständig nur einen Fingerzeig davon entfernt, abzudrücken.
Dieses Gefühl der Angst und der Anspannung ließ sie sogar etwas die Schmerzen vergessen, während ihre Freundin sie durch die Villa führte, in Richtung der Räume der Eiskönigin, was ihr noch mehr Unbehagen bereitete.
***
Valerias Reaktion auf ihn, war wie ein Schlag in die Fresse.
Sein bloßer Anblick reichte schon dazu aus, dass sie in Panik verfiel und ihr Puls so stark in die Höhe schnellte, dass die Bestie in ihm instinktiv darauf reagierte und sich seine Fänge zeigten.
Zum Glück konnten die beiden Frauen das unter dem Helm nicht erkennen, denn dann hätten sie wirklich allen Grund dazu gehabt, ihn zu fürchten. Obwohl er Valeria natürlich bereits Grund genug gegeben hatte, um so auf ihn zu reagieren und es auch mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen war, bedachte man Hederas Pläne mit ihr und welche Rolle er darin spielte.
Da ihm momentan aber keine andere Wahl blieb und seine Befehle eindeutig waren, konnte Alexey nichts anderes tun, als stillzuhalten und darauf zu warten, dass Valeria sich wieder etwas beruhigte, während der Geruch ihrer Angst seine Lungen füllte und ihm damit noch mehr Schuldgefühle auflud, als er ohnehin schon in sich trug.
Sie so zu sehen, so erfüllt von Angst und Abscheu vor ihm, ließ ihn sich selbst nur noch mehr verabscheuen.
Er hasste, was er war und vor allem das, was Hedera aus ihm gemacht hatte.
Umso mehr noch verfluchte er sie, weil sie ihm nicht erlaubte, dem Ganzen endlich ein Ende zu setzen.
Es war schließlich die rothaarige Sklavin Ceara, welche die unangenehme Situation, in der sie sich gerade befanden, dadurch beendete, dass sie Valeria dazu zwang, die kleine Schlafkammer zu verlassen und an ihm vorbei den Flur entlang zu gehen.
Während er den beiden schweigend folgte, konnte Alexey seinen Blick nicht vom Rücken der kleinen Kriegerin nehmen.
An manchen Stellen waren sehr deutlich getrocknete rote Flecken an den Verbänden zu erkennen, aber auch frisches Blut konnte er an ihr wittern.
Diesen Duft würde er nie wieder vergessen können, nachdem er seine Nase vor kurzem noch so intensiv erfüllt hatte.
Zwar benötigte Alexeys Körper momentan kein frisches Blut, weshalb sein Blutdurst nur ein leiser Gedanke in der Ferne war, doch sein Appetit war keinem solchen Zwang wie einem körperlichen Bedürfnis unterlegen und deshalb durchaus sehr präsent, wenn seine Instinkte auf die richtige Art und Weise geweckt wurden.
Ein Grund, warum er sich noch mehr dafür verachtete, als er es ohnehin schon tat.
Zuzusehen, wie die kleine Kriegerin vor seinen Augen gefoltert worden war, hatte ihm selbst so intensive Schmerzen zugefügt, wie er es sich nicht hätte vorstellen können, und zu dem Zeitpunkt war ihm auch kein anderer Gedanke in den Sinn gekommen, als der, ihr um jeden Preis helfen zu wollen, auch wenn er es nicht konnte.
Doch jetzt, nachdem diese grauenvolle Nacht vorüber war und sich der Sturm in ihm etwas gelegt hatte, reizte ihn der verlockende Duft ihres Blutes auf eine Weise, die er sich selbst absolut nicht eingestehen wollte.
Alexey ballte seine Hände zu Fäusten und biss sich fest auf die Zunge.
Könnte er sich selbst verstümmeln, würde er es tun, so sehr widerte ihn seine eigene Reaktion auf Valerias Blut an.
Sie war schwer verletzt, hatte starke Schmerzen und er dachte nur daran, wie sie wohl schmecken mochte.
Er war wirklich eine Bestie.
Glücklicherweise musste Alexey sich schließlich voll und ganz auf seine Umgebung konzentrieren, als sie die Sklavenquartiere verließen und den über der Erde liegenden Teil der Villa betraten.
Es war noch nicht ganz Mittag, doch gerade die rechte Zeit für Hedera, um aufzustehen.
Obwohl dichte Wolken den Himmel vor den Fenstern trübten, war es Alexey unmöglich die Augen zu öffnen, ohne dass das Licht ihnen innerhalb kürzester Zeit erheblichen Schaden zufügen würde, weshalb ihm nur noch seine restlichen Sinne blieben, um sich in seiner Umgebung zurechtzufinden.
Für einen Menschen wäre das wohl ohne Hilfsmittel schwierig gewesen, doch Alexey war alles andere als ein Mensch. Daran wurde er jeden Tag aufs Neue erinnert.
***
Als sie die Räume der Eiskönigin betraten, saß diese bereits an so einer Art Schminktisch und ließ sich gerade von Briseis eine elegante Frisur machen.
Zwei Wachen standen in ihrer Nähe, die Val zwar schon einmal gesehen hatte, jedoch nicht beim Namen kannte.
Sie schienen bisher auf sie aufgepasst zu haben, doch nun, da der persönliche Wachhund der Queen angekommen war, räumten sie für ihn das Feld und verließen den Raum.
Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, nahm der Hüne mit der Metallfresse seinen angestammten Platz an der Seite seiner Herrin ein und verschmolz wieder einmal mit dieser gruseligen Unbewegtheit mit seiner Umgebung.
Obwohl Val ganz froh war, ihn nicht mehr in ihrem Genick zu wissen, so war sein bloßer Anblick, ob nun auffällig oder nicht, noch sehr viel schwerer zu ertragen.
Immer wieder wollten ihr beim Anblick der dämonischen Fratze blutige Erinnerungen an Vanadis' Hinrichtung hochkommen, weshalb sie schließlich einfach nur noch zu Boden schaute, um keinen dieser beiden Sadisten mehr ansehen zu müssen.
Die Eiskönigin war nicht unbedingt gut gelaunt, ihrem Tonfall nach zu urteilen, doch Ceara antwortete ihr ruhig und demütig, was sie dann doch irgendwie zu besänftigen schien.
Sie wechselten ein paar Worte, bei denen Val nicht verstehen konnte, um was es genau ging, doch kurz darauf war das auch schon völlig egal, denn Ceara brachte Val zu dem Hünen mit der Metallfresse und ließ sie kaum einen Meter neben ihm mit einem mehr als betrübten Gesichtsausdruck dort stehen.
So sehr darauf konzentriert, diese Bestie zu ignorieren und sich zugleich auf ihren eigenen Beinen zu halten, ohne gleich zusammenzubrechen, bemerkte Val nicht sofort, wie Ceara schließlich weggeschickt wurde und sie mit diesen sadistischen Leuten, Briseis ausgenommen, allein ließ.
Niemand sprach sie an oder reagierte sonst irgendwie auf Vals Anwesenheit, weshalb sie nach einer Weile den Kopf ein Stück weit hob, um ihren entsetzlich schmerzenden Nacken etwas zu entlasten.
Es kostete Val enorme Kraft, sich auf den Beinen zu halten und zusammen mit den immer stärker werdenden Schmerzen in ihrem Rücken, fing sie schließlich richtig zu schwitzen an. Selbst das hauchdünne Kleid, das sie am Leib trug, war ihr zu viel und der dicke Haarzopf, der ihr über die Schulter hing, schien sie erst recht zu Boden ziehen zu wollen.
Von alledem bekam die Eiskönigin natürlich nichts mit, die in der Zwischenzeit von Briseis auch noch ausgiebig geschminkt wurde, bis die Queen letztendlich zufrieden mit ihrem Spiegelbild war und sich erhob.
Auch jetzt würdigte sie Val keines einzigen Blickes, sondern begab sich stattdessen zur mittleren der drei Liegen, die in einer Ecke des Raums standen und neben der auf kleinen Beistelltischen und goldenen Tabletts ein üppiges Mahl vorbereitet war.
Ihr Wachhund folgte ihr auf dem Fuße, nur Val blieb stehen, wo sie war. Sie hätte es ohnehin nicht geschafft, zwei Schritte zu gehen, ohne endgültig zusammenzubrechen.
Während sie sich mit Briseis unterhielt, die sie die ganze Zeit über bediente, aß die Eiskönigin langsam und genussvoll ihr spätes Frühstück und warf ihr nun doch ab und an ein paar undeutbare Blicke zu.
Es wirkte fast so, als würde sie Vals Reaktion oder ihre Verfassung abschätzen, ohne sich jedoch wirklich für sie zu interessieren.
Val hingegen interessierte sich auch nicht für dieses verdammte Drecksstück, hatte sie doch genug mit ihrer Konfrontationstherapie, was den Hünen mit der Metallfresse anging, zu tun.
Ganz ausblenden konnte sie ihn einfach nicht, aber wirklich besser wurde sein Anblick auch nicht.
Besonders aufwühlend war diese dämonische Fratze aus Metall, deren Gesicht sie regelrecht zu verhöhnen schien, während ihr ein weit aufgerissenes Maul spitze Zähne präsentierte, die so fein herausgearbeitet waren, als könnten sie jemanden locker die Kehle aufreißen.
Doch am Unheimlichsten waren und blieben immer noch die kleinen, dunklen Löcher in den Augenhöhlen der Fratze. Dort, wo hinter dem Metall das wahre Gesicht des Mörders ihrer Freundin verborgen lag.
Zu gerne würde Val einmal das Gesicht des Henkers sehen, damit sie ihm mit ihren Fingernägeln die Haut vom Knochen reißen konnte.
Erschrocken über die Grausamkeit ihrer eigenen Gedanken richtete Val ihren Blick wieder zu Boden.
Sie hatte schon immer gewusst, dass es da etwas Dunkles in ihrem Herzen gab. Etwas Böses, das ihr Stiefvater in ihr geweckt hatte, doch so deutlich wie jetzt hatte sie es bisher noch nie zuvor in sich gespürt.
Früher war sie einmal eine Ärztin gewesen, hatte Menschen geholfen und viele Leben gerettet. Es sollte daher eigentlich nicht in ihrer Natur liegen, jemandem zu schaden, und trotzdem war sie bereits zweimal auf den perversen Bastard losgegangen und würde es wieder tun, wenn sie könnte.
Irgendetwas hatte sich in ihr verändert, und das nicht unbedingt zum Guten. Denn dem Hünen mit der Metallfresse wollte sie nicht einfach nur schaden, sondern ihn für Vanadis' Tod bezahlen lassen und seine Herrin gleich mit dazu. Immer und immer wieder, bis die beiden sie anflehten, aufzuhören, so wie sie darum gefleht hatte, das Leben ihrer Freundin zu verschonen.
Val wusste nicht, ob sie ihnen am Ende Gnade erweisen könnte.
***
Valerias Zustand verschlechterte sich immer mehr.
Alexey konnte es zwar nicht sehen, aber all seine Sinne waren auf sie gerichtet und so hatte er eine Fülle an Informationen, die ihm mehr sagten, als seine Augen alleine es gekonnt hätten.
Ihr Herz raste wie wild. Ihre Atmung war inzwischen nicht mehr so regelmäßig und wurde mit der Zeit auch immer schwerer.
Sie schwitzte aus allen Poren und das, was er von ihr riechen konnte, war eine Gefühlsmischung der sehr unverdaulichen Art.
Sie hatte starke Schmerzen, schien aufgewühlt zu sein und die bittere Note nach Verbranntem in ihrem Geruch, war unverkennbar Wut.
Wut war auch die dominante Note, die sie umgab und vermutlich das Einzige, das sie noch aufrechthielt. Angst hingegen empfand sie in seiner Nähe inzwischen kaum noch.
Das alles war zwar sehr viel besser, als sie so zerstört zu sehen, wie es kurz nach Vanadis' Hinrichtung der Fall gewesen war, doch war sie immer noch schwer verwundet. Nicht nur, was ihren Körper anging, sondern auch ihr Seelenleben litt beträchtlich.
Alexey spürte es, noch bevor es tatsächlich geschah.
Valerias Kräfte verließen sie und sie sank zu Boden, wo sie schwer keuchend sitzen blieb.
Hedera, die ihr Mahl noch nicht ganz beendet hatte, war über diese Störung mehr als ungehalten, auch wenn sie bisher noch nichts dazu gesagt hatte, doch Alexey konnte ihre Gefühle ganz deutlich riechen.
Er war daher nicht überrascht, als sie sich nun doch an ihre Sklavin wandte: „Briseis sei doch so gut und hilf dem armseligen Mädchen wieder auf die Beine.“
„Ja, Domina.“ Die Sklavin ließ alles stehen und liegen, um den Wünschen ihrer Herrin umgehend nachzukommen. Zuvor wäre sie jedoch nicht auf die Idee gekommen, der kleinen Kriegerin wieder auf die Füße zu helfen.
Alexey hingegen waren die Hände gebunden, zumal er sowieso nicht daran glaubte, dass Valeria sich gerne von ihm hätte berühren lassen.
Trotz Briseis Unterstützung gelang es der kleinen Kriegerin jedoch nicht mehr, von selbst stehen zu bleiben. Anscheinend waren ihre Beine inzwischen viel zu schwach und allein der Versuch, sich wieder aufzurichten, kostete sie noch mehr Kraft und bereitete ihr ganz offensichtlich auch noch zusätzliche Schmerzen.
Alexey konnte Salz riechen.
Bei dem Geruch drehte sich ihm noch mehr der Magen um. Vor allem, weil er nichts tun konnte, um Valeria auch nur irgendwie zu helfen oder ihr die Schmerzen zu nehmen, die sie inzwischen sogar zum Weinen brachten.
Wieder einmal war er zur Untätigkeit verdammt, und dafür hasste er sich noch mehr.
„Schon gut, Briseis, lass sie dort in ihrem Elend am Boden kauern.“ Scheinbar vollkommen gefasst, trotz dieses Debakels, tupfte sich Hedera mit einem Tuch ihren Mund ab, ehe sie ihr Mahl offiziell für beendet erklärte und sich von ihrer Liege erhob.
„Bring mir stattdessen Ceara her oder diese andere unscheinbare Sklavin. Kore heißt sie, glaube ich. Wie dem auch sei, welche du zuerst antriffst, bringst du zu mir.“
„Sehr wohl, Herrin.“ Damit war Briseis auch schon zur Tür raus.
Alexey hatte kein gutes Gefühl bei der Sache.
Warum Hedera ausgerechnet eine von den beiden verlangte, war ihm klar, aber nicht, zu welchem Zweck. Valeria lag doch schon am Boden.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, wandte sie sich an ihn: „Das, was ich als Nächstes vorhabe, wird ihr mit absoluter Bestimmtheit nicht gefallen, weshalb ich die Gelegenheit nutzen möchte, um ihre Loyalität zu prüfen.“
Zwar konnte Alexey ihr berechnendes Lächeln nicht sehen, aber er wusste, dass es da war, während sie wie eine Katze durch den Raum schlich und die kleine Kriegerin nun doch von nackter Angst gepackt wurde.
***
Nein, bitte nicht!
Val versuchte sich mit aller Macht vom Boden hochzudrücken und wieder auf ihre Füße zu kommen, während sie immer panischer bei dem Versuch wurde, weil es ihr einfach nicht gelingen wollte.
Sie wusste nicht, was im Kopf der Eiskönigin vorging, aber sie hatte sehr wohl die Namen ihrer Freundinnen verstanden, als diese Briseis fortgeschickt hatte.
Ein kurzer Blick zu der Queen und Val verzweifelte endgültig, bei dem Versuch, aufzustehen.
Das Drecksstück nahm gerade ein scharfes Messer von einem der goldenen Tabletts und schenkte ihr ein wissendes Lächeln, als sie Vals Blick bemerkte.
Die Schmerzen brachten sie zwar beinahe um, doch mit letzter Kraft, schaffte Val es dann doch, sich zumindest an einer Truhe in ihrer Nähe hochzuziehen und auf sehr wackeligen Beinen stehen zu bleiben, während sie sich daran abstützte.
Der Eiskönigin war das egal.
Seelenruhig trank sie ihren Wein aus und wandte sich kurz darauf zusammen mit dem Becher und dem Messer in den Händen an ihren Wachhund, der immer noch reglos wie eine Statue dastand.
Er rührte sich auch nicht, als seine Herrin seinen rechten Arm anhob und ihn so vor sich ausstreckte, dass die Innenfläche seiner Hand nach oben zeigte.
Nicht einmal, als sie ihm mit dem Messer tief ins Fleisch schnitt, gab er einen Laut von sich oder zuckte auch nur mit einem Muskel.
Schweigsam wie eh und je ließ er es geschehen, dass die Eiskönigin das Blut, das ihm in nicht gerade geringer Menge aus der Wunde floss, mit ihrem Weinbecher auffing, bis der rote Strom langsam versiegte.
Val wusste nicht, was sie von dem schockierenden Anblick halten sollte.
Das Bild, das sie von den beiden bisher gehabt hatte, war gerade etwas in Schieflage geraten. Doch noch bevor sie eingehender darüber nachdenken konnte, kam die Eiskönigin auch schon auf sie zu und hielt ihr den Becher mit dem Blut ihres Wachhunds entgegen.
„Trink!“
Vals Beine gaben erneut unter ihr nach und sie rutschte abermals zu Boden, während sie die Eiskönigin fassungslos anstarrte.
Diese Frau war komplett irre. Zwar hatte Val das schon vorher gewusst, aber sie wurde mit dieser Aktion nur noch mehr in ihrer Annahme bestätigt.
Ohne wirklich darüber nachzudenken, schüttelte Val langsam den Kopf. Sie würde verdammt noch mal kein Blut trinken!
Genau in diesem Moment ging die Tür auf und Briseis betrat mit Kore im Schlepptau den Raum.
Val wurde beim Anblick ihrer Freundin von eiskaltem Entsetzen gepackt.
„Trink!“, befahl die Eiskönigin erneut.
Sie konnte sich jedoch nicht bewegen. Pures, unverdünntes Grauen lähmte Val, bei der Erinnerung daran, was geschehen war und bei dem Gedanken, was vielleicht gleich geschehen würde.
Unfähig auch nur zu atmen, musste sie auch schon mit ansehen, wie die inzwischen verängstigte Kore von der Eiskönigin vor ihr auf die Knie gedrängt wurde und ein kleiner Wink seiner Herrin genügte, um auch ihren Wachhund herbeizurufen.
Wieder zog er seine Schwerter.
„NEIN!“ Vals panischer Schrei befreite ihre erstarrten Lungen und auch der Rest ihrer Lähmung fiel von ihr ab.
Sie riss der Eiskönigin regelrecht den Becher mit dem Blut aus der Hand und stürzte den Inhalt ohne zu zögern hinunter.
Darauf gefasst, dass ihr vom intensiven Geschmack alter Kupfermünzen gleich wieder alles hochkommen würde, traf sie der tatsächliche Geschmack von dem, was das auch immer gewesen war, völlig unvorbereitet.
Ihre Geschmacksknospen veranstalteten ein riesiges Feuerwerk in ihrem Mund, das in einem oralen Orgasmus endete, während Val sich auf ihren Händen abstützen musste, um nicht völlig davon umgeworfen zu werden.
Es schmeckte süß und bitter zugleich. Irgendwie beerig und doch wie dunkle Schokolade mit Chili.
Eigentlich gab es nicht wirklich eine Beschreibung für den Geschmack, den sie da im Mund hatte und der, wie wohltuender Balsam, ihre Kehle hinablief, bevor er wärmend ihren Magen traf und von dort ausgehend ihren ganzen Körper zu erobern begann.
Es fühlte sich an, als hätte man ihr extrem starke Drogen eingeflößt, denn kaum, dass die Flüssigkeit ihren Magen erreicht hatte, ließen die Schmerzen und die Verspannung ihrer Muskeln nach. Eigentlich schon, während das Zeug noch in ihrem Mund gewesen war.
Doch erst nach und nach entfaltete sich die volle Wirkung, arbeitete sich als ganz leises Prickeln, wie bei einer Massage durch jede einzelne ihrer Zellen und ließ sie völlig überwältigt, entspannt und mit einem Hochgefühl, wie sie es nur nach einem besonders intensiven Orgasmus kannte, zurück.
Val fühlte sich wie nicht von dieser Welt, während ein merkwürdiges Summen ihren ganzen Körper erfüllte. Niemand konnte es hören, auch sie nicht, doch sie fühlte es so stark in sich, dass es eigentlich hätte hörbar sein müssen.
Sie bemerkte nicht einmal, wie sie endgültig zu Boden ging, unfähig auch nur einen Muskel in ihrem Körper zu bewegen, während die Welt vor ihren Augen verschwamm und in völlig neue Farben getaucht wurde.
Die Menschen um sie herum, nahm sie nur noch als verwischte Farbflecken wahr, sofern man Schwarz als Farbe zählen konnte. Denn davon gab es reichlich.
Vor allem an der Stelle, an der der Wachhund der Eiskönigin gerade einen blassbunten Farbfleck bedrohte, nahm die Schwärze überhand.
Was zum Teufel war das nur?
Je länger Val in diesen tiefschwarzen Abgrund blickte, der mit absoluter Gewissheit den Hünen mit der Metallfresse darstellte, umso mehr schwanden ihr die Sinne, bis sie letztendlich selbst von dieser Finsternis verschluckt wurde.