Der Perverse hielt sich genau einen Tag lang an die Bettruhe, danach zwang seine Langeweile Val dazu, mit ihm die Ruhe im Bett zu teilen. Besser gesagt, nur das Bett.
Glücklicherweise hatte Val am Abend nach dem Streit mit Alexey das Schüsselchen mit der Salbe auf ihrem Strohsack vorgefunden. Denn so sehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht noch einmal, den beschissenen Wichser zum Kotzen zu bringen und ihn dadurch zu zwingen, die Finger von ihr zu lassen. Somit ließ es sich mithilfe der Salbe wesentlich leichter ertragen, doch eigentlich beschäftigte der Streit mit Alexey Val sehr viel mehr. Sie war immer noch wütend auf ihn, vor allem, weil er sich überhaupt nicht mehr blicken ließ und Val damit nur noch bestätigte, was mit ihm los war. Wahrscheinlich wollte er ihr die schlimmer werdenden Auswirkungen seiner Sucht nicht zeigen, denn dann hätte er erst recht nicht mehr die Möglichkeit gehabt, es zu leugnen. Hätte er ihr doch einfach gesagt, was er brauchte, vielleicht hätte Val ihm helfen können. Nicht, um ihn in seiner Sucht noch zu bestärken, sondern vielleicht hätte sie etwas gefunden, das die Symptome seines Entzugs etwas milderte. Damit er leichter davon wegkam. Doch er vertraute ihr nicht und ging ihr aus dem Weg, sodass Val es nicht über sich brachte, zu ihm zu gehen, solange er kein Einsehen hatte, obwohl sie ihn von Tag zu Tag immer mehr vermisste.
So froh Ceara auch war, dass Val kein unnötiges Risiko mehr einging, selbst sie bemerkte nur zu deutlich, wie sehr es Vals Laune drückte, dass sie sich von Alexey fern hielt. Zwar bemühte Val sich, einen normalen Umgang mit ihrer Freundin zu pflegen, sofern sie genügend Zeit füreinander hatten, doch Vals Tagesbeschäftigung und die unruhigen Nächte waren der absolute Stimmungskiller. Irgendwann brachte Val noch nicht einmal mehr ein erzwungenes Lächeln zustande und musste sogar darauf achten, dass sie Ceara nicht wegen Belanglosigkeiten anschnauzte.
So krank es auch war, doch beinahe schien es eine Erleichterung zu sein, als ein Bote endlich die Ankunft der Eiskönigin ankündigte. Zumindest versprach es Abwechslung für Vals durch und durch grauenvollen Alltag.
Warum ein Bote ankündigen musste, dass die Herrin des Hauses zurückkam, verstand Val erst, als sich am Abend fast das ganze Hauspersonal beim Eingang der Villa versammelte, um die Eiskönigin und ihr Gefolge zu empfangen.
An vorderster Stelle stand natürlich der Perverse, der Val fast im Anschlag bei sich an der Seite stehen hatte, da sie offenbar seine neueste Vorzeigesklavin war. Zumindest rein optisch betrachtet und nicht auf ihr Verhalten bezogen. An diesem Tag war sie besonders reich geschmückt und penibel frisiert und geschminkt worden. Sie duftete wie eine Blumenwiese, war wie ein Gemälde bestrichen und konnte keinen Schritt tun, ohne dass man es schon von weitem hörte. Die Kunst bei ihrem neuesten Arbeitsoutfit bestand darin, dass Val sich zwar mit dem ganzen Klimbim angezogen fühlte, aber dennoch fast völlig nackt war. Die Sklaventreiberin und ihre Gehilfinnen hatten sich wirklich selbst übertroffen.
Obwohl Val es nicht offen zeigen durfte und sich eigentlich auf die näherkommende Kutsche samt Begleitschutz konzentrieren sollte, ertappte sie sich dennoch dabei, wie ihr Blick immer wieder über die Anwesenden huschte, um nach einem ganz bestimmten Gesicht Ausschau zu halten. Genauer gesagt, war es eine metallische Fratze, die nicht zu übersehen war, wäre sie denn hier, doch Alexey war nicht hier und so wenig es sie auch wunderte, enttäuschte es Val auch. Sie hatte Alexey seit Tagen nicht mehr gesehen!
Da er offenbar nicht vorhatte, dem Beispiel der anderen zu folgen, richtete Val ihren Blick wieder geradeaus und konzentrierte sich lieber darauf, den Empfang gut zu überstehen. Hier unter all den Leuten würde der Perverse wenigstens nichts tun, womit sie ein Problem hatte. Mal davon abgesehen, dass es für sie schon grundsätzlich ein Problem war, wie sein Eigentum behandelt zu werden.
Die Eiskönigin machte mit ihrem Erscheinen ihrem Namen alle Ehre. Fehlten eigentlich nur noch der rote Teppich und das Blitzlichtgewitter der Reporter.
Zu Vals Überraschung stieg schließlich keine Blondine aus der Kutsche aus, sondern eine Schwarzhaarige. Zwar wirkte es, als würde die Eiskönigin immer noch eine Perücke tragen, doch offenbar war sie des Blonds überdrüssig geworden und ein neues Kleid trug sie ebenfalls.
Die Eiskönigin hatte ihren zweiten Fuß noch nicht ganz auf den Boden gestellt, als plötzlich ein leises Raunen durch die Menge hinter Val ging und sie spürte, wie die Leute sich teilten. Ein flüchtiger Blick über ihre Schulter und Vals Herz begann zu rasen. Er war doch noch gekommen!
***
Einen längeren Blick, um sich seinen Zustand genauer anzusehen, konnte seine kleine Kriegerin zum Glück nicht riskieren, da Hedera zwar flüchtig zu ihm her sah, ihre Konzentration dann jedoch wieder auf Vorenus und Valeria richtete.
Natürlich war Alexey gekommen. Hederas Zwang zog ihn an wie die Motten das Licht. Davon abgesehen, wäre sie sehr ungehalten, wenn er ferngeblieben wäre und in seinem momentanen Zustand wollte er nicht auch noch von ihr bestraft werden.
Während sie näher kam, gesellte sich plötzlich ein blonder Mann zu ihr, den Alexey noch nie zuvor gesehen hatte und der von einem der Pferde gestiegen war, welche die Kutsche begleitet hatten. Er war groß, schlank und blauäugig. Ein richtiger Schönling mit einem Lächeln auf den Lippen, das Mädchenherzen höher schlagen und Frauenschöße schmelzen ließ. Wenn Alexey nach so manch weiblicher Reaktion aus der Menge ging.
Hedera nahm den von ihm angebotenen Arm an und hängte sich bei ihm ein, ehe die beiden zusammen vor Vorenus traten. Für unwissende Beobachter ergab das gewiss ein seltsames Bild. Zumindest wenn man davon ausging, dass sie verheiratet war und der Kerl an ihrem Arm nicht ihr Ehemann. Alexey kannte natürlich die Wahrheit.
„Willkommen zurück, Gemahlin“, begrüßte der nur zu offensichtlich gehörnte Herr des Hauses Hedera mit einem dezenten Kuss auf die Wange und schien nicht im Geringsten verärgert zu sein.
„Sei gegrüßt, Servius. Darf ich vorstellen …“ Hedera drehte sich zu ihrem Begleiter um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „… Arum Anteius Rufus. Ein Freund, den ich bei Julias Feier kennengelernt habe und der für ein paar Tage unser Gast sein wird. Und das hier ist mein Gemahl, Servius Vorenus Maximus.“
Die Art, wie Hedera das Wort ‚Gemahl‘ betonte, hätte nicht offensichtlicher sein können. Überhaupt schien Vorenus langsam zu begreifen, um was es hier ging. Während die beiden Männer sich mit scheinheiliger Freundlichkeit begrüßten, konnte Alexey sehr genau dessen aufziehende Nervosität wittern. Hedera hatte einen möglichen Rivalen nach Hause gebracht. Keinen Rivalen im Bett, sondern was die Stellung des Familienoberhaupts anging. Etwas, das Alexey selbst nicht kümmerte. Er begann sich wegen anderer Dinge Sorgen zu machen.
„Wie ich sehe, hast du die kleine Ägypterin behalten.“
Valeria, die gerade noch tief in Gedanken versunken gewesen war, fand sich plötzlich im Lichte aller Aufmerksamkeit wieder und senkte rasch den Blick. ‚Behalten‘ war wirklich ein netter Ausdruck für ‚am Leben gelassen‘.
„Glücklicherweise. Sie ist wirklich sehr … unterhaltsam.“ Vorenus strich liebkosend über ihre Wange, sodass Alexey ein bedrohliches Knurren hinunterschlucken musste, als er sah, wie seine kleine Kriegerin erschauderte. Wenigstens konnte er den Bastard im Moment nicht so an ihr riechen, wie er ihn davor immer an ihr gewittert hatte. Offenbar war sie vor dem Empfang gebadet worden. Wäre es anders, Alexey wüsste nicht, ob er sich vollends hätte beherrschen können.
„Und von äußerst exquisiter Schönheit“, kam es von dem blonden Schönling. Seine Stimme war tief und volltönend. Wie geschaffen, um Frauen zu bezirzen. Doch Valerias Körper wurde daraufhin von einer deutlich sichtbaren Gänsehaut überzogen. Offenbar empfand sie nicht so, oder sie fror, da sie kaum etwas am Leib trug, das sie hätte wärmen können. Wieder musste Alexey ein Knurren hinunterschlucken und seine Hände bei sich behalten. Zugleich fragte er sich, ob die Worte dieses Anteius Hederas Eifersucht weckten. Allerdings nahm er nichts in dieser Richtung an ihr wahr.
„Mir scheint, du konntest sie inzwischen bändigen, jedoch nicht ohne Einbußen. Sag Servius, fühlst du dich nicht wohl? Du bist recht blass um die Nase.“ Hedera klang tatsächlich besorgt und zog mit ihren Worten Alexeys Aufmerksamkeit auf Vorenus, den er bisher kaum beachtet hatte. Von seiner Position aus konnte er ihn zwar nur halb von der Seite sehen, doch es stimmte. Sein Äußeres wirkte tatsächlich etwas kränklich. Davon hatte Alexey bisher nichts mitbekommen, da er die letzten Tage versucht hatte, seiner kleinen Kriegerin so weit als möglich aus dem Weg zu gehen, obwohl es ihm schier das Herz zerquetschte. Lediglich abends schlich er in ihrer Nähe herum, um darauf zu achten, das Cicero sie nicht irgendwo abfing, um sich an ihr zu vergehen. Darüber hinaus wagte er nicht, ihr zu nahe zu kommen, so sehr es ihn auch quälte. Die Gier nach ihrem köstlichen Blut und sein Durst machten die Sache auch gewiss nicht einfacher. Doch am schmerzlichsten vermisste er tatsächlich ihre Nähe und ihr zartes Gewicht auf ihm, wenn sie an seiner Brust tief und fest schlief.
„Nur eine kleine Unpässlichkeit. Eine Magenverstimmung. Mir geht es inzwischen jedoch schon sehr viel besser.“ Vorenus‘ Worte rissen Alexey aus seinen Gedanken, sodass er Hederas Blick noch mitbekam, als sie zu Vorenus sagte: „Ich werde mich so bald wie möglich darum kümmern, dass du bekommst, was du brauchst, um dich schon bald wieder besser zu fühlen.“ Dabei sah sie ihn und nicht Vorenus an. Was das wohl sein könnte? Alexey unterdrückte ein Schnauben.
„Ich danke dir. Wollen wir reingehen? Das Abendmahl steht schon bereit.“ Und damit löste sich das Empfangskomitee gesittet auf. Die restlichen Sklaven, die nicht damit beschäftigt waren, das Gepäck von Hedera und das des Schönlings in die Villa zu schaffen, verschwanden im Haus. Lediglich Valeria und er blieben noch übrig, um ihren jeweiligen Herrn oder der jeweiligen Herrin wie ein Schatten zu folgen.
***
Er sah richtig beschissen aus und das war noch die Untertreibung des Jahrhunderts. Val, die direkt neben der Liege des Perversen bereit stand, um ihm sofort Wein nachzuschenken oder ein Häppchen zu reichen, an das er nicht mit seinen verfluchten Griffeln selbst rankam, hatte einen ausgesprochen guten Ausblick auf Alexey, der ihr gegenüber hinter der Liege der Eiskönigin stand, um wie schon so oft ihren stillen Schatten zu mimen. Sogar von hier aus konnte sie erkennen, wie er zitterte und schwitzte. Die Eiskönigin mochte inzwischen seinem Geruch gegenüber immun sein, doch Val spürte die Wirkung bis hierher und wie ihr immer wieder heiße Schauer über den Körper jagten, als hätte sie Hitzewallungen. Dem blonden Adonis schien es ebenso zu gehen, denn er hatte sich einen Sklaven herangewunken, der ihm beständig Frischluft zufächelte und somit noch mehr von Alexeys Duft in ihre Richtung wedelte. Allerdings ließ er immer wieder seine blauen Augen interessiert musternd über Alexeys Körper wandern, der zum Glück immer noch in einer Tunika und seinem Umhang gehüllt war, sonst wäre das alles noch sehr viel schlimmer. Sowohl von der Stimmung her, als auch was die Intensität von Alexeys Duft anging.
Dem Gespräch konnte Val nur mittelmäßig folgen, zumal es sie auch nicht großartig interessierte. Es ging um eine Feier und wie die Eiskönigin mit dem Adonis bekannt gemacht worden war. Um das Stadtleben und die eher unbequeme Reise. Anschließend darum, wie der Perverse seine Zeit hier verbracht hatte. Dabei wurde lobend erwähnt, was er aus der ‚wilden Ägypterin‘ gemacht hatte. Wirklich hervorragende Arbeit, die der Kerl bei ihr geleistet hatte.
Val kümmerte es kaum, was über sie gesprochen wurde. Ihre ganze Konzentration war auf Alexey gerichtet, dessen Blick ebenfalls ausschließlich auf ihr zu liegen schien. Inzwischen bedauerte Val den Streit mit ihm immer mehr, obwohl sie wusste, dass sie im Recht war. Wenn er ihr nicht genug vertraute, um sich ihr anzuvertrauen, was hatte das alles überhaupt für einen Sinn? Warum dann überhaupt ein Risiko eingehen? Zum Glück war sie noch nicht einmal annähernd der Versuchung erlegen, mit ihm über Fluchtpläne zu sprechen. Das hätte sie sogar noch sehr viel mehr bereut.
Ob es am reichlich fließenden Wein lag, oder das die Luft im Raum immer mehr von Alexeys Duft geschwängert wurde, im Laufe des Abends begann sich die Stimmung jedenfalls deutlich zu verändern. Die Eiskönigin und ihr blonder Adonis wurden im Umgang miteinander immer ausgelassener. Offenbar wurde sogar hemmungslos geflirtet, obwohl der Perverse – ihr Ehemann – sich immer noch im gleichen Raum mit ihnen befand. Den schien das Ganze überhaupt nicht zu kümmern, da sich seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf Val konzentrierte, die er bei jeder noch so kleinen sich bietenden Gelegenheit begrabschte und sie am Ende sogar auf seinen Schoß zog, wo sich sofort sein Schwanz verlangend gegen ihre Hüfte drängte.
Ab diesem Zeitpunkt konnte Val überhaupt nicht mehr zu Alexey hinüberblicken. Der Gedanke, das er das hier mit ansehen musste, tat irgendwie weh und zugleich hatte sie ohnehin alle Hände voll damit zu tun, sich vor den Annäherungen des Perversen zu verschließen, die immer offensichtlicher wurden. Es dauerte auch nicht lange und er zog sie schließlich mit sich auf die Füße, um sich für die Nacht zu verabschieden. Was ebenfalls ziemlich gleichgültig von dem ungleichen Paar hingenommen wurde.
Einen letzten Blick auf Alexey konnte Val sich beim Hinausgehen doch nicht verwehren, der Steif wie ein Brett da stand und versuchte, seine heftig zitternden Fäuste in den Falten seines Umhangs zu verbergen. Beinahe glaubte Val, seine Zähne knirschen zu hören. Doch das hatte sie sich bestimmt nur eingebildet.
***
Zu Vals großer Erleichterung hatte der reichlich geflossene Wein ihre Folter deutlich verkürzt und der Perverse war schneller eingeschlafen, als sie unter ihm hervorkriechen konnte. Dadurch war sie dann auch automatisch für den heutigen Tag entlassen, sodass sie nur noch das ganze Klimbim bei der Sklaventreiberin abgeben musste und sie sogar noch etwas zu essen bekam. Dennoch war es schon reichlich spät, als sie mit einem Krug warmen Wassers, mit dem sie sich anschließend gründlich waschen würde, in ihre Kammer zurückkehrte und überrascht feststellte, dass Ceara noch nicht schlief.
„Warum du noch wach?“, wollte Val von ihrer Freundin wissen, während sie den schweren Krug auf die Kiste in der Mitte des Raumes abstellte, doch sie bekam keine Antwort.
„Ceara?“ Erst jetzt bemerkte Val, dass mit ihrer Freundin etwas nicht stimmte. Diese saß kreidebleich auf ihrem Strohsack, das Haar halb geöffnet, während sie ihren Kamm so krampfhaft in den Händen umklammert hielt, dass die spitzen Zähne sich so fest in ihre Handflächen gebohrt hatten, bis sie blutete.
Als Val sie vorsichtig an der Schulter berührte, schreckte Ceara mit einem leisen Schrei regelrecht auf, bevor sie sie erkannte. Ihre Augen waren vor Angst und Panik weit aufgerissen und ihr Atem ging plötzlich so hektisch, dass sie zu hyperventilieren drohte.
„Ruhig, Ceara. Ganz ruhig.“ Val umarmte kurz den bebenden Körper ihrer Freundin, ehe sie sich wieder von ihr löste und Ceara erst einmal den Kamm aus den Händen entwand. Die Verletzung an ihren Handflächen war zum Glück nicht tief. Dennoch nahm Val ein sauberes Tuch, um es ihr dagegen zu drücken, bevor sie ihre Freundin wieder eindringlich ansah.
„Ceara, sprich. Was ist los?“ Was zum Teufel machte ihrer Freundin eine so Scheißangst, dass sie aussah, als hätte sie einen Geist gesehen?
„D-d…ie … D-dom…ina …“, kam es nur bruchstückhaft über Cearas bleiche bebende Lippen.
„Ja?“ Val blieb ganz ruhig und strich ihrer Freundin immer wieder beruhigend durchs Haar, obwohl es kaum zu helfen schien.
„S-sie … I-ich … i-ich soll …“
„Ja? Was du sollst?“, half Val ihrer Freundin ein wenig auf die Sprünge und fühlte sich dabei mehr und mehr selbst immer unwohler. Ein ganz bestimmtes Grauen wollte sich in ihrem Magen breit machen, doch noch hatte Val keinen echten Grund, es zuzulassen.
„…zu i-ihr …“, beendete Ceara endlich ihren Satz und bestätigte damit, was Val schon vermutet hatte. Doch irgendwie wollte sie es nicht wahrhaben.
„Jetzt gleich?“, fragte sie daher voller Hoffnung darauf, dass Ceara verneinen würde. Doch ihre Freundin nickte voller Entsetzen. Einen Moment lang war sie noch wie erstarrt, doch plötzlich schlang sie ihre Arme so fest um Vals Hals, dass sie sie beide beinahe umwarf.
„Ich kann nicht! Ich will nicht … sterben! Er mich … töten!“ Ceara begann erbarmungswürdig zu schluchzen.
„Er dich nicht töten, Ceara. Er auch nicht Kore töten, vergessen?“, versuchte Val ihre Freundin zu beruhigen, obwohl sie selbst nicht beruhigt war. Ganz und gar nicht sogar. Sie hatte schließlich selbst nicht vergessen, was sie hinter verschlossenen Türen gehört hatte, als Kore bei den beiden gewesen war.
„Er Kesara töten! Sie ist gerufen worden. Sie nie zurückgekommen!“
Von Kesara hatte Ceara schon einmal gesprochen, auch wenn Val das Mädchen nie kennengelernt hatte, so wusste sie doch noch, dass das die Kleine war, die schon bei ihrer Ankunft so kränklich gewirkt hatte. War es sicher, dass sie nicht ihrer Krankheit erlegen war? Val wusste es nicht, doch wenn Ceara behauptete, dass es anders gewesen war, dann glaubte sie ihr. Ihre Freundin hatte nicht umsonst so panische Angst, und um ehrlich zu sein, Val ging es nicht anders. Allerdings fürchtete sie nicht um ihr eigenes Leben, sondern um das von Ceara. Weshalb sie ihre Freundin auch so fest hielt, als könnte man sie ihr wegnehmen, bis Val sich genug gesammelt hatte, um entschlossen zu sagen: „Ich gehen.“
Ceara ließ sie daraufhin los und schüttelte heftig den Kopf. „Nein. Das …“
„Doch!“ Val akzeptierte kein Nein, was sie auch damit klar zum Ausdruck brachte, dass sie nun sehr geschäftig wurde, indem sie aufstand, sich den Hauch von Nichts vom Leib riss und sich hastig zu waschen begann.
„Valeria, du kannst nicht …“
„Doch, und jetzt genug. Keine Angst, Ceara. Alles gut. Versprochen.“ Ob wirklich alles gut wurde, wusste Val nicht, aber zumindest eines wusste sie: Wenn es um sie selbst ging, konnte sie nach den knapp zwei Wochen mit dem Perversen kaum noch etwas ängstigen. Das Einzige, was sie wirklich fürchtete, war auch noch Ceara zu verlieren. Wenn man ihre Freundin tötete, wer blieb ihr dann noch außer Alexey, der vielleicht gezwungen war, die Rolle des Henkers zu übernehmen? Lieber blickte sie selbst dem Tod ins Auge und riskierte es, von der Eiskönigin für ihre Dreistigkeit bestraft zu werden.
„Er mich nicht töten. Ich mir sicher“, versuchte Val nicht nur Ceara, sondern auch sich selbst zu beruhigen, obwohl sie genau wusste, dass Alexey keine andere Wahl hatte, wenn die Eiskönigin erst einmal einen entsprechenden Befehl ausgesprochen hatte. Dennoch, lieber war Val das Kanonenfutter als am Ende alleine dazustehen. DAS könnte sie NICHT ertragen.
„Hilf mir … mit Haar!“, forderte Val ihre Freundin auf, um ihr etwas zu tun zu geben, damit diese nicht völlig durchdrehte.
Kurz zögerte Ceara noch, doch dann machte sie sich daran, sich um Vals Haare zu kümmern. Hoffentlich bedeutete das, dass sie eingesehen hatte, heute doch nicht sterben zu müssen. Wie es stattdessen Val ergehen würde, wusste sie nicht. Doch sie war fest entschlossen, sich auch weiterhin nicht unterkriegen zu lassen.