Alexey blieb die ganze Nacht wach. Er hätte auch nicht schlafen können, wenn er es versucht hätte. Im Moment verhielt die Bestie sich zwar ruhig, doch die Reste seiner Wut reichten immer noch für eine innere Rastlosigkeit, die ihn nicht einmal müde werden ließ.
Während seine kleine Kriegerin den Schlaf der Gerechten schlief und sich in dieser Nacht nicht ein einziges Mal bewegte, bekam Alexey die vielen Sinneseindrücke nicht aus dem Kopf, die ihn heute beinahe überwältigt hätten.
Er war schon völlig aufgebracht gewesen, als er erfahren hatte, bei wem sich Valeria befand, da nicht schwer zu erraten war, was ihr in Vorenus‘ Nähe blühte. Allein der Gedanke, wie dieser Bastard seine kleine Kriegerin berührte …
Den ganzen Tag über hatte Alexey versucht, die Bestie in seinem Inneren mit Übungen am Pallus abzulenken. Wie ein Berserker hatte er immer wieder auf das stabile Holz eingedroschen, um sich zu verausgaben, doch es war kaum genug. Wäre er auch nur ansatzweise in der Lage gewesen, einen der Wächter tödlich zu verletzen, er hätte Cicero vor den Augen seiner kleinen Kriegerin in Stücke gerissen, nachdem auch dieser es gewagt hatte, sie anzurühren. So hatte er ihn lediglich erneut von ihr abbringen können, bis er es am nächsten Abend abermals versuchen würde. Da war sich Alexey sicher. Doch solange er es verhindern konnte, würde Cicero seine kleine Kriegerin auf keinen Fall in die Finger bekommen.
Was Vorenus anging … Alexey hatte dessen Gestank an Valerias Körper kaum ertragen. Alles in ihm hatte danach geschrien, diesen Bastard aus dem Bett zu holen und ihn für alles, was er Valeria angetan hatte, auszuweiden. Doch im Gegensatz zu den Wachen konnte er Vorenus nicht einmal den kleinsten Schmerz zufügen. Hedera hatte dafür gesorgt, egal wie wenig sie ihren Sohn schätzte. Doch sie brauchte ihn als Familienoberhaupt, da sie als Frau in dieser Welt kaum Rechte hatte und schon gar nichts besitzen konnte.
Was also war Alexey am Ende anderes übrig geblieben, als seine kleine Kriegerin von dem Gestank und Vorenus‘ Berührungen zu befreien, wenn er schon sonst nichts für sie tun konnte? Er durfte sie noch nicht einmal heilen, obwohl er natürlich dennoch tat, was im Rahmen des Möglichen lag. Ein paar Tropfen seines Blutes hie und da dürften nicht auffallen, ihr allerdings dennoch Erleichterung verschaffen. Ihr Schoß würde die nächsten Tage noch oft genug in Anspruch genommen werden, da konnte es nicht schaden, wenn Alexey dafür sorgte, dass er zumindest jeden Abend vollends geheilt wurde, denn auch, wenn er keine Frau war, so konnte er sich vorstellen, wie sehr es schmerzen musste, dort immer wieder aufs Gröbste benutzt zu werden.
Selbst das Wasser hatte seine kleine Kriegerin so hastig hinunter gestürzt, dass ihr vermutlich gar kein ungewöhnlicher Geschmack daran aufgefallen war. Doch offenbar hatte Alexey die Dosis richtig gewählt, denn sie schlief ruhig und fest bis zu dem Moment, als er sie am frühen Morgen aufwecken musste.
***
Val schlief wirklich unglaublich gut. Wenn sie tatsächlich träumte, dann konnte sie sich im Nachhinein nicht mehr daran erinnern. Höchstens an schwache Eindrücke von warmen, duftenden Kissen, die sich ungewöhnlich hart unter ihren Händen anfühlten und sich wie ein lebendiges Wesen bewegten. Nichts, was wirklich Sinn ergab. Genauso wenig wie das Kitzeln an ihrem Ohr. Zumindest konnte Val diesem Gefühl am Anfang keinen Sinn entnehmen, bis sie langsam aus den Tiefen ihres Schlafes an die Oberfläche trieb und das Kitzeln nun schon deutlicher zuordnen konnte. Es war eine Berührung. Jemand streichelte ihr immer wieder mit einem Finger über den Rand ihrer Ohrmuschel, sodass Val schließlich murrend ihren Kopf auf die andere Seite drehte, um ihr Ohr an dem warmen, harten Kissen zu verstecken. Doch dann ging es bei ihrem anderen Ohr weiter, bis sie schließlich den Störenfried mit einer Hand zu verscheuchen versuchte und dabei gegen einen massiven Arm stieß. Stirnrunzelnd blinzelte Val gegen das schwache Licht im Raum an und konnte eine schmucklose Wand aus Stein erkennen, ehe sie verwirrt und ein wenig desorientiert den Kopf in den Nacken legte, um mehr von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Es brauchte noch ein paar weitere Momente, bis Val begriff, wen sie da vor sich hatte oder besser gesagt, auf wem sie schon die ganze Zeit drauf lag. Ihr seltsam warmes und hartes Kissen war Alexey.
Äußerst mürrisch, da sie aus ihrem tiefen Schlaf geweckt worden war, sah Val wieder weg und kuschelte sich erneut mit der Wange an seine Brust, während sie einmal tief Luft holte. Dass er sie weckte, konnte nur eines bedeuten und das wollte sie im Augenblick absolut nicht. Sie wollte nicht die Wärme dieses Bettes und schon gar nicht die ihres Beschützers verlassen, denn sobald sie durch diese Tür ging, würde all die Scheiße vom Vortag erneut beginnen.
Wie ein Kind, das nicht aufstehen und zur Schule gehen wollte, zog Val schließlich auch noch die Decke über ihren Kopf, um die Welt dort draußen auszusperren. Daraufhin ging ein leises Rumpeln durch Alexeys Brust, was Val nach einigem Herumrätseln als leises Lachen erkannte. Allerdings klang es nicht gerade heiter oder glücklich, weshalb sie dann doch unter der Decke hervorkam, sich auf den Bauch drehte und hochblickte, um Alexey ansehen zu können. Tatsächlich war von dem kurzen Anflug von düsterem Humor nicht mehr das Geringste in seinem Gesicht abzulesen. Es wirkte sogar fast so, als hätte er gar nicht geschlafen, so verhärtet waren seine Gesichtszüge.
Zu gerne hätte Val gewusst, was in seinem Kopf vorging und warum er verdammt noch mal noch immer kein einziges Wort gesagt hatte, doch das würde sie wohl nie erfahren. Er ließ sie zwar sein Gesicht begutachten, aber das war auch schon alles. Val glaubte inzwischen, dass es irgendwas mit seiner Zunge zu tun hatte. Eine andere Erklärung gab es einfach nicht für sie. Vielleicht hatte die Eiskönigin ihm vor ihrer Abreise einen Nagel durch die Zunge getrieben oder ihm irgendwie ein krankes Piercing verpasst, das so groß war, dass er damit nicht sprechen konnte, ohne sich vollkommen zu blamieren. Einmal davon abgesehen, dass er sich vor Val nicht blamieren konnte, hätte sie allerdings ziemliche Probleme, ihn zu verstehen, wenn er stark lispelte. Vielleicht hielt er es deshalb für angebracht, besser gar nichts zu sagen. Aber wenn dem wirklich so war, hätte Val ihm helfen können. Nur war wieder die Frage, was würde geschehen, wenn die Eiskönigin ihnen auf die Schliche kam und plötzlich keine durchstochene Zunge bei ihrer Rückkehr vorfand? Selbst wenn Alexeys Verletzungen im Moment so langsam heilten, Verletzungen im Mund und vor allem an der Zunge würden sich dennoch sehr viel schneller schließen. Ihm dann erneut das Fleisch zu durchstechen käme also nicht infrage.
Vielleicht war es wirklich besser, wenn Val nicht zu sehr darüber nachdachte, sondern es einfach akzeptierte. Extreme Schmerzen schien er auf jeden Fall keine zu haben und sie kam trotz der Sprachbarriere ja dennoch ungewöhnlich gut mit Alexey aus. Wahrscheinlich weil sie beide größere Probleme hatten, als die richtigen Worte zu finden.
Anstatt ihn also erneut auf sein Schweigen anzusprechen, streckte Val lediglich die Hand nach Alexey aus, um ihm eine Strähne seines rabenschwarzen Haares aus dem Gesicht zu streichen. Bisher war ihr gar nicht aufgefallen, wie unglaublich weich es war. Weshalb sie noch einmal ihre Finger hindurchgleiten ließ. Zwar zögerte sie so das Unvermeidliche nur hinaus, doch konnte Val nichts Falsches daran erkennen, sich noch ein paar Momente ihrer Zeit mit Alexey zu erhaschen. Zumal er absolut nicht den Eindruck machte, als hätte er es eilig, da er seine Hände an ihre Seiten legte und sie sanft mit seinen Daumen streichelte. Glücklicherweise tat ihr heute Morgen schon weniger weh, selbst die gebrochenen Rippen, sodass die Berührung nicht unangenehm war.
„Danke“, kam es schließlich leise über Vals Lippen, während sie immer noch nicht den Blick von Alexeys Augen nehmen konnte. „Dass ich hier und du … kümmerst …“
Zunächst reagierte Alexey gar nicht darauf, dann schüttelte er traurig den Kopf und setzte sich langsam mit ihr zusammen auf, sodass sie auf seinen Schoß rutschte und dort sitzen blieb. Dabei kam sie sich wie ein Zwerg vor, da sie auf ihn mit ihrer Größe nicht wirklich Eindruck machte. Im Vergleich zu ihm war sie wie ein kleines Kind, obwohl an ihr natürlich absolut gar nichts Kindliches war.
Eine Weile hatte ihr seine riesenhafte Erscheinung Angst gemacht, nun jedoch nicht mehr. Seine Nähe bedeutete Schutz und Geborgenheit. Nichts anderes. Die Nacht, in der er Val gezwungenermaßen vergewaltigt hatte, war für sie kaum noch präsent. Natürlich erinnerte sie sich daran, wie könnte sie auch nicht? Doch die unangenehmen Eindrücke rückten mehr und mehr in den Hintergrund und was blieb, waren die Momente, in denen sie einen Hauch von Alexeys wahrem Wesen hatte erkennen können. Nun, da sie ihn besser kannte, traten diese Aspekte seines Wesens und seiner Handlungen im Nachhinein in ihren Erinnerungen umso deutlicher hervor.
Wie könnte Val auch tatsächlich noch länger ein Monster in Alexey sehen, wenn er so zärtlich ihren Kopf zwischen seinen Händen hielt und seine Stirn an ihre lehnte, sodass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten? Er hatte die Augen geschlossen und so weit sie seinen Gesichtsausdruck in dieser Position erkennen konnte, ging es ihm gerade absolut nicht gut. Er wirkte richtig gequält. Dabei hatte sie sich nur bei ihm bedankt, doch offenbar empfand er ganz anders. Vielleicht hatte er auch das Gefühl, nicht genug zu tun, da er sie ja dennoch nicht vor dem Perversen beschützen konnte. Doch das würde Val ihm niemals ankreiden. Ihm waren dahingehend einfach die Hände gebunden. In vielerlei Hinsicht, wie sie inzwischen begriffen hatte.
Da es für Val schmerzhaft war, die Arme über die Höhe ihrer Schultern hinaus zu heben, schlang sie sie lieber um Alexeys breite Mitte und strich ihm beruhigend über den Rücken. Sie war ihm auch so unendlich dankbar hier bei ihm sein und das hier fühlen zu dürfen. Was auch immer es genau war, was da zwischen ihnen stattfand, es fühlte sich wirklich gut an. Vertraut und innig. Völlig unverdorben und damit wie Balsam auf ihren geschundenen Seelen.
Diese Momente mit Alexey waren auch der einzige Lichtblick für Val, die wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte. Wie auch immer es dazu gekommen war, dass sie trotz allem auf diese Weise zueinandergefunden hatten, Val wollte es nicht mehr missen. Es würde nicht von Dauer sein, da machte sie sich gar keine Illusionen. Spätestens wenn die Eiskönigin ihr Sexspielzeug wieder die ganze Nacht lang für sich beanspruchte, wären die Nächte mit Alexey vorbei. Davon abgesehen war es auch einfach zu riskant. Es brauchte nur jemand in der Nacht nach ihr zu suchen und wenn sie dann nicht in ihrer Kammer war, wäre es aus und vorbei. Doch so lange es ging, wollte Val das hier nutzen, um Kraft daraus zu ziehen, denn die würde sie auf jeden Fall noch brauchen.
Der traute Moment wurde schließlich durch ein lautes Rumpeln ihres Magens zerstört, sodass Val sich ein wenig zurückzog und Alexey verlegen ansah. Bevor er allerdings irgendwas tun oder darauf reagieren konnte, legte sie ihm ihre Hand auf seine Brust, um ihn zu stoppen und kletterte dann von seinem Schoß, um das Bett zur Truhe hoch zu krabbeln, wo immer noch die Reste ihres Abendessens standen. Zum Glück war es nicht allzu viel, denn wahrscheinlich würde sie heute wieder damit zu kämpfen haben, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten, doch genug, um den gröbsten Hunger zu stillen. Auch von dem Wasser nahm sie noch ein paar Schluck, ehe sie von Alexeys Bett rutschte und aufstand. Eigentlich rechnete Val damit, ein wenig mit ihrem Gleichgewicht kämpfen zu müssen, doch ihr ging es erstaunlich gut an diesem Morgen.
Verwundert sah sie Alexey an, doch der erwiderte ihren Blick mit verschlossener Miene. Seine ganze Haltung war wieder angespannt und er ballte sogar die Hände um seine Decke, sodass Val noch einmal näher an ihn herantrat und ihre Hände auf seine legte, während sie ihn beruhigend ansah.
„Mir geht gut, dank dir, Alexey.“ Seinen Namen sagte sie ganz besonders sanft und drückte dabei seine Hände. Da er so groß war, musste Val sich schon ordentlich strecken, um ihm zumindest auf sein Schlüsselbein einen kleinen Dankeskuss hauchen zu können. Sie schenkte ihm auch noch ein zuversichtliches Lächeln, das im Augenblick tatsächlich ehrlich war und ließ ihn dann langsam los, obwohl nun seine Hände auch noch zu zittern begonnen hatten. Doch sein Blick blieb ausdruckslos, lediglich seine Lippen waren nur noch zu einem schmalen Strich zusammengepresst, sodass Val schon fast befürchtete, es würde ihm die Nähte sprengen. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie ihn nun alleine ließ. Er hatte schon genug für sie getan.
Bei der Tür drehte Val sich noch einmal um, dabei hielt sie ihr beschissenes Arbeitsoutfit in der Hand. Sie konnte Alexey allerdings nicht richtig ansehen. Sie ertrug schon so kaum seinen Anblick, wie er zitternd und bebend vor Wut auf seinem Bett saß und völlig still vor sich hin brütete.
„Ich hoffe … auf später …“, verabschiedete sie sich daher leise und schloss schließlich lautlos die Tür hinter sich. Im Flur war es dämmrig und noch völlig still. Die Bewohner der Villa waren noch nicht erwacht, sodass Val keine Angst haben musste, beim Herumschleichen ertappt zu werden. Daher schaffte sie es auch ungesehen zurück in ihre Kammer, wo sie kurzerhand einfach zu ihrer schlafenden Freundin unter die Decke kroch, um sie ein wenig zu halten. Ceara gab nur ein leises Murren von sich, regte sich kurz und schmiegte sich dann an Val, ehe sie auch schon wieder eingeschlafen war.
Val versuchte erst gar nicht, noch einmal zu schlafen. Stattdessen gab sie sich ihren Gedanken hin und achtete dabei penibel darauf, nicht in die Richtung des Perversen zu denken. Über Alexey nachzudenken war ihr da sehr viel lieber.
***
„… ist gefährlich! Und was, wenn euch die Domina auf die Schliche kommt?“ Ceara wollte nicht mit ihrer Freundin streiten, da sie sehr wohl mitbekommen hatte, wo Valeria den gestrigen Tag verbracht hatte und womit. Sie selbst hatte auch schon einmal das zweifelhafte Vergnügen gehabt, die Begierden des Dominus befriedigen zu müssen, allerdings schien sie ihm glücklicherweise nicht besonders zu gefallen. Kores Erscheinungsbild hatte seine Begierden eher angesprochen und nun hatte er sich auf Valeria versteift. Ceara war sich sicher, dass es gewiss nicht nur daran lag, dass sie ihn beinahe getötet hätte, sondern ihr Aussehen auch voll und ganz seinem Geschmack entsprach.
Ceara würde wohl niemals vergessen, wie schlimm er Valeria misshandelt hatte und dass sie ohne die Hilfe des Bluthunds nicht dazu in der Lage gewesen wäre, sich um ihre Freundin zu kümmern. Es beunruhigte sie dennoch, was sich hier anzubahnen schien, denn nach einem Tag wie gestern hätte Ceara eigentlich angenommen, dass Valeria völlig fertig sein würde. Stattdessen wirkte sie … zufrieden. Wie auch immer das sein konnte.
„Die Domina nicht hier“, widersprach Valeria ruhig, während sie ihren lockeren Zopf öffnete und in Gedanken versunken mit ihren Fingern durch ihr Haar kämmte.
„Aber der Dominus ist hier und was denkst du, was er davon halten würde, wenn er wüsste, wo du die Nächte verbringst oder besser gesagt, mit wem?“ Ceara wusste selbst nicht, warum sie heute so aufbrausend reagierte. Gestern war sie noch froh gewesen, dass dieser Mann sich um Valeria kümmern würde, die so vollkommen fertig ausgesehen hatte, dass es ihre eigenen Mittel und Fähigkeiten wahrscheinlich überstiegen hätte, um ihrer Freundin zu helfen. Doch sie hatte auch nicht damit gerechnet, Valeria an diesem Morgen so ruhig und gefasst zu erleben. So vollkommen verwandelt. Was war in dieser Nacht nur geschehen?
„Ceara …“, Valerias bisher ruhiger Tonfall wurde warnend. „Was ist … wirklich Problem?“
Ceara zuckte überrascht zusammen und senkte mit glühenden Wangen den Blick. Was das eigentliche Problem war, weshalb sie einen Streit vom Zaun brach?
„Ich … sorge mich um dich, Valeria“, begann sie zögerlich, konnte ihrer Freundin jedoch nicht in die Augen schauen. „Dieser Mann … Er hat dir geholfen, ja, aber das ändert nichts daran, wer er ist. Wenn du nur wüsstest, welche Gerüchte die anderen Sklaven über ihn erzählen. Seine barbarischen Verbrechen. Sklavinnen betreten die Räume der Domina und verschwinden … Man sagt, ab und an opfert sie ihm sogar eine Jungfrau, die er schänden und anschließend auffressen kann …“ Es klang in ihren eigenen Ohren verrückt. Nicht das mit dem Schänden, aber sehr wohl, dass er die Sklavinnen anschließend auffressen würde. Eigentlich müsste Valeria es sogar aus erster Hand wissen, nur dass sie eben nicht aufgefressen worden war, sondern glücklicherweise die Nacht mit diesem Monster überlebt hatte. Mehrere Nächte inzwischen.
„Und du vergisst, er hat Vanadis getötet …“, schob Ceara noch tief betroffen nach. Eigentlich war das sogar das ausschlaggebendste Argument. Er hatte ihrer gemeinsamen Freundin ohne zu zögern den Kopf abgeschlagen. So sagte man. Valeria hatte sich dazu nie geäußert, obwohl sie es mit eigenen Augen mitangesehen hatte.
„Es war ein Befehl. Er muss horchen.“ Valerias Stimme war zornerfüllt.
Ceara ignorierte es und machte ein verächtliches Geräusch. „Er hätte sich weigern können!“
„Kannst du dich weigern?!“, zischte Valeria böse und stand auf. „Wir Sklaven. Wir gehorchen oder tot!“
Ceara starrte Valeria überrascht an und stand ebenfalls auf, nur sehr viel langsamer. „Er … ist ein Sklave?“
Valeria nickte knapp und wischte sich schließlich übers Gesicht, während sie laut seufzte. Als sie Ceara danach ansah, war sie wesentlich ruhiger. „Ich wissen, du dir Sorgen machen, aber Alexey gut. Er … kümmern und sanft und nimmt Schmerz von Körper und von … hier.“ Valeria legte sich die Hand auf ihr Herz, dabei hätte der Ausdruck in ihren Augen schon alles gesagt, was sie wissen musste. Dieser Alexey … tat ihrer Seele gut.
Ceara nickte schließlich. Sie behauptete nicht, ihr Misstrauen völlig fallen zu lassen und ihre Sorge würde sie sowieso nicht so einfach loslassen können, aber wenn er Valeria half und für sie da war … Ceara konnte nur darum beten, dass niemand sonst es bemerkte. Die Strafe dafür würde schrecklich sein.
„Es tut mir leid, Valeria. Ich wollte nicht … Ich bin erleichtert, wenn es dir gut geht. Ich weiß, wie schrecklich es im Moment für dich ist. Der Dominus ist … schwer zu ertragen.“
Abermals nickte Valeria, sagte jedoch nichts weiter dazu, stattdessen ging sie zu Ceara und nahm sie sanft in den Arm. „Ich bin froh, dich haben, Ceara. Du gute Freundin.“
Das brachte Ceara nun doch zum Lächeln, während sie die Umarmung erwiderte. Vielleicht … war sie auch ein wenig eifersüchtig. Sie hatten so wenig Zeit miteinander und Ceara hatte sonst niemanden. Doch das würde sie Valeria nicht verraten. Sie wollte ihre Freundin nicht noch mehr belasten. Valeria hatte wahrlich schon genug Sorgen. Vor allem, als kurz darauf Gràinne erschien, um sie erneut persönlich abzuholen, als könnte Valeria sonst versucht sein, die Flucht zu ergreifen. Wer könnte es ihr verdenken? Doch das lag nicht in Valerias Wesen. Sie war mutig und stark, weshalb sie sich auch straffte und mit nur scheinbar gesenktem Haupt der alten Schabracke folgte.