Ich musste noch arbeiten und hatte Spätschicht. Deshalb hatte ich den Vormittag, um mich mit Instagram zu beschäftigen. Am Nachmittag trat ich pünktlich meinen Dienst an. Ich hatte einige Notfall-OPs bei zwei Kindern, nach einem Autounfall, bei einem Herzinfarkt und musste eine Patientin an Kollegen abgeben, da sie einen Schlaganfall erlitten hatte und ich ihr nicht hätte helfen können. Es war schwer Patienten abzugeben, aber das war ich ihr einfach schuldig.
Sie ist höchstens Ende zwanzig oder Anfang dreißig, hat Mann und zwei kleine Kinder. Am späten Abend fuhr ich nach Hause und rief Marco einfach an. Ich brauchte jetzt jemanden, der mir zuhörte, ohne dumme Fragen zu stellen.
„Bürki", meldete er sich, nachdem ich es drei Mal hatte klingeln lassen.
„Hey, Marco. Julie hier. Hast du Zeit zum zuhören? Ich brauch das gerade echt."
„Hey, Kleines. Aber natürlich. Schieß los, was bedrückt dich so sehr?"
„Ach, ich musste heute eine Patientin abgeben. Es war das Beste für sie, aber es fällt mir so schwer."
„Hm. Was fehlte ihr denn, das du sie nicht selbst behandeln konntest?"
„Schlaganfall. Dabei war sie höchstens Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Verheiratet und zwei kleine Kinder. Es tut mir in der Seele weh."
„Ach du heilige Mutter Gottes. Die Ärmste. Aber deine Kollegen kümmern sich sicher gut um sie."
„Ja, sie liegt nach einer Hirn-OP im Koma und sie musste schon drei Mal zurückgeholt werden. Ich hoffe so sehr, das sie überlebt und gesund wird. Das war so schwer, das den Kindern klar zu machen, das die Mama sehr krank ist und jetzt Hilfe von einem Doktor braucht, damit die Mama wieder mit ihnen spielen kann", schniefte ich und mir liefen die Tränen über die Wangen.
„Ach, Engelchen. Nicht weinen. Bitte nicht", flehte er schon fast.
„Tut mir leid, aber du hättest diese traurigen Augen sehen müssen, dann würdest du jetzt auch weinen", gab ich zurück und Marco seufzte.
„Vermutlich hast du mal wieder Recht. Komm mich doch bald besuchen und ich helfe dir, damit klar zu kommen!"
„Das wäre super. In der Winterpause werde ich das bestimmt tun. Bis dahin habe ich meine Professur fertig geschrieben und abgegeben und ich habe genug Überstunden, um ein Jahr zu pausieren."
Jetzt wurde er ärgerlich.
„Sollst du soviel arbeiten? Sonst hast du dich am Ende völlig überarbeitet und wirst in Zwangsurlaub geschickt. Das hilft dir auch nicht weiter."
„Ich weiß, aber ich liebe meinen Beruf, Marco. Ich bin nicht Ärztin geworden, um am Ende gar nichts zu tun."
Wir redeten noch eine Weile und schließlich verabschiedeten wir uns voneinander. Müde legte ich auf und schlief rasch ein.