Nun war Weihnachten schon ein paar Tage her und wir hatten die letzten Tage viel mit unseren Familien verbracht. Gemeinsam versteht sich, natürlich. Wir hatten, seit Marco hier in Dortmund ist, jedes Spiel der Young Boys übers Internet geguckt, da Marco sich damit auskannte.
Ich war schwer beeindruckt, was diese Mannschaft alles leisten konnte. Auch wenn einer ihrer wichtigsten Spieler fehlte. Die Jungs waren echt zu süß um wahr zu sein. Sie widmeten Marco so manches Tor oder sogar den Sieg. Oft saß Marco gerührt da und fand keine Worte, die seine Gefühle beschreiben könnten. So manches Mal sah ich, das er sich danach sehnte mit ihnen um Siege kämpfen zu können. Ich versuchte dann jedes mal ihm Trost zu geben.
„Engel, bald kannst du wieder spielen. Es käme viel zu früh und das wäre unverantwortlich, weil du dann deine Karriere riskieren würdest. Denn dann wärst du nur eine Verletzung davon entfernt, nie wieder spielen zu können. Bitte hab Geduld und ich kämpfe mit dir, denn ich will dich spielen sehen, wenn die Zeit dafür reif ist.“
Traurig nickte er.
„Ja, du hast völlig recht und ich bin dir wirklich dankbar dafür. Aber es tut weh, nicht selbst spielen zu dürfen.“
Dann schmiegte er sich an mich und ich spürte genau, das ihm die Tränen kamen. Ich sagte nichts weiter und hielt ihn gut fest. Es dauerte nicht lange da beruhigte er sich auch wieder und sah mich mit leicht geröteten Augen an.
„Danke für alles. Ich liebe dich!“
„Immer wieder gern. Ich liebe dich auch.“
Wir hatten alle Spiele der Young Boys gespeichert, als Favorit und so konnten wir sie immer und immer wieder angucken. Erst seit wir zusammen waren, sagte Marco mir ganz offen, das er mich liebt und machte mich allein dadurch unbeschreiblich glücklich.
„Wann fahren wir nachher zu Marcel?“, wollte Marco wissen.
„Wir können ab 17 Uhr jederzeit hinfahren. Ich denke es reicht völlig, das wir so gegen halb sechs hinfahren. Dann sind wir pünktlich zum Abendessen da und können dann mit allen noch Dinner for one gucken. Die Sendung geht nur ungefähr 20 Minuten und ist ein Sketch, bei dem es viel zu lachen gibt.“
„Ja, die Sendung kenne ich und die ist wirklich gut.“
„Super, nur was machen wir bis dahin?“
Marcos Blick wurde schelmisch und er wusste offenbar schon etwas, was er tun könnte, um uns die Zeit zu vertreiben. Meine Handy Uhr stellte ich mir auf 17 Uhr und so konnten wir es nicht verpassen, pünktlich loszufahren. Marco setzte sich mal wieder auf den weichen Teppichboden und seufzend setzte ich mich zu ihm. Ich schmiegte meinen Kopf an seine Brust und es war einfach zu schön, so mit ihm zu schmusen. Doch Marco hatte wohl andere Pläne mit mir. Sanft ließ er sich nach hinten sinken und zog mich so mit sich.
Am Ende lag ich zum Teil unter Marco und wurde in eine Knutscherei verwickelt, welche von Marcos Handy unterbrochen wurde. Wir lösten uns und Marco sah nicht begeistert aus. Murrend nahm er den Anruf an.
„Bürki!“
Dann hörte er zu und Überraschung spiegelt sich in seinem Gesicht.
„Hey, Daniel. Ja, ich bin auch bei Marcel eingeladen und komme erst zum Abendessen dahin.“
Dann hört er erneut zu und grinst.
„Ich bin bei Marcels Schwester. Sie ist nicht nur die Ärztin, die mich operiert hat. Sie ist auch meine Gastgeberin und Freundin. Du lernst sie später kennen und wehe dir du benimmst dich daneben, dann gibt es nicht nur mit mir Ärger. Julias Brüder und Vater sind auch da, um sie zu beschützen. Versuch es erst gar nicht, dich unhöflich zu benehmen“, warnte Marco und sie verabschiedeten sich und legten auf.
„Ach man, es ist viertel vor fünf. Also haben wir nicht mehr all zu viel Zeit für uns allein.“
Ich nickte und zog ihn wieder in meine Arme.
„Wenn mein Handy los rappelt, ist es Zeit sich fertig zu machen, für das Abendessen und die Party bei meinem Bruder. Bis dahin?“
„Knutschen wir.“
Ich grinste breit und ließ ihm seinen Willen.
„Daniel hat sich gewundert warum, ich in letzter Zeit kaum noch online bin.“
Ich lächelte.
„Warte erst einmal ab bis du den Spezialschuh nicht mehr brauchst, und dann wirst du um jede Minute froh sein, wo du mit Freunden und Familie schreiben kannst.“
„Vermutlich stimmt das sogar, aber ich werde jede Sekunde, die ich mit dir haben kann genießen, da müssen die anderen halt ein wenig zurückstecken. Aber wenn ich nicht gerade in der Physio bin und du noch an der Uni oder in der Klinik, dann werde ich sicherlich mal mit Freunden und Familie telefonieren oder schreiben.“
„Tu das und vergiss deine Mannschaft nicht. Sie werden sich freuen von dir zu hören.“
„Ich weiß. Ab und zu telefoniere ich mit meinem Trainer. Ganz ehrlich freue mich darauf, wenn am Ende der Wintertransferperiode der Wechsel nach Dortmund bekannt gegeben wird, falls es klappt. Sonst erst im Sommer. Aber BVB hat zugesagt, das ich meine Physio hier machen darf und so weiter unter deiner Ärztlichen Obhut stünde, bis du grünes Licht zum Reisen gibst.“
„Ja, das ist wirklich super. Aber überraschen tut es mich nicht. Ich habe schon oft die Profimannschaft des BVB behandelt. Darunter Marco Reus, André Schürrle, Mario Götze und mein Bruder Marcel. Deshalb denkt der BVB wohl, er sei mir was schuldig und ermöglicht es meinen Patienten, die Profifußballer sind, dort ihr Rehaprogramm zu absolvieren. In einem Punkt bin auch sehr froh darum. Sie halten sich strikt an meine Anweisungen, was am Anfang nicht so war und die Verletzungen brachen wieder auf. Da gab es richtig Ärger von mir und seitdem halten sich strenger, als notwendig, daran und du bist gut beraten, wenn du es ohne Kommentar oder so als gegeben hinnimmst und die Aufgaben meisterst und lüge nie den Doc der Mannschaft an. Er kann dir nur helfen, wenn er weiß was los ist.“
Marco versprach es und mein Handy rappelte los.
„Dann wollen wir mal. Marcel wartet bestimmt schon ungeduldig auf mich. Wie jedes Mal, wenn wir bei ihm feiern.“
Marco lachte und wir bereiteten uns auf die Party vor. Nahmen alles mit was wichtig war und fuhren schließlich pünktlich los. Ich hatte noch Getränke und Knabbereien eingekauft und die waren nun im Kofferraum gut verstaut.
„Das Auto gefällt mir sehr gut. Es ist klein, aber es passt perfekt zu dir. Mir gefällt es“, lobte Marco und ich lächelte.
„Danke. Den habe ich von Marcel bekommen, der eine Wette verloren hatte. Ich weiß bis heute nicht, worum es dabei ging, aber das Auto war der Einsatz.“
„Das kann auch nur Marcel passieren, oder?“
„Nein, eigentlich ist er gut im Wetten, aber dieses Mal hat er einfach Pech gehabt, was für mich ein Glück war.“
Marco lacht und nickt.
„Ja. Sonst hätten wir mit dem Taxi fahren müssen und mit den Einkäufen wird es schwierig.“
„Eben.“
Nach weiteren Minuten der Fahrt, die schweigend vergingen, trafen wir an Marcels Haus ein und ich hupe erst einmal unser übliches Zeichen. Einmal kurz und zwei mal Lang. Dann weiß jeder, der es kennt, das es was zum entladen gibt. Hupe ich zwei Mal kurz, ist es nur das Zeichen meiner Ankunft.
Sofort kommen mehrere Personen aus dem Haus gestürmt und Marcel öffnet den Kofferraum und beginnt diesen zu entladen. Marco staunt nur noch.
„Woher wusste er das?“
„Das Zeichen. Ich habe eben gehupt und das in einer nur meiner Familie bekannten Reihenfolge. Sie kennen die Hupzeichen von mir in und auswendig. Deshalb wusste er das.“
Jenny kam aus dem Haus und lächelte uns zu. Wir stiegen aus dem Wagen und geduldig wartet Jenny auf Marco. Ich drücke ihr in der Zwischenzeit zwei Tüten mit Knabberzeug in die Hand. Murrend zieht sie ab und kehrt rasch zurück und das mit weiteren Frauen im Schlepptau. Also verteile ich sämtliche Tüten mit Lebensmitteln und weiterem Knabberzeug an die Damen und scheuche sie somit ins Haus.
„Hast du einen Laden leer gekauft?“
„Nein. Es war Marcos Idee. Aber keine Sorge, die Idee war anscheinend gar nicht so schlecht, weil hier ja dann doch schon so manches Auto steht und es scheinen auch Mannschaftsmitglieder da zu sein.“
Jenny seufzte auf.
„Oh ja. Fast 95 % der Mannschaft sind da. Alle sind aber auch zu neugierig. Sie wollen alle Marco kennenlernen. Tja, Kleiner. Willkommen in der größten Familie der Welt.“
Marco sieht sie erst verblüfft an und beginnt zu grinsen, als er verstanden hat, was sie gesagt hat.“
„Tja, Engel dann wollen wir mal. Aber wenn es dir zu viel wird, sagst du es mir und wir fahren nach Hause oder gehen ins Gästezimmer. Wo du dann mal kurz zur Ruhe kommen kannst.“
Brav nickt er und folgt mir ins Haus. Kaum betritt Marco das Wohnzimmer wird Roman auf ihn aufmerksam.
„Hey, Kleiner. Ich bin Roman Weidenfeller und auch Torwart“, stellte sich der erste vor und gibt Marco die Hand, nachdem er sicher ist, das Marco einen sicheren Stand hat.
Mein Engel erwidert den Händedruck und stellt sich nun vor.
„Ja, du siehst Roman so was von Ähnlich, das es unheimlich ist. Wie eineiige Zwillinge. Da Roman schon hier ist, war mir klar, das du der Bruder sein musst.“
Marco lacht auf und zieht dadurch weitere Blicke auf sich.
„Wie ich das hasse“, flüstert er mir zu und André steuert direkt auf mich zu und zieht mich in seine so typische Teddybärenumarmung.
„Hallo, Kleines. Wie läuft Marcos Genesung?“
„Bis jetzt gut. Ginge es ihm schlecht, hätte ich abgesagt und würde mich daheim um ihn kümmern.“
„Das ist so typisch für dich.“
Ich lachte auf und André stimmt mit ein, während er mich frei gibt. Es folgen eine ganze Menge Leute, die sich Marco vorstellen und immer wieder darüber staunen, wie ähnlich sich die Brüder eigentlich sehen. Da war Weidi nicht der einzige, dem das aufgefallen ist.
Nach einer Weile kam Marco zu mir und seufzte:
„Oh je. Das sind so viele Namen, die ich mir merken muss. Wie schaffst du das?“
Ich lachte auf.
„Gar nicht. Ich bin schon seit Jahren hier. Schon vor Marcel. Ich war schon hier im Verein, ehe ich begann Sportmedizin zu studieren. Da war ich schon Notärztin sowie Notfallchirurgin und arbeitete hier in Dortmund. Daher kenne ich natürlich sehr viele aus dem Verein und dem Umfeld sehr gut. Was glaubst du wohl, wie schwer mir das am Anfang gefallen ist. Ich habe unzählige Male jemanden verwechselt und irgendwann hatte ich den Dreh raus. Lass dir Zeit und es ist normal, das du dich gerade ein wenig überrumpelt fühlst.“
Marco versprach mir dies und Marcel, zeigte ihm das ganze Haus und erklärte, wo das Gästebadezimmer sei und wo er ein Gästezimmer findet, falls es ihm mal alles zu viel wird. Nach etwas mehr als zehn Minuten waren beide wieder da und schon steuerten drei Neuankömmlinge auf uns zu. Ich hatte ja schon öfter mit ihnen telefoniert, wenn sie Marco anriefen und nach den Fortschritten in seiner Genesung fragten. Persönlich kannte ich sie jedoch noch nicht.
„Hallo Marco!“, riefen sie wie aus einem Munde, was ihn zum Lachen brachte.
„Hallo, Jungs.“
Er umarmte jeden der drei und sie wollten ihn kaum noch hergeben. Als sie sich dann doch mal von Marco lösten, begann er mir die Jungs vorzustellen und alle gaben mir freundlich die Hand.
„Danke, das sie sich so gut um Marco kümmern, Doktor Schmelzer“, kam es von Nils.
„Ganz genau. Auch von uns vielen Dank, Frau Doktor.“
Ich winkte ab und bat sie mich nur Julia oder Julie zu nennen, was mir versprochen wurde. Im Gegenzug erhielt ich die Erlaubnis, sie ebenfalls mit Vornamen anzusprechen. Das tat ich nur zu gerne und sah das Marco richtig aufblühte, weil er seine Freunde sah und mit ihnen Zeit verbringen konnte.
Dann rief Jenny alle zum Essen zusammen und es wurde dafür gesorgt, das Marco saß und das verletzte Bein schonte. Gemeinsam aßen und tranken wir. Ich verzichtete komplett auf Alkohol und das wusste Marcel auch. Ich hasste Alkohol, weil ich als Ärztin ständig mit Unfallopfern konfrontiert wurde, deren Unfälle durch Alkoholfahrten verursacht worden waren. Viele fragten, warum ich keinen Tropfen Alkohol zu mir nahm und ich schwieg, wollte nicht darüber reden. Stattdessen erzählte Marcel, was er wusste und da entschuldigten sich alle und ließen mich mit Fragen nach dem Alkohol in Ruhe.
Es ging in großen Schritten auf Mitternacht zu und dann war es soweit.
„10…“, begannen alle den Countdown runterzuzählen und dann riefen alle durcheinander:
„Happy New Year!“
Alle fielen sich in die Arme und wünschten sich ein:
„Frohes neues Jahr!“
Schließlich schloss Marco mich in die Arme und küsste mich gefühlvoll. Ich erwiderte diesen sofort. Als wir uns lösten jubelte alles auf und klatschte. Wir erröteten stark. Liebevoll flüsterte Marco mir einen Neujahrsgruß ins Ohr, was ich ihm gleich tat. Als wir müde wurden, wollten wir heimfahren, aber Jenny überredete uns im Gästezimmer zu schlafen.
Seufzend taten wir ihr den Gefallen. Kaum berührten unsere Köpfe das Kissen, da fielen uns schon die Augen zu.