Marco verschwand hinter einer beweglichen Wand, wo er sich umziehen konnte. Er trug eine weite Jogginghose und darunter eine kurze Hose, damit er sich leichter untersuchen lassen konnte. Ich stand davor und ließ Jenny nicht aus den Augen.
Marco tippte mir auf die Schulter und ich ließ ihn vorbei. Jennys Augen wurden riesig, da Marco muskulöse Beine hatte.
Ja, ich gebe es zu. Ich bin sehr stolz auf meinen attraktiven Freund. Doch viel wichtiger als seine Optik sind doch seine inneren Werte. Er ist höflich, besitzt Manieren, ist humorvoll und intelligent. Dazu kommen seine unbändige Liebe zu Tieren, Kindern, der Familie und der Natur. Vor allem an meinen Nichten hat er einen Narren gefressen. Wir telefonieren regelmäßig mit Toni und Tino. So erfährt Marco, wie es den Zwergen geht.
Jenny räusperte sich.
„Wie lange muss der Spezialschuh noch bleiben? Hat der Professor was dazu gesagt, Julie?“, wollte sie dann wissen.
„Bis zum 14. Januar bleibt der Spezialschuh. Danach brauchen wir die Schiene und sie soll von hier bis hier alles stabil halten, damit er langsam damit beginnen kann das Bein nur schonend zu belasten. Die Schiene bleibt bis zum Ende der Reha und somit auch die Gehhilfen. Wir fahren noch zum BVB, wo er sich alles angucken kann und sieht, wie die Reha beim Verein unserer Brüder so aussieht und gestaltet wird. Ich bin froh das Marco mir erlaubt hatte, alles für seine Reha hier in Dortmund klarzumachen und er somit bei mir und seinem Bruder bleibt“, erzählte ich und zeigte an Marcos Bein, wie weit die Schiene verlaufen sollte.
Nebenbei erklärte ich beiden, so das Marco alles verstehen konnte, was ich damit bezwecken will und das die Schiene vor allem Wasserfest sein müsse, damit Marco weiterhin je nach belieben duschen oder baden könne, ohne die Schiene wechseln zu müssen.
Jenny nickte.
„Er ist dir wichtig, oder?“
„Ja, Marco ist für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben. Wenn man jetzt mal meine Familie nicht berücksichtigt. Diese ist mir absolut heilig. Meine Brüder und Eltern haben Marco und seinen Bruder regelrecht adoptiert. Sie lieben die beiden. Vor allem lieben Eva und Maren Marco über alles. Sie werden neun Monate alt und sind verrückt nach ihm.“
Jenny lachte.
„Versteh ich gut. Sebastian und ich heiraten bald und ich bin schwanger. Schon im vierten Monat. Ich höre bald auf zu arbeiten und gehe in den dreijährigen Mutterschutz inklusive Erziehungszeit.“
„Jenny, das ist ja wunderbar!“, rief ich aus und umarmte sie fest.
„Herzlichen Glückwunsch euch beiden und liebe Grüße an Sebastian.“
Marco schloss sich diesem Beispiel an und gab Jenny die Hand.
„Danke schön euch beiden. Wie steht ihr zueinander? Wenn ich Marco ansehe, dann sehe ich nur Liebe in seinen Augen. Genau wie bei dir, Julie.“
Wir lachten auf.
„Ja, wir sind ein Paar. Es ist noch frisch und wir wollen es noch nicht wirklich bekannt geben.“
„Wie lange seit ihr schon zusammen?“, fragte Jenny.
„Etwas über fünf Wochen“, antwortete Marco und sie staunte.
„Ja, das ist frisch. Ich bin seit fast vier Jahren mit Sebastian zusammen und Heilig Abend machte er mir den Antrag, da erfuhr er endlich von dem Baby. Ich wollte sicher sein das nichts mehr schief gehen kann, nach der Fehlgeburt vor zwei Jahren. Sebastian hatte Verständnis dafür und so heiraten wir am 14 Februar Standesamtlich und im Sommer 2019 Kirchlich.“
Rasch war alles für die Schiene vorbereitet worden und wir konnten diese dann am 14 abholen. Einen Termin bekamen wir mit. Wir verabschiedeten uns rasch von ihr und wir kehrten zum Auto zurück.
„Jetzt zum BVB, danach Einkaufen und dann ab nach Hause, ehe es dir zu viel wird.“
„Jenny war richtig sympathisch und man sieht nicht, das sie ein Baby unter ihrem Herzen trägt. Sie strahlte richtig vor Glück und Zufriedenheit.“
„Ja, Jenny zählt zu meinen Lieblingskolleginnen und ich freue mich so sehr für sie und ihren Verlobten.“
Marco nickte.
„Ja, ich wünsche mir, das wir eines Tages auch so glücklich strahlen können, wenn wir bekanntgeben uns zu verloben oder noch etwas später erst zu heiraten und dann eine Familie zu gründen. Wenn eine eigene Familie, dann nur mit dir. Ansonsten würde ich für ewig Kinderlos bleiben und meine Mutter wünscht sich schon so lange Enkelkinder.“
„Verstehe ich gut. Bei Mama und Papa ist das nicht anders. Marci und ich werden aber nicht unter Druck gesetzt. Tino, der eigentlich Martin heißt, hat ja bereits für doppelten Kindersegen gesorgt und wenn mich nicht alles täuscht, könnte es durchaus sein das Toni wieder schwanger ist. Sie ist so launisch. Das ist sie normalerweise überhaupt nicht. Du hast sie ja kennengelernt.“
„Das käme etwas früh, oder? Ich meine für Toni und Tino. Sie haben doch zwei kleine Prinzessinnen.“
Besorgnis war deutlich zu hören in Marcos Stimme.
„Eigentlich nicht. Ich meine Toni hatte keinen Kaiserschnitt, der in der Arztsprache Sectio heißt. Dadurch das sie eine ganz normale Geburt hatte, kann sie durchaus wieder Schwanger werden. Aber es stimmt. Man sagt das Frauen sich nach einer Geburt 9 Monate erholen sollen, weil eine Schwangerschaft Höchstleistung ist, die ein Körper vollbringt. Bei Zwillingen soll sich der Körper rund 18 Monate erholen. In diesem Punkt muss ich dir recht geben. Eine erneute Schwangerschaft käme zu früh.“
„Das wusste ich alles nicht. Aber ich weiß eines. Sollten wir zwei jemals mit dem Segen eines Kindes beschenkt werden, gehe ich in Vaterschaftsurlaub, bis du dich völlig erholt hast. Da ist mir meine Familie dann wichtiger. So bekomme ich dann was von meinem Kind mit. Mir ist dann gleich, ob ich meine Karriere beenden muss oder nicht. Dann zählst nur du und das Kind.“
Jetzt war ich verblüfft und fuhr los, ehe ich Marco antwortete.
„Das ehrt mich sehr. Aber mal ehrlich. Das muss dann über deinen Vertrag so geregelt werden, das dies möglich ist.“
„Ich weiß. Mein Beraterteam, mein Manager und ich wir verhandeln schon mit dem BVB. Mal sehen ob es jetzt noch im Winter klappt oder erst im Sommer. Denn ich will hier her wechseln, das hatte ich dir ja schon mal gesagt. Auch das die Vorgespräche bereits abgewickelt sind, teilte ich dir mit. Jetzt wird es ernst und wir verhandeln über meinen Vertrag. Roman, sein Manager und sein Beraterteam helfen dabei kräftig mit.“
Wir fuhren los, um Doktor Braun zu besuchen. Es dauerte nicht lange und wir kamen an. Ich parkte das Auto und wir gingen langsam in die Rehaabteilung. Marco staunte nur noch.
„Das ist ja riesig hier.“
Ich hörte ein mir bekanntes Lachen. Dario kam auf uns zu und bekam sich kaum ein vor Lachen.
„Hallo, Dario. Weißt du, wo Doc Braun ist?“, begrüßte ich ihn.
„Hallo, Julie. Der Doktor ist in seinem Büro. Warum fragst du?“, wollte Dario wissen und nahm erst jetzt Notiz von meinem Begleiter.
„Oh entschuldige Bitte. Wo habe ich bloß meine Manieren gelassen? Ich bin Dario Scuderi und spiele beim BVB II. Dort habe ich die Rückennummer 23. Leider bin ich seit September 2016 an meinem linken Knie verletzt.“
„Ach du liebes bisschen. Julie hat gesagt, das du einen Sportunfall hattest und das man bei den Bildern, die es wohl davon gibt, Nerven aus Stahl bräuchte, wenn man diese sich anguckt.“
Dario lacht und nickt. Wir verabschieden uns von ihm und gehen zum Mannschaftsarzt. Dieser stellte sich Marco vor und hört sich alles an, was uns auf dem Herzen liegt. Nachdenklich reibt der Arzt sich das Kinn. Zwei Stunden später hatte Marco sich alles angeguckt und war nun endgültig froh darum hier seine Reha zu absolvieren. Wir hatten mit Doktor Braun abgesprochen, das Marco mit Roman dahin komme und wenn er fertig ist zum Trainingsgelände darf, um dort zuzugucken. Ebenso war besprochen worden, das Roman zu Marco dufte, wenn er als erstes Schluss hat mit dem Training. Aber es stand auch ein Fahrservice bereit, für den wir Marco anmeldeten.
Nachdem wir beim BVB alles abgeschlossen hatten, fuhren wir zum Einkaufen und im Anschluss daran nach Hause, damit Marco sich ausruhen konnte. Ich räumte den Einkauf weg und setzte mich zu Marco auf den Boden.
„Manno, Mann. Wenn ich über Dario nachdenke, dann bin ich echt beeindruckt von ihm.“
Ich wusste zu genau, was er meinte und mir war bewusst, das Dario noch mindestens zwei bis drei OPs vor sich hatte, ehe er endgültig wieder mit dem Training anfangen kann, um am Ende wieder spielen zu können. Ich würde alles tun, was dafür nötig ist.
Als wir hungrig wurden, kochte ich für uns und Marco durfte mir dabei helfen. Seine Mutter hatte mir Rezepte zu kommen lassen, was Marco nicht im Geringsten ahnte. So konnte ich für ihn, was Leckeres zaubern. Ich hoffte, das Marco dann weniger Heimweh hat, wenn er ein Gericht seiner Mutter vor sich sieht.
„Schatz? Was machst du denn schönes? Wenn ich die Zutaten sehe könnte man meinen, du kochst eines der Gerichte meiner Mutter. Das kann jedoch nicht sein, denn sie gibt niemals, ich schwöre es niemals, ein Familienrezept aus der Hand“, erklärte Marco und klang fragend dabei.
„Lass dich überraschen, mein Schatz.“
Brav nickte er und lächelte. Zum Glück habe ich das Rezept auswendig gelernt, denn sonst wäre ja die Überraschung für Marco zerstört. Ich bin so gespannt, ob es ihm Schmecken wird. Bisher hatte er mich stets für meine bescheidenen Kochkünste gelobt und sich stets genüsslich den Bauch voll geschlagen. Der Kerl konnte essen, als wäre eine komplette Mannschaft bei mir zu Besuch.
Als das Essen dann endlich fertig war, befüllte ich ihm seinen Teller und stellte diesen zusammen mit Besteck auf den Tisch. Dann folgten Gläser, eine Flasche Mineralwasser und mein Teller inklusive Besteck.
„Das riecht schon so gut, Schatz. Guten Appetit“, lobte er mich und ich erwiderte das „Guten Appetit“ von einem „Danke schön“ begleitet.
Dann aßen wir beide und Marco riss die Augen auf, als ihm etwas klar wurde.
Er leerte rasch den Mund und grinste mich an.
„Das Rezept ist von Mama, stimmt’s? Das wäre eine absolute Weltpremiere, wenn sie ein Rezept der Familie hergegeben hat.“
Ich lachte.
„Ja, Karin lässt mir ab und zu mal Rezepte zukommen. Ich hatte sie mal um Rat gebeten, wie ich dir das Heimweh nehmen kann. Die Rezepte waren ihre Antwort. Ganz ehrlich? Deine Mutter ist eine wunderbare, bildschöne Frau. Sie ist sehr liebenswürdig. Ich mag sie sehr.“
Jetzt strahlte Marco über das ganze Gesicht.
„Danke schön, Schatz. Mir tut es so leid, das ich dir noch nicht viel helfen kann im Haushalt, aber ich schwöre dir, sobald ich wieder Gesund bin, brauchst du nicht mehr alles alleine zu machen. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch, Schatz. Das würde mich freuen, aber erst wenn du gesund bist. Sonst lass dir von unseren Brüdern dabei helfen.“
Wir aßen in Ruhe fertig und ich räumte noch rasch die Küche auf. Danach gingen wir uns waschen, Zähne putzen und umziehen.
An meiner Zimmertür angekommen sprachen wir ab, das er bei mir schlafen durfte. Mir war nicht ganz wohl dabei, wenn er im Dunkeln mit den Gehhilfen durch das Haus geht.
Wir kuschelten uns wieder aneinander, küssten uns noch mal und schliefen ein.