Ich wurde heute Morgen vor meinem Engel wach und genoss es ihn beim Schlafen beobachten zu können, da ich heute keine Uni hatte. Die letzten Tage waren richtig anstrengend gewesen, da Marco nun drei Mal die Woche mit dem Fahrdienst zur Reha fuhr und dort mit Genehmigung von Professor Nastasic und mir, erste Übungen machen durfte. Jedoch war das verletzte Knie noch tabu für diese Übungseinheiten. Wenn er fertig war, fuhr er mit dem Fahrdienst zum Trainingsgelände des BVB und beobachtete dort das Training der Mannschaft.
Er hatte mir total aufgeregt erzählt, das er sich bereits der Mannschaft und dem Trainer vorstellen konnte und sie ihn willkommen geheißen hatten. Er hatte sich, so seine Formulierung, sehr wohl gefühlt und auch akzeptiert. Ich hatte darüber geschmunzelt und mich für ihn gefreut. Dann hatte er berichten müssen, wie es zu seiner Verletzung gekommen war und selbst Dario würde fleißig seine Übungen absolvieren.
Marco wollte wissen, ob Dario noch mal unters Messer müsse und sorgte sich sehr um ihn. Offenbar hatte er in Dario einen neuen Freund gefunden, was mich sehr freute, denn das würde ihm das sich einleben in Dortmund erheblich erleichtern und in Phasen des Heimwehs dadurch helfen.
Ich wusste, wie wichtig Freundschaften sind, wenn man irgendwo neu hinzieht. So war es bei mir ja auch, als ich erst nach Dortmund zog und schließlich zum Studium sogar in die Schweiz umzog. Dort hatte ich am Anfang niemanden, der mir hätte helfen können. Bis ich Marco kennengelernt hatte und ihn schließlich bei einem Fußballtraining besucht. Wir waren noch so jung gewesen und wenn ich daran denke, wie sich unsere Freundschaft entwickelt hatte, konnte ich mehr als zufrieden sein.
Marco hatte mir sehr geholfen, mich in Bern einzuleben. Durch ihn lernte ich die Stadt kennen und wie ich mich zurecht finde. Nun war es an mir, ihm das gleiche zukommen zu lassen, wo er hier in Dortmund lebt. Unterstützung dabei habe ich von Roman, André, Marci, Reusi, Nuri, Marc, Dario und Mario. Sie alle helfen mir, wo sie nur können und bei der wenigen Freizeit, die sie haben, ist das ein sehr großes Opfer, wie ich fand. Ich holte vor allem Roman mit ins Boot, der seinem kleinen Bruder am besten helfen konnte, da er ihn am besten kannte und so wusste, welche Informationen Marco brauchen würde, um sich am Ende, auch allein, zurecht zu finden in der Stadt.
Als Marco aufwachte sah er mich groß an.
„Musst du heute gar nicht in die Uni?“, fragte er mich noch rau klingend vom Schlaf.
„Nein. Mein Professor wird Vater. Deshalb haben wir frei. Wir bekommen Nachricht von der Uni, wenn der Professor wieder da ist. Dann wollen wir mit ihm die Geburt seines Kindes feiern. Das hat er verdient, denn er ist ein sehr guter Professor, den wir alle sehr mögen“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Dann muss er wirklich ein guter Professor sein, wenn er seine Studenten nicht von einem Professor betreuen lässt, der ihn vertritt“, grübelte Marco und er hatte Recht damit.
„Das hat man ihm wohl angeboten, aber er wollte nicht. Ich werde heute noch an der zweiten Professurarbeit weiter schreiben, oder liegt irgendetwas wichtiges an?“, wollte ich wissen und informierte Marco über das, was ich wusste.
„Nein, nicht das ich wüsste. Morgen habe ich wieder Reha und ich freue mich darauf.“
„Gut, dann schlage ich vor, das wir zwei erst mal die Schränke prüfen, eine Einkaufsliste schreiben und einkaufen fahren. Danach kochen wir gemeinsam und essen. Dann nehme ich mir, sagen wir, vier Stunden Zeit, um an der Arbeit weiter zu schreiben und dann bin ich ganz für dich da. Wäre das so in Ordnung für dich?“
„Absolut. Nimm dir für deine Arbeit so viel Zeit, wie du brauchst. Roman möchte vielleicht noch herkommen mit Rabea. Sie bleibt hier bei dir und wir Jungs bereiten den Valentinstag vor. Wir haben uns eine Überraschung für Euch beide ausgedacht“, erklärt er mir seinen Plan für den Tag und fügt hinzu:
„Vielleicht kann Rabea, dir ja ein wenig bei deiner Arbeit helfen. Zum Beispiel Fakten prüfen oder ähnliches.“
Ich dachte darüber nach und war froh, Marcos Valentinsgeschenk bereits da zu haben. Darüber brauchte ich mir nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.
„Das ist eine wunderbare Idee und ich hoffe, Rabea hat Lust darauf mir ein wenig zu helfen.“
„Bestimmt. Sie ist deine beste Freundin und wird wissen, wie sie dir helfen kann“, erwiderte Marco sanft und zog mich in einen Kuss, den ich nur zu gern erwiderte.
Wir machten uns tagfertig und schrieben die Liste. Dann fuhren wir mit meinem kleinen Adam zum Einkaufen und als wir zurückkamen, warteten Rabea und Roman bereits auf uns.
„Hallo, ihr zwei. Ihr seid wohl zum helfen gekommen?“, neckte ich die beiden ein bisschen.
Roman sah mich an, als wolle er sagen:
„Dein Ernst?“
Rabea antwortete schneller als ihr Begleiter und so verdonnerte sie ihn zum helfen, da Marco ja immer noch die Gehhilfen habe, sei das nur angemessen.
Roman gab sich wortlos geschlagen und ich staunte nur noch darüber, das sie ihn so gut im Griff hat. Aber vielleicht kann Roman ihr ja keinen Wunsch abschlagen? Ich hoffe, das es eine Mischung aus beidem ist.
Ich schloss den Kofferraum auf und Marco die Haustür. Ich wollte mir schon eine Einkaufstüte schnappen, als Roman meine Hand sanft festhielt.
„Lass mich mal machen. Du tust so viel für meinen Bruder, das es das mindeste ist, was ich für dich tun kann. Solltest du je irgend wobei Hilfe brauchen, zögere nicht mich anzurufen. Versprich mir das.“
Eindringlich sah er mir in die Augen und ich versprach es ihm, mit der Einschränkung, das er dadurch keine beruflichen Verpflichtungen vernachlässigen darf.
Nun war es an ihm mich erstaunt anzusehen.
„Okay. Also steht unser Deal?“, fragte er und ich nickte.
„Ich lasse dir alle Termine zukommen, die ich beruflich habe. Allerdings kommen immer wieder mal überraschend, also ungeplant, Termine dazu oder fallen weg. Das schreibe ich dir dann per Whatsapp Nachricht.“
Damit war ich einverstanden und wir gaben uns die Hand darauf. Dann durfte ich nur leichte Einkaufstüten tragen und den Rest meisterte Roman mit Leichtigkeit.
Nach einigen Minuten kam Roman rein und lächelte.
„Der Kofferraum ist leer. Muss noch irgendetwas aus dem Auto ins Haus?“
„Ja, ich komme mit.“
Wortlos folgte er mir und wir öffneten die Türen zur Rückbank. Da waren noch Einkäufe.
„Wollt ihr die ganze Mannschaft mit einem leckeren Essen verwöhnen?“, fragte Roman sanft und ich schüttelte belustigt den Kopf.
„Nein, das ist unser Einkauf für 14 Tage. Nur Kleinigkeiten müssen frisch nachgekauft werden. Wie zum Beispiel Brot, Aufschnitt, Fleisch. Auch Getränke holen wir je nach Bedarf frisch dazu. Von Knabbersachen mal abgesehen.“
„Ja, so ähnlich mache ich das auch. Allerdings einmal in der Woche. Produkte, die eine längere Haltbarkeit haben, hole ich einmal im Monat, alles andere im Wochentakt“, erklärt Roman und bringt die Einkäufe rein.
Wieder darf ich nur leichte Sachen tragen. Schon süß von ihm und ich verstehe so langsam, was Rabea so an ihm schätzt.
Wir kontrollieren, ob noch was ins Haus muss. Doch es ist nichts mehr da. Also öffne ich die Garage und fahre meinen Adam rückwärts in die selbige. Als ich zu Roman zurückkehre, schließe ich die Garage wieder und er darf sein Auto in der Einfahrt parken. Dankbar nimmt er es an und wir gehen zu Rabea und Marco in die Küche. Die zwei sind fleißig beim Ausräumen der Einkäufe. Rabea sortiert sie nach Aufbewahrungsort. So sehen wir, ob wirklich alles da ist.
Dann wird alles weggeräumt und nur die Zutaten zu unserem Mittagessen bleiben draußen. Sofort machen wir uns zu viert an die Arbeit. Ich habe erneut ein Rezept von Karin bekommen und es brav auswendig gelernt. So ahnen die Brüder nicht, das es Gulasch a la Karin Bürki gibt.
Marco bemerkt es als erster und flüstert mir seine Vermutung ins Ohr. Ich nicke stumm, um Roman nicht auf die Spur zu bringen. Er ahnt immer noch nichts und hilft fleißig mit. Roman scheint sehr glücklich zu sein, das wir uns so gut verstehen. Auch Marco und Rabea sind darüber wirklich froh.
Ich wünsche mir sehr, das zwischen Roman und mir eine Freundschaft zu wachsen beginnt, die dazu führt, das wir einander vertrauen und uns in schwierigen Situation beistehen können, ohne an dem anderen zu zweifeln.
Anstatt zu zweit, kochen wir nun zu viert. Die Männer sind mit den Kartoffeln beauftragt. Sie müssen diese Schälen und vierteln. Das reduziert die Kochzeit und alles wird gar.
Rabea und ich kümmerten uns um das Fleisch und die Soße. Als die Männer mit den Kartoffeln fertig sind, hilft Roman Marco. Damit der Topf zeitnah auf den Herd kommt und dann können wir die Beilagen und Soße endgültig fertig machen.
„Sollen wir schon den Tisch eindecken?“, fragt Rabea und ich nicke sanft.
Ich reiche Roman und ihr alles an, was wir dafür brauchen und Marco verschwindet auch kurz aus der Tür. Nur wenig später ist er zurück und lächelt. Noch ahne ich nicht, was mir blühen wird an Valentinstag.
Ich ahnte ebenfalls nicht, das Marco etwas ganz besonderes plant. Immer wenn wir Schaufensterauslagen betrachten, bei unseren Ausflügen in die Stadt, hört er mir aufmerksam zu und lässt sich alles erklären. Dabei hatten wir einmal ein paar Ringe entdeckt, welches mir sehr gut gefallen hat. Als ich sie kaufen wollte, als Valentinsgeschenk und als sichtbares Symbol unserer Verbundenheit und Freundschaft, waren sie jedoch schon weg. Ich war sehr enttäuscht. Wir hatten dieses Ringpaar einmal anprobiert und so fanden wir unsere Ringgrößen heraus. Die wurden uns auf zwei getrennte Zettel geschrieben.
Nachdem die Kartoffeln fertig und abgegossen sind, machen wir die Beilagen und die Soße fertig.
Der Tisch ist fertig eingedeckt und auch die Getränke stehen bereit. Nach einigen Minuten ist das komplette Gericht bereit zum Verzehr. Alles wurde in tragbare Schüsseln umgefüllt und zum Esstisch gebracht. Man merkte deutlich, das es Marco unangenehm war, das er nur so wenig helfen konnte. Noch durfte er die Gehhilfen nicht weglassen. Ich wusste genau, das er sich dies so sehr wünscht, die Gehhilfen endlich nicht mehr zu benötigen. Doch da würde er noch einiges an Geduld benötigen, bis es soweit ist.
Nachdem Essen sah Roman mich durchdringend an.
„Das war wirklich lecker. Ist das ein Rezept meiner Mutter? Normalerweise gibt sie Familienrezepte nicht aus der Hand.“
„Ja, Sie schickt mir einmal in der Woche Rezepte aufs Handy. Damit ich Marco das Heimweh nehmen kann. Offenbar funktioniert das sogar bei dir, mein Guter.“
„Auf jedenfall. Rabea bekommt die Rezepte nicht! Ich werde Mama fragen, ob sie das auch mit Rabea macht. Aber ich freue mich, das Mama offenbar sehr viel von dir hält. Sonst würde sie das nicht machen. Sie vertraut dir, Julie. Genau wie mein Vater und ich. Von Marco muss ich gar nicht erst anfangen. Der liebt dich abgöttisch und vertraut dir so sehr, das er sich an dich gewandt hat, als er sich verletzt hat und den weiten Weg von Luzern aus auf sich nahm, um von dir behandelt zu werden. Wenn das kein Vertrauen ist, dann weiß ich auch nicht weiter“, erklärte Roman und ich war wunschlos glücklich.
Ich umarmte ihn und drückte ihn sanft an mich.
„Danke, Roman. Deine Worte tun so gut. Ich fühle mich geehrt, das du mir vertraust. Noch mehr ehrt es mich, das eure Mutter mir die Rezepte anvertraut. Vielleicht hilft es ihr, wenn sie Rabea kennenlernen darf. So erreichst du es vielleicht, das Rabea auch die Rezepte erhält, um dir eine Freude machen zu können. Versuch es mal“, schlug ich ihm vor und begeistert nickte Roman.
Er schaffte es, sich in meinen Armen umzudrehen und mich zu umarmen.
„Danke. Marco hat immer gesagt, das du ein gutes Herz hast und unbewusst beweist du das auch noch. Jetzt weiß ich, das ich dir meinen Bruder anvertrauen und darauf stolz sein kann, das er so eine fantastische Freundin hat. Danke, das er so glücklich ist, an deiner Seite.“
Mir wurde warm ums Herz und freue mich innerlich tierisch darüber.
Marco löste mich aus den Armen seines großen Bruders. Mein Engel grinst mich an.
„Du bist feuerrot, Schatz. Roman, ist sie nicht zu süß, um wahr zu sein?“
„Ja, das ist wirklich süß. Aber nun gib ihr einen Kuss, denn wir beide haben noch Besorgungen zu machen. Keine Sorge, Julie. Ich schwöre dir eines. Ich passe auf ihn auf und mache ausreichend Pausen. Marco muss mir nur sagen, wenn er eine braucht. Das tut er nur zu selten“, verspricht Roman mir und nimmt mir so die Sorge.
„Marco, Engel! Bitte sag Roman, wenn was sein sollte. Nur dann kann er dir helfen. Ich liebe dich, Engel und will nur das es dir gut geht. Genau wie Roman auch.“
Marco nickt und verspricht es mir. Dann küsst er mich und löst sich von mir. Auch Roman gibt mir sanft ein Küsschen auf die Stirn und schon verschwinden die Männer, nachdem sie sich auch von Rabea verabschiedet haben.
„WOW. Marco und du seid wirklich ein schönes Paar“, lobt Rabea und ich werde schon wieder rot.
Dann mache ich ein Selfie von uns beiden und lade es bei Instagram hoch, denn ich weiß zu genau, das Reusi dort nach neuen Fotos von Rabea und mir sucht. So weiß er dann, wo Rabea ist und macht sich keine Sorgen um sie. Seinen letzten Ausbruch im November habe ich nicht vergessen und möchte so vermeiden, das er sich erneut so sehr um sie sorgt.
In der Tat gehen Rabea und ich an die Arbeit und vergessen total die Zeit. Plötzlich klopft es an der Tür und Rabea quietscht erschrocken auf.
Sofort gehe ich los und öffne die Tür und sehe Roman vor mir.
„Rabea, es ist Roman.“
Sie nickt und ich bitte ihn in mein Büro.
„Ach du lieber Himmel. Du bist blass, Baby!“
„Rabea hat sich ganz schön erschrocken. Zu deiner Information, Rabea, Marco hat einen Schlüssel zum Haus bekommen. Marci hatte einen Satz Schlüssel für ihn nach machen lassen. Deshalb konnten die Brüder ins Haus, ohne zu klingeln.“
„Alles klar!“, erwidert sie und fügt hinzu:
„Das merk ich mir.“
„Besser ist es!“
Roman lacht und ich speichere alles ab und fahre meinen Laptop runter, um mit den beiden zu Marco gehen zu können.
Gemeinsam essen wir noch zu Abend und dann fahren Rabea und Roman nach Hause.
Marco und ich gehen, nachdem Zähne putzen zu Bett, kuscheln uns eng aneinander, küssen uns kurz und Süß. Wir driften rasch ins Land der Träume ab.