Kapitel 14
Minigeschichten 18.09.2023
Feuerbrunst
Der unbeabsichtigte Brandstifter!
Kalle, lief ohne ein bestimmtes Ziel, durch die Straßen seines Wohnumfelds, er stand vor einem Park, der eigentlich nicht groß war. Mit anderen Worten konnte man es auch so sagen, er war recht überschaubar.
Es waren nicht viele Menschen unterwegs, einige Spaziergänger, die wie er selbst auch kein bestimmtes Ziel verfolgten. In ihm breitete sich lange Weile aus, eine lange Weile, die anfing lästig zu werden.
Nicht ein bekanntes Gesicht konnte er sehen, vielleicht ein wenig zu plaudern, etwas Ablenkung vom tristen Tag zu bekommen. Es war wie verhext, keiner aus seiner Klicke, die ihm hörig waren, die alles taten, was er ihnen auftrug.
Manchmal kam sich Kalle wie ein Gangsterboss vor, dem alle hörig waren, und er hatte gerade das Gefühl, wirklich von allen seinen Untertanen verlassen worden zu sein. Darüber musste Kalle jetzt sogar etwas lächeln, denn zu einem wirklichen Boss, da fehlte ihm doch noch etwas Entscheidens. Die Brutalität war einfach nicht da, Gewalt einzusetzen, wenn es nötig wurde, sogar mit einer Waffe nachzuhelfen.
Nein, so etwas konnte er nicht, er hatte zwar die Gabe andere Menschen in seinem Bann hineinzuziehen, mit Gewalt hatte es nichts zu tun. Trotzdem war es auch schön es zumindest mal zu träumen, auch wenn es nie so sein würde, dafür war er einfach zu Lamm – freundlich.
Seit einem halben Jahr, hatte er es sogar geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören. Er persönlich empfand es als eine große Leistung, die in ihm ein großes Feuerwerk ausgelöst hatte, denn er selbst hatte es jetzt überwunden, zumindest glaubte er es, was waren schon die wenigen Wochen, die er jetzt nicht mehr rauchte?
Wenn er andere mit einer Zigarette sah, dann wurde er schon etwas nervös, dann stellte er es sich vor, wie es gewesen war. Was der Auslöser gewesen war, sich eine Zigarette aus der Schachtel zu ziehen, war für ihm nicht mehr nachvollziehbar. Allerdings fühlte er einen unwiderstehlichen Drang, sich so ein Glimm-Stängel in den Mund zu stecken, sie sich anzuzünden. Schon beim Anzünden, tief den sich entwickelnden Rauch in sich einzuziehen. Alles in ihm hatte sich dann beruhigt, zumindest hatte er das Gefühl gehabt, und der Wunsch sie sich anzuzünden war mit dem ersten Zug entschwebt, er fühlte sich dann einfach nur wohl, als würde er über sich selbst hinaussteigen. Wohin dachte er jetzt darüber nach, denn als er seine erste Zigarette geraucht hatte, da war schon nach der ersten Inhalation, ein ungemein extremes Gefühl gewesen, fast wie ein Abheben, ein Abheben vom Erdboden, als ob er schweben würde.
Natürlich hatte er nicht abgehoben, es war so ein Schwindel, jedoch ein schöner Schwindel, über alles zu stehen, ein anderes Wesen zu sein, etwas wahrlich Göttliches, was alles konnte er erreichen, diesen Rauch zu inhalieren. Schon nach der dritten, vielleicht auch nach der zweiten Zigarette, war dieses unglaubliche Gefühl entschwunden, kam einfach nicht mehr auf, dafür hatte schon nach kurzer Zeit etwas anderes eingesetzt.
Dann, wenn er sich keine Zigarette anzündete, dann kam Nervosität auf, etwas, was unbedingt gemacht werden musste.
Wenn es nicht gemacht wurde, dann war man dem Tode geweiht, den Untergang erleben zu müssen, gepaart mit einer unglaublich inneren, zittrigen Art und Weise.
Es war klar, dachte Kalle jetzt, es war die Sucht, der Körper spielt etwas vor, als würde er zerbrechen, wenn er den Nikotin – Rauch nicht mehr einatmen darf.
Manche fingen sogar an zu zittern, jedoch bei wohl höheren Dosierungen, die Kalle noch nicht gehabt hatte.
Sicherlich, so dachte Kalle jetzt, war der Zeitpunkt nicht mehr weit, es war vielleicht gerade noch der richtige Absprung gewesen.
Jetzt überlegte er tatsächlich, dass es auch so eine Art Sucht in sich hatte, wenn plötzlich alle nicht da waren, er plötzlich hier ganz alleine war. Der Kopf von ihm drehte sich nach allen Seiten, als würde er plötzlich aus seiner Machtlosigkeit befreit werden. Seine Hände versanken in seiner Jackentasche, und er fand dort ganz unten liegend tatsächlich sein altes Feuerzeug. So ein Klipp-Feuerzeug, womit man so richtig angeben konnte. Mit einer Hand öffnen, dann geschwind das Rädchen drehen, damit das Feuer entzündet wird. Er hatte es fast vergessen, es noch in seiner Jacke zu haben. Seine rechte Hand umfasste es mit einer Liebe. Die er immer gespürt hatte, denn wenn er es herausgenommen hatte, dann hatte er sich auch eine Zigarette angezündet, die er dann weggeraucht hatte. Jetzt hielt er es in seiner rechten Hand fest, und zog es aus seiner Jackentasche.
Es war silbern, sein Name war auf der Oberfläche eingraviert, er las den Schriftzug laut vor. „Kalle!“
Einfach geil, dachte er noch, dann setzte er sich auf einer Bank und fing an damit zu spielen, als hätte er ein neues Spielzeug gefunden.
Ob es seine Erinnerung war, konnte er einfach nicht mehr sagen, er blickte ganz tief in das Feuer, was in ihm fast wie eine Hypnose wirkte. Ein Außenstehender, hätte glauben können, dass dort ein komischer Typ saß, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, eben ein entlaufener Irrer.
Das Flackern der Flamme, schien in Kalle etwas auszulösen, als hätte ein Dämon von ihm Besitz ergriffen.
Neben der Bank, wo er sich hingesetzt hatte, war ein Müllbehälter, wo jedoch Papier enthalten war. Ein irrer Blick von Kalle ging hin zu dem Papier, wo in ihm eine Vorstellung aktiviert wurde, wie schön doch Papier brennt, wie es schnell entflammte, einen wirklich schönen Feuerschein abgeben könnte.
Kurzentschlossen hielt er sein Feuerzeug, gegen ein Stück Papier, was sofort zu lodern begann. Lodern war vielleicht untertrieben, es flammte plötzlich heftig auf, als wäre da noch ein Lösungsmittel mit enthalten, was zu einer großen Stichflamme führte.
Genau, das war der Punkt, wo Kalle wieder zu sich kam, in diesem Moment war die Gefährlichkeit seines Handelns erwacht.
Schockiert beobachtete er die große Flamme, die sich vorgenommen hatte, noch mehr brennbares Material aufzunehmen.
Kalle wollte das lodernde Feuer löschen, er griff mit beherzter Hand in das flammende Inferno, ergriff noch etwas Papier, was nicht von der Flamme entzündet war.
Mit übergroßer Heftigkeit riss Kalle alles aus dem Müllbehälter hinaus, dabei gelangte es in die Sträucher, die genau daneben wuchsen. Es war ein trockener Tag, die Tage davor auch, so waren die Sträucher ein wahres Festmahl der lodernden Flammen – Gier, die es hungrig zum Brennen brachten.
Jetzt war Kalle nur fasziniert vom herrlich, schönen Schein der jetzt schon mannshohen Flammenwand.
Jetzt war guter Rat teuer, und die Angst in ihm ließ ihm seine Füße bewegen. Nur weg von hier, war der innerste, tiefste Wunsch, den er hatte, denn damit wollte er nichts mehr zu tun haben.
Kalle lief und lief, bis er nicht mehr konnte, zu groß war die Angst vom Flammenmeer verschlungen zu werden.
Dann blieb er stehen, sah sich um, sah eine Rauchwolke zum Himmel hochsteigen, eine Rauchwolke, die finster, und dunkel schien.
Kann man so etwas entschuldigen, auch wenn man ein heißer Typ ist, sollte man auch den anderen Menschen nicht vergessen, denn andere sind auch in Gefahr.
Klaus Konty – Ende der kleinen Minigeschichte