Kapitel 20
Ein Duft von Verwirrung – entstanden an einem Samstag – 14.10.2023
Wer hat es nicht schon erlebt, etwas vergessen zu haben, dann nach einer Weile war es wieder da.
Jedoch konnte es doch wirklich nicht wahr sein, alles war weg, alles was ich gestern erlebte, einfach so, als wäre es niemals geschehen. Und doch kam die Erinnerung mit einem Paukenschlag zurück, ein Paukenschlag, wo man nicht mehr weiß, ob man vielleicht nicht ganz normal war, oder noch schlimmer unter einer extremen Demenz erkrankt zu sein. Im Nachhinein fasst man sich am Kopf, denn es konnte doch wirklich nicht wahr sein, es war tatsächlich so geschehen, wie man es noch immer wie kleine Schatten in sich nachempfindet. Wie ich überhaupt bei meinem Freund hingekommen war, liegt immer noch in einem Bereich der Schatten, Schatten, die einfach so nicht stimmen konnten, trotzdem lag ich im Wohnzimmer auf dessen Couch. Da war ich tatsächlich von meinem eigenen Schnarchen aufgewacht, und wenn ich daran zurückdenke, dann wird mir immer noch ganz anders, denn von meinem Schnarchen war ich noch nie erwacht. Trotzdem war es noch ganz anders, denn ich war in einen tiefen, wirklich tiefen Schlaf gefallen. Alles war so komisch, dass sogar meine Träume alles taten, damit ich nicht erwache. Trotzdem war ich später von meinem eigenen Schnarchen erwacht, und das mit einem wirklich schlimmen Ruck, war mein Oberkörper hochgekommen. Fast so, als hätte etwas dafür gesorgt, dass der tiefe und feste Schlaf endlich ein Ende findet. Die Traumsituation wurde einfach zu gefährlich, sie war nicht mehr einzuschätzen, so hatte mein inneres Unterbewusstsein ein Ende mit diesem Traum gemacht.
Gerade tat mein Schädel unglaublich weh, denn das hatte ich auch noch nie gehabt, aus dem Schlaf gerissen zu werden, weil Kopfschmerzen mich dazu zwangen. Also beginne ich doch lieber von vorn. Der Feierabend hatte mit lautem Getöse begonnen, es war eine Pfeife, die am Freitag zum Arbeitsende immer in der Werkhalle ertönte. Punkt 16:00 Uhr ertönte der langgezogene Pfiff, der keinem wirklich einen Schreck eingejagt hatte, es war ja Feierabend, und das Wochenende hatte auch begonnen.
Es war Sitte, noch auf einige Biere in einer Kneipe unserer Wahl einzukehren, die lag in der Prenzlauer Allee. Es war keine besondere Kneipe, eben nur eine Feierabendklause, so hieß sie auch.
In meinem Kopf fingen schon die Glocken an zu läuten.
Nach dem zweiten Bier, denn mein Körper war nach einer Woche Enthaltsamkeit nichts mehr gewöhnt.
Da schien der Alkohol sofort in die Blutbahn zu schießen, und im Kopf alles etwas leichter zu machen.
Probleme, die am frühen Morgen noch Probleme waren, hatte sich einfach aufgelöst, die Welt wurde ein rosa – rotes Karussell, wo es keine Probleme gab. Die Probleme, die noch vorhanden waren, verzogen sich in den letzten Winkel der Erinnerung, und dann waren ja noch andere Tage, da konnten sie wieder auftauchen.
Gut, es waren andere Tage, es war nicht jetzt, also vergaß man ganz schnell, was einem über die Woche, das Leben schwer machen wollte.
Natürlich waren sie nicht einfach verschwunden, sie tauchten am nächsten Tag mit geballter Gewalt wieder auf, dann traten sie auf den Boden, was im Kopf zusätzliche Kopfschmerzen bereitete. Aber das war ja nicht jetzt, jetzt musste das nächste Bier her, damit das Leben mit Schwung weiterlaufen konnte.
Zumindest sollte der Schwung nicht gerade jetzt versiegen. Jedes neue Bier ließ einem in die Höhe wachsen, was natürlich schnell ein Ende haben konnte, denn der Alkohol ließ den Körper schwächer werden, auch wenn das Denken einen umgekehrten Effekt bot. Plötzlich waren alle anderen Arbeitskollegen gegangen, ich war der Letzte, der noch immer den Feierabend ins Wochenende hinein feierte. Konnte es sein, dass die Kollegen einfach fehlten, sich keiner mehr mit mir unterhielt, deswegen der körperliche Verfall schneller ablief als vorher?
Im Nachhinein finde ich keine Antwort darauf, eines jedenfalls war klar, die Übereinschätzung hatte mein Benehmen verwandelt.
Ein Narr, der sein Trinkverhalten überschätzt, und ich war ein richtiger Narr, der das Ende versäumt hatte, obwohl der letzte Kollege eindringlich gefragt hatte:
„Peter, komm doch mit, wir haben wirklich genug!“ - dann hatte er bezahlt, und war gegangen.
In meiner Überschätzung hatte ich nicht den Heimweg angetreten, es konnte nicht sein, was nicht sein darf, dabei hatte ich nicht eines Blickes meinen Kollegen gewidmet. Wenn der Schwächling abdampfen will, soll er nur, war meine feste Meinung.
Noch war alles in mir in bester Ordnung, zumindest war ich der festen Meinung gewesen, in meinem Kopf konnte ich alles einschätzen, sollen sie alle gehen, die Welt dreht sich trotzdem weiter.
Für mich hatte sie sich auch gedreht, schon stand ich an der Bar, bestellte noch ein Bier, was etwas stockend meine Kehle herunterlief. Etwas stimmte nicht, war meine erste Einschätzung, die allerdings falsch sein musste.
So ein Kerl konnte sich doch wegen einiger Biere nicht unterkriegen lassen. Ein leichtes Würgen ließ ihm etwas schütteln, so etwas hatte er noch nie erlebt, fast hätte er glauben können, dass wenn er noch mehr von dem flüssigen Brot trank, dann könnte ihm so schlecht werden.
Ja, dass es ihm mit hoher Geschwindigkeit aus dem Mund nach draußen schoss. Hätte er doch vorhin auf seinen Kollegen gehört und einfach nur mit ihm mitgegangen. Hatte er nicht gesagt, trinke aus, dann gehen wir, hätte es da nicht schon für ihm gereicht?
Also zahlte er und ließ das restliche Bier stehen, schon der Anblick reichte aus, um wieder ein leichtes Würgen im Hals zu spüren.
Peter öffnete die Eingangstür, die wie alle Kneipentüren nach außen zu öffnen war, weil aus Tradition es leichter war, jemand aus der Kneipe zu werfen einfacher war, als wenn erst die Tür nach innen aufgemacht werden musste.
Peter war es in dem Moment vollkommen egal, denn er wollte nur gehen, er wurde nicht hinausgeworfen. Ein Schritt hinaus, dann die drei Stufen nach unten steigen, dann stand er schon auf der Straße, die er jetzt nicht mehr sehen konnte.
Die Straße selbst gab es überhaupt nicht mehr, zumindest war sie aus seinem Kopf entschwunden. Peter hatte Mühe überhaupt sein Gleichgewicht zu halten, war die Straße vielleicht auf einem Schiff bei Sturm verlegt worden. Als er den ersten Atemzug dieser frischen Luft eingeatmet hatte, da war alles Denken aus seinem Kopf gelöscht worden.
Die weiteren Geschehnisse erfuhr Peter erst, als er den Polizeibericht gelesen hatte, und gleichzeitig eine Einladung von einem Polizeirevier erhalten hatte. Dort sollte er erscheinen, und eine Stellungnahme zu seinen Ausartungen schriftlich darlegen.
Peter war nach achtzehn Uhr aus der Gaststätte gekommen, hatte sich zu Fuß auf den Weg gemacht, zu seiner Wohnung zu kommen. Das Einzige, was da noch stimmte, er war tatsächlich zu Fuß unterwegs gewesen, hatte die halbe Straße für sich gebraucht, um nicht auf den Boden zu knallen. Dann hatte es Peter tatsächlich geschafft, so auf der Straße zu schwanken, dass kein Auto mehr an ihm vorbeifahren konnte.
Zumindest hatte es kein Autofahrer gewagt an ihm vorbeizufahren, aus Angst er könnte wieder in die andere Richtung schwanken, wo er dann vom Fahrzeug erfasst werden könnte.
Plötzlich stand ein Polizist vor Peter, der seinen Marsch auf der Straße gestoppt hatte. Selbst daran konnte sich Peter nicht mehr erinnern, man hatte seine Personalien von ihm abgenommen, ihm ermahnt auf den Bürgersteig zu gehen. Peter hatte wohl diese Ermahnungen ernst genommen, zumindest hatte es ein unbewusstes Klicken gemacht, er hielt sich tatsächlich an die Regeln im Straßenverkehr. Dann ist die Polizei weggefahren, wie er aber bei seinem Freund gelandet war, steht für Peter in dem Stern, daran konnte er sich überhaupt nicht mehr erinnern. Der Freund hatte ihm nur erzählt, dass Peter vollkommen daneben vor seiner Wohnungstür gestanden hatte. Ihm war überhaupt nichts übriggeblieben, Peter einen kleinen Notschlafplatz anzubieten. Eigentlich hatte er Glück gehabt, unbeschadet bei seinem Freund angekommen zu sein, und auch die Polizei hätte ihm nicht mehr weiterziehen lassen dürfen. Ja, Peter hatte wirklich Glück gehabt noch zu leben, wie schnell hätte er überfahren werden können. Aber die Reue kommt meistens erst später, und trotzdem, war er am nächsten Tag mit seinem Freund in dieselbe Kneipe gegangen, scheinbar hatte er aus dem Vorkommnis nur wenig gelernt.
Bekanntlich geht der Krug zum Brunnen, bis er bricht, hoffentlich hatte Peter weiter so viel Glück, denn wenn wieder ein Bier schlecht sein sollte, wer weiß, wie es ihm dann ergehen wird!
Ende der kleinen Minigeschichte, die fast zu einer ausgewachsenen Kurzgeschichte mutieren wollte!
Klaus Konty