Der Liebeskeim!
Er war ein ganzer Kerl, er konnte es sich erlauben, die Liebe aus dem Weg zu gehen. Zumindest hatte er es gedacht, bis eben die Richtige erschien, da war es um ihm geschehen, als hätte ein Keim sein Herz infiziert.
Nein, sagte sich Kalle vom Dorf, so etwas kann mir nicht passieren, ich bin ein Mann, ein wahrlich ganzer Mann.
So vergingen die Jahre, und es schien tatsächlich so zu sein, wie es Kalle erzählte, er war ein Kerl, ein ganzer Kerl, und er entschied, wann sich sein Herz verirren durfte. Es war Erntezeit, das Korn musste eingefahren werden, als ein PKW, am Feldrand, was schon abgeerntet war stehen blieb. Es blieb nicht einfach stehen, es war wohl der Motor, oder vielleicht sogar hatte sich die junge Dame verfahren, und der Treibstoff war alle, der Tank leer.
Eine Blondine, noch jung und sehr attraktiv, stieg aus ihrem PKW. In ihrem Gesicht stand Verzweiflung geschrieben, denn wer konnte ihr helfen, hier an einem Feldrand, kommt doch kein normaler Mensch vorbei. Motorengeräusch nährte sich ihrem Standpunkt, in ihrem Innern keimte Hoffnung auf, aus dieser misslichen Lage befreit zu werden.
Kalle, der Kerl war tief in seine Gedanken eingetaucht, er bewunderte sich, wie er hier hoch oben saß, den Traktor mit der Mähmaschine fuhr, da fühlte man sich doch wie ein ganzer Kerl, dachte er noch. Plötzlich sah er mehr aus seinen Augenwinkeln ein PKW stehen, einfach abgestellt am Feldrand, war sein erster Gedanke. Jetzt blickte er genauer zu dem PKW, daneben eine junge Frau, die tatsächlich verzweifelt aussah. Die erste Reaktion war einfach, als würde er sich in seinem PKW befinden und vor ihm machte ein Fahrer eine Vollbremsung, trat er auf seine Bremse, abrupt blieb sein Traktor stehen, und der Motor erstarb, ging einfach aus. Kalle fragte sich, was ist mit Dir nur los? - schließlich bin ich ein Kerl, ein ganzer Kerl. Es war dieses unglaublich schöne Gesicht, lange, blonde, glatte Haare, die stachen in seine Seele hinein. Damit hatte er hier auf dem Feld nicht gerechnet. Dieses unglaublich, schöne Gesicht, blickte plötzlich zu ihm, und er hatte das Gefühl, als wäre sie aus einer völlig fremden Welt gekommen. Zumindest erschien es ihm unmöglich, dass sie aus dieser Gegend stammte, wenn man die Gegend als eine ganze Welt bezeichnen konnte, dann hatte Kalle natürlich recht. Es musste eine andere Welt sein, denn in seiner hier angestammten Welt, hatte er noch nie so eine Göttin gesehen. Sie war vollkommen, und alles in ihm schien sich verkrampfen zu wollen. Wenn er den Traktor nicht schon gestoppt hätte, wer weiß, wohin er dann mit dem Ungetüm gefahren wäre. Er selbst hatte seine Handlungen nicht mehr unter Kontrolle, er kam sich vor, als würde er an Strippen hängen, gesteuert von einem Puppenspieler. Vorsichtig blickte er sogar nach oben, denn vielleicht wurde er ja schon übernommen – warum auch immer. Da waren keine Schnüre, die ihm lenkten, er war noch immer ein Mensch. Allerdings hatte er etwas von seiner Selbsteinschätzung eingebüßt, er war kein ganzer Kerl mehr, er war einfach nur ein Wurm, der nicht wusste, was er machen sollte. Diese Frau hatte ihm alles geraubt, sie hatte ihm sein Selbstbewusstsein genommen, dabei hatte er noch kein Wort von ihr vernommen. Fast zögerlich stieg er von seinem Fahrerhaus, und stand jetzt auf dem Boden seines Ackers. Es war nur eine schöne, junge Frau und trotzdem strömte von ihr etwas aus, was ihm zu lähmen schien, er war noch nie in seinem Leben schüchtern, hatte immer den richtigen Ton zur rechten Zeit. Hier allerdings verschlug es ihm die Sprach, er hatte sogar das Gefühl, dass er das Gehen verlernt hatte. Der Gedanke war hurender Blödsinn, ein Mädchen könnte doch keinen ganzen Mann mit Bewegungslosigkeit überziehen. Dazu kam ein komisches Gefühl, ein Gefühl von Hilflosigkeit, es schien ihm wie eine Abhängigkeit, zu dieser jungen Frau, und er war nicht in der Lage sich dagegen zu wehren. Jetzt hatte sie ihm auch noch bemerkt, und sie lächelte ein Lächeln, was nicht von dieser Welt sein konnte. Es war ein Lächeln, vor dem kein Mensch gefeit war. Es war so stark und wirkte wie eine Lähmung auf seinen ganzen Körper. Seine Knie, die sackten einfach weg, und da kniete er vor ihr, als würde er sie anbeten. Kalle war doch ein ganzer Kerl, und ein ganzer Kerl betete kein junges Mädchen an, ein ganzer Kerl streckte seine Arme aus, nahm sich das junge, schöne Girl und damit hatte es sich.
Kalle kniete jetzt schon eine ganze Weile vor ihr, und sie blickte ihm tief in die Augen. Es war ihm einfach nicht möglich, diesen Blick zu widerstehen, es schien, als würde sie in seinem Kopf sein.
Alles, was er je erlebte, las sie, sie las alles von seiner Geburt an, bis zum jetzigen Zeitpunkt, und Kalle konnte nichts dagegen machen.
Plötzlich zog sie sich aus seinem Kopf zurück, und als Kalle erwachte aus seiner Lethargie, war alles entschwunden, als hätte er nie hier auf Erden gelebt.
Das Einzige, was er erzählte, war;
„Ich bin Kalle, ja – ein ganzer Kerl, und alle die mich hören sollen es wissen – ich bin Kalle, ein ganzer Kerl!“
So landete Kalle in eine Klinik für geistig unter bemittelte, und jedem erzählte er dasselbe;
„Ich bin Kalle, ein ganzer Kerl!“
Ende der traurigen Minigeschichte, und fast könnte man glauben, dass er nicht Kalle hieß – sondern Klaus Konty – beendet am 13.02.2025, um 09: 30 Uhr.