Kapitel 28
Ein Leben, aus einer fast fremden Welt – Fliegen – Welt
Was ist Zeit?
Was ist Leben?
Eine winzige Fliege – eine Obstfliege lebt nur kurze Zeit, und doch lebt sie mit sich im Frieden, fliegt lustig umher, als würde es keine Gefahr geben. Kann sie denken, kann sie entscheiden, etwas zu unternehmen. Ganz gewiss nicht, zumindest glauben wir es, doch in der Welt der Fliegen, gibt es kluge Fliegen, aber auch wie in jeder Gesellschaft, dumme Fliegen.
Flockig wurde gerade vor einer Stunde geboren, und war schon erwachsen, kein Kind mehr, drängte sie hinaus in die Welt, die andere Welt. Was sie nicht wusste, nicht ahnte, es war für so ein kleines Wesen wie es Flockig war, eine grausame, dunkle Welt. Doch diesen Umstand kannte Flockig nicht, in ihr war Aufregung, eine Aufregung, was sie nicht so einfach unter Kontrolle hatte. Eine Welt außerhalb ihrer Brutstätte, wo unzählige ihrer Artgenossen heranreiften, und auch sie, wenn sie denn in die Welt hinausflogen, hatten nicht die geringste Ahnung, was ihnen da begegnen könnte. In ihrem Innern war nur eine Direktive, die eigene Art zu erhalten. Wie es geschieht, war Flockig nicht klar, sie war ja erst hinausgeflogen, hinaus in die Freiheit, und sie fing an zu suchen, mit nach Nahrung, was auch nicht einprogrammiert. Es war nur eine Frage der Zeit, da sie für den Nachwuchs sorgen musste.
Übermütig flog sie mit kleinen Haken – Bewegungen hin und her, setzte mal dort auf, dann wieder auf eine ganz andere Stelle. Sie genoss jede einzelne Bewegung im Flug, und ließ für einen winzigen Moment ihren kleinen Saugrüssel hinausfahren, sog so schnell sie konnte ein, was damit hoch gesogen wurde, waren kleinste Bestandteile, die sie in sich aufnahm. Warum sie es machte? - konnte sie nicht nachvollziehen, denn einen Sinn konnte sie daran nicht finden. Es war ebenso, und das musste genügen. So nahm Flockig ihre Nahrung auf, und hatte keine Ahnung, dass sie Nahrung aufnahm. Was genau geschah, war nicht nachzuvollziehen, denn Flockig fing plötzlich etwas an, was noch nie eine kleine Obstfliege zuvor gemacht hatte. Sie fing an zu überlegen, machte sich plötzlich Gedanken, was das alles hier sein sollte. Sie fing zusätzlich auch noch an zu beobachten, versuchte die einzelnen Beobachtungen zu sortieren, sie einzuschätzen. Alles kam Flockig so komisch vor, so sinnlos, ohne Hand und Fuß. Sie selbst hatte keine Hände und auch keine Füße, aber sie konnte sich erinnern, dass sie in einem anderen Leben, was lange her war, Hände und Füße gehabt hatte. Es war keine direkte Erinnerung daran, in einem anderen Körper existiert zu haben, aber sie konnte sich erinnern, gelaufen zu sein, etwas in ihre Hände genommen zu haben.
Alles schien plötzlich so nahe zu sein, aber auch wichtig, fast schon so wichtig, als würde sie wieder in diese Art, mit Beinen und Händen zu leben konfrontiert werden. Als ob jemand in die Hände klatschen wird, und sie verwandelte sich augenblicklich. Allerdings geschah es nicht, vielleicht weil sie erst dieses Leben hier beendet haben musste, damit sie in einem anderen Körper erneut ein Leben beginnen konnte. Plötzlich beobachtete sie einen Artgenossen, der auch so unbeschwert in den Lüften flog, wie sie es vor Kurzen auch gemacht hatte. Ihr Artgenosse hockte sich an einer Stelle, und wollte gerade den kleinen Saugrüssel ausfahren, als plötzlich ein kleiner Käfer hinter ihr auftauchte, da war die Kleine vor den Augen von Flockig einfach verschwunden.
Sie war in einem kleinen offenen Loch verschwunden, so etwas hatten wir noch nicht, das war wieder so eine Erfahrung, die sie sich einprägen musste.
Es war erschreckend, wie schnell so ein kleines Wesen, wie wir es sind, verschwunden sind, einfach weg, nicht mehr vorhanden.
Flockig überlegte, und sie konnte es immer besser, das mit dem Überlegen. Woher es plötzlich kam, konnte sich Flockig überhaupt nicht vorstellen, es wurde immer mächtiger. Sie überlegt sogar praktisch, denn seit seiner Zeit, ein Denken können, hatte sich schon eine Menge ereignet. Etwas fiel ihr jetzt mit voller Breitseite auf, es war die Zeit, vor allem der Ablauf der Zeit. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie schnell alles abgelaufen war, da wo sie gerade auf die Welt gekommen war. Sie konnte in einer unglaublichen, kurzen Zeit Moment, so schnell ein anderes Flugmanöver ausführen, als wäre wirklich keine Zeit vergangen. Vielleicht, so überlegt Flockig, war die Zeit zusammengepresst, lief dadurch schneller ab, und jetzt, zumindest hatte sie den Eindruck, als dehnte sie sich aus. So als würde die Zeit langsamer vergehen, sich ausdehnen. Trotzdem hätte sie schwören können, dass sich die Zeit jetzt schneller ausbreitete, gegenüber, wo die Zeit zusammengepresst schien, war die Zeit langsamer vergangen.
Eine komische Sache – wenn er sich schneller bewegte, dann verging die Zeit langsamer, und wenn er jetzt und hier sich langsamer bewegte, dann schien die Zeit schneller abzulaufen. Das alles kam ihm wie ein Widerspruch vor, ein Widerspruch, den er sich nicht erklären konnte. Kann ja auch sein, dass ich langsamer denke, und somit schneller in der Zeit wandle. Wer alt und gebrechlich ist, kann sich nicht mehr so schnell bewegen, das Denkvermögen wird schärfer, und er denkt auch schneller.
„Hör endlich damit auf!“ - dachte sie schon, mit einer aufkommenden großen Angst, plötzlich einfach so in der Zukunft zu landen. Hätte er aber nicht in der schnelleren Bewegung schneller durch die Zeit gleiten müssen – war doch ein logischer Gedanke, der aber nicht unbedingt richtig sein musste. Trotzdem hatte sie das Gefühl, anders nachdenken zu können. Wie oft hatte er eine große Sache auf ihm zukommen sehen, was sie ohne Mühe ausweichen konnte, es war sogar so, dass die Schnelligkeit dazu verleitete, mit diesem großen Ding zu spielen.
Dann war es plötzlich so, dass sie scheinbar immer langsamer reagierte, dieses Ding wurde immer schneller.
Er hatte oft Glück gehabt noch entweichen zu können, bevor das unbekannte große Ding sie getroffen hatte, sie zu etwas zusammengepresst wurde, was jegliche Substanz zermatscht geworden wäre. Da war es Flockig erst aufgefallen, dass sie scheinbar viel langsamer geworden war, und wo sie noch jung gewesen war, da hatte sie überhaupt nicht das geringste Problem mit dem Ausweichen gehabt. So wird aus einem Spiel ernst, und der Ernst würde ihr das Leben kosten, wenn sie nicht genug aufpassen wird. Mit Argusaugen beobachte sie von diesem Zeitpunkt an, was das für Dinger waren, die plötzlich so zuschlagen konnten. Dazu kam auch noch, dass die Kraft im Schwinden war, sie auch nicht mehr so lange umherfliegen konnte, so wie sie es geschafft hatte.
Von Verschleiß und Abnutzung hatte Flockig noch nie etwas gehört, eigentlich war es ihre Aufgabe, damit die Arterhaltung gewährleistet blieb. Erst jetzt, als sie angefangen hatte, über erst scheinbare Nebensächlichkeiten nachzudenken. Innerlich schrie alles, nach Gefahr, eine Gefahr, die wirklich offensichtlich war. Ihr Ende konnte nicht mehr weit sein, und da fing sie ihre Gabe an zu verfluchen, denn, wenn sie sie nicht haben würde, dann wäre es ihr wohl absolut egal gewesen.
Sie wurde immer vorsichtiger, versuchte alles im Vorfeld zu durchdenken, was, wenn der Zufall begann eine Rolle zu spielen, es nicht mehr möglich war. Langsam begann es in ihr zu arbeiten, es waren Lebewesen, riesige Lebenswesen, die waren völlig anders geartet, wie sie es waren, sie konnten nicht fliegen. Immer wenn sie auftauchten, fingen ihre Glieder an, die sich von oben an den Seiten hinunterzogen, wie wild auszuschlagen. Bis Flockig es begriff, sie machten, jagt auf ihre Art, und sie konnte aus ihrem Versteck beobachten, wie sie zuschlugen. Es war mehr wie schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie viele ihrer Artgenossen an den Wänden klebten, zermatscht, nicht mehr als Obstfliege zu identifizieren waren. Was das Schlimmste daran war, trotz ihrer Gabe, konnte sie nichts für die Brut tun, die sie sogar als ihre eigene Brut erkannte. Natürlich war das Nest, was sie angelegt hatte, viel größer gewesen als die wenigen toten Geschöpfe, da an den Wänden.
Sie konnte absolut nichts mehr für ihre Brut tun. Sie konnte mit ihnen nicht sprechen, denn nur sie selbst verstand die Worte, die sie dachte, und wie sie noch so klein gewesen war, hätte sie es auch nicht gekonnt. Vor Schmerz, die sie für ihre Brut empfand, zog sich in ihr alles zusammen. Sie war so in Gedanken, und voller Schmerz, dass sie es nicht gemerkt hatte, dass genau über ihr, sich auch so ein Wesen befand. Plötzlich holte dieses Wesen blitzschnell aus, und über Flockig wurde es für einen kurzen Moment dunkel, danach war es nicht mehr dunkel, es war strahlend hell. So hell, dass Flockig nicht wusste, wo sie sich befand. Sie hatte keinen Schmerz gespürt, dabei hatte sie noch nie Schmerzen, denn dafür fehlten ihr die Schmerzsynapsen, die den Schmerz in ihr Gehirn transportierten. Sie war eben nur eine Obstfliege, und die hatten keine Schmerzen. Flockig war trotzdem im Fliegen – Paradies gekommen.
So endete das kurze Leben von Flockig, die für ihre Verhältnisse unglaublich lange gelebt hatte. Ein Mensch würde so ungefähr dreihundert Jahre alt geworden sein, was ein Mensch im Normalfall nicht erreichen kann. Als sie im Paradies angekommen war, stand eine riesige Fliege da, und hatte Flockig herzlich begrüßt;
„Jetzt fängt dein wahres Glück erst an – im nächsten Leben wirst du als Brummer schlüpfen!“
Ende der kleinen Minigeschichte von Flockig, die kleine Obstfliege, die man im Paradies versprochen hatte, ein Brummer zu werden.
Flockig, die kleine Obstfliege, die nur ihr Leben genießen wollte