Der Rest des Frühstücks vergeht schleichend langsam und in vollkommenem Stillschweigen. Hin und wieder sind nur das Knacken des Brotes und ein mehr oder weniger lautes Schlürfen zu hören. Meine Ellenbogen ruhen schwer auf der Tischplatte, während ich Sarah mustere, als wäre ich eine Raubkatze und sie meine Beute, deren Verhalten ich studiere, bis ich sie dann endlich erlege. Missmutig knirsche ich mit den Zähnen. Das tue ich immer, wenn ich mir schnell etwas Neues überlegen muss, weil der ursprüngliche Plan missglückt ist. Sie ist zwar gut, doch ich bin besser. Als alle aufgegessen haben, stehen Ruby und Sarah schnell vom Tisch auf. Beide scheinen ein besonderes Ziel zu verfolgen. Bevor die Mädchen nach oben verschwinden, zieht Ruby auch noch Miles mit sich, während ich meine Tasche langsam abstelle und vom Stuhl aufstehe. Hilley dreht sich zu Aria und mir um, als wir gerade beginnen wollen den Tisch abzudecken: "Schon gut. Ich schaffe das auch allein. Geht lieber hoch und zieht euch erst mal etwas Richtiges an." Diese Entlassung aus meinen Pflichten kommt mir nur allzu gelegen, weshalb ich mich einem leisen 'Danke' auf zu den Treppen mache. Auf der Hälfte der Treppenstufen höre ich Aria, die es anscheinend nicht so eilig hat: "Kein Problem! Ich helfe dir gerne." Dann sind das Klirren von Geschirr und das leise Geräusch von plätscherndem Wasser zu hören.
Im Flur ist Keiner zu sehen und ich weiß genau wo Miles Zimmer ist, also öffne ich einfach seine Zimmertür und stürze hinein. Drinnen angekommen schlage ich die Tür zu und setze ich mich auf sein Bett: "Du musst mir helfen!" Miles starrt mich fassungslos an und erst jetzt fällt mir auf, dass er fast keine Kleidung trägt. Der Junge versteckt sich bei meiner Ankunft hinter der Schranktür, sodass nur noch seine Beine zu sehen sind. Miles lügt geschockt hinter der hölzernen Tür hervor: "Hast du noch nie was vom Anklopfen gehört?" "Doch, aber es ist dringend", erwidere ich und werfe ihm ein blaues T-Shirt zu, welches neben mir über der Bettkante hängt. Er fängt es auf und schaut mich fragend an: "Na gut, dieses eine Mal war es noch okay, dass du einfach hereingekommen bist, aber das nächste Mal, egal wie wichtig es sein mag, klopfst du." "Okay, einverstanden. Hilfst du mir jetzt?" "Kommt darauf an. Sag mir erst wobei ich helfen soll", er zieht sich weiter um. "Nein, du musst es erst versprechen", ich spiele mit meinen Fingern an der Bettdecke herum. Er zieht eine Augenbraue hoch: "Du willst meine Hilfe, also gibt mir alle Informationen, die ich haben will." Ich verdrehe die Augen und stehe vom Bett auf: "Dann werd fertig. Ich muss dir was zeigen." Miles tritt, vollkommen bekleidet, hinter der Schranktür hervor und geht zu Tür, die er mir aufhält. Mit dieser Geste zeigt er mir, dass er fertig ist und mit mir mitgehen würde, wenn ich bereit dazu bin. Ich nehme seine Hand und ziehe ihn mit mir in mein Zimmer.
Dort angekommen, schlage ich die Tür schnell wieder zu und setze mich dann auf den Boden, wo ich die Schrift erwarte: "Stell dich vor die Tür." Er kommt meinem Befehl nach und blickt mich dann erwartungsvoll an. Kurz versuche ich den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, doch es misslingt: "Pass jetzt einfach gut auf." Mit einem Nicken gibt er mir zu verstehen, dass er tun wird, was ich von ihm will. Ich richte meinen Blick wieder auf den Boden und lege meine Hände langsam auf den Boden. Sofort leuchten die Buchstaben wieder. Miles lauter Atem durchschneidet die Stille, als er dieses außergewöhnliche Schauspiel erblickt und dann folgt ein leises "Wow, wie hast du das gemacht?". "Das erkläre ich dir irgendwann später", erkläre ich. Als er mich misstrauisch ansieht, füge ich noch etwas hinzu: "Versprochen und jetzt lies bitte einfach, was da steht." Seine Augen huschen über die Worte, bis er am Ende angelangt ist: "Was ist das?" "Das", ich stehe auf und krame den Brief aus dem Schrank, wo ich ihn platziert habe: "Ist der Inhalt von Sarahs Brief." Ich gebe ihm das Papier in die Hand, warne ihn dann aber: "Pass aber auf, dass du dieses grüne Zeichen dort nicht berührst." Er scheint noch nicht ganz zu verstehen, was ich will, stimmt aber trotzdem zu mir zu helfen: "Okay, jetzt sag endlich, was ich für dich tun soll. Ich werde dir helfen." "Echt? Wie kommt es zu der Entscheidung?", frage ich ein wenig belustigt. "Ich kann so vielleicht einen kleinen Vertrauensbonus euch bekommen", erklärt er nachdenklich. "Perfekt, ich will, dass du für mich nachschaust, wo der Brief hingebracht wird und wenn möglich auch für wen genau er geschrieben wurde", erkläre ich meinen Plan. "Gut, aber ich will, dass du mir permanent folgst", fordert er: "Wenn ich durch diese Sache in Schwierigkeiten gerate, solltest du in die gleiche Situation kommen." Ich kaue auf meiner Lippe, stimme dann aber zu und reiche ihm die Hand: "Einverstanden!" Mein Verbündeter schlägt ein. Damit ist unser Pakt besiegelt.