Ihr ganzer Körper war angespannt, während sie an der Treppe lauerte und versuchte etwas am unteren Ende zu erspähen. Irgendwo da mussten sie sein: Die Geiselnehmer mit ihren Geiseln. Wo der Rest ihrer eigenen Truppe war, wusste Pakhet nicht, doch es war im Moment keine Priorität. Erst die Mission erfüllen, dann andere Ziele verfolgen.
Genau. Und das hieß die Geiseln finden und befreien.
Geiseln machten alles immer so kompliziert …
Pakhet huschte, so leise, wie es ihr möglich war die Treppe herunter. Jemand musste ihr Feuergefecht zuvor gehört hatten. Sie waren vorgewarnt. Sie wussten, dass sie im Haus war. Das bedeutete, es gäbe sehr sicher eine Falle.
An die Wand im Erdgeschoss gepresst schloss sie die Augen und versuchte zu lauschen. Irgendwo musste es einen Laut geben. Etwas, das ihr verriet, wo die Geiselnehmer waren. Verflucht, wenn sie Pech hatte fiel der Typ vom Balkon ihr in den Rücken.
Sie atmete ruhig ein und aus, ein und aus. Sie durfte die Anspannung nicht Überhand nehmen lassen. Sie hatte den Umgang mit Nervosität gelernt. Im Kampf durfte man sich davon nicht übermannen lassen. Sonst starb man.
Okay. Wahrscheinlich waren sie im Wohnzimmer oder der großen Küche. Das Wohnzimmer hier im Erdgeschoss war riesig. Die Küche hätte den Vorteil, dass es dort Deckung gäbe. Sie würde in die Küche gehen, hoffen, dass sie dort nicht waren, und sich aus der Küche ins Wohnzimmer bewegen. Wahrscheinlich warteten die Geiselnehmer darauf, dass sie durch die andere Tür kam.
Also weiter durch die weite Diele, an deren Wand ein künstlicher Wasserfall hinabplätscherte. Diese verfickten Amerikaner waren halt doch wieder reiche, angeberische Arschlöcher. Wer brauchte so einen Schwachsinn im Haus?
Vorsichtig presste Pakhet sich gegen die Küchentür. Es war eine Schiebetür. Also schob sie sie vorsichtig auf.
Ach, wäre es keine Mission Geiseln zu befreien, wäre es so leicht. Einfach die Granate ins Zimmer, Krawumms, fertig. Normal nicht ihr Stil, doch besser, als in einen Hinterhalt zu laufen. So blieb ihr nur der Hinterhalt.
Wenigstens passierte nichts, als sie sich durch die halb offene Tür schlich. Tatsächlich war in der Küche niemand.
Gut.
Blieb nur die Frage: Konnte sie vielleicht eine Flashbang riskieren? Der Schaden von dieser würde nicht dauerhaft bleiben. So viel sollten die Geiseln ihr verzeihen können. Die Dinger waren eigentlich für genau diese Szenarien vorgesehen.
Ja, beschloss sie. Es wäre das Richtige. Das Einfachste.
Kurz legte sie ihre Waffe ab, um an ihren Gürtel zu greifen. Da. Dritte Granate, leicht andere Form. Das war die Flashbang. Sie löste sie vom Gürtel, legte sie in das Greifende der Prothese und nahm ihre Pistole wieder auf. Dann schob sie sich über den Küchenboden in Richtung Wohnzimmertür.
Nachteil: Wenn sie falsch lag und die Geiseln nicht hier waren, verriet sie ihre Position.
Egal.
Risiko gab es immer.
Auch diese Tür wurde geschoben. Also atmete sie, entsicherte die Granate, zählte innerlich bis fünf und schob dann die Tür weit genug auf, um die Granate in den Raum werfen zu können.
Dann ging sie in Deckung.
Für einen Moment ging der Krach los. Es blitzte, donnerte, Menschen schrien. Also war dort jemand gewesen.
Der Lärm war ohrenbetäubend, doch genau so waren diese Granaten gedacht.
Sie wartete, bis das Blitzen stoppte und sprang dann auf die Beine. Mit einem Tritt katapultierte sie die Tür gänzlich auf, war schon im Raum. Fünf Geiselnehmer, vier Geiseln. Dazu die beiden auf der Terrasse, die leider weniger desorientiert waren. Gut. Das würde sie auch noch schaffen.
Es reichte, die ohnehin verwirrten Geiselnehmer kampfunfähig zu machen. Deswegen zielte sie auf die Schultern. Das Pentagon, das sie wahrscheinlich beauftragt hatte, würde sich freuen, am Ende noch jemanden befragen zu können …