Pakhet war sich nicht sicher, warum sie hergekommen war. Sie trauerte immerhin nicht. Wie sollte sie auch um diese Menschen trauern, die sich ihr Leben lang nicht für sie, sondern nur dafür, was sie für die Familie bedeutete interessiert hatten? Sie war von Kindermädchen erzogen worden, nicht von ihren Eltern. Ihren Eltern war sie, als Person, eigentlich immer egal gewesen.
Vielleicht brauchte sie einfach die Erinnerung an das, was ihr Leben einmal gewesen war. Sie hatte hier gewohnt. In diesem Haus. Schön in einer jener reichen, hundertfach abgesicherten weißen Communities, wie es sie mehrfach in der Stadt gab. Dass man sie nicht länger auf eine Privatschule geschickt hatte, hatte sie sich erkämpfen müssen. Es war die Drohung gewesen, einfach wieder rausgeschmissen zu werden.
Einmal ehrlich: Sie hätte sicher auch auf einer neuen Privatschule irgendein Arsch gefunden, das es verdient hätte, dass man ihm die Hand bricht.
Es war seltsam daran zu denken. Sie hatte dieses Haus nicht mal gemocht. Das Haus war wie ein Gefängnis gewesen. Jedenfalls solang ihre Eltern daheim waren. Nie hatte sie wissen können, wann sie wieder was falsch gemacht hatte, wann wieder etwas Albernes von ihr erwartet wurde.
Ja. Warum war sie überhaupt hierher gekommen?
Vieleicht war es einfach nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie nicht mehr dieses Mädchen war. Sie war nicht länger Joanne. Sie war nicht länger von irgendwem abhängig. Sie konnte ihre eigenen Regeln befolgen. Sie war frei. Dafür hatte sie solange gekämpft. Sie hatte mit ihrem alten Leben gebrochen. Mit ihren Eltern. Mit dem Militär. Mit allem.
Der Tod ihrer Eltern war mittlerweile drei Jahre her. Bis heute glaubte sie nicht an einen Unfall. Es war ein politisches Manöver von irgendwem gewesen. Von allem was sie wusste, konnte es einer ihrer Kollegen gewesen sein, der ihre Eltern getötet hatte.
Vielleicht sollte sie versuchen ihn zu finden und sich bedanken. Auch wenn es zu spät gewesen war. Für Joanne war es zu spät gewesen.
Sie schüttelte den Kopf bei diesem Gedanken und wandte sich von dem großen, modernen weißen Haus ab. Es war albern, dass sie hierher gekommen war. Es gab letzten Endes doch nichts, dem sie hinterher weinte.
Aber vielleicht war es genau das, was sie sich hatte beweisen müssen.