Es war einer dieser Tage, an denen sie einfach Ablenkung brauchte. Es hatte nicht einmal einen konkreten Grund. Die letzten beiden Jobs waren gut gelaufen, Michael hatte sie seit Wochen in Ruhe gelassen und alles in allem konnte sie sich zur Zeit nicht beschweren. Und dennoch waren da diese Gedanken, die ab und an kamen. Gedanken, die sie hinterfragten. Gedanken, die oft von Erinnerungen an all die Dinge gefolgt wurden, an die sich sich nicht erinnern wollte.
Eine Heilung gab es nicht, das wusste sie mittlerweile gut genug, aber es gab eine Möglichkeit die Symptome zu unterdrücken. Bis zum nächsten Mal zumindest.
Und so war sie wieder in einer Bar, irgendwo in der Nähe von Camps Bay. In einer Bar, wo viele Touristen trinken gingen. Unter anderem auch der ein oder andere Tourist, der bereit für ein kleines Abenteuer war. Etwas, wovon er zuhause seinen Kumpeln erzählen konnte.
Sie hatte sich zurecht gemacht, wie immer. Sie trug eine Perücke - immerhin mochten die meisten Männer keine kurzen Haare - hatte Make-Up aufgetragen und ein sehr knappes Kleid angezogen. Es war schwarz, ließ den Rücken frei und reichte nicht sehr tief.
Sie mochte es, traute sich aber selten es anzuziehen.
Natürlich hatte sie all das mit dem Glamour abgerundet, der die normalen Menschen ihre Prothese nicht bemerken ließ. Es war das schwierigste an der ganzen Sache.
Doch hatte sie den Glamour und war auf alles vorbereitet. Es fehlte nur noch der Mann für den Abend. Doch während ihr Blick die Theke entlangwanderte, blieb er an einem Mann hingen. Ein Mann etwas älter als sie. Dunkelhaarig. Leicht gebräunt. Sein Blick war genau so suchend wie ihrer.
Sie konnte nicht zwangsläufig sagen, ob er sympathisch auf sie wirkte. Doch Sympathie war letzten Endes ohnehin zweitrangig. Sie wollte ja keine langen Gespräche und sicher keine Freundschaft. Alles, was sie wollte, war Ablenkung und die Chance, für eine Nacht ihre Probleme zu vergessen.