Es war wie ein elektrischer Schock, der durch Pakhets gesamten Körper jagte. Jeder einzelne Nerv schien gleichzeitig aufzuschreien, als sie auf die kalte Wasseroberfläche schlug.
Ihr erster Gedanke: Nicht gut.
Sie konnte mit der Prothese nicht gut schwimmen. Der Schuss in ihrer rechten Schulter machte alles schlimmer. Außerdem war das Meerwasser eisig, so dass ihr ein hypothermischer Schock sicher war, wenn sie nicht rasch herauskam.
Es war beinahe komplett dunkel unter Wasser. Das Licht der Sterne drang nicht soweit vor. Doch konnte sie noch immer das Donnern der Jachtmotoren hören.
Wo war oben? Wo war unten?
Das Wasser brannte in ihrer Schulterwunde. Noch eine Sache, die ihre Überlebenschancen verringerten. Wenn sie nicht ertrank oder erfror, würde sie verbluten.
Sie zwang sich entgegen jeden Instinktes etwas auszuatmen. Die Luftblasen sprudelten in eine Richtung. Also war das oben.
Ihre Lungen schrien bereits nach Sauerstoff. Sie hatte nicht ordentlich Luft holen können, ehe sie im Wasser gelandet war. Wie tief ins Wasser sie eingetaucht war, wusste sie nicht zu sagen.
Sie sammelte ihre Energie, drückte sie in ihre Beine, die die Hauptarbeit machen mussten. Wahrscheinlich hätte sie Schwimmen trainieren sollen, nachdem sie den Arm verloren hatte. Wahrscheinlich sollte sie damit anfangen, wenn sie das hier überlebte.
Nun ruderte sie mit den Beinen, wie sie es beim Militär gelernt hatte. Ihre Konzentration war auf die Wasseroberfläche, die ein, zwei, drei Meter über ihr sein musste, gerichtet. Sie musste erst einmal überleben.
Sie spürte den Druck auf ihren Ohren nachlassen. Ein Knacken war für sie zu hören. Doch sie konnte nicht tief genug gesunken sein, als dass es gefährlich war.
Dann durchbrach sie die Wasseroberfläche.
Gierig saute sie die eisige Nachtluft ein, während sie mit ihren Beinen versuchte, sich an der Oberfläche zu halten. Wenigstens waren die Wellen klein.
Keuchend schnappte sie nach Luft, ehe ihr wieder eine Welle über das Gesicht rauschte. Hatten die anderen gemerkt, dass sie über Bord gegangen war. Waren sie überhaupt noch am Leben? Es erklangen keine Schüsse mehr.
Vielleicht war auch einfach ihr Ziel bereits tot.
Weiter strampelte sie mit den Beinen, um an der Oberfläche zu bleiben. Das Wasser ließ den Schmerz in ihrer Schulter zunehmen, während die Kälte nach und nach ihre Muskeln durchdrang. Doch wenn sie um Hilfe rief und ihre Crew tot war, dann würde man sie erschießen.
Doch dann wiederum ...
Tod durch Erschießen wäre dem Tod durch Ertrinken zu bevorzugen.
Also wartete sie, bis sie in einem Tal zwischen zwei Wellen war, ehe sie rief: „Pajeet? Finley?“
Eine Taschenlampe leuchtete auf und wurde auf das Wasser gerichtet. Jemand sprach etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Dann ein Ruf. „Pakhet?“
Das war Pajeet. Ein Glück. „Hier!“, rief sie und hob die Prothese, um zu winken. Das Ding ging schwergängiger als normal. Verflucht. Am Ende würde sie es ersetzen müssen.
Das Licht der Taschenlampe - ein Militärmodell mit deutlich mehr Leuchtkraft, als die einfache Campinglampe - fand sie endlich und verharrte auf ihr. Sie war nur knappe 50 Meter von der Jacht entfernt. „Hab dich“, rief Pajeet. Dann legte er die Lampe zur Seite.
Moment, wollte er wirklich?
Doch tatsächlich schnappte er sich einen der Rettungsringe, warf ihn ins Wasser und sprang hinterher.
Als hätte es nicht gereicht, den Ring zu werfen.
Dennoch war sie dankbar.