CN: Sexuelle Belästigung
„Ach, komm schon, Prinzessin“, meinte Vendeer und hielt ihre Hand.
Pakhet verkniff sich nur schwer ein Seufzen. Es gab immer zwei Methoden zu einem Ziel zu kommen. Eine sanfte und eine weniger sanfte. An sich waren die sanften Methoden zu bevorzugen. Weniger Risiko. Einfacher. Oft wurde man erst Tage nach vollendeter Arbeit entdeckt. Aber es waren Leute, wie der schmierige Typ hier, die sie deutlich abwägen ließen, ob die weniger sanfte Methode es nicht doch wert wäre.
„Ich muss gehen, Mr Vendeer“, erwiderte sie und gab ihrer Stimme jenen unsicheren Klang, der es überzeugender wirken ließ. Sie war eine einfache neue Angestellte, die von ihrem Vorgesetzten belästigt wurde und nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte.
Die Perücke, die sie trug, war lang und bronzen Rot, wie sie herausgefunden hatten, dass Isaac Vendeer es bevorzugte. Ein leichter und ein schwererer Glamour taten ihr Übriges. Auch wenn der Typ so notgeil war, dass Pakhet sich deutlich fragte, ob es überhaupt notwendig gewesen wäre. Der Kerl schien alles anzuspringen, was bei drei nicht geflohen war.
„Prinzessin“, meinte er, „ich lad dich doch nur auf einen Kaffee ein.“
Ja, weil man eine einfache Angestellte „Prinzessin“ nannte, ohne dabei Hintergedanken zu haben. „Ich muss aber nach Hause. Ich bekomme heute Abend noch Besuch und ...“
Sein Griff wurde fester. „Jetzt komm. Es wäre nicht für lang.“
Sie warf einen Blick zur Tür des Großraumbüros - hoffentlich angemessen verzweifelt genug. Dann atmete sie tief ein und aus. Tief genug, als dass sich ihre Schultern hoben und senkten. „In Ordnung.“
Wäre es nicht doch okay, wenn sie ihn ausknockte? Immerhin würde sie es auf Dauer ohnehin tun müssen, wenn sie die Daten wollte.
„Hast du dich bisher gut eingelebt?“, fragte Vendeer, ohne dass es ihn wirklich interessierte.
Pakhet, die unter dem Namen „Melanie Stetzler“ in der Banking-Firma angefangen hatte, täuschte Unsicherheit vor. „Nun. Ich ...“
„Es gibt keinen Grund so nervös zu sein“, meinte Vendeer. „Nur ein Kaffee. Nicht mehr.“
Ja, sicher.
Sie liefen den anonym wirkenden Gang zwischen den Einzelbüros entlang, bis sie schließlich zum Ende der Etage kamen. Hier hatte Vendeer sein Büro.
Als sie reinkamen fühlte sich Pakhet direkt an Michael erinnert - nur das Michael nicht sexuell war. Ansonsten jedoch dieselbe Art von Mensch: Manipulativ. Schmierig.
„Setz dich, setz dich, Prinzessin“, meinte Vendeer und nickte zum recht großen Sofa, dass an der Wand des Büros stand. Wie auch sein Schreibtisch wirkte es vor allem schnöselig. Es war pure Angeberei, wie auch die Bücher, die im Regal standen. Sie ging jede Wette ein, dass Vendeer nicht die Hälfte davon gelesen hatte. Immerhin gehörte die Firma seinem Onkel. Jemand wie er musste nicht arbeiten, um etwas im Leben zu erreichen.
Natürlich hatte er auch eine dieser teuren Expressomaschinen im Büro.
„Worüber wollten Sie sprechen, Mr Vendeer?“, fragte sie. An sich war die Tür zu. Sie konnte ihn einfach ausknocken. Doch es wäre einfacher, wenn sie wüsste, wie sie seinen PC entriegelte. Sie war viel, aber sicher keine Hackerin.
„Über deine Karriereoptionen“, erwiderte Vendeer.
Nun, ihre Karriereoption war in ein bis zwei Stunden hier mit den Unterlagen rauszumaschieren, für die sie gekommen war. Sie hoffte, dass sie dafür nicht mit ihm schlafen musste. Der Typ war widerlich genug, als dass ein Kondom für ihn auch ein Diskussionsthema wäre.
„Uh“, machte sie nur und senkte den Blick.
Er kam mit zwei Tassen Kaffee zu ihr. Wenigstens etwas. Der Kaffee roch nicht schlecht. Also hatte er zumindest dahingehend ein Minimum an Geschmack.
„Ich denke, du hättest das Talent durchaus mehr zu machen, als einfache Buchhaltungsaufgaben“, meinte er und setzte sich nun neben sie. Zu nahe, aber das hatte sie erwartet.
„Ich arbeite erst seit eineinhalb Wochen hier.“ Und die Zeit hatte sie größtenteils damit verbracht, geschäftig zu tun. Immerhin hatte sie wenig Ahnung von Buchhaltung. Doch wer Spionage betrieb musste solche Dinge nicht wissen, sondern einfach nur verstehen, wie man Wissen vorgaukelte.
„Ja, aber ich habe dich beobachtet“, meinte er und rückte noch näher. Er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel.
Pakhet bemühte sich ihrer Stimme einen noch verängstlichteren Klang zu geben. Typen wie er wurden durch das Machtspiel erst richtig geil. „Und? Was ... was meinen Sie gesehen zu haben?“
„Jemanden mit genug Talent direkt in meiner Abteilung zu arbeiten“, raunte er.
„Was bedeutet das?“
„Es bedeutet viel Geld, Prinzessin. Und anderen Luxus.“ Seine Hand wanderte höher.
„Aber, ich meine ... Was machen Sie überhaupt genau?“ Sie erlaubte es ihrer Stimme noch dünner zu klingen.
Jetzt war seine Hand zwischen ihren Beinen. Konnte sie ihn nicht einfach ausknocken? Eigentlich schon.
„Nun, vornehmlich die Entscheidungen zu treffen, wann wir was verkaufen. Du weißt schon. Die Entscheidungen, die Geld machen.“ Er begann seine Finger zu bewegen.
Da waren sie wieder. Die Erinnerungen an Shanghai. Verdammt. Li. Seine Männer. Die Schmerzen. Das Gefühl nichts tun zu können.
Sie dachte nicht nach, sondern versetzte Vendeer einen Schlag gegen die Seite des Schädels. Einen Moment später hatte sie ihren Arm um seinen Hals geschlungen und stabilisierte den Griff mit der Prothese. Er versuchte sich loszureißen, schlug gegen ihren Arm, versuchte zu schreien, doch alles was er hervorbrachte, war ein ersticktes Keuchen. Gegen ihren magisch verstärkten Griff hatte er keine Chance.
Es dauerte. Dreißig Sekunden. Vierzig. Sie zählte innerlich. Seine Gegenwehr bedeutete, dass er mehr Sauerstoff verbrauchte. Fünfzig. Langsam wurden seine Bewegungen fahrig. Sechzig. Sein Körper erschlaffte.
Manchmal wünschte sie sich, in der Welt von Actionfilmen zu leben, wo so ein Würgegriff nie mehr als zehn Sekunden anhalten musste, um wirksam zu sein.
Sie lockerte ihren Griff vorsichtig, um sicher zu gehen, dass er wirklich ausgeknockt war.
Er rührte sich nicht.
Gut.
Also löste sie seine Krawatte, knebelte ihn damit. Für seine Hände hatte sie Kabelbinder dabei. Sie war auf solche Dinge vorbereitet.
Damit nahm sie die Tasse Kaffee und ging zu seinem Schreibtisch hinüber. Sie hatte einen USB-Stick mit einem Hackingprogramm. Also musste sie hoffen, dass es reichte. Es wäre ein Jammer, wenn der ganze Scheiß umsonst gewesen wäre.
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Shanghai bezieht sich übrigens auch hier wieder auf meine Geschichte
Kontrolle