Die warme Barluft ließ das Eis in Pakhets Whiskey leise knacken. Es bewegte sich. Ein Würfel rutschte unter den anderen. Sie saß da, sah sich um. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt das Wochenende mit Nichts-Tun zu verbringen, doch nun war ihr Auftrag geschafft und sie hatte sonst nicht mehr zu tun.
Wäre das Wetter nicht so, wie böse Zungen es über London immer behaupteten, wäre sie vielleicht herausgegangen. So aber hatte sie wenig Lust, mit einer Erkältung nach Kapstadt zurückzukehren. Daher saß sie hier, lehnte sich an die Bar und sah sich um.
Bar. Eigentlich war Bar wohl das falsche Wort. Hier nannte man diese Art von Establishment wohl „Pub„. Immerhin gab es auch Kleinigkeiten zu essen. Zumindest war die Atmosphäre mit der hölzernen Theke, dem gedimmten Licht und dem im Hintergrund laufendem Fernseher sehr „Klischee-Pub„. Nur ob es der richtige Ort war, um Ablenkung für eine Nacht zu finden, wagte sie langsam zu bezweifeln.
Die meisten Leute, die hierher kamen, kamen in kleinen Gruppen oder zumindest mit Partnern oder Partnerinnen. Trotz oder vielleicht gerade wegen dem regnerischen Wetter, war der Ort ordentlich gefüllt. Die meisten tranken Bier. Sie war froh, dass sie ihre guten Sachen nicht auf den Auftrag mitgenommen hatte und daher nun ein einfaches T-Shirt, wenngleich recht weit ausgeschnitten trug.
Wie immer war ihre Prothese unter einem Glamour verborgen.
Sie seufzte und schaute zum Fernseher, wo irgendwelche Prominente in irgendeiner Talkshow miteinander plauderten.
„Du bist nicht von hier, oder?“, fragte sie jemand.
Pakhet sah sich zur Seite um. Da war eine Frau, etwa ihr Alter, die sich ihr zugewandt hatte. Offenbar wartete sie an der Theke.
Die junge Frau trug ein Shirt mit dem Aufdruck einer Universität. Ob sie da wirklich studierte oder es nur eins dieser modischen Shirts war, konnte Pakhet nicht sagen.
Sie lächelte matt. „Nein. Ich bin nicht von hier.“
„Urlaub?“, fragte die Frau, offenbar darauf aus ein wenig Smalltalk zu halten.
„Geschäftsreise“, erwiderte Pakhet.
„Oh. Als was arbeiten Sie?“
Immer die Leute mit ihren Fragen.
„Bei der Bank“, antwortete sie vage. Eine Antwort, die sich anbot, denn die wenigsten Menschen stellten genauere Fragen dazu.
„Ah. Cool.“ Die Frau hielt inne. „Und Sie sind allein hier?“
Pakhet nippte an ihrem Whiskey, ehe sie das Glas ein wenig in ihrer Hand hin- und herwiegte, so dass die Eiswürfel gegen das Glas klimperten. „Ja. Meine Kollegen sind im Hotel. Jetlag.“
„Von wo kommen Sie?“
So viele Fragen … „USA“, erwiderte Pakhet, wohl wissend, dass ihr Dialekt auch deutlich nach der Westküste klang.
„Oh, cool. Da wollte ich schon immer mal hin.“
Pakhet lächelte nur matt. „Bist du eine Studentin?“
„Ja.“ Sie zeigte in Richtung eines Tisches, an dem drei andere junge Frauen saßen. „Wir feiern das Semesterende.“
„Ah.“ Was sollte Pakhet auch sonst dazu sagen.
Der Barkeep erlöste sie. „Hey, Mädel“, meinte er mit Nachdruck. Offenbar hatte er die junge Frau schon vorher angesprochen. „Was bekommst du?“
„Entschuldigung. Ähm. Zwei Bier, ein Shandy, eine Cola.“
Der ältere Herr hinter der Theke nickte. „Kommt sofort.“
Verlegen lächelte die junge Frau Pakhet an. „Ups.“ Sie zierte sich etwas. „Ähm, wenn du magst, kannst du dich zu uns setzen. Vielleicht …“
Pakhet tat, als sähe sie auf ihre Uhr. „Danke. Aber nein. Ich sollte bald zum Hotel zurück.“ Sie leerte ihr Whiskey-Glas bis auf die Eiswürfel. „War nett mit dir zu sprechen …“
„Lina“, erwiderte das Mädchen.
Pakhet nickte. „Lina.“ Sie legte einen Schein auf die Theke und suchte den Blick des Barkeeps. „Kannst den Rest behalten.“ Damit warf sie sich ihre Jeansjacke über.