„Das du auch mal krank wirst“, murmelte Robert mit einer Mischung aus Amüsement und Distanz in der Stimme. Er wusste noch immer nicht, was er aus der Situation machen sollte. Wer konnte es ihm verdenken?
„Die letzten Monate waren stressig“, krächzte Pakhet und schwankte zum Sofa zurück.
Es war nur eine einfache Erkältung, aber wie es so war: Sie fühlte sich dennoch, als würde sie krepieren. Die Tatsache, dass sie vor kaum mehr als einem Monat wirklich fast gestorben war, war ihrem Hirn dabei egal.
Robert folgte ihr ins Haus. Er hatte eine Tüte dabei. Offenbar mit Essen. Pakhet hatte Plastickschüsseln gesehen, konnte jedoch im Moment nicht die Neugierde aufbringen zu fragen.
„Das ist also das Haus ...“, murmelte er.
„Ja. Das ist das Haus“, erwiderte sie heiser und ließ sich auf das Sofa senken. Sie schloss das Auge, bis die Welt sich aufhörte zu drehen.
„Sieht ... leer aus, soweit.“
Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatte das Haus möbliert gemietet. Dadurch sah alles perfekt zusammengestellt aus, jedoch auch irgendwie klinisch. Es reichte für sie. Bis auf Robert würde es ja auch keine Besucher geben.
Unsicher setzte auch er sich auf das zweite Sofa. Er räusperte sich nervös, fuhr sich durch das Haar. Anders als ihres hatte seins einen natürlich Rotstich. Sie hatte bei ihren Stoppeln mit Farbe nachgeholfen, so dass sie nun flammendrot ihren Kopf bedeckten.
„Ich habe dir Suppe mitgebracht“, meinte Robert schließlich und griff in die Tüte, um eine runde Tupperdose mitzubringen. „Hühnerbrühe à la meiner Mutter.“ Er lächelte sanft. „Gibt es hier irgendwo eine Mikrowelle?“
„Ja. Küche.“ Sie zeigte auf die Tür links neben dem Fernseher. „Da lang.“
„Soll ich sie dir warm machen?“
„Das wäre großartig“, krächzte sie und verlor dann ihren Kampf gegen den Husten. Verdammte Erkältung. Wieso fühlte man sich wegen ein paar Viren so verdammt beschissen?
„Okay.“ Damit stand Robert auf und ging unschlüssig zur Tür hinüber.
Was er wohl denken musste? Er war die einzige Person gewesen, die das Militär über ihren vermeintlichen „Tod“ in Kenntnis gesetzt hatte, nur damit sie zweieinhalb Wochen später bei ihm vor der Tür stand. Natürlich hatte er sich gefreut, doch sie konnte ihm ansehen, dass er sich mit der Situation dennoch unwohl fühlte. Er war ihr bester Freund, doch hatte er schon von ihrer Karriere beim Militär nicht viel gehalten. Jetzt war sie Söldnerin. Das hieß: Weiterhin Gewalt, nur schlimmstenfalls nicht einmal mit der Ausrede sie aus den „richtigen“ Gründen zu nutzen.
Auch wenn sie von ihrer Zeit beim Militär dahingehend desillusioniert war. Die Gewalt war nicht gerechtfertigt gewesen. Es war eine Besatzung gewesen, kein Krieg gegen Terror.
Sie verdrängte den Gedanken, hustete wieder und verfluchte den schmerzenden Hals.
Endlich kam Robert mit einer Schüssel, einem Küchentuch und einem Löffel zurück. „Hier.“
„Du bist ein Engel“, keuchte sie, als er die Schüssel auf den Glastisch vor ihr abstellte.
„Für dich doch gerne.“ Wieder war da dieses sanfte Lächeln auf seinem Zügen, mit dem eine Spur Unsicherheit daherschwang.
„Was ist mit deinem Auge?“, fragte er schließlich, als er sich wieder setzte, und nickte zu ihrer Augenklappe.
„Zu große Kopfschmerzen für das Glasauge“, murmelte sie. Letzten Endes konnte sie ohnehin noch nicht ordentlich durch das angeblich verzauberte Ding sehen, dass Michael ihr besorgt hatte. Die Konzentrationsschwäche machte es nicht leichter.
„Glasauge?“ Robert starrte sie an.
Natürlich. Bei ihrem Besuch bei ihm hatte sie das Glasauge getragen. Der Zauber ließ es lebendecht wirken. „Ich habe in Irak auch mein Auge verloren“, meinte sie so schlicht, wie es mit der heiseren Stimme möglich war. Dann richtete sie sich auf und nahm das Geschirrtuch, breitete es über ihrem Schoß aus, um die Schüssel daraufzustellen.
Robert schluckte. Schluckte und schwieg.
Pakhet seufzte. „Was hältst du von einem Film?“