CN: Mord
Es war keine Rache, sagte sie sich. Es war keine Rache. Viel eher war es Vorbeugung. Es war Schutz der Allgemeinheit. Schutz anderer Frauen vor allem. Wer in einer Bar eine Frau ausknockte, um sie zu vergewaltigen, würde es wahrscheinlich auch mit anderen tun. Vor allem, wenn es eine Frau war, die er nicht kannte.
Sie kannte ihn nicht. Alles, was sie über ihn wusste, hatte sie bei der Suche nach ihm herausgefunden.
Weiß. Dreißig. Lehrer. Vater stammte aus den Niederlanden. Mutter lebte seit mehreren Generationen in Südafrika. Geschieden. Keine Kinder. Letzteres, machte es leichter.
Sie hatte sich über Smith ein Boot mieten lassen. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass es das einfachste war. Das sicherste. Wenn sie ihn im Hafen entsorgte, dann war die Gefahr zu groß, dass jemand den Leichnam fand. Hier draußen schwamm genug Getier herum, um die Wahrscheinlichkeit gering zu halten. Wobei sie sich fragte, ob so einem Hai nicht schlecht davon werden würde.
Der Mond war bereits aufgegangen. Das Meer war tintenschwarz in der Dunkelheit. Doch das Wetter war angenehm.
Vielleicht sollte es ihr Gedanken machen, dass sie in dieser Situation noch an so etwas denken konnte.
Nun, er war nicht der erste Mann, den sie ermordete. Er würde nicht der letzte sein. Sie hatte gesehen, wie er dasselbe bei einer anderen Frau probiert hatte. Er war ein Arsch. Mit hundert prozentiger Sicherheit. Also ... wer würde schon um ihn weinen?
Sie schaltete den Motor ab. Mittlerweile sollte sie weit genug draußen sein.
Er war ausgeknockt. Gefesselt. Mit einem Sack über den Kopf. Das machte es einfacher.
Ein Teil von ihr überlegte, ihn einfach so über Bord zu werfen. Doch selbst für jemanden wie ihm kam es ihr zu brutal vor. Aktuell war er ohnmächtig, ausgeknockt von den Tropfen, die er selbst hatte verwenden wollen. Wenn aber ein Mensch keine Luft mehr bekam ... manche wachten auf. Es war ein unschöner Tod.
Das Boot schwankte leicht, als sie die Plane ausbreitete. Smith würde es später reinigen lassen und keine Fragen stellen. Dennoch musste sie nicht mehr Dreck machen, als notwendig.
So strich sie die Plane glatt, zerrte ihn drauf. Dankbarerweise war sie stark genug dafür.
Dann fühlte sie seinen Puls. Er lebte noch.
Nun, nicht mehr lang.
Sie griff nach ihrem Holster, zog ihre Pistole. Sie legte den Lauf an seinen Kopf und schoss. Zwei Mal. Nur um sicher zu gehen.
Die Schüsse halten seltsam hohl über das Meer hinweg, ehe die Patronen auf das Deck fielen.
Das Blut, das sich unter seinem Kopf ausbreitete, schien in der Dunkelheit schwarz. Leise entwich die letzte Luft seiner Lunge.
Für einen Moment wartete sie. Dann fühlte sie seinen Puls.
Nichts.
Gut.
Sie hielt inne. Sollte sie die Plane mit seinem Leichnam über Bord werfen?
Das war eigentlich der Sinn dahinter. Dennoch kam es ihr falsch vor, so viel Plastik ins Meer zu werfen.
Dachte sie darüber wirklich nach?
„Fuck“, murmelte sie. Irgendwie war ihr nach Lachen zu Mute.
Ja, vielleicht war sie etwas abgestumpft geworden über die letzten Jahre. Doch verdammt. Es ab drei Dinge, die sie nicht verzeihen konnte: Gewalt gegen Kinder, Folter und Vergewaltigungen. Er hatte es nicht anders verdient.