Kapitel 22
Ana hatte immer geglaubt, dass die Planung von einer Hochzeit immer so lange dauerte, aber bei ihr war es binnen einer Woche geplant. In dieser Woche hatte das Diner geschlossen. Ronny hatte sie in ein Brautgeschäft begleitet und sie hatte viele, viele Hochzeitskleider anprobiert. Letztendlich hatte sie eins gefunden und bei der letzten Anprobe waren auch Teo und Lilian anwesend. Teo hatte große Augen gemacht, als er seine beste Freundin in einem schneeweißen Kleid gesehen hatte. Es war ein elegantes und schlichtes Satinkleid mit einem silbernen Gürtel an der Taille und Perlen-Deckel-Ärmel. Es war weder bauschig noch mit Spitze oder Tüll. Es war wie gemacht für Ana. Während sich Ana um das Kleid und den Umzug, gleichzeitig aber auch den Mietvertrag für Reed gekümmert hatte, hatten Dean und Teo eine Kirche gefunden und einen Saal, wo sie im Anschluss feiern konnten. Ana hatte eigentlich nie gedacht, im Herbst oder überhaupt zu heiraten. Aber das Leben geschah, während man Pläne schmiedete. Lilian hatte das Catering übernommen, Reed die Musik und Sally hatte sich mit Celine zusammengesetzt und den Saal dekoriert, so wie es Ana gewollt hatte. Außerdem hatte Sally für Nala ein wunderschönes Kleid gekauft.
Nun saß sie auf einem Frisierstuhl und die Friseurin schminkte sie. Sie hatte um dezentes Make-up gebeten. Und als sie in den Spiegel sah, war sie positiv überrascht. Die Friseurin hatte rosa-pastellfarbene Töne verwendet. „Wie möchten Sie ihre Haare haben?“, fragte sie. „Einen Moment, ich habe das Kleid hier“, rief Ronny, die Ana begleitet hatte. Sie öffnete den Kleidersack und zeigte es der Frau. „Okay.“ Dann nahm sie einen Lockenwickler und fing mit ihrer Arbeit an. Eine andere Friseurin flocht Nala einen schönen Haarkranz. Sie trug bereits ihr Kleid, da sie nicht geschminkt wurde. Eine andere Friseurin bat nun Ronny platz zu nehmen. Nach etwa einer Stunde, durfte Ana wieder in den Spiegel schauen. „Wow“, murmelte sie. „Mummy du siehst so hübsch aus!“, rief Nala. Das tat sie wirklich. Die Friseurin hatte ihre Locken leicht hochgesteckt und vorne zwei Strähnen rausgelassen, sodass sie um ihr Gesicht fielen. Dazu auch noch ein silbernes Haarreif. Ronny war ebenfalls fertig. „Du siehst so schön aus“, sagte auch ihre beste Freundin. Ihre Haare waren zu Locken gestylt und nach hinten gesteckt. Das passte auch gut zu ihrem scharlachrotem Kleid. „Danke.“ „So und jetzt musst du noch dein Kleid anziehen.“ Vorsichtig zog Ana ihr Kleid an, dann wurde ihr Schleier drangemacht und fertig war sie. Nala brachte ihr ihren Blumenstrauß. „Sie sehen wirklich schön aus. Der Bräutigam wird Augen machen.“ „Danke sehr.“ In dem Moment ging die Tür auf und Tommy und Teo betraten den Friseursalon. „Der Wagen ist…Oh wow, Ana“, sagte Teo und sah sie an. „Danke.“ Auch Tommy machte ihr ein Kompliment. Teo bezahlte und sie gingen raus. Ana lachte auf, als sie den Wagen erkannte. „Was ist los?“, fragte Ronny. „Das ist Deans Oldtimer“, antwortete Ana lächelnd. „Damit hat er mich zum ersten Mal, nachhause gefahren“, erklärte sie, als sie die fragenden Blicke von ihren Freunden sah. „Was für eine süße Geste. Der Wagen hat dich damals nachhause gebracht und jetzt bringt es dich wieder nachhause, diesmal zu ihm“, sagte Ronny und legte beide Hände auf ihr Herz. „Einsteigen, sonst kommen wir zu spät.“ Tommy setzte sich ans Steuer. Teo nahm auf dem Beifahrersitz platz und Ana, Nala und Ronny setzten sich hinten hin. Ronny stieg als erste aus und half Nala. Teo trat neben die Tür und half Ana. „Und alle sind jetzt da drin?“, fragte Ana und deutete auf die Kirche. „Ja, nur die engsten Freunde und Bekannte“, antwortete er. „Süße, wir gehen schon einmal rein. Nala ist ja das Blumenmädchen.“ „Danke Ronny.“ Teo würde sie zum Altar führen. „Wen hatten wir nochmal eingeladen?“, fragte sie. Ihr Herz klopfte wie wild. „Ana, ganz ruhig. Du wirst gleich den Mann heiraten, den du all die Jahre geliebt hast. Und da drin sind Menschen, die dich lieben. Hol jetzt einmal tief Luft.“ Sie tat was er sagte. „Okay, du hast Recht.“ „Mummy, wo sind meine Blumen?“ „Hier.“ Ana nahm aus dem Wagen Nalas Blumen und gab sie ihr. Teo reichte Ana seinen Arm und sie hakte sich bei ihm unter. „So Nala, du weißt wie wir es machen.“ „Ja, so wie wir es geprobt haben.“ Nala ging als erste vor und als sie die Kirche betraten spielte die Orgel. Alle drehten sich zu ihr um. Nala machte es ganz professionell. Sie lief in einem guten Tempo und ging dann vorne auf die Seite. Als Ana aufsah, begegnete sie Deans Blick. Er starrte sie an. Fast schon ehrfürchtig. Ana stellte sich ihm gegenüber und Teo nahm seinen Platz, als Trauzeuge ein. Deans Trauzeuge war John. Dann fing auch die Trauung an. Anas Herz klopfte wie wild, als beide das Ja-Wort gaben. „Sie dürfen nun die Braut küssen.“ Dean nahm ihr Gesicht in seine Hände und drückte seine Lippen auf ihre Stirn. „Ich liebe dich, Mrs. Lewis“, flüsterte er ihr zu, sodass nur sie ihn hören konnte. Tausende von Schmetterlingen wirbelten in ihrem Bauch herum.
Die Gäste verließen nun die Kirche, um in den Saal zu gehen. Es war nicht weit weg, zwei Straßen weiter. Aber einer der Gäste zog Anas Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine Frau im mittleren Alter, mit blonden Haaren, die elegant hochgesteckt waren. Sie trug einen Lavendelfarbenen Hosenanzug mit einer Cremeweißen Bluse. Eine Perlenkette und dazu passende Ohrringe machten ihr Outfit komplett. Ana hatte diese Frau seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Denn diese Frau, war ihre Mutter Susan Daniels. Wie hatte sie sie gefunden, und was suchte sie hier? „Ana?“ Hörte sie Dean neben ihr sagen. „Was ist los?“, fragte er leise. Man konnte ihr höchstwahrscheinlich den Schock ansehen, daher riss sie sich zusammen und setzte eine fröhliche Miene auf. „Meine Mom ist hier“, flüsterte sie und sah wieder in die Richtung. Sie stand in der hintersten Ecke, ohne von den anderen wahrgenommen zu werden. Ihre Mutter ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen. „Rede mit ihr“, flüsterte Dean. Sie sah ihn perplex an. „Nach allem was sie uns angetan hat, soll ich mit ihr reden?“ „Willst du nicht wissen, was sie zu sagen hat?“ Eigentlich war sie schon neugierig. Sie seufzte und nickte anschließend. „Ich warte draußen auf dich“, sagte er lächelnd und gab ihr einen Kuss. „Pass auf Nala auf.“ Er nickte und verließ die Kirche. Zögernd, aber mit einer gefassten Miene, trat Ana zu ihrer Mutter. „Hallo“, begrüßte sie ihre Mutter. „Hallo Claire. Oder sollte ich Luana sagen?“ Es klang nicht abwertend, oder missbilligend. Eher traurig. Aber Ana blieb auf der Hut. „Ich heiße Ana. Was machst du hier?“, fragte Ana gerade heraus. „Ich wollte die Hochzeit von meiner einzigen Tochter nicht verpassen“, sagte sie leise. Ana hingegen lachte auf. „Deine einzige Tochter, ja? Schön, das es dir nach fünf Jahren eingefallen ist.“ Ihr Mund fühlte sich trocken an. Ihr Herz fing an wild zu klopfen. Ana setzte sich auf die hinterste Bank. Ihre Mutter nahm neben ihr Platz. „Ich wusste nicht wo du warst.“ „Und wie hast du es jetzt erfahren?“ „Brooke hat es mir gesagt.“ Ana nickte langsam. Natürlich, Brooke wollte sogar jetzt noch ihr Leben vermiesen. „Tja Mom, diesmal kommst du leider zu spät. Dean und ich haben geheiratet.“ Ihre Mutter sah viel älter aus, als wie sie war. „Mein herzlichstes Glückwunsch.“ Ana lachte auf. „Ironie steht dir nicht, Mom.“ „Ich meinte es auch nicht ironisch. Es freut mich wirklich für dich.“ Ana musterte ihre Mutter. Sie suchte nach der Lüge. „Hast du dein Kind auf die Welt gebracht?“ Jeder Muskel spannte sich in Anas Körper an. „Natürlich habe ich das. Vermutlich hast du sie gesehen.“ „Das kleine Mädchen, mit den braunen Locken?“ Ana nickte. „Nala.“ „Sie sieht dir ähnlich.“ Ana nickte erneut. „Ich bin froh, dass du nicht auf dein Vater gehört hast.“ Ana starrte ihre Mutter an. „Du warst doch auch dafür.“ Sie wurde langsam wütend. „Das habe ich gesagt, das bestreite ich nicht. Aber ich konnte das doch nicht deinem Vater sagen. Als er dich aus dem Haus verjagt hat, habe ich gewartet, bis er sich beruhigt hatte. Danach bin ich sofort zu Brooke geeilt. Da ich angenommen hatte, dass du bei ihr wärest.“ „Warum?“, sie hatte Angst vor der Antwort, aber sie musste es einfach wissen. „Du bist meine Tochter, Claire. Wie könnte ich dich einfach vor die Tür setzen? Aber als mir Brooke sagte, dass du nie bei ihr aufgetaucht warst, wusste ich, dass ich dich verloren hatte.“ „Moment mal. Ich war bei Brooke. Sie wollte mich nicht reinlassen. Deshalb bin ich, musste ich gehen.“ „Dann hat sie mich belogen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, dich hinter dem Rücken von deinem Vater zu unterstützen. Dir dabei zu helfen, dein Kind auf die Welt zu bringen. Für dich da zu sein, wie es sich für eine Mutter gehört.“ Ana konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Ich habe einen großen Fehler begangen, als ich dich und Dean auseinandergebracht habe. Ich dachte, er wäre nicht geeignet für dich und würde niemals für dich sorgen können. Ich hatte immer dein Wohl im Sinn. Dein Vater hingegen, war derjenige, dem das Ansehen unserer Familie wichtig war. Ich verlange von dir nicht, mir zu vergeben. Das könnte ich selbst auch nicht tun. Aber du sollst wissen, dass ich dich die letzten fünf Jahre gesucht habe. Aber dein Vater hatte deine Kreditkarten gesperrt und du hattest deinen Namen geändert und bist auch noch in eine Kleinstadt gezogen. Bist du hier glücklicher, als wie in Seattle?“, fragte sie und als sie aufsah, sah Ana, dass ihre Mutter Tränen in den Augen hatte. Sie konnte es nicht fassen. Ihre Mutter weinte! Seit Ana denken konnte, hatte sie ihre Mutter nie weinen gesehen. Sie hatte nicht einmal gedacht, dass ihre Mutter dazu imstande wäre. Ana hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Sie nickte langsam. „Ja, bin ich. Sehr sogar“, antwortete sie mit belegter Stimme. „Das freut mich für dich.“ Ana versuchte alles zu verarbeiten. Alles was ihre Mutter gesagt hatte, war neu für sie. Brooke hatte ihr Leben zerstört. „Claire, darf ich…dich umarmen?“, fragte ihre Mutter mit zitternder Stimme. Ana spürte, wie auch ihr die Tränen aufstiegen. Der Kloß schnürte ihr die Kehle zu und ihr Herz klopfte wild gegen ihre Brust. Schließlich nickte sie und umarmte ihre Mutter. Sofort stieg ihr der Duft ihrer Mutter in die Nase. Yasmin. „Du darfst nicht weinen Claire. Vergiss nicht, du bist geschminkt“, ermahnte ihre Mutter sie. Sie lehnte sich zurück und brachte Anas Frisur wieder in Ordnung. „Mummy!“, Nalas Stimme wurde durch die Kirche gehallt. Sie kam auf sie zu gerannt. Dean hinterher. „Ist meine Schminke in Ordnung?“, fragte sie schnell ihre Mutter. Susan nickte und lächelte sanft. Ana räusperte sich und stand auf. „Spätzchen, du solltest doch mit deinem Daddy draußen auf mich warten.“ „Mir war aber langweilig.“ Nalas Blick fiel auf Susan. „Mummy, wer ist die Frau?“ Auch Dean sah Susan an. Er trat zu ihr. „Mrs. Daniels.“ Er reichte ihr die Hand. Susan stand auf und schüttelte seine Hand. „Hallo Dean.“ Er sah verblüfft aus, da sie sich an seinen Namen erinnerte. „Mummy!“ Nala zog an ihrem Kleid. Ana überlegte, ob sie Nala die Wahrheit sagen sollte. Sie durfte keine Geheimnisse vor ihrer Tochter haben, daher ging sie in die Hocke und sah Nala an. „Spätzchen, das ist meine Mom, also deine Großmutter.“ Nalas Augen weiteten sich. „Ich habe eine Oma?“, fragte sie überrascht und sah Susan an. Ana sah ihre Mutter an. Sie sah unendliche Trauer in Susans Augen. „Hallo Liebes.“ Susan ging ebenfalls in die Hocke. „Ich wusste nicht das ich eine Oma habe“, sagte Nala und musterte Susan. „Deine Mummy und ich haben uns aus den Augen verloren“, sagte sie nach einer Weile. Nala hingegen sah ihre Mutter an. „Mummy, du verlierst aber auch jeden! Erst Daddy, dann Oma.“ Ana lachte auf. „Da hast du, glaube ich recht.“ „Mich verlierst du aber nicht!“ „Niemals.“ „Wir sollten langsam gehen, die Gäste warten auf uns.“ „Du hast recht Dean.“ Ana stand auf und nahm Nala an die Hand. Dann sah sie ihre Mutter an. „Komm doch mit, wenn du möchtest.“ Ihre Mutter machte große Augen. Benommen nickte sie. Draußen standen Teo und Ronny. Sie hatten auf sie gewartet. „Wo ist Tommy?“, fragte Ana ihre Freundin. „Er holt den Wagen.“ Liah hielt die Hand ihrer Mutter. Sie trug ein bauschiges, rosa Tüllkleid. Kurz darauf fuhr Tommy mit seinem Auto vor. Ronny sah Susan kurz an. Sie hatte keine Ahnung wer sie war, aber sie vermutete es. „Ich nehme an Sie begleiten uns?“, fragte Ronny höflich. „Ja.“ „Dann können Sie ja bei uns mitfahren.“ Ronny wandte sich an Ana. „Wir nehmen auch Nala mit.“ „Vielen Dank“, sagte Ana lächelnd. Der Tag hatte eine sehr seltsame Wendung genommen. Ihre Mutter hatte sich entschuldigt. Susan Daniels hatte sich noch nie bei jemandem entschuldigt. Teo würde die frisch vermählten fahren. Nachdem auch Dean und Ana eingestiegen waren, fragte Teo: „Ana, wer ist die Frau?“ Ana sah erst Dean an, dann seufzte sie und antwortete: „Meine Mutter.“ „Deine…Was macht sie denn hier?“ „Sie wollte meine Hochzeit nicht verpassen. Teo ich möchte im Moment nicht darüber reden. Fahren wir lieber zum Saal.“ Er nickte und fuhr los.