„Feen können dir zwar Wünsche erfüllen, doch erfüllen sie nie dein Leben mit Glück.“
Ausschnitt aus dem Buch -Eine zauberhafte Geschichte der traurigen Feen- (Gefangen im Märchendorf)
Ich war nun auf mich alleine gestellt, als ich den neuen Abschnitt betrat. Ein kalter Hauch säuselte durch den Raum, den ich auch im Gesicht spürte.
Die Zöpfe hingen mittlerweile über meinem Rücken, doch das störte mich nicht, denn so konnten sie nicht meine Sicht behindern oder mir im Zweifelsfall ins Gesicht wehen. Mir war trotz des Windes relativ warm durch die gute Isolation der Anzüge.
Ich erkundigte mich erstmals in der neuen Umgebung. Es war eine merkwürdige Mischung aus Natur und von Menschenhand geschaffenes Bild. Die Wände schienen aus Granit zu bestehen die wie ein Natursteinmauerwerk aussahen und an manchen Stellen auch schon mit Moos bedeckt zu sein. Stattdessen die hohe Decke mit weißen Leuchtstoffröhren ausgestattet waren, die vor sich hin summten und alles in einem schwachen, weiß hinterließen. Am Ende des langen Korridors, wo ich am Ende einen blauen Lichtkegel erblickte, der diesen Abschnitt in ein sanftes Blau erhellte. Also muss ich nur gerade aus und das Ende dann erreichen. Das ist schon einmal gut.
Mein Blick wanderte zur Wand auf der rechten Seite von mir ausgesehen und erblickte etwas handschriftlich Geschriebenes in roter Farbe. Langsam ging ich ein paar Schritte vor und las den Text laut vor: „Feen können dir zwar Wünsche erfüllen, doch erfüllen sie nie dein Leben mit Glück.“
Ich blickte mich weiter um und da ich nichts bemerkt, was mir hätte weiterhelfen können, joggte ich den Gang entlang.
Als ich an dem Lichtkegel angekommen war, schaute ich etwas verdutzt. Ich befand mich nun vor einer tiefen Schlucht und blickte vorsichtig nach unten. Das Mauerwerk, das in die Tiefe ragte, wurde von der Finsternis aufgefressen und doch konnte ich etwas rauschen hören. Ich schloss auf einen Bach oder Flusslauf, der da entlang lief.
Um weiterzukommen musste ich auf eine Plattform springen, die sich ein paar Meter weiter von meinem jetzigen Standort befand. Dahinter konnte ich noch zwei weitere Plattformen entdecken, die nicht mit der vorherigen Plattform verbunden war. Zum Glück erfüllte die Deckenbeleuchtung den Raum genügend mit Licht.
Ich nahm einen tiefen Atemzug, nahm Anlauf und rannte los. Bei jedem Schritt schnitt mit der Wind ins Gesicht. Kurz vor dem Abgrund machte ich einen Sprung in die Luft. Ein metallisches Scheppern kündigte meine Ankunft auf der Plattform an und der Schwung nahm mich zu schnell mit, sodass ich fast hinunter viel. Spring Sam. Gerade noch rechtzeitig konnte ich vor dem Ende abspringen. Als ich auf die Plattform zugeflogen kam, wusste ich, dass der Schwung nicht ausreichte, um auf dieser zu landen.
Ich streckte meine Arme aus, um doch noch irgendwie auf diese Plattform zu gelangen. Mit einem Schlag, der mir die Luft zum Atmen nahm, traf ich auf die Eckkante und reflexartig bissen sich meine Finger um etwas. Da sind Sprossen. Jetzt nicht nachlassen, Sam.
Die Atmung stand still und doch fühlte sich alles so an, als ob ich unter Wasser ertrinken würde. Gleichzeitig brannte jeder neue Atemzug und schmerzte. Doch ich ließ nicht locker. Auch wollte ich meinen Blick nicht nach unten werfen, da ich Angst hatte runterzufallen.
Mit aller Kraft, die noch in meinem Körper steckte, zog ich mich hoch. Schweiß bildete sich auf meiner Stirn und behinderte mir die Sicht. Langsam schmerzten meine Arme immer mehr und schienen fast schon abzufallen, doch ich biss mir auf die Zunge, obwohl alles in meinem Körper nach Loslassen schrie.
Als mein Oberkörper auf der Plattform übergebeugt war, ließen meine Kräfte endgültig nach, ich lag wie ein ausgewickeltes Handtuch da und versuchte meine verbrannte Lunge ein wenig zu beruhigen, die immer mehr Schmerz in meinen Körper pumpte. Ich hatte es geschafft. Ich hatte es verdammt noch mal geschafft.
Als ich es irgendwie doch noch schaffte, auf die Beine zukommen, betrachtete ich mir die Sprossen. Sie waren kalte, eisige Stangen, die keine Spur Rost vorzuweisen hatten. So stand ich für eine Minute da und schaute einfach nur in die Luft. Du musst nun zum Ziel, Sam.
Im Anschluss drehte ich mich zum Rest des Weges und war geschockt, dass er noch nicht zu Ende war.
Kerzengerade verlief der Weg weiter, bis er eine Tür erreichte. Dazwischen waren ein paar Hindernisse, die es zu überwinden galt. Dort befanden sich zwei Pendel, welche sich hin und her bewegte. Diese bestanden aus Holz und würden, den sie treffen würde, zu Boden werfen.
Ich versuchte durch das erste Pendel hindurch zu kommen und mein Oberkörper wurde vom Pendel erwischt. Mein Körper drehte sich ein paar Mal, bis ich zum stehen kam.
Kurz darauf stand ich wieder auf den Beinen und betrachtete meine frischen Kratzer an den Armen. Was war das nur für ein Ort? Ist das normal für einen Helden, Prinzen oder eine Prinzessin in einem Märchen?
Ich betrachtete die Pendel konzentriert. Diese schienen sich immer im selben Rhythmus zu bewegen. Mein Fuß wippte leicht mit dem Rhythmus der Maschinen und mir viel spontan das Lied „Fairy Tale“ dazu ein. Ich versuchte es ein zweites Mal. Jetzt tänzelte sich mein Körper leicht durch die Hindernisse hindurch und ein paar Minuten später stand ich vor der besagten Tür. Ich habe es fast geschafft. Aber... Die Tür geht nicht auf.
Neben der Tür waren zwei Hebel angebracht, die darüber jeweils einmal ein Schild mit einer Fee und einem Kleeblatt hatten.
"Piep. Welcher Schalter bringt dir Glück? Bitte nur einen Schalter betätigen und nicht schummeln. Danke", sagte die Computerstimme, um mich auf das Rätsel vorzubereiten.
Meine Hand ging in die Denkerposition, wie ich sie immer nannte, die ich seit dem Kindergarten gelernt hatte. Meinen Daumen legte ich auf meine Unterlippe.
„Feen können dir zwar Wünsche erfüllen, doch erfüllen sie nie dein Leben mit Glück." Das musste es sein. Es ging hier um das Glück und Kleeblätter stehen für das Glück. Die Fee erfüllt zwar Wünsche, die bringen mir allerdings kein Glück. Damit schaltet der Schalter aus.
Meine Hand betätigte den Schalter mit dem Blatt. Plötzlich hörte ich ein hohes Quietschen, denn die Tür öffnete sich und die Computerstimme erfüllte den Raum: Piep. „Ihr müsst nun im nächsten Raum die Brücke überwinden und danach den roten Knopf drücken. Dann habt ihr diesen Hinderniskurs bestanden. Ach übrigens, dieser Raum wurde für jedes Team extra angefertigt.“
Somit lief ich durch die Tür und blickte mich um. Ich befand mich auf einem Felsvorsprung, der von weiteren Steinen umgeben war. Unter mir war wieder das Plätschern von Wasser zu hören und die Luft war in diesem Raum ziemlich feucht und salzig. Auf der anderen Seite war eine Plattform, die eine kleine antike Säule mit einem roten Buzzer beherbergte. Zwischen dieser Plattform und meinem neuen Standort befanden sich zwei Balken. Diese Balken waren jedoch ungefähr zwei Meter voneinander getrennt und daher war es nicht möglich, auf diesen zu stehen. Auch erschwerte die schräge Anordnung der Balken das Stehen darauf. Beide Balken schauten Richtung Mitte und waren in einem Winkel von 45 Grad montiert. Sollte eine Person versuchen, darauf zu stehen, würde sie in den Bach hineinfallen.
„Bist du das Sam?“, fragte mich eine bekannte männliche Stimme. Ich schaute in die Richtung und konnte das Gesicht von Charles erkennen. Er stand, so wie ich auf einem kleinen Vorsprung, bevor die Balken in die Höhe ragten.
„Ja, ich bin hier“, rief ich ihm zu.
Leider wurde uns die Sicht etwas erschwert, da ein Fels aus der Wand ragte und wie eine Trennwand uns ein wenig von dem Sichtfeld nahm. Mein Blick wanderte wieder zu den Balken. Wir müssen uns nun verständigen, denn ich habe keine Ahnung, wie wir beide auf die andere Seite gelangen sollen?
Ich nahm meine Hände neben den Mund, um meine Rufe zu verstärken: „Wie sollen wir da nur auf die andere Seite kommen?“
„Weißt du noch, was du heute Morgen gesagt hast?“, fragte mich Charles, der auf meine Frage keine Antwort gab.
„Ich wollte dir etwas zurückgeben. Doch die Gelegenheit hatte sich noch nicht ergeben“, sprach ich. Neugierde lag in meiner Stimme. Ungeduldig wippte ich leicht auf der Stelle hin und her.
„Bevor ich dir jetzt meinen Plan verrate, muss ich dir vorher noch eine Frage stellen. Vertraust du mir?“
Mein Herz bleib vor Schreck stehen und ich nahm einen scharfen Atemzug.
Was soll diese Frage? Natürlich vertraue ich ihm. Er ist schließlich mein Rettungsanker an diesem Ort, oder ist Charles sich da etwa nicht so sicher? Was ist, wenn er mir nicht vertraut?
Ich schüttelte mich ein wenig wie ein nasser Hund und versuchte somit meine negativen Gedanken zu vertreiben. Kurz darauf antwortete ich ihm mit klarer und sicherer Stimme: „Ja, ich vertraue dir. Du bist schließlich mein Rettungsanker, der mich schon ein paar Mal gerettet hat.“
Kurz darauf war kein Ton von Charles zu hören. Nur ein paar Wassertropfen schienen unregelmäßig von der Decke zu tropfen und gaben ein platschen, wenn sie ins Wasser fielen.
Was ist da nur los bei ihm? Ich muss näher an den Felsen, um etwas hören zu können. Hörte ich da etwa ein schweres Atmen?
„Charles ist alles in Ordnung bei dir?“
Das schwere Atmen schien langsam aufzuhören. Ein einfaches Ja beantwortete meine Frage.
„Was ist nun dein Plan?“, fragte ich ihn neutral, um ihm nicht eventuell in den Rücken zu fallen, doch gleichzeitig war ich auch überrascht und neugierig.
„Wir werden nun gemeinsam diese Brücke überqueren. Dafür müssen wir uns mit unseren Handflächen gegenseitig abstützen. Unsere Beine werden fest auf den jeweiligen Balken stehen und wir werden uns dann seitwärts bewegen, um zum Ende zu gelangen“, beschrieb Charles mir seinen Plan.
„Dann las uns keine Zeit verlieren. Wir wollen doch schließlich noch eine Pause vor uns, sprach ich in der Hoffnung, ihm Mut zu sprechen.
So machten wir uns auf den Weg und ich tat vorsichtig ein Bein auf den Balken.
„Bevor du dein anderes Bein von der Plattform abhebst, müssen wir uns sicher sein, dass sich unsere Hände berühren.“
Ich streckte meine rechte Hand aus, genauso wie Charles es mit seiner linken Hand tat. Wir trafen uns in der Mitte der Balken und die Hände hielten sich nun gegenseitig fest, indem sich die Finger ineinander umschlossen.
„Jetzt nimm dein anderes Bein von dem Felsen. Wir müssen gleich unser Gleichgewicht in der Luft halten“, sprach er weiter.
Wir schafften es, auf der Plattform zu stehen. Unsere Handflächen berührten sich, ansonsten würden wir beide in die Tiefe stürzen.
Ich nahm nun die andere Hand nach oben und auch dort berührten sich beide Handflächen. Finger glitten langsam ineinander und verhakten sich. Somit standen wir von Angesicht zu Angesicht. Was ist mit seinen Augen? Sie schimmern leicht vor Feuchtigkeit, so wie der Meeresspiegel auf dem Ozean.
„Stehst du sicher?“, wollte er sich vergewissern. Ich schaute ihm in die Augen, bevor ich ihm antwortet: „Ja. Lass uns nun auf den Weg machen. Gemeinsam - als Team.“
So machten wir uns auf den Weg. Über die letzten Hindernisse zum roten Buzzer.