Liebe ist wie kochen. Ohne etwas Zucker oder Salz schmeckt dir das Ganze am Ende nicht.
-Mutter von Sam-
Ich war am Abend wieder auf meinem Zimmer mit der Nummer 205. Zurzeit saß ich am Tisch und betrachtete mir ein Buch, welches über das Kochen ging. Ich lese gerade die Kunst des Brotbackens.
Zuerst musste man das Mehl zusammen mit einer Prise Salz in eine Schüssel hineingeben und vermengen.
Danach wurde Hefe und Zucker benötigt, die mit Wasser in einer separaten Tasse verrührt werden. Eine kleine Mulde wurde mittig in den Mehl Berg gegraben.
Mein Blick ging von den Seiten weg und schweifte in die Höhe. Dieses Buch ließ mich in Gedanken versinken.
Meine Mutter und ich haben früher immer zusammen gekocht, nachdem wir in die Stadt Köln umgezogen sind. Ich durfte damals immer nur einfache Tätigkeiten durchführen wie z.B. Gemüse waschen oder schneiden. Aber es machte mir Spaß. Einmal fragte ich sie: „Was ist für dich Liebe?“
Ich musste nämlich ein Muttertags Geschenk für sie basteln über das Thema Liebe. Meine Mutter setzte mich damals auf die Küchenblock und sprach: „Liebe ist wie kochen. Ohne etwas Zucker oder Salz schmeckt dir das Ganze am Ende nicht.“ Danach hatte ich ihr ein Herz aus Zucker und Salz gebastelt, welches auf rotem Papier geklebt war.
Ich legte das Buch zur Seite, da ich Mal musste. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Weg zum stillen Örtchen. Nachdem ich alles erledigt hatte, öffnete ich die Tür wieder und blieb stehen. Ein Junge mit schwarzen Haar, saß mit dem Rücken zu mir gerichtet auf einem Stuhl saß.
Er trug einen Anzug, der ihm ein klein wenig zu groß war. Auch war er größer und älter als ich. Ich schätzte sein Alter auf 16 Jahre.
„Wer bist du und was machst du hier?“, fragte ich ihn mit großen fragenden Augen. Er drehte sich um und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Ich verstand was er meinte und blieb ruhig behielt aber meinen fragenden Blick bei. Von draußen waren Schritte zu hören.
„Wo ist er hin? Er kann nicht weit sein“, sagte eine tiefe männliche Stimme.
„Lass uns weiter rennen. Er wird wohl nicht in den Zimmern der Märchenfiguren sein.“
„Dann lass uns keine Zeit verlieren. Auf geht es.“ Ja, bitte verschwinde einfach. Die Stimmen wurden immer leiser bis sie schließlich nicht mehr zu hören waren.
„Entschuldige, dass ich bei dir einfach so hereinplatze. Eigentlich hatte ich gedacht, dass hier das Zimmer von Red ist, da ich ihr wichtige Informationen überreichen wollte“, erklärte er sein plötzliches Erscheinen und strich ein wenig über die Blätter, die er in den Händen hielt.
Das Aussehen, die Stimme. Das ist alles so vertraulich. Den Jungen habe ich doch schon einmal gesehen. Aber klar.
„Moment einmal bist du nicht der Junge, der in der Sporthalle das Tier zerlegt hat und du warst zusammen mit Rotkäppchen auf den Laufbändern, aber wer ist denn jetzt Red?“, redete ich ununterbrochen auf ihn ein bis ich kurz Luft holte, antwortete er mir schließlich: „Ich werde dir alles erklären. Ja, da hast du Recht, denn ich bin der Junge, der das Tier zerlegt hat, auch war ich mit Rotkäppchen, die ich auch manchmal Red nenne, auf den Laufbändern“, erklärte er mit ruhiger Stimme. Er reichte mir die Hand und sprach: „Wie unhöflich von mir. Ich bin übrigens San.“
„Und ich bin Sam und was sind das für Blätter, die du in deinen Händen hältst?“
„Das sind wichtige Dokumente, die ich gefunden habe und ein wenig Informationen über die Kandidaten beinhalten. Ich wollte sie eigentlich Red zeigen.“
Bei den Worten Kandidaten wurde ich hellhörig und fragte ihn: „Kannst du sie mir zeigen? Eventuell finden sich da auch Informationen über mich wieder?“
„Wie heißt den dein Märchen?“
„Hänsel und Gretel“
„Ah, hier ist ein Absatz über dich. Für die Rolle Gretel haben wir Sam M. ausgesucht. Sie hat gute sportliche Fähigkeiten, neugierig, zurückhaltend, mag die Natur und ist manchmal hinter... der Rest ist aus geschwärzt. Moment hier ist noch eine sichtbare Zeile: Hier sind wir uns nicht sicher, da noch Nachforschungen angestellt werden müssen, aber eventuell braucht die Familie Geld, da sie Schulden haben. Mehr kann ich nicht lesen.“
Schulden? Meine Eltern haben mit mir nie darüber gesprochen?
„Ich denke, ich werde dich dann einmal alleine lassen so wie du schaust. Ich muss schließlich wieder zurück, ansonsten fällt mein verschwinden auf. Aber ja, anscheinend hat jeder so seine Gründe warum er hier ist.“
Mit diesen Worten schritt der Gast zur Tür. Als er die Tür zum Flur öffnete, schaute er noch einmal in meine Richtung. Er legte seinen Zeige- und Mittelfinger an seine Schläfe. Kurz darauf führte er die Hand leicht nach vorne.
Auch ich hob meine Hand zum Abschied und fing kurz darauf an zu gähnen.
„Ich sollte wohl ins Bett gehen“, sprach ich zu mir selbst und machte mich fertig.
*
Am nächsten Morgen schienen mir die Sonnenstrahlen, durch das kleine Fenster im Raum, ins Gesicht. Die Sonnenstrahlen wärmten mich, doch ich drehte mich um. Ich versuchte noch ein paar Minuten zu schlafen und meine Gedanken ein wenig zu ordnen.
Heute ist der letzte Tag, bevor wir ins Märchendorf gelassen werden. Ich habe immer noch keine Ahnung, was mich dort erwarten wird, doch dafür hatte ich Charles. Er wird den Anfang der Geschichte mit mir zusammen meistern. Danach müssen wir schauen, wie es weiter geht.
Nach ein paar Minuten krappelte ich dann doch aus dem Strohbett. Ich streckte mich herzlich und lief ins Bad. Zuerst wusch ich mich, wie den vorherige Morgen. Das kühle Wasser hatte eine belebende Wirkung auf mich. Meine Augen blickten in den Spiegel. Ich habe mich wirklich verändert, so als ob ich ein anderer Mensch bin. Vielleicht habe ich auch ein wenig von Gretel angenommen wie in diesen Papieren stand und die Sache mit den Schulden ist mir auch nicht ganz geheuer.
Nachdem ich alles im Badezimmer erledigt hatte, ging ich wieder zurück ins Zimmer und bereitete mich auf den Tag vor. Ich zog mich an und räumte die Bücher wieder weg.
Kurze Zeit später öffnete sich die Tür. Es war Hera, die im Türrahmen stand.
„Morgen. Bist du bereit für den letzten Tag des Trainings?“, fragte sie mich mit einem leichten, aufgesetzten Lächeln.
„Lass uns erst einmal Frühstücken gehen“, gab ich nur zur Antwort.
„Zuerst gehen wir noch zu Hänsel“, erklärte Hera.
Wenig später gingen wir vor die Nummer 198. Hera klopfte an die Tür und öffnete sie dann kurz darauf. Ich konnte Charles entdecken, der sich schon fertig auf die Bettkante gesetzt hatte um zu warten.
„Guten Morgen. Wir werden jetzt zum Frühstück gehen“, sprach Hera.
Ich konnte einen kleinen Blick in das Zimmer erhaschen. Sein Zimmer war auch sehr bäuerlich gehalten. An der Wand des Zimmers wurden an manchen Stellen kleine Steine eingelassen. Der Boden, sowie die Möbel bestanden aus dunklem Holz. Auch ein kleines Fenster war in das Zimmer eingelassen worden.
Nachdem wir uns auch begrüßt hatten, gingen wir alle drei zum Frühstück. Auch an diesem Tage hatte sich eine Schlange vor dem Buffet gebildet. Ich hatte Aurora in der Schlange entdeckt. Sie unterhielt sich gerade mit Vincent, der direkt neben ihr stand. Kurz darauf musste sie anfangen zu kichern, doch ich war zu weit weg, um etwas zu hören oder von dem Gespräch etwas mitzubekommen.
„Ihr dürft euch heute alles nehmen, auf das ihr Lust habt“, erklärte Hera freundlich. Meine Augen strahlten vor Freude. „Wirklich?“, fragte ich nochmal nach, da ich es nicht glauben konnte.
„Ja, ihr dürft euch heute am letzten Tag nochmal alles aussuchen“, erklärte sie.
Nach wenigen Minuten kamen wir endlich an die ersten Speisen. Es gab Rührei, Schwarzbrot, Würstchen, Käse, Eierkuchen. Ich nahm mir einen Teller, sowie Besteck und stibitzte mir etwas von dem Eierkuchen, der wie ein goldbrauner, flacher Kuchen aussah und so den Teller bedeckte. Die Wärme hinterließ am Rand der Tellers eine leichte Spur von Tautropfen. Ach, wie ich dieses Essen Liebe. Neben dieser Ausgabe gab es auch Marmelade und Honig.
Ich nahm mir etwas rote, fruchtige Marmelade in eine separate Schüssel, welche aus Glas bestand und stellte sie auf das eigene Tablett.
Auch nahm ich mir eine Schüssel mit Natur Quark und mischte ein paar Früchte hinzu.
Wenig später kamen wir an die Abteilung für die Süßspeisen. Auch ein kleines Stück Schokoladenkuchen befand sich nun auf meinem Teller.
Plötzlich wurde der Trubel im Speisesaal durch ein lautes Scheppern gestört. Der Saal wurde ruhig und alle schauten aus der die vermeintliche Geräuschquelle kam. Auch ich drehte mich in die Richtung und konnte die Szene beobachten.
„Wer lässt hier einfach seine Haare liegen?“, fragte ein am Boden liegendes Mädchen. Ihre weißen Haare waren zu einem weißen Zopf geflochten. Sie trug ein blaues Kleid.
„Entschuldigt bitte“, antwortete das Mädchen mit den langen blonden Haaren verängstigt. Sie zog an ihrem Haar um es aufzulesen. Die gesamte Haarpracht trug sie nun in ihren Händen und verteilte es neben ihrem Sitzplatz.
„Geh doch mal zum Friseur“, sprach das Mädchen mit den weißen Zopf leicht aufgebraust.
Das Mädchen war daraufhin noch mehr verängstigt. „Ich lass mir doch immer nur die Spitzen schneiden“, konnte das Mädchen nur hervorbringen.
Ein weites Mädchen mit langem rotblondem Haar und geflochtenen Zöpfen kam angerannt. Sie schien den Optimismus nur so auszustrahlen.
„Entschuldigt meine Schwester. Sie kann manchmal echt eiskalt sein.“ Danach half sie ihrer Schwester sich den Dreck von dem Kleid wegzuwischen.
„Wir besorgen dir erst einmal einen frischen Kakao und ein feuchtes Tuch um den Dreck aus dem Kleid auszuwaschen.“ Danach schob sie das Mädchen mit den weißen Haaren in Richtung Theke. Langsam beruhigte sich der Saal wieder und es ging seiner gewohnten Wege.
Ich, Charles und Hera gingen zu dem Mädchen mit den langen Haaren, die einsam am Platz saß.
„Dürfen wir uns dazu setzten?“, fragte ich sie. Rapunzel nickte traurig mit dem Kopf. Als wir am Tisch saßen, betrachtete ich mit einem Blick ihr Essen. Sie stocherte in einer Schüssel mit Feldsalat herum. Hera hatte sich in der Zwischenzeit ihr Müsli auf den Tisch gestellt. Als sie den ersten Löffel gegessen hatte, holte sie aus ihrer Hosentasche einen kleinen Notizblock heraus. Aus der Halterung nahm sie dann den Kugelschreiber heraus und notierte sich etwas. Ihr Blick ging dabei immer wieder über den Tisch. Ich beachtete sie nicht mehr und fing mit meinem Essen an.
Nach ein paar bissen, fragte ich Rapunzel, ob alles in Ordnung sei. Sie hob leicht ihren Blick und senkte ihn kurz darauf wieder.
„Ja, es ist alles gut“, gab sie nur zur Antwort.
Als alle gegessen hatten, nahm Rapunzel ihre Haarpracht und verließ den Raum. Der Rest der Haare, die nicht in ihren Händen lagen, schleifte einfach auf dem Boden.
„Ich habe alles aufgeschrieben und geplant. Der letzte Tag kann mit dem Training beginnen. Seid bitte heute noch konzentriert, denn ich habe noch ein paar Übungen vorbereitet, die euch helfen werden“, erklärte Hera, während sie mit dem Stift etwas in der Luft spielt.
„Alles klar, Hera“, bestätigte Charles die Aussage unserer Trainerin.
Wir machten uns auf den Weg zu den Umkleiden. Heute war der letzte Tag vor dem Märchendorf und Hera hatte uns neue Übungen gegeben. Das würde heute noch ein anstrengender Tag werden. Ich atmete noch einmal tief ein, bevor ich die Umkleide betrat.