Was zuletzt geschah:
Marco und Erik genießen ihren Urlaub in Venedig. Während es so scheint, als könnte Erik tatsächlich den Alltagsstress hinter sich lassen, scheitert Marco daran, ganz im Moment aufzugehen. Zu sehr beschäftigen ihn die Gedanken über das Danach. Verkraftet ihre Beziehung die Entfernung zwischen Stuttgart und Berlin? Und weshalb fällt es ihm so schwer, den Sprung zu wagen und Erik in die neue Stadt zu folgen?
Kapitel 11
Nach ihrem gemeinsamen Urlaub ging alles viel zu schnell. Der von Erik beauftragte Makler fand eine Wohnung und Erik eine Umzugsfirma, die kurzfristig Termine anbot. Nun galt es, sämtliche Habseligkeiten bis zum Stichtag in Kisten zu verpacken. Selbstverständlich unterstützte Marco Erik dabei, egal, wie wenig Lust er in Wahrheit verspürte.
„Was ist mit den ganzen, äh, Comics?“
„Manga“, verbesserte Erik, ohne sich umzudrehen, weshalb er Marcos Augenrollen übersah.
„Nerd.“
„Das habe ich gehört.“
Ups. „Willst du sie mitnehmen, oder hierlassen?“
„Halb, halb. Aisha und Philipp kommen nächsten Freitag vorbei und gucken durch, ob sie welche haben wollen. Den Rest nehme ich mit.“
„Dann lasse ich sie erstmal im Regal.“ Gähnend streckte sich Marco, bis seine Gelenke knackten. „Porco dio, wer hätte gedacht, dass so viel Kram in eine so kleine Wohnung passt.“
„Du hast den Keller noch nicht gesehen.“
„Oh gut, jetzt bin ich gleich viel motivierter.“
Erik faltete das letzte vor ihm liegende Hemd, verstaute es in dem dafür vorgesehen Karton und stand auf. Mit wenigen Schritten überwand er die Distanz zwischen ihnen, um Marco einen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Habe ich mich schon für deine Hilfe bedankt?“
„Sì.“ Mit einer um seinen Finger gewickelten Haarsträhne, zog Marco Erik näher zu sich. „Aber tu’s ruhig nochmal.“
„Danke.“ Ein federleichter Kuss traf Marcos Stirn. „Danke.“ Marcos Wangen. „Danke.“ Marcos Nasenspitze. „Danke.“ Marcos Kinn. „Danke.“ Marcos Mund. „Ich liebe dich.“
„Ti amo anch'io.“ Was ihren nahenden Abschied nicht leichter machte. „Kümmern wir uns um den Keller.“
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„Porco dio, Erik, wieso quillt dein Keller so über? Du hast nicht einmal zwei Jahre hier gewohnt!“
„Das wenigste sind meine Sachen. Oder schon, aber eben nichts, das ich gekauft habe.“
Erbstücke. Erik musste das Wort nicht aussprechen, damit Marco realisierte, dass er mit Anlauf in ein Fettnäpfchen gesprungen war. Nicht zum ersten Mal und dennoch wusste er nie, wie er sich in so einem Fall verhalten sollte. Vermutlich wäre eine Entschuldigung angebracht, andererseits sprach Erik ungern über seine Eltern, was betretenes Schweigen vielleicht zur besseren Alternative machte.
Erik schien das ähnlich zu sehen und ging nicht näher auf das Thema ein. „Du kannst die Kisten rechts von dir übernehmen, die sollten alle einigermaßen ordentlich beschriftet sein. Guck einfach nochmal durch, ob auch wirklich das drin ist, was draufsteht.“ Er reichte Marco einen schwarzen Edding. „Und falls nicht, weißt du, was zu tun ist.“
Die meisten Kartons zu Marcos Rechten standen aufgereiht in einem deckenhohen Steckregal, einige größere stapelten sich davor. Geschwungene Buchstaben, die nichts mit Eriks Geschmiere gemein hatten – dieses Ärzte-Klischee erfüllte er bereits meisterhaft – gaben vage Hinweise auf den Inhalt.
‚Sach- und Lehrbücher‘, ‚Schallplatten/CDs/Magazine‘, ‚Bücher (Literatur)‘. Mehr Bücher. Noch mehr Bücher. Nun ja, von irgendjemandem musste Erik diese Obsession geerbt haben. ‚Filme‘.
Neugierig öffnete Marco den Karton und fand neben alten Klassikern stapelweise Indieproduktionen, deren Titel ihm Null sagten. Hauptsächlich, weil keine der drei Sprachen, die er beherrschte, das kyrillische Alphabet nutzte. Er fragte sich, ob Eriks Eltern dieses Hobby miteinander geteilt hatten, oder lediglich einer der beiden dieser Leidenschaft nachgegangen war und der andere Partner sie, so wie Marco, stillschweigend ertragen hatte.
Stetig eindringlicher werdendes Rascheln aus Eriks Richtung ließ Marco über seine Schulter spähen. Erik kniete in einer Ecke des Kellers, offene Kartons zu beiden Seiten und durchwühlte einen weiteren direkt vor ihm. Marco glaubte, ihn fluchen zu hören.
„Suchst du was?“
Erik stoppte abrupt und atmete durch. „Ah, du hast nicht zufällig eine Schmuckschatulle gesehen? Ungefähr fünf mal fünf Zentimeter, mit blauem Samt überzogen?“
„Nah. Soll ich suchen helfen?“
„Schon gut. Ist nicht so wichtig.“
Marco verkniff sich den Hinweis, dass die erzwungene Gelassenheit, mit der Erik seine Suche fortsetzte, auf das glatte Gegenteil hindeutete und konzentrierte sich stattdessen auf seine eigenen Kartons. Möglicherweise versteckte sich die Schmuckschatulle ja zwischen alten Schallplatten.
Tat sie nicht. Sie versteckte sich zwischen den Filmen.
Den Mund geöffnet, um Erik Bescheid zu geben, erlag Marco seiner Neugierde und spickte in das samtüberzogene Kästchen. Darin befanden sich ein Set weißgoldener Ohrstecker, ein zu ihnen passender Verlobungsring mit funkelndem Diamanten und zwei schlichte Eheringe. Beide hatten die gleichen Daten eingraviert. 18.09.1987 und 19.01.1990. Bei letzterem handelte es sich um Eriks Geburtstag und Marco vermutete, dass er zusätzlich soeben den Hochzeitstag von dessen Eltern erfahren hatte.
„Suchst du die hier?“
„Wo hast du sie gefunden?“ Erik riss Marco die Schmuckschatulle aus den Händen und presste sie gegen seine Brust, als fürchtete er, sie andernfalls erneut zu verlieren.
„Zwischen den Filmen hier.“
„Sie muss reingerutscht sein, als ich neulich nach Casablanca gesucht habe“, sagte Erik langsam. „Anders kann ich mir das nicht erklären.“
„Jetzt haben wir sie ja wiedergefunden. Also alles gut, hm?“
Erik murmelte vage Zustimmung und wandte sich ab, um die Schmuckschatulle behutsam in einem dick mit ‚BEHALTEN‘ beschrifteten Karton zu verstauen. Danach arbeitete er still weiter, gab einsilbige Antworten auf Marcos Rückfragen und wirkte alles andere als zugänglich.
Nach einer guten Stunde streckte sich Marco seufzend. „Ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich brauche dringend einen Schluck zu trinken. Und pinkeln muss ich auch mal. Kurze Pause?“
Erik reagierte nicht sofort. Schließlich stand er auf, den Rücken zu Marco gewandt, und sagte: „Lass uns für heute Schluss machen.“
Tatsächlich hatte Marco absolut nichts dagegen, den finsteren Keller gegen Sonnenlicht einzutauschen, schon allein, weil das hoffentlich Eriks Laune hob. So in seine eigenen Gedanken zurückgezogen, hatte Marco ihn seit Beginn ihres Urlaubs nicht mehr erlebt.
„Marco?“
Aufgeschreckt von Eriks dünner Stimme, trat Marco einen Schritt auf seinen Freund zu. „Was ist los?“
„Würdest du mich auf den Friedhof begleiten? Zu meinen Eltern, meine ich. Also … zu ihrem Grab. Ich … Ich denke, ich würde gerne hingehen, bevor ich nach Berlin ziehe und es würde mir helfen, dabei nicht allein zu sein.“
Es gab nur eine Antwort, die Marco auf diese Frage geben konnte. „Natürlich begleite ich dich.“ Er zog Erik in seine Arme. „Sag mir wann, und ich bin da.“
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Dankbar nahm Marco den Kaffee entgegen, den Erik ihm reichte. Dieser führte seine Teetasse zum Mund, stellte sie jedoch zurück auf den Küchentresen, bevor er einen Schluck daraus getrunken hatte. „Ich, ah, habe etwas vorbereitet. Eine Überraschung, sozusagen.“
Marco hob die Brauen. „So?“
„Eigentlich wollte ich damit warten, bis wir mit Packen fertig sind, aber erstens bezweifle ich, dass das heute der Fall sein wird und zweitens habe ich Angst zu kneifen, wenn ich noch viel länger warte.“
Damit war Marcos Neugierde geweckt. „Warum bringst du es dann nicht hinter dich und erzählst mir, was du ausgeheckt hast?“
„Ist wahrscheinlich einfacher, wenn ich es dir zeige.“ Flink duckte sich Erik an Marco vorbei und tänzelte – mit überraschend guter Beinarbeit für jemanden, der den Boxhandschuh nach wenigen Versuchen an den Nagel gehängt hatte – um ihn herum ins Schlafzimmer, wo er etwas aus dem Nachtkästchen fischte. Im nächsten Moment baumelten silberne Handschellen von seinen Fingern. „Was sagst du?“
„Nichts ohne meinen Anwalt.“
Das spitzbübische Lächeln, das Erik gleichzeitig älter und jünger aussehen ließ, erschien auf seinem Gesicht und vertrieb die letzten Reste der Melancholie, die ihn im Keller ergriffen hatte. „Keine Sorge, Herr Bianchi. Die hier“, die Fesseln klimperten in seiner Hand, „sind nicht für Sie gedacht.“
Marco schluckte, sein Mund dank einer Mischung aus Umzugsstaub und Nervosität ausgetrocknet. Ein anderer Teil seines Körpers zeigte sich weniger zurückhaltend und sandte ein Kribbeln von seinen Hoden, über die Wirbelsäule, bis in seine Finger- und Zehenspitzen.
„Kommst du zu mir?“ Erik neigte den Kopf. „Oder stehst du lieber weiter im Wohnzimmer rum?“
Es brauchte genau drei lange Schritte, um vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu gelangen und die Arme um Erik zu schlingen.
„Marco!“ Lachend stemmte Erik die Hände gegen dessen Brust, allerdings ohne echte Kraft aufzuwenden. Ihre Lippen fanden zueinander, ein sanfter Biss drängte Eriks forsche Zunge zurück und ein Murren drang aus seiner Kehle, das Tadel oder Erregung oder beides enthielt.
Marco zog ihn näher, presste ihre Körper aneinander, bis kein Haar mehr zwischen sie passte. Er wollte ihn; unter sich, gefesselt und wehrlos. „Bett“, knurrte er verlangend in Eriks Ohr. „Hände über den Kopf.“
Erik purzelte rücklings auf die Matratze und rutschte in die von Marco geforderte Position – Arme über den Kopf gestreckt, Handgelenke an den Bettpfosten. Als Marco jedoch versuchte, ihm die Handschellen abzunehmen, stoppte Erik ihn. „Eine Bedingung“, sagte er. „Keine Penetration. Nicht anal und nicht oral. In Ordnung?“
„Natürlich ist das in Ordnung.“ Dass Erik das überhaupt fragte, zeigte, wie nervös er sein musste.
„Und, ah, sollten wir ein Codewort ausmachen? Ein Safeword, meine ich?“
„Wozu? Das heißt, klaro können wir das, wenn du dich damit sicherer fühlst“, verbesserte sich Marco rasch, um Erik keinen falschen Eindruck zu vermitteln, „aber für den Anfang genügt doch ‚Stopp‘ oder? Also, ich weiß ja nicht, aber ich hatte eigentlich nicht vor, weiterzumachen, wenn du mir auch nur das kleinste Signal gibst, dass du keinen Spaß mehr daran hast.“
Erik antwortete, indem er Marco die Handschellen reichte.
Behutsam legte Marco sie ihm an, darauf bedacht, beim Schließen keine Haut einzuzwicken und sie nicht zu eng einzustellen. Anstatt je eine Hand an der äußersten Strebe des Kopfteils zu befestigen, wählte er die Mitte. „Hier.“ Er führte Eriks linken Zeigefinger zum Sicherheitshebel der rechten Handschelle. „Wenn du den runterdrückst, springen sie auf.“
„Ich weiß. Ich habe die Dinger gekauft.“
Marco ignorierte Eriks Kommentar. „Kommst du gut ran?“
„Mhm.“ Erik blickte an sich herunter. „Wahrscheinlich wäre es clever gewesen, mir das Oberteil auszuziehen, bevor du mich ans Bett kettest. Hey!“ Lachend wand er sich in seinen Fesseln, schaffte es jedoch nicht, das Shirt, das Marco ihm über den Kopf gestülpt hatte, abzuschütteln. Er zuckte zusammen, als Marco seinen nackten Bauch berührte.
„Plötzlich nicht mehr so vorlaut, was?“ Sanft ließ Marco seine Hand nach oben gleiten, strich über Eriks Brustwarzen und beobachtete den Schauer, der durch dessen Körper jagte.
„Marco …“ Eriks Stimme zitterte und Marco hielt inne.
„Zu viel? Soll ich aufhören?“
„Nein. Schau mal in mein Nachtschränkchen.“
Ohne den Blick von Erik zu lösen, richtete sich Marco auf und tastete nach dem kühlen Messingknauf. Im Inneren der Schublade befand sich das übliche Sammelsurium üblich chaotisch verstreut – Gleitgel, Kondome, eine Packung Taschentücher, ein eselohriges Buch. „Wonach genau suche ich?“
„Das erkennst du dann schon.“
„Es wäre einfacher, wenn du mir sagst–“
„Nein.“
Marco schnaubte. „Na schön. Obwohl ein kleiner Tipp schon ganz nett–Oh.“
„Gefunden?“
„Denke schon.“ Mit Daumen und Zeigefinger angelte Marco die Nippelklemmen aus der Schublade. Schwarz und elegant, mit einer schlichten Kette verbunden. Völlig anders als die billigen Dinger, die in seiner eigenen Wohnung verstaubten. Wann hatte Erik das alles gekauft?
„Mit den Rädchen oben kannst du die Stärke einstellen“, erklärte dieser. „Ich, ah, bin mir nicht sicher, wie viel ich aushalte.“
„Finden wir raus.“ Bevor Marco jedoch irgendetwas in diese Richtung unternahm, schlüpfte er aus seiner Arbeitshose und befreite Eriks Kopf aus der Umarmung von dessen T-Shirt. Graue Augen blinzelten ihm entgegen.
„Wie nett von dir, dass du mich wieder atmen lässt.“
„Psst, sonst suche ich einen Knebel.“ So gerne Erik recherchierte, die Bedeutung des Worts ‚devot‘ schien er dabei übersprungen zu haben. Marco sah großzügig darüber hinweg. Aktuell stellte er nur einen einzigen Anspruch an seinen Freund: Sich zu melden, sollte er sich unwohl fühlen. Wonach es bisher nicht aussah. Tatsächlich wirkte Erik entspannter als zu Beginn ihres Abenteuers.
Marco setzte seine kurzfristig unterbrochene Erkundungstour fort. Seine Finger spielten mit dem Pfad goldener Härchen, der zu Eriks Hosenbund führte. Am Knopf stoppten sie. „Soll ich weitermachen?“
„Bitte.“
„Davor fehlt noch eine Kleinigkeit.“ Marco ließ das kühle Metall der Nippelklemmen über Eriks Haut gleiten, beobachtete das schneller werdende Heben und Senken seiner Brust.
Prüfend drehte Marco an den Rädchen der Klemmen, reduzierte ihren Biss auf ein Minimum. Von Nahem betrachtet sahen sie durchaus fies aus; schwarz lackiertes Metall, mit flachen Rillen auf den Innenseiten, die die Reibung erhöhten. Den Blick fest auf Erik gerichtet, setzte Marco sie an dessen Brustwarzen an. Die Klemmen rutschten ab. Er hatte den sanften Einstieg wohl ein wenig zu sanft gewählt.
Erik lachte. „Ich glaube, das ist anders gedacht.“
„Was du nicht sagst.“ Nach einer entsprechenden Rekalibrierung ließ Marco die Klemmen erneut zuschnappen.
Zischend sog Erik Luft in seine Lungen.
„Zu fest?“
„Nein, geht.“
„Sicher?“
„Mhm.“
„Ganz sicher?“
„Marco!“
„Okay, okay. Dann …“ Marco spannte die Kette zwischen den beiden Klammern und befestigte die zweite an der dafür vorgesehenen Stelle. „Immer noch okay?“
„Immer noch okay.“ Röte breitete sich auf Eriks Brust aus und wanderte bis in die Spitzen seiner Ohren. Sein Atem ging flach und selbst unter der Jeans ließ sich seine Erregung nicht verbergen. Erbarmungsvoll befreite Marco ihn von dem Kleidungsstück und schluckte bei dem Anblick, der sich ihm bot.
Erik lag auf der Matratze, nackt, die Arme über den Kopf gestreckt, die Muskeln gespannt unter seiner vom Urlaub sonnengebräunten Haut, seine Erektion hart und feucht von Lusttropfen.
Porco dio, was Marco nicht alles mit ihm anstellen wollte. Sanft an der Kette zupfen, die die Nippelklemmen miteinander verband, zum Beispiel. Erik keuchte, sein Glied zuckte. Marco wiederholte das Spiel und entlockte damit ein langgezogenes Stöhnen. Er wusste, dass Eriks Brustwarzen zu den empfindlichsten Stellen seines Körpers zählten – geschickt eingesetzte Zähne und Zunge vollbrachten hier Wunder – und trotzdem hatte er nicht mit einer Reaktion wie dieser gerechnet.
Er zog fester, testete, wie weit er gehen durfte, bis Eriks Stimme brach, heiser und rau, seine Erektion unverändert hart. Das Bett knarzte unter Marcos Gewicht.
Mit halbgeschlossenen Augen beobachtete Erik seine Bewegungen, erhob keine Einsprüche, als Marco spielerisch mit der Hand über sein Glied strich.
„Gefällt dir das?“, fragte Marco.
„Mhm.“
Er beugte sich herunter, kostete Salz und Lust auf seiner Zungenspitze. „Und das?“
„Mhm.“
„Geht das auch lauter?“
„Mhm!“
„Und in ganzen Sätzen?“
„Marco! Nimm ihn endlich in den Mund!“ Mit etwas Verzögerung setzte Erik kleinlaut hinterher: „Bitte.“
Das müssen wir echt noch üben. Allerdings nicht heute. Heute genoss Marco schlicht das Verlangen, das Erik ihm zeigte. Er presste ihn tiefer in die Matratze und raubte ihm ein weiteres Stück Bewegungsfreiheit, während er mit einer Hand an der Kette zog, die die beiden an Eriks Brustwarzen befestigten Klammern verband.
Sofort schoss Eriks Atemfrequenz in die Höhe. „Marco …“
Marco reagierte nicht.
„Marco, ich …“
Marco zwirbelte die Kette zwischen seinen Fingern, saugte hart an Eriks Glied. Mal sehen, wie lange Erik brauchte, um einen vollständigen Satz zu formulieren.
„Darf ich kommen?“
Oha. Sogar eine Frage anstelle einer Ankündigung. Darauf gab es nur eine Antwort. „Nein.“ Amüsiert über Eriks verdutzte Miene, ließ Marco von seiner Erektion ab. Wie wehrlos er aussah …
„Marco! Bitte!“ Hysterisch kichernd zerrte Erik an seinen Fesseln, ohne jede Chance den Fingern zu entkommen, die ihn gnadenlos durchkitzelten. „Stopp!“
Marco stoppte.
Atemlos blickte Erik zu ihm auf, sein Lächeln nicht länger gequält. „Nicht diese Art von ‚Stopp‘.“
„Oh. Gut.“ Vielleicht hätten sie sich doch auf ein eindeutiges Safeword einigen sollen. Anstatt seine Kitzelfolter wiederaufzunehmen, kletterte Marco über Erik, ein Knie zu jeder Seite von dessen Brust, und befreite seine Erektion aus der Umarmung seiner Unterhose. Eriks zerzaustes Haar umrahmte sein Gesicht, betonte die Röte seiner Wangen und die verführerisch geöffneten Lippen. Nur der Ausdruck in seinen Augen passte nicht dazu.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Marco.
„Ah, du kannst auf mir kommen, sehr gerne sogar, aber bitte nicht ins Gesicht.“
„Okay.“ Marco rutschte tiefer, bis er über Eriks Oberschenkeln kniete. „So? Von hier aus müsste ich schon sehr weit schießen, um auch nur dein Kinn zu treffen.“
Eriks Lachen vertrieb die Anspannung aus seinen Augen. „So ist’s perfekt.“
Ein positiver Nebeneffekt des Stellungswechsels bestand darin, dass Marco problemlos die zwischen Eriks Brustwarzen gespannte Kette erreichte, was er prompt nutzte. Er ging weder zimperlich mit Erik noch mit sich selbst um, masturbierte hart und schnell. Unter ihm bog Erik den Rücken durch, zerrte an seinen Fesseln, wann immer die Nippelklemmen schmerzhaft zubissen. Seine Hüften ruckten nach oben, flehten um Aufmerksamkeit, die Marco ihm nicht gewährte. Er konzentrierte sich ganz auf seinen eigenen Höhepunkt, auf die sengende Hitze, die sich in seinem Inneren bildete. Bevor sie unerträglich wurde, explodierte sie aus ihm heraus, sprenkelte Eriks Brust mit weißen Flecken und ließ Marco kraftlos zurück. Schwer sank er nach vorne, badete in den sanften Wellen abebbender Erregung, die durch seinen Körper schwappte.
„Marcooo …“ Eriks langgezogenes Jammern riss diesen aus seiner schläfrigen Ruhe. Hart und bedürftig presste sich Erik gegen Marcos tastende Finger. „Komm schon.“
„Ich dachte, das wäre ich gerade.“
„Marco!“
Unwillig, Erik kampflos zu geben, wonach er verlangte, aber nach seinem Höhepunkt zu erschöpft, um das Spiel zwischen ihnen weiterzutreiben, befreite Marco Eriks linkes Handgelenk und setzte sich an die Bettkante. „Wenn du kommen willst, musst du selbst dafür sorgen.“
Erik erfüllte Marcos Bedingung ohne Zögern, stöhnte unter seiner eigenen Berührung. Nach einigen Sekunden hielt er allerdings inne. „Ah, die Klemmen. Würdest du–“
„Soll ich sie abmachen?“
„Nein. Würdest du, ah, damit spielen?“
Fasziniert beobachtete Marco Eriks Gesicht, als er die linke Klemme zwischen Daumen und Zeigefinger nahm. Eriks Atem stockte, seine Augen schlossen sich und begleitet von einem langgezogenen Ächzen, vermischte sich wenige Momente später sein Samen mit Marcos.
Marco beugte sich vor, öffnete die verbleibende Handschelle und löste die beiden Nippelklemmen von Eriks Brustwarzen.
„Ah, shit!“ Halb kichernd, halb wimmernd, rollte sich Erik zusammen, die Hände gegen seine Brust gepresst.
„Was ist los?“
„Kennst du das, wenn du nachts wach wirst, weil du blöd auf deinem Arm gelegen hast und er eingeschlafen ist?“
„Sì.“
„Und wenn du dich dann anders hinlegst, fließt das Blut zurück?“
„Sì.“
„Und du wünscht dir, du wärst einfach darauf liegengeblieben, bis der Arm abstirbt, weil das unmöglich noch unangenehmer sein kann?“
„Sì.“
„Das passiert gerade mit meinen Nippeln.“
Mitfühlend verzog Marco das Gesicht. „Scusa.“
„Wenn du mir ein paar Taschentücher reichst, ist alles vergeben und vergessen.“
Selten hatte Marco unkomplizierter Wiedergutmachung bei Erik leisten können.
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„Erik?“
„Hm?“
„Du bist so still …“
Erik drehte sich in Marcos Armen. Noch immer schimmerten die Spitzen seiner Ohren rötlich, ein Ton, der sich mit dem Babyblau seiner Bettbezüge biss. „Ich döse nur.“
Sorgfältig studierte Marco Eriks Mimik, suchte nach einem Hinweis darauf, dass dieser ihm nur die halbe Wahrheit erzählte.
Prompt erschien die schmale Furche zwischen Eriks Brauen. „Stimmt etwas nicht?“
„Nah, alles prima.“
„Aber?“
„War das okay so?“, platzte es aus Marco heraus. „Die Handschellen und alles?“
„Ah, ja. War es.“
„Das … klingt nur bedingt überzeugend.“
Anstatt Marco seine Ängste zu nehmen, schmiegte sich Erik erneut gegen seine Brust und schwieg.
„Erik …“
„Ich überlege, wie ich dir antworten soll. Gib mir ein paar Minuten.“
„Dass du überhaupt erst darüber nachdenken musst, ist kein besonders tolles Zeichen.“
Erik schnaubte. „Es war gut. Ich grüble nur, wie ich alles, was über ‚gut‘ hinausgeht, formuliere.“
„Fantastisch? Atemberaubend? Lebensverändernd?“
„Marco!“ Streng legte Erik ihm eine Hand auf den Mund. „Jetzt lass mich doch in Ruhe nachdenken!“
„Okay, okay“, nuschelte Marco. „Sorry.“
„Es war … anders als ich erwartet hatte“, gab Erik nach einer Weile zu. „Nicht schlecht, gar nicht, nur eben anders.“
„Hätte ich etwas besser machen müssen?“
„Nein, nein, so meine ich das nicht. Das hat gar nicht so viel mit dir zu tun. Es ist eher … Ich denke, ich bin an meinen eigenen Erwartungen gescheitert, verstehst du?“
„Nein.“
„Hm.“ In sich gekehrt blickte Erik zur Decke. „Ein Grund, warum ich die Idee mit den Handschellen so mochte, war, weil ich dachte, dass ich mich damit endlich richtig fallenlassen kann. Zur Abwechslung mal die Kontrolle abgeben und nicht ständig über jeden Schritt nachdenken. Aber … Das hat nicht so wirklich geklappt.“
„Es wäre okay gewesen, wenn du etwas gesagt hättest. Wir hätten abbrechen können. Ich will nicht, dass du dich unsicher fühlst.“
„Ich habe mich nicht unsicher gefühlt“, stellte Erik klar. „Keine Sekunde lang. Im Gegenteil, ich wusste immer, dass ich bei dir gut aufgehoben bin. Platt ausgedrückt: Es lag an mir, nicht an dir. Es war seltsam für mich, so wenig Kontrolle zu haben. Nicht, weil ich mich unwohl gefühlt habe, und es gab keinen Moment, an dem mir nicht gefallen hat, was du mit mir angestellt hast. Es ist nur … Obwohl ich keine Kontrolle hatte, konnte ich meinen Kopf nicht wirklich ausschalten. Das war nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte.“
Ernüchterung löschte die letzte post-koitale Glut in Marco. Im Grunde hatte er immer gewusst, wie Erik zu einem solchen Rollenspiel stehen würde. „Wir müssen das nicht wiederholen. Bringt ja nichts, wenn es dir nicht gefällt.“
„Wie oft soll ich denn noch sagen, dass es mir sehr wohl gefallen hat? Es fühlt sich ungewohnt an, das ist alles. Gib mir Zeit, mich mit den neuen Eindrücken und meinen eigenen Erwartungen zu arrangieren.“ Erik schnippte gegen Marcos Brustwarzen. „Ich mochte die Nippelklemmen.“
„Ja?“
„Mhm. Sehr. Die können wir gerne wieder hernehmen.“ Ein verlegenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Aber vielleicht nach einer kleinen, ah, Ruhepause. Eine oder zwei Wochen, oder so.“
„Dann also in Berlin.“
„Ah, ja, vermutlich. Schwer zu glauben, wie bald das schon ist.“
„Sì. Schwer zu glauben.“
Keiner der beiden sah dem anderen in die Augen.