Was zuletzt geschah:
Daniels Einladung zur WG-Party bringt Marco in Bedrängnis – jedenfalls bis sich herausstellt, dass die meisten Probleme nur in seinem Kopf existieren. Leider verläuft der Abend dennoch nicht ausschließlich friedlich und am Ende nimmt Marco einen unerwarteten, aber nicht unwillkommenen, Übernachtungsgast mit nach Hause. In einer ruhigen Minute sucht er zudem ein klärendes Gespräch mit Philipp und wird prompt als Umzugshelfer eingespannt.
Kapitel 35
Das Geräusch des sich im Schloss drehenden Schlüssels unterbrach Marco bei seiner Suche nach Lebensmitteln, die sein unerwarteter Hausgast für essbar hielt. „Ciao, Drago. Du kommst gerade rechtzeitig zum Essen.“ Marco blickte auf den leeren Herd vor sich. „Naja, rechtzeitig, um mir zu sagen, was du gerne essen würdest.“
„Du musst nicht für mich kochen.“
„Ich muss aber für mich selbst kochen, und da kann ich auch gleich eine Portion mehr draus machen. Außerdem koche ich gerne für andere.“ Tatsächlich vermisste Marco diese Gelegenheiten seit seiner Trennung von Erik schmerzlich. Seinem Freund ein selbstgekochtes Essen vor die Nase zu setzen, hatte oft zu den Highlights seines – und vermutlich auch Eriks – Tages gezählt, insbesondere, da Erik wenigstens in diesem Punkt immer unkompliziert gewesen war. Absolut nicht heikel, wenn man davon absah, dass er auf Fleisch verzichtete, und so, so dankbar dafür, nicht selbst am Herd stehen zu müssen.
Bei Drago sah die Sache ein wenig anders aus, doch Marco stellte sich gerne der Herausforderung, einem schwierigen Esser ein Gericht zu zaubern, das diesem schmeckte. „Also? Du folgst doch bestimmt einem Ernährungsplan für dein Training.“
„Aktuell nicht. Ich habe mein Training fürs Abschlusssemester ja reduziert. Solange es einigermaßen gesund und ausgewogen ausfällt, ist es für mich in Ordnung.“
„Okay, dann … Wünsche?“
Drago legte seinen Mantel ab und machte sich daran, seinen Laptop auf Marcos frisch freigeräumten Arbeitstisch aufzubauen. „Du weißt, was mir nicht schmeckt.“
„Sì. Ich weiß eine Menge darüber, was du nicht magst, und sehr wenig darüber, was du magst. Und während ich das so sage, wird mir klar, dass wir genau diese Unterhaltung schon einmal geführt haben. Nur ging es damals um Sex, aber ich schätze, das Prinzip bleibt dasselbe.“
Den Rücken zu Marco gewandt, beugte sich Drago unter den Tisch, vermutlich auf der Suche nach einer Steckdose für sein Netzkabel. „Ich mag es, mir keine Gedanken darüber machen zu müssen, was ich koche.“
„Das war jetzt erstaunlich wenig hilfreich.“
„Du hast gefragt.“
Innerlich seufzend gab Marco auf. „Wie lief dein Treffen mit Daniel? Habt ihr einen Weg gefunden, Patrick aus der Wohnung rauszubekommen?“
„Er hat Daniel gesagt, dass er freiwillig auszieht, aber ich halte es für einen Fehler, uns auf sein Wort zu verlassen.“
„Wenn Patrick nur ein bisschen gesunden Menschenverstand besitzt, schaut er, dass er so schnell wie möglich von euch wegkommt.“
Drago warf Marco einen Blick zu, der sein mangelndes Vertrauen in den gesunden Menschenverstand von Leuten wie Patrick verdeutlichte. „Wir werden ihm trotzdem offiziell kündigen.“
„Geht das denn?“
„Daniel ist Hauptmieter unserer Wohnung, Patrick und ich haben nur einen Untermietvertrag. Also ja. Ohne triftigen Grund liegt die Kündigungsfrist aber bei bis zu sechs Monaten.“
„Sechs Monate?“
„Sechs Monate“, bestätigte Drago grimmig. „Wir hoffen, dass wir ihn früher loswerden, aber wenn er sich querstellt, wird es schwierig. Ich kann kaum von meinem Onkel erwarten, mich ein halbes Jahr bei sich aufzunehmen.“
„Ich meine, ich hoffe für euch, dass es gar nicht so weit kommt, aber falls doch, dann steht dir meine Tür immer offen. Das gilt auch für einen längeren Zeitraum, selbst wenn es vielleicht etwas eng wird.“
Seinen Laptop erfolgreich am Strom angeschlossen, richtete sich Drago wieder auf und musterte Marco eingehend, der Ausdruck in seinen blassen Augen unmöglich zu deuten. „Ist das so?“
„Um mal einen deiner Sätze zu bemühen: Andernfalls würde ich es nicht anbieten.“
Drago öffnete den Mund, schloss ihn wieder, und wandte sich seinem Laptop zu. Kommunikation beherrschte er.
Nein, das war unfair. In der Regel kommunizierte Drago sehr klar. Er meinte, was er sagte, und verzichtete darauf, sein Gegenüber zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Nur seine Neigung, gelegentlich gar nichts zu sagen, erschwerte die Sache. Marcos Erfahrung nach erwartete Drago jedoch nicht, dass man diese Stille korrekt interpretierte. Er schwieg eher, weil Schweigen der Wahrheit näher kam, als alles, was er zu diesem Zeitpunkt hätte laut aussprechen können. Möglicherweise zerbrach sich Marco aber auch einfach unnötig den Kopf darüber.
Dann lieber zurück zu unkomplizierten Themen. „Ich hätte Hähnchenschenkel im Tiefkühlfach“, sagte er. „Gebacken mit Ofengemüse?“
Drago brummte zustimmend, weiterhin mit der Organisation seines Arbeitsplatzes beschäftigt. Zwischenzeitlich hatten sich ein Notizblock, ein Mäppchen mit unterschiedlichen Stiften, zwei Bücher und ein Grafiktablett zu seinem Laptop gesellt.
Jedenfalls nahm Marco an, dass es sich bei dem schicken, schwarzen Bildschirm um ein Grafiktablett handelte. Drago hatte es ihm nie gezeigt, allerdings ausreichend oft darüber gesprochen, um Marco klarzumachen, wie viel es ihm bedeutete. Ein Geschenk seines Onkels zum Abitur, das er sich andernfalls niemals hätte leisten können. Dass er es aus seiner Wohnung mitgenommen hatte, unterstrich seine Weigerung, zurückzukehren, solange sich Patrick dort aufhielt.
„Essen wird so eine Stunde dauern“, informierte Marco Drago, fluchte jedoch, als er die Tüte mit den Hähnchenschenkeln aus dem Tiefkühlfach kramte. „Ich fürchte, das könnte ein bisschen wenig für uns zwei werden. Dachte, da wären mehr drin. Naja,“ er klopfte sich auf den Bauch, „vermutlich sollte ich eh ein paar Kilo loswerden.“
„Ich würde schätzen, dass du ein für deine Größe gesundes Gewicht hast“, murmelte Drago, während er Laptop und Grafiktablett miteinander verkabelte. „Darüber hinaus finde ich dich körperlich sehr attraktiv.“
Marco starrte Drago an. Hatte da schlichte Höflichkeit aus ihm gesprochen? Nah, Drago war nicht der Typ, der log, um die Gefühle seines Gegenübers zu schonen. Was bedeutete, dass er das völlig ernst meinte. Und einfach so, verschwand die Unsicherheit, die Marco begleitete, seit er den Fehler begangen hatte, ihre Körper miteinander zu vergleichen.
Er bemerkte erst, dass sich Drago ihm zugewandt hatte, als dieser das Wort ergriff, die Stirn in Falten gelegt. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Nah. Nah, nur … Nah.“
Drago wirkte bedingt überzeugt, sah aber davon ab, nachzuhaken. Zum Glück, denn Marco gefiel nicht, was sein Herz gerade veranstaltete.
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Die Haut des Hähnchens nahm allmählich einen karamellbraunen Farbton an, und der würzige Duft nach Marinade und Gemüse erfüllte Marcos Nase. Ein paar Minuten noch, dann konnten sie essen.
Drago saß an seinem Laptop, hochkonzentriert in seine Arbeit versunken. Seit Marco das Hühnchen in den Backofen geschoben hatte, hatte er kein Wort mehr verloren. Möglicherweise zuckte Marco deshalb unter dem unerwarteten Klang seiner Stimme zusammen. „Würdest du einen Absatz für mich Korrekturlesen?“
„Äh, klaro. Du weißt aber schon, dass ich nicht mal Abi habe?“
„Ich vertraue deinen Deutschkenntnissen mehr als meinen.“ Drago deutete auf den Bildschirm. „Ich bin sicher, dass ich einen Fehler gemacht habe. Der Satz klingt falsch, aber ich komme nicht darauf, was das Problem ist.“
„Lass mal sehen.“ Marco beugte sich über Dragos Schulter und überflog die Zeilen, die dieser ihm markierte. Inhaltlich verstand er kein Wort, darum ging es jedoch zum Glück nicht. „Hmm … Ich glaube, hier müsste es diesem statt diesen heißen und das ‚hat‘ da würde ich eher hierhin verschieben.“ Er tippte an die entsprechende Stelle. „Und eventuell gehört da noch ein Komma rein? Bin nicht sicher, das war nie meine Stärke.“
Nachdem Drago Marcos Verbesserungsvorschläge eingebaut hatte, überflogen sie den Absatz gemeinsam. „Jetzt klingt es richtig“, sagte Drago schließlich. „Danke.“ Beim letzten Wort legte er den Kopf in den Nacken, um Marco anzusehen. Seine Schulter streifte Marcos auf der Rückenlehne platzierte Hand und Marco hätte nicht sagen können, wer von ihnen sich stärker in die Berührung lehnte.
Dagegen ließ sich sehr einfach feststellen, wer den Kontakt als erster brach: Drago. Er beugte sich erneut über seinen Laptop, um seine Arbeit fortzusetzen.
„Noch viel zu tun?“, fragte Marco.
„Nach meinem Zeitplan sollte ich schon weiter sein. Ich musste einen Teil überarbeiten, was länger gedauert hat als gehofft, und wegen der ganzen Sache gestern konnte ich heute auch erst später anfangen.“
„Schaffst du’s trotzdem?“
„Ja. Es ist meine Abschlussarbeit, deshalb läuft sie fast über das ganze Semester. Einen einzelnen Tag Rückstand kann ich im Moment leicht aufholen, insbesondere, wenn ich mich heute ranhalte.“
„Dann lasse ich dich in Ruhe weitermachen.“
Drago war bereits zu sehr in seine Arbeit vertieft, um eine Antwort zu geben, reagierte allerdings, sobald Marco die krossgebratenen Hähnchenschenkel aus dem Ofen holte.
„Es riecht gut.“
„Dann komm rüber und iss.“ Marco stellte zwei angerichtete Teller auf die Küchentheke und legte Besteck bereit. Sein eigener Magen dankte es ihm ebenfalls, endlich mehr als drei Espressi verdauen zu dürfen.
Sie sprachen nicht viel während des Essens, aber das Schweigen fühlte sich angenehm an. Marco genoss diese Freundschaft, die bei Bedarf die richtigen Worte fand, oft jedoch auch ohne funktionierte. Nicht, weil er sich ungerne unterhielt, sondern weil sich das Band zwischen ihnen durch die geteilte Stille umso stärker anfühlte.
„Du hast mich vorhin gefragt, was ich gerne esse“, sagte Drago, nachdem er die letzten grünen Bohnen von seinem Teller in seinen Mund befördert hatte.
„Idealerweise hätte ich die Antwort darauf vor einer Stunde gebraucht, aber nur zu, verrat es mir.“
„Es ist sehr klischeehaft.“ Ein schmales Lächeln erschien auf Dragos Lippen, gepaart mit roten Flecken auf seinen Wangen. „Das Essen meiner Mutter.“
„Das ist klischeehaft. Aber für manche Klischees gibt es gute Gründe.“ Marco vermisste das Essen seiner Mamma ebenfalls schrecklich. Weniger den Geschmack – er beherrschte die meisten ihrer Rezepte seit Jahren im Schlaf – sondern eher das Gefühl, das er damit verband: Ein Kind sein; sicher, umsorgt und geliebt. Dem am nächsten kamen die selten gewordenen Abende, an denen seine Schwester Giulia ihn bekochte, und auch die würde er verlieren, sobald sie mit ihrer Familie nach Italien zog. „Hast du Rezepte von deiner Mutter?“
„Nein.“
„Schade. Sonst hätte ich mal versucht, ob ich was ähnliches auf den Tisch bringen kann. Wäre natürlich nicht dasselbe, schon allein, weil man in Deutschland vermutlich nicht die identischen Zutaten bekommt, aber vielleicht trotzdem einen Versuch wert.“
Da lag wieder dieser Ausdruck in Dragos Augen, den Marco nicht deuten konnte. Derselbe wie damals, als er ihm die Windmühle vom Flohmarkt mitgebracht hatte. Überraschung? Möglich, aber ganz passte es nicht. „Ich könnte sie danach fragen, wenn wir das nächste Mal telefonieren.“
„Mach das.“ Marco nahm Drago die Teller ab, die dieser eben zur Spüle hatte tragen wollen. „Nah, überlass das mir. Sieh lieber zu, dass du mit deinem Projekt weiterkommst.“
„So viel Zeit habe ich.“
Dass Marco es vermisste, für jemand anderen zu kochen, wusste er. Dass ihm auch der gemeinsame Abwasch fehlte, realisierte er erst, als er Drago das Geschirr zum Trocknen reichte.
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Still fluchend schlug Marco die Bettdecke zurück. Ein Poltern auf der anderen Seite des Vorhangs, der sein Bett vom Rest des Raums abschirmte, hatte ihn geweckt. Dort wurde nun ebenfalls geflucht, allerdings lauter und auf Serbisch. Die Zeiger von Marcos Wecker standen auf kurz nach eins. Arbeitete Drago etwa noch immer?
Entweder das, oder er schlafwandelte. Marco schob den Vorhang beiseite. „Alles okay?“
Drago kniete auf dem Boden, einen leeren Stifthalter in der Hand, offensichtlich darum bemüht, die zugehörigen Stifte aufzusammeln, die sich kreuz und quer vor ihm verteilten. Bei Marcos Ansprache blickte er schuldbewusst auf. „Ich wollte dich nicht wecken.“
„Ich werd’s überleben. Aber es ist echt spät. Kannst du dich überhaupt noch konzentrieren?“ Es gab sicherlich Nachteulen, die das problemlos auf die Reihe bekamen – Erik zum Beispiel – doch Marco verwettete seinen Hintern, dass Drago nicht zu dieser Gruppe zählte, zumal er wusste, wie früh dieser heute aufgestanden war.
Drago schien das ähnlich zu sehen. „Kaum“, gab er zu. „Ich bin nur zu gestresst zum Schlafen.“
Das sah man ihm an. Seine Haut wirkte fahl, seine Augen gerötet und die feinen Fältchen um Mund- und Augenwinkel stachen deutlich hervor. Der Mann gehörte definitiv ins Bett. Was Marco auf eine Idee brachte.
Er winkte Drago zu sich. „Komm her.“ Als Drago Anstalten machte, zuvor die verbleibenden Stifte aufzusammeln, wiederholte er streng. „Komm her.“
Nun hatte er den richtigen Ton getroffen. Dragos Lippen öffneten sich einen Spalt. Wie in Trance krabbelte er auf Marco zu, bis er vor dessen Füßen kniete.
Zärtlich fuhr ihm Marco durchs Haar, genoss das Kitzeln seidiger Strähnen an seinen Fingerspitzen. „So ist’s gut.“ Er verstärkte seinen Griff, zwang Drago nach vorne, halb übers Bett, den Oberkörper auf die Matratze gedrückt. Mit einer Hand hielt er ihn unten, mit der anderen fummelte er seine Hose auf.
„Was soll das?“ Drago wand sich wie eine empörte Schlange. „Marco, dafür habe ich gerade überhaupt keinen Kopf. Es ist spät und ich bin müde.“
„Bis eben wolltest du noch arbeiten.“
Drago versuchte, sich aufzurichten, doch Marco ließ ihn nicht. Bis vor Kurzem hätte ihn solcher Widerstand abgeschreckt und auch jetzt achtete er genau auf Dragos Körpersprache, die Ohren nach einem möglichen Safeword gespitzt. Allerdings hatten ihm die Ereignisse am Vortag vor Augen geführt, wie es sich anfühlte, wenn sich Drago ernsthaft zur Wehr setzte. Niemals könnte Marco ihn in diesem Fall so halten wie er es gerade tat. Mit Dragos Stimme im Kopf, die ihm erzählte, wie sehr er es gelegentlich genoss, von seinem Partner überwältigt zu werden, ignorierte Marco daher das Gezappel und stellte sich taub für jeden Protest.
Wenig überraschend streifte Marcos Hand eine verräterische Erektion, als er Dragos Reißverschluss nach unten zog. „Hmm, was haben wir denn hier?“ Er legte seine Finger darum. „Kann es sein, dass du es eigentlich dringend nötig hast, so übers Bett geworfen und durchgenommen zu werden?“
Ein Schauder ging durch Drago.
„Dachte ich mir. Du willst das hier. Du brauchst das hier. Du brauchst mich, tief in dir, bis du an nichts anderes denken kannst.“
Begleitet von einem weichen Seufzen erstarb Dragos Gegenwehr.
Marco tätschelte seinen Po. „So ist’s brav.“ Ohne seine Hand von dessen Erektion zu nehmen, zerrte er Dragos Hose nach unten, und fischte das Kästchen unter seinem Bett hervor, in dem sich Kondome und Gleitmittel befanden. Das hier würde nicht zärtlich und verspielt werden.
Mit jedem ihrer Treffen lernte Marco besser abzuschätzen, wann Drago nach Härte verlangte, und wann er Achtsamkeit brauchte. Er lernte, wie Dragos Körper reagierte, wenn er bereit war, Marco in sich aufzunehmen; und wie stark die Grenze zwischen Verlangen und Schmerz bei ihm verwischen konnte.
Heute tanzte Marco auf dieser Schneide, beobachtete Dragos Mimik, lauschte seinem Keuchen, achtete auf seine Hände, die sich zu Fäusten ballten und wieder öffneten; spürte, wie sich der Körper anfühlte, der ihn umschloss. Beim ersten Stoß entkam Drago ein Ächzen, laut und ursprünglich, beim nächsten presste er eine Hand gegen seinen Mund, bemüht, Marcos Nachbarn nicht zu wecken. Süß.
Diesen guten Vorsatz hielt er fast bis zum Ende durch, doch als Marco Dragos Erektion umfasste, den Daumen über die Spitze kreisen ließ und ihn aufforderte, zu kommen, brach seine Zurückhaltung.
Drago kam. Ungezügelt ergoss er sich in Marcos Hand, jeder Versuch, sich zu kontrollieren, aufgegeben. Er bebte unter Marco, mit zuckenden Muskeln und atemlosem Keuchen, das in tonloses Wimmern überging. Unmöglich für Marco, seinen eigenen Höhepunkt noch länger hinauszuzögern.
Schnaufend sank er auf Drago herab, begrub ihn unter seinem Gewicht. So eng aneinandergepresst, hörte er das Hämmern ihrer kombinierten Herzschläge und gab der Versuchung nach, seine Finger durch Dragos fedriges Haar gleiten zu lassen, die Spitzen feucht von frischem Schweiß. Erst, als Drago unruhig zu werden begann, löste sich Marco widerwillig von ihm, trennte ihre Körper, und tastete nach der Küchenrolle, die er ebenfalls unter dem Bett lagerte.
Im Gegensatz zu den letzten Malen verschwand Drago nicht unverzüglich ins Badezimmer, sondern gab sich Marcos Händen hin, die ihn sanft von Gleitgel und Körperflüssigkeiten befreiten. Vollkommen entspannt, als hätten sämtliche Knochen seinen Körper verlassen, ließ er sich aufs Bett bugsieren, wo er reglos liegenblieb. Schmunzelnd schloss Marco den Vorhang, um Drago einige Augenblicke für sich selbst zu geben.
Er sammelte derweil die verstreuten Stifte vom Boden und ordnete den Schreibtisch, ohne Dragos Arbeitsmaterialien durcheinanderzubringen. Als er wenige Minuten später durch die Vorhangöffnung lugte, entdeckte er Drago so, wie er ihn zurückgelassen hatte. Auf dem Bauch liegend, Arme und Beine von sich gestreckt und, wenn man dem leisen Schnarchen Glauben schenken durfte, im Tiefschlaf. Keine Chance, sich dazu zu quetschen, jedenfalls nicht, ohne Gefahr zu laufen, ihn aufzuwecken.
Irgendwo zwischen amüsiert und resigniert deckte Marco Drago zu und machte es sich auf der Couch bequem. Zwanzig schlaflose Minuten später beschloss er, dass sie dringend eine bessere Lösung brauchten, falls Drago längerfristig bei ihm unterkommen sollte. Keiner ihrer Rücken hatte es verdient, so misshandelt zu werden. Eine weitere solche Nacht, gepaart mit neu zu verlegenden Böden am Tag, und er fürchtete ernsthaft, seine Knie und seine Wirbelsäule würden sich zusammentun und auf der Suche nach einem netteren Wohnort seinen Körper verlassen.
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„Marco!“
Dieser schreckte hoch. Schlaftrunken drehte sich zum Besitzer der Hand, die ihn an der Schulter rüttelte. „Hm?“
„Dein Wecker klingelt“, sagte Drago.
Erst jetzt registrierte Marco das hohe Schrillen. „Cazzo.“ In einem wenig erfolgreichen Versuch, sein Hirn zum Arbeiten anzutreiben, rieb er sich übers Gesicht. Gefühlt hatte er vor höchstens zehn Minuten die Augen geschlossen, was, wenn man bedachte, wie lange er sich rastlos auf der Couch gewälzt hatte, gar nicht so unrealistisch erschien. Es half alles nichts, er konnte kaum seinem Chef erklären, weshalb er zu spät kam.
Marco stolperte von der Couch, stieß sich den kleinen Zeh am Tisch und deaktivierte fluchend und auf einem Bein hüpfend den Wecker. „Muss ins Bad.“ Humpelnd verschwand er eben dorthin, um sich für die Arbeit fertigzumachen.
Etwa zehn Minuten später verließ er das Badezimmer deutlich gelassener, als er es betreten hatte. Sein Zeh wurde nicht länger von einem glühenden Eisennagel durchbohrt und da Drago ihn kurz nach dem Anschlagen seines Weckers von der Couch gescheucht hatte, war er zeitlich nicht einmal knapp dran. Zumindest nicht knapper als an allen anderen Tagen.
Im Wohnraum begrüßte ihn ein erneut blass und abgespannt aussehender Drago. „Warum hast du mich nicht geweckt?“
„Scusa? Ich wusste nicht, dass du noch vor mir aufstehen musst.“
„Nicht jetzt“, sagte Drago ungeduldig. „Gestern!“
„Äh … Weil du in meinem Bett gepennt hast?“
„Offensichtlich, ja.“
Marco zuckte mit den Schultern. „Wozu dich wecken, wenn du endlich schlafen konntest? Eine Nacht auf der Couch bringt mich nicht um, und ich käme mir ziemlich schäbig vor, wenn ich dir was zumuten würde, was ich selbst keine Nacht aushalte.“
Leise schnaubend wandte sich Drago ab und verlor kein weiteres Wort, bis Marco zur Arbeit aufbrach.
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„Bin zuhause“, begrüßte Marco Drago, als er seine Wohnung betrat. Stille antwortete ihm. „Im Gegensatz zu dir, offensichtlich.“
Mehr als das, Dragos Sachen fehlten. Keine Sporttasche neben der Couch, keine Jacke außer Marcos an der Garderobe, und der Arbeitstisch sah aus, als hätte nie jemand anderes als er daran gesessen.
Dafür stand eine teuer wirkende Flasche Wein auf seinem Küchentresen, an der sein Zweitschlüssel und ein Zettel lehnten. Marco hob letzteren auf und las. In einer Handschrift, die exakt so aussah, wie er sie erwartet hätte – präzise und mit einer Symmetrie, die sie beinahe gedruckt wirken ließ – informierte Drago ihn, dass er zu seinem Onkel gezogen war. Dem folgte ein Dank für die Schlafmöglichkeit und eine Entschuldigung für die vergangene Nacht.
Mit einem Seufzen legte Marco den Zettel zurück. Natürlich hatte Drago die letzten beiden Tage nur aus der Not heraus bei ihm verbracht und von Anfang an geplant, bei seinem Onkel unterzukommen, trotzdem fühlte Marco Enttäuschung in sich aufwallen. Er merkte, dass er absolut nichts dagegen gehabt hätte, dieses Arrangement noch eine Weile beizubehalten.
Genervt von sich selbst schüttelte er den Kopf. Er sollte froh sein, dass Drago eine andere Unterkunft gefunden hatte. Ihre Situation war kompliziert genug und ihn bei sich wohnen zu lassen, sorgte nur für weitere Probleme.
All das verstand Marco. Die Leere in seiner Wohnung nagte dennoch an ihm.
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Autorenkommi:
Hey :) Ich hoffe, ihr habt schöne Weihnachtsfeiertage genossen bzw. genießt sie noch! Ich möchte mich an dieser Stelle mal wieder für die vielen lieben Kommentare bedanken, die ich erhalte. Jeder einzelne davon versüßt mir absolut den Tag! Also: Vielen Dank fürs Liken, Kommentieren und auch einfach nur Lesen von Weich wie Stahlbeton! Und sorry, dass die Kapitel zurzeit immer mal wieder mit Verspätung kommen. Ich habe nicht einmal eine gute Ausrede, außer den Fehler gemacht zu haben, mit Baldur’s Gate 3 anzufangen …
Kommt gut ins neue Jahr!